Archiv der Kategorie: Theater

Frauenversteher in Britz

Sommeroper mit »Don Giovanni«

Wenn ein Wurm gro­ßen Hunger verspürt und nichts weiter zu essen da ist als eine Partitur, dann ist wieder Sommeroper-Zeit in Britz. Die Ouvertüre von »Don Giovanni« hat der Wurm gefressen, also fängt der Maestro mit dem zweiten Stück an.
»Don Giovanni«, ein Weiberheld der Extraklasse, der sich hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckt und in brenzligen Situationen gerne mal seinen Diener Pasquariello vorschickt, lässt nichts anbrennen.
Dummerweise macht der selbsternannte Frauenversteher nicht davor Halt, jeder Angebeteten einen Heiratsantrag zu machen. Während Pasquariello mal wieder alles ausbügeln muss, vergnügt sich Don Giovanni schon mit der nächsten. Donna Elvira, seiner Verlobten, gefällt das eher weniger. Von Pasquariello bekommt sie eine genaue Liste der Damen, die ihr Mann schon beglückt hat. Da Papier anscheinend schon damals teuer war, sind die Namen auf des Dieners Körpers geschrieben, und Donna Elvira bekommt einen Gratisstrip der individuellen Sorte.
Der Rest ist schnell erzählt: Der hochmütige Gigolo schleicht sich mit Pasquariello auf den Friedhof und lädt die Statue des Komturs ein, den er zuvor hinterhältig getötet hat, in seinem Haus mit ihm zu dinieren. Entgegen seinen Erwartungen stimmt die Steinskulptur zu und taucht tatsächlich auf. Don Giovanni gibt sich gelassen, auch als ihn die Statue im Gegenzug zum Essen einlädt. Doch plötzlich bleibt ihm das Lachen buchstäblich im Hals stecken.
Die Sommeroper war wieder ein Gaumenschmauß mit hervorragenden Sängern und Musikern. Das Bühnenbild war einfach gehalten und erfüllte genau seinen Zweck: die Sänger standen im Vordergrund und der Zuschauer konnte sich voll und ganz auf das Geschehen konzentrieren, ohne von Kleinigkeiten abgelenkt zu werden.

cr

Sultaninen

Improvisationen zur Gentrifizierung

Mit ihrem neuesten Stück zeigten die »Sultaninen«, das »Theater der Erfahrung«, ihre Improvisationen zur Gentrifizierung. Sie bedienten sich der Technik des Mitmachtheaters. Am 21. November zeigten sie ihre Schauspielkunst im Nachbarschaftsheim »Mittendrin«.

In dem Stück wird in wenigen Szenen der Verkauf von Wohneigentum dargestellt. Der Zuschauer erfährt dabei die grausame Wirklichkeit von Techniken der Entmietung. Dann wurde die Mitarbeit der Zuschauer gefordert. Die Schauspieler fragten das Publikum nach Ideen zur Lösung des Problems bei Entmietungen.

Daran nun fehlte es ganz und gar nicht. Von der Organisation im Mieterverein bis hin zum aktiven Widerstand gegen Hauseigentümer war so ziemlich alles dabei, wie sich Mieter gegen die Verdrängung wehren können. Die Ideengeber wurden in die improvisierten Szenen eingebunden, sie fanden sich auf der Bühne wieder und konnten dort eigene Erfahrungen und Lösungsvorschläge spielerisch mit einbringen.

Diese Form des »demokratischen Theaters« hat seine Wurzeln in den USA. Hierbei bedienen sich die Bürger ihrer demokratischen Grundrechte. Sie haben bei dieser Form von Theater die Möglichkeit, ihre Sichtweise der Dinge, integriert in improvisiertes Theater, darzustellen.            oj

Die Wucht in Tüten

Christoph Schmidtke, »der zerfallene Engel« erschien in der Aky-Lounge

»Ich selbst als Subjekt bin nicht existent«. Der »zerfallene Engel« sitzt am Schreibtisch und schreibt diesen ersten Grundsatz des Zen vor sich hin und zwar in jede einzelne Spalte seiner Steuererklärung.

Das Publikum kann sich leicht vorstellen, wie das Finanzamt reagiert, es biegt sich vor Lachen. Christoph Schmidtke begeisterte am 10. November in der »Aky-Lounge« mit seinem neuen Soloprogramm. Ausgestattet mit Engelsflügeln führte er die Zuschauer durch eine Welt skurriler Gedankengänge: Er beneidet die Lesbenberatung, in der auch nachts noch das Li cht brennt. Die Lesbe wird beraten, er nicht. Trotz allem gibt es Hoffnung für ihn, denn wenn die Lesbe Trost findet, so gibt es bestimmt auch bald einen Platz der Zuversicht für ihn.

Der Engel und sein Pianist.Foto: mr
Der Engel und sein Pianist.                                Foto: mr

Vor Einsetzten der großen Traurigkeit gibt es das Rezept für ein schönes Leben. Es gibt so viele Busse in der Stadt, einfach einsteigen und in das schöne Leben fahren.

Der zerfallene Engel hat jedoch ein großes Problem. Während alle anderen unter Burn-Out, Depressionen und Lebenskrisen leiden, geht es ihm gut, einfach nur gut. Er ist ein »echt toller Typ, der versucht, so zu werden wie du«. Das macht ihn zum Außenseiter. Er ist aber ein soziales Wesen und sucht Anschluss  an alle Menschen, die nicht glücklich sind.

Intelligente Gedankengänge, das Leben auf die Schippe genommen, bleibt kein Auge in der »Aky-Lounge« trocken.
Die musikalische Begleitung von Paul Schwingenschlögl auf dem Keybord und Flügelhorn, manchmal sogar beide Instrumente zusammen, sorgen für ein rundes Arrangement.

Viel zu früh endet das Programm in der »Aky-Lounge«, die wie geschaffen ist für den »zerfallenen Engel«. Aky, Betreiber der Lounge   freut sich auf weitere Vorstellungen  des Engels.    oj

Wilhelm Busch in der Kneipe

Die »Obmollocs« im »Ma Thilda«

Wer den Namen Wilhelm Busch hört, denkt unweigerlich an Max und Moritz, Witwe Bolte oder Lehrer Lämpel. Aber dass der Dichter nicht nur in schnurrigen Reimen über die bösen Streiche der Lausbuben erzählt, beweisen die »Obmollocs« in ihrer lyrisch-musikalischen Szenenlesung.

Ein Paar, Manix und Yana, streitet und debattiert miteinander. Dabei verwenden sie ausschließlich Gedichte von Wilhelm Busch. So geht es etwa um die Vorzüge von Einsamkeit oder Zweisamkeit: »Wer einsam ist, der hat es gut, weil keiner da, der ihm was tut.« Andererseits ist auch das Wirken der fleißigen Hausfrau nicht zu verachten: »Es wird mit Recht ein guter Braten gerechnet zu den guten Taten.« So geht es munter weiter, durch die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen, dass dem Zuhörer manches Mal das Lachen im Halse stecken bleibt.

Für die Premiere ihrer Lesung haben sich die »Obmollocs« das »Ma Thilda« ausgesucht, eine hübsch gemütliche Raucherbar und Kleinkunstbühne in der Wildenbruchstraße 68.

Manix und Yana.Foto: mr
Manix und Yana.                                                  Foto: mr

Volker Schöneweiß hat das Lokal im April übernommen und erst einmal die Inneneinrichtung, die zum Teil noch aus den Zwanziger-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, aufwendig und liebevoll restauriert. Den Fußboden hat er von mehreren Schichten Farben und Linoleum befreit und die schönen alten Dielen freigelegt. Die Bar mit ihren Ornamenten erstrahlt in neuem Glanz. Sogar an so hilfreiche Kleinigkeiten wie Haken an der Theke, an die die Damen ihre Handtaschen hängen können, hat er gedacht.

Die Getränkekarte ist übersichtlich  und von guter Qualität. Die besonderen Spezialitäten sind Absinth und Pisco, ein Weinbrand aus Chile. Der schmeckt pur, aber auch als Longdrink mit Rhabarbersaft sehr gut.

Der Auftritt der »Obmolllocs« wird nicht der letzte gewesen sein. Zukünftig sind regelmäßige Singer/SongwriterKonzerte geplant, dazu Kabarett, Slampoetry, Lesungen, Theater und Liveimprovisationen.      mr
Ma Thilda, Wildenbruchstraße 68, Dienstag bis Sonntag ab 19:00 Uhr geöffnet.