Archiv der Kategorie: Kultur

Reise in das Berlin vor 125 Jahren

Erinnerungen an eine zumeist noch friedliche Vaterstadt

Herbert Friedrich Witzel hat das Programm seines kleinen Neuköllner »worttransport«-Verlags um eine geschichtlich hochinteressante Preziose bereichert. Im Rahmen seiner Recherchen zum im 19. Jahrhundert in Rixdorf lebenden und auf dem »Neuen Jacobi-Friedhof« begrabenen Philosophen und Bibelkritiker Bruno Bauer stieß er auf dessen Patenkind Agathe Nalli-Rutenberg. Die 1838 auf der Fischerbrücke geborene Schriftstellerin ist die Tochter von Adolf Friedrich Rutenberg, eines Freundes von Karl Marx und Chefredakteur der »National Zeitung«. Sie war Lehrerin in Schöneberg, reiste viel durch Europa und heiratete in Italien den Römer Fausto Nalli, blieb ihrer geliebten Heimatstadt aber stets treu verbunden.
1907 schrieb sie erstmals ihre Erinnerungen an und als »Mein liebes altes Berlin« auf, 1912 folgte die verbesserte Neu-Ausgabe »Das Alte Berlin«, die nun, von Witzel aus der Frakturschrift übertragen, sanft redigiert und klug bebildert, in seiner »A&O-Reihe« (Aufgefrischte Originaltexte) und natürlich als »Buch ohne Eselsohren« eine bibliophile Wiedergeburt erlebt. Reise in das Berlin vor 125 Jahren weiterlesen

Einblicke in Müll und Werkstätten

Neue Ausstellungen in der »Galerie im Saalbau«

Der Titel »Ersatz Teile Körper« ist auf den ersten Blick ein wenig irreführend, denn bei der neuen Ausstellung in der »Galerie im Saalbau« geht es nicht um Ersatzteile für den menschlichen Körper.

Schrauber bei der Arbeit.      Foto:mr

Es geht hier eher um die Transformation von Dingen. Dabei geben die beiden Künstlerinnen Ingeborg Lockemann und Birgit Schlieps Einblicke in Welten, die sonst eher verborgen bleiben.
Ingeborg Lockemann untersucht legale und illegale Mülldeponien in Brandenburg. Berliner Abfälle landen seit jeher in Brandenburg, seit der Wende ist das Land jedoch auch Ziel internationaler Müllentsorgungen. Einblicke in Müll und Werkstätten weiterlesen

»Tief verwurzelt«

Galerie im Körnerpark stellt Schätze aus

Die Galerie im Körnerpark wurde 1983 eröffnet, als erste kommunale Galerie in Berlin. Neben zeitgenössischer Kunst liegt der Schwerpunkt in der Ansicht von Frauen in der Kunst.

Fossilien aus der Kiesgrube.   Foto: mr

Die jetzige Ausstellung »Tief verwurzelt« wurde von zwei Frauen kuratiert. Zum einen Sonja Schönberger, die unter dem Titel »Pflaumenbaum« die Geschichte von Franz Körner (1838-1911) thematisiert. Der Körnerpark ist eine ehemalige Kiesgrube von Franz Körner. Es geht in der Ausstellung um Steine. Die andere Künstlerin Silvina Der–Meguerditchian behandelt das handgeschriebene Notizbuch ihrer Urgroßmutter, das 300 Heilpflanzen aus Anatolien beschreibt. »Tief verwurzelt« weiterlesen

Das zweite Leben der Dinge

Objekte mit Witz und Kreativität

Ob Orangenschalen, Tennisbälle, Bierdosen, Plastikflaschen oder Teebeutel – nichts ist sicher vor Rolf Reicht. Der Zahnarzt und passionierte Tennisspieler wuchs in Neukölln auf und schafft kleine Kunstwerke, die meist ein Schmunzeln beim Betrachter hervorrufen, zuweilen aber auch nachdenklich machen können oder einfach nur schön anzuschauen sind.

Rolf Reicht.Foto:     Luca Gefäller

Schon in der Schule entdeckte er seine kreative Ader, er sagt selbst, er habe das große Glück gehabt, einen Künstler als Kunstlehrer gehabt zu haben. Während des Studiums kamen Leute von der Va­gantenbühne auf ihn zu und fragten, ob er Lust hätte, Zahnkulissen herzustellen. Natürlich hatte er das, er stellte strassbesetzte, goldene und bunte Schienen für die Schauspieler des Stückes »Bella Ciao« her. Er machte auch Schmuck. Ein kurioses Stück ist ein Ring, den statt eines Edelsteins, ein Nierenstein seines Vaters schmückt. Schon zeitig probierte Rolf Reicht alles aus, jede Technik war ihm willkommen und wurde je nach Material genutzt. Er baut, malt, bastelt, schneidet, klebt, wie es ihm gefällt. Das zweite Leben der Dinge weiterlesen

Feldmusik

Tempelhofer Feld swingt auch klassisch

Ein Ohrenschmaus der besonderen Art war Ende Juli zu genießen. Die »Unibigband Berlin« und »Imperial College London« sind in einen klangvollen Wettstreit getreten. Klassik, Swing, Rock und Pop wurden meisterhaft gespielt zur Begeisterung zahlreicher Besucher.
Manche summten oder tanzten zu den wohltuenden Klängen, andere genossen das Konzert auf der Wiese liegend.

Battle of Big Bands.     Foto: Feldmusik.thf100

Organisiert wurde dieses besondere Tonerlebnis von den »THF 100%-Feldmusikern« und dem Verein »Haus 104«. Feldmusik weiterlesen

Sinti und Roma kämpfen für ihre Rechte

Eindrucksvolle Filme über die Überlebenden des Genozids

Es ist eine sehr aktuelle sehenswerte Dokumentation des Filmemachers Peter Kestler bis 21.10.22 in der 3sat-Mediatkek auf Sendung: »Unrecht und Widerstand – Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung«.

Romani Rose.    Foto: Rainer Komers / Strandfilm

Romani Rose, seine Familie, die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Bürgerrechtsbewegung stehen im Zentrum des Films »Unrecht und Widerstand«. Eindrucksvoll beschreibt der Film ihren jahrzehntelangen mutigen wie beharrlichen Widerstand gegen die Ungleichbehandlung sowie den Kampf um die Anerkennung des an ihnen verübten Genozids. Als Überlebende des Völkermords, der von der deutschen Bundesregierung erst 1982 offiziell anerkannt wurde, waren und werden sie von staatlichen Behörden und der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert und ausgegrenzt. Bis in die späten 1970er Jahre wurden die Täterinnen und Täter des Völkermords nicht zur Verantwortung gezogen. In einflussreichen Ämtern und Funktionen in Polizei, Justiz, Kirche und Universitäten erhielten sie vielmehr die Gelegenheit, die Überlebenden als Kriminelle zu verleumden und sich selbst zu rehabilitieren. Zudem verfestigten sie das stereotype Bild der Minderheit in Staat und Gesellschaft und trugen wesentlich zur jahrzehntelangen Nichtanerkennung des an Sinti und Roma begangenen Völkermords bei. Sinti und Roma kämpfen für ihre Rechte weiterlesen

Musikalischer Erlebnisparcours

Ein Spiel mit den Elementen für Sehende und Nichtsehende

Wie nehmen nichtsehende Menschen ihre Umgebung war? Welche Sinne sind mehr oder anders ausgeprägt? Und wie fühlt es sich als sehender Mensch an, nichts mehr zu sehen?

Kieseltraining.      Foto: jr

Andrea Heuer und Henrike Baum­gart haben zusammen mit der Musikerin Silke Lange ein Projekt entwickelt, gefördert vom Berliner Projektfonds »Urbane Praxis DRAUSSENSTADT Call for Action«. So entstand ein Erlebnisparcours, der um die vier Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde kreist. Andrea, Theaterpädagogin und Schauspielerin, wird zu Frau Itzenblitz und Henrike, Sängerin und Performerin, wird zu Unku Blau; die beiden führen die Teilnehmer durch den Parcours, die Musikerin begleitet und mischt sich akustisch in den Ablauf ein. Musikalischer Erlebnisparcours weiterlesen

Das Zischen der Jazzbesen

Fünfter März

Die Zeit flutet über mich,
Der Wahnsinn schleicht,
Das Schlafzimmer Durcheinander,
Die schreienden Wände,
Rufen wieder auf die Straße,
allein um zu sterben,
und die Love Brigade los zu werden,
Kopf und Herz bei mir,
Ein Schatten legt einen guten Tanz hin zur Musik am Set,
Ich bin stets der erste und letzte der vergisst,
und bleib doch mitten drin.
Dean Reeve Das Zischen der Jazzbesen weiterlesen

»48 Stunden Nowosibirsk«

Eine letzte Bastion kritischer Diskurse

Immer wieder Krieg.     Foto: mr

»48 Stunden Nowosibirsk« ist das sibirische Partnerfestival zu »48 Stunden Neukölln«, ein Festival für zeitgenössische Kunst, das bisher zwei Mal mit zuletzt mehr als dreihundert Künstlern an mehr als vierzig Orten in Russlands drittgrößter Stadt durchgeführt wurde. Das Projekt bietet der lokalen Szene Nowosibirsks eine Plattform und vernetzt sie mit Akteuren aus Deutschland, um der Marginalisierung der zeitgenössischen Kunst, die in Russland oft als degeneriert diffamiert wird, entgegenzuwirken.
Ansätze dieser Art sind in Russland, wo künstlerische Freiräume gerade an großen Institutionen seit Jahren beschnitten werden und nunmehr kaum noch existieren, besonders relevant. ­Selbstorganisierte Initiativen sind letzte, prekäre Bastionen kritischer Diskurse und Praktiken.
Nachdem Neuköllner Künstler 2019 und 2021 in Nowosibirsk zu Gast waren, stellen jetzt sibirische Künstler in der Neuköllner »Galerie im Saalbaau« aus. »48 Stunden Nowosibirsk« weiterlesen

Betonung der Körperlichkeit

Der Ursprung des Lebens ist Kunst

Im Rahmen von »48 Stunden Neukölln« wurden drei bemerkenswerte Ausstellungen im Atelierformat eröffnet, durch den »Kunstverein Neukölln«, in der »Pequod Books« und im »Atelier Corazón Verde«.
Alle drei ­Kunstangebote vereint die Betonung der Körperlichkeit und die Suche nach Antworten aus einer bedrängenden Situation.

Nova. Teamarbeit von Jennifer Jennsel und Willi Büsing

»Die Ausstellung »Rescue Rituals« versammelt Arbeiten aus den Bereichen Video, Fotografie und Zeichnung, die mit besonderen rituellen Handlungen unter Einsatz des eigenen Körpers verbunden sind,« heißt es treffend in der Ankündigung des »Kunstvereins Neukölln«. Barbara Caveng präsentiert ausgewählte Fotografien ihrer Serie »daily wounds«. Betonung der Körperlichkeit weiterlesen

40 Jahre »Fête de la Musique« in Berlin

Kommt raus und macht Musik!

Nach zwei Jahren als Online-Festival bringt die »Fête de la Musique« zum Sommeranfang 2022 wieder Publikum und Musizierende real zusammen.


Also: Den Staub von den Instrumenten pusten, die Übungsräume durchlüften und das Gefühl genießen, wieder vor und für Menschen zu spielen. Open Air, im Club, in Universitäten, in heiligen und profanen Häusern, in und auf Sternwarten, an Kiez-Ecken oder beim Discounter – ohne Eintrittsbarriere kommen Menschen am längsten Tag des Jahres wieder zusammen und feiern das Fest der Musik.
In die bewegten Beats mischen sich aber auch nachdenkliche und solidarische Töne, wenn wir geflüchteten Musikern eine Bühne bieten und zeigen, dass Musik eine starke Waffe für ein friedliches Zusammensein ist.
Die vom Senat für Kultur und Europa seit 2018 direkt verantwortete »Fête de la Musique« hat in diesem Jahr Neukölln mit Fokus auf die Gropiusstadt als Partnerbezirk ausgewählt.
Am 21. Juni 2022, dem Tag des Sommerbeginns, können Sie in Neukölln und seinen Ortsteilen sowie berlin- und europaweit an ungezählten Plätzen das vielfältigste und nachhaltigste Musikprogramm des Jahres erleben. 40 Jahre »Fête de la Musique« in Berlin weiterlesen

Vom Skateboardstar zum Streetartkünstler

Schloss Britz zeigt Werke des US-amerikanischen Künstlers Danny Minnick

In den USA und England gehört er zu den gefragtesten Nachwuchskünstlern. Jetzt ist Danny Minnick auch in Berlin angekommen. Unter dem Titel »My Own Privat Paradise« sind im Schloss Britz bis zum 21. August Werke des Künstlers zu sehen, die während der letzten beiden Jahre entstanden sind.

Minnicks Knochenmann.   Foto: mr

Zu sehen sind imposante großformatige Leinwandarbeiten in knalligen Farben, die Pop-Art, Street-Art und Graffiti, abstrakte und symbolische Elemente miteinander verbinden, aber auch diverse Schwarz-weiß-Werke, die häufig Knochenmänner mit Pluszeichen auf Hüft­höhe zeigen, eine Art Markenzeichen in Minnicks Wandbildern. Ein solcher Knochenmann ist auch auf einer eigens für diese Ausstellung gestalteten Fahne zu sehen, die während der Ausstellungseröffnung über dem Schloss aufgezogen wurde. Vom Skateboardstar zum Streetartkünstler weiterlesen

Wer hat etwas zu erzählen?

Der Britzer Gesprächskreis sucht Geschichten

Interessierte Britzer treffen sich seit 2007 mit dem Ziel, Erlebnisse heutiger und ehemaliger Bewohner anzuhören und, um sie zu bewahren, diese Geschichten auch aufzuschreiben.


Daraus entstand bereits 2011 das erste Heft mit dem Titel »Britzer erzählen aus ihrer Siedlung«. Zum 10-jährigen Bestehen des Gesprächskreises erschien 2017 das zweite Heft »Britzer erzählen – Teil 2«.
Beide Hefte stießen auf so großes Interesse, dass nun ein drittes Heft erscheinen soll. Dazu werden noch weitere Britzer Geschichten, vielleicht ja auch Ihre gesucht.
Wir treffen uns jeweils am zweiten Mittwoch im Monat um 15:30 Uhr in der »Seniorenfreizeitstätte Bruno Taut« im Hufeisengebäude in der Fritz-Reuter-Allee 50. Oder kontaktieren Sie uns per Telefon oder per E-Mail. Wir freuen uns auf Sie und Ihre Geschichten!
Ihr Britzer Gesprächskreis
E-Mail: britzer.kreis@gmail.com
Telefon: 01578 / 1945690

Theater machen

Mitspieler willkommen

Wer aufmerksam durch Neukölln geht, denkt sicher oft, dass hier schon viel zu viel Theater um alles Mögliche gemacht wird.
Wer sich allerdings die Frage stellt, ob das Theater die Welt ändern kann, der merke jetzt auf. Hier werden Menschen gesucht, die Lust haben, sich auf der Bühne auszuprobieren. Es entsteht gerade eine Theatergruppe, die noch Mitspieler sucht. Das Ganze wird ein Amateur-No-Budget -Projekt.
Gesucht werden: Menschen ab 18, die Lust auf Theaterkunst haben. Menschen, die Lust haben, mit neuen Formen des Ausdrucks zu experimentieren. Menschen, die es auf die Bühne zieht. Experimentieren mit Stimme, Körper und Geist. Der Seele, dem Verstand und dem Körper einen neuen Ausdruck geben!
Ein aktuelles Stück existiert schon und soll im Mittelpunkt der Arbeit stehen.
Die wesentliche Sprache des Stücks ist Deutsch, aber es können alle Sprachen eingewoben werden.
Neben Mitspielern sind natürlich auch andere Akteure willkommen. Für eine Inszenierung gibt es immer eine Menge zu tun: Kostüm, Maske, Bühnenbild und vieles mehr.
Alle weitere Fragen klären wir gerne in einem Gespräch.
Wer sich angesprochen fühlt, schicke bitte eine Mail an
info@shadesneukoelln.de

pm

Ohne Eselsohren, aber mit Ecken und Kanten

Neues aus Herbert Friedrich Witzels kleinem Verlagsuniversum

Über »Buchgestalter, -hersteller und -verleger« (Eigenbezeichnung) Herbert Friedrich Witzels mitunter unberechenbares, buntes Verlagsprogramm, das der bibelfeste und streitbare Warthestraßenbewohner aus seinem heimischen Rixdorfer Verlag wissbegierigen und humorfesten Lesern in die Welt schickt, hatten wir schon im Mai 2021 berichtet. Doch Witzel teilt unermüdlich seine neuen wie gereiften Entdeckungen und »Einladungen ins Reich des Geistes«.

witzels neue Erhellungen.     Foto: hlb

So und in persona, samt Songs und schon legendärer »Ur«-Suppe, auf seiner vierteljährlichen »Bunten Bücherbühne« (in der Kreuzberger Marthakirche, wenige Meter oberhalb der Thielenbrücke des Landwehrkanals). Für Fans des »Worttransport« wird dort stets ein signiertes und durchnummeriertes »Vierteljahrbuch« vorgestellt, das Auszüge aus dem »worttransport«-Programm, Fremdtexte und – wie bei Witzel oft eingesetzte – handschriftliche Kommentare und Ausführungen versammelt und mit unorthodoxer, meist augenzwinkernder Gestaltung zu einem individuellen Machwerk wird.
»Nicht nur Provokationen, sondern stabile Qualität für die Zukunft« umschreibt Witzel das Verlagskonzept seiner Buchinhalte. Ohne Eselsohren, aber mit Ecken und Kanten weiterlesen

Profitgier beeinflusst das Klima

Einblick in den Zusammenhang von Natur und Wirtschaft

Klimawandel kommt nicht von ungefähr. Er ist verknüpft mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zwischen den Menschen und den wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen gelebt und produziert wird. Wer über das Klima spricht, sollte über das Kapital nicht schweigen. Valeria Bruschi und Moritz Zeiler haben bei »Dietz Berlin« einen Sammelband von verschiedenen Artikeln und Essays herausgegeben. Es entsteht beim Lesen ein interessanter wissenschaftlich fundierter Eindruck über die Ursachen und Folgen des weltweiten Klimawandels. Vor allem fällt der Blick nicht eurozentrisch aus, sondern umspannt auch die Auswirkungen in den ärmeren Regionen der Erde. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Artikeln der Versuch, Karl Marx und seine Analysen vor allem in seiner dreibändigen Schrift »Das Kapital« zu aktualisieren. Profitgier beeinflusst das Klima weiterlesen

Wie der Fußball nach Deutschland kam

Vortrag über den Fußballpionier Walther Bensemann

Eigentlich sollte bereits am 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 2020 ein zweitägiges Freundschafts-Jugendfußballturnier stattfinden, ausgerichtet vom »BSV Grün-Weiss Neukölln 1950 e. V.« und dem »TSV Rudow 1888 Berlin e. V.«.
Coronabedingt musste es ausfallen. An Pfingsten wird es nun nachgeholt.
Insgesamt werden am 4. und 5. Juni von 9:00 bis 14:30 auf den Sportanlagen in der Johannisthaler Chaussee 125 und der Neuköllner Str. 277 18 internationale Mannschaften mit Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren gegeneinander antreten.
Das Turnier trägt den Namen: »Tournament of Peace – in memoriam Walther Bensemann«.

Der Autor.      Foto: mr

Wer dieser Mann war, erzählte am 15. Mai im »Zentrum Dreieinigkeit« der Autor Bernd M. Bey­er, der unter anderem den biografischen Roman »Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte« geschrieben hat, in dem er die schillernde Persönlichkeit Walther Bensemanns lebendig werden lässt und einen Einblick gibt in jene Zeit, in der das Fußballspiel zum deutschen Volkssport aufstieg. Wie der Fußball nach Deutschland kam weiterlesen

Ein Zeichen für Solidarität

Zeichnungen für den Frieden

Dirk Müller studierte Architektur an der Beuth-Hochschule. Er arbeitete als selbstständiger Entwurfs- und Designarchitekt. Heute arbeitet er für die öffentliche Hand und berät bei der Realisation von Schulbauten.
Aber er ist auch ein gestaltender Künstler, der ein Projekt gestartet hat, um die Menschen in der Ukraine zu unterstützen.

Zeichnung: Dirk Müller

Kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine hat er ein Bild gemalt, bestehend aus fünf Tafeln zum Thema Frieden – PEACE. Jede Tafel zeigt ein Segelschiff mit einem blau-gelben Segel, das einen sicheren Hafen ansteuert. Geleitet werden die Schiffe immer durch einen Leucht- beziehungsweise Fernsehturm. Bei dem Original im DIN A4 Format handelt es sich um eine Graphitzeichnung, die nachträglich mit Aquarellfarben koloriert wurde. Ein Zeichen für Solidarität weiterlesen

Klassenjustiz

Buchrezension von Anne Seeck

»Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich« heißt das 270-seitige Buch des promovierten Juristen und Redakteurs der Süddeutschen Zeitung Ronen Steinke. Der Autor zeigt systematische Ungerechtigkeiten im Strafsystem auf. Einkommensarme Menschen, die schwarzfahren oder einen kleinen Ladendiebstahl begehen, werden hart bestraft. Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität werden dagegen eingestellt oder es wird milde geurteilt. Ronen Steinke recherchierte bei Staatsanwält*innen, Richter*innen, Anwält*innen und Verurteilten. Dabei geht der Autor in verschiedenen Kapiteln die einzelnen Stationen der rechtlichen Verfahren durch. Er beschreibt die Rolle der Anwält*innen, untersucht Urteile (zum Beispiel die Bedeutung verhängter Geldstrafen) und analysiert die Auswirkungen der U-Haft und von Gefängnisaufenthalten. Nach den Kapiteln zur Wirtschafts- und zur Elendskriminalität legt er schließlich Ideen vor, wie es gerechter zugehen könnte. Klassenjustiz weiterlesen

Beschützen in Kriegszeiten

Menschen im Krieg.       Druck: Anna Khodkova und Kristina Yarosh

Freundschaften mit ukrainischen Künstlerinnen

Anna ist in Kiew und behütet die Druckpresse und das Atelier. Kristina ist mit ihrer Freundin in Lviv und halbwegs sicher.
Die Verbindung von hier nach Kiew ist dicht. Wir trafen uns 2013, sprachen über unsere künstlerische Arbeit, über getrocknete Quallen, Zeichnungen und Knochen von toten Tieren – und nach fünf Minuten ist eine Seelenverwandschaft entstan­den – das mag merkwürdig klingen. Doch wir blieben in Kontakt, und es folgten Ausstellungen in Berlin und Kiew und eine andauernde Freundschaft. Beschützen in Kriegszeiten weiterlesen

Der Kasper feiert Geburtstag

15 Jahre Puppentheater am Böhmischen Platz

Seit 15 Jahren erfreut das Kasper-Theater am Böhmischen Platz in Rixdorf junge und alte Besucher. Am 20. März wurde mit einem Kinderflohmarkt und einer Open-Air-Vorstellung Geburtstag gefeiert.
»Es ist phantastisch, nach so langer Zeit wieder zusammen zu kommen«, freute sich Theatergründer Artur Albrecht. Den größten Spaß hatten dabei wohl die Kinder, die sich auch als Nachwuchspuppenspieler ausprobieren durften.

Artur und Kasper.        Foto: mr

Neben Kasper, Krokodil, Wachtmeister und Teufel hat Albrecht das politische Personal aus Neukölln am Start und ist mit seinen Puppen immer nah am politischen Geschehen im Bezirk. Damit knüpft er an die Traditionen des Puppenspiels an, das ursprünglich von den Jahrmärkten kommt und früher eher für die Erwachsenen gedacht war. Der Kasper konnte in seinem Spiel nämlich ganz wunderbar die Obrigkeit kritisieren. Der Kasper feiert Geburtstag weiterlesen

Tango, Theater und Berliner Schnauze

»PianLOLA« feiert Premiere im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt

Der Name »PianLOLA« hat nichts mit einem Pianola zu tun, denn »die fesche Lola« steht auf richtige Männer am Klavier und nicht auf Musik­automaten. Mit dieser Klarstellung begann ein höchst unterhaltsamer Nachmittag im Gemeinschaftshaus in der Gropiusstadt mit dem Duo »PianLOLA« und ihrem Programm »Das Casting«, das hier Premiere feierte.

Der Pianist mit seiner Muse.      Foto: mr

In der Rahmenhandlung geht es darum, dass Lola ihrem Partner Alois versprochen hat, mit ihm auf Tournee zu gegen. Als sie dann kalte Füße bekommt, weil sie ihr Dasein als Portiersche nicht aufgeben will, organisiert sie flugs ein Casting, um Ersatz zu finden. Tango, Theater und Berliner Schnauze weiterlesen

Klare Formen, tiefer Kern

Lutz Anders‘ Brückenschlag zwischen Künstler und Betrachter

Betrachtet man Lutz Anders bei der künstlerischen Arbeit, zieht schnell die Idee eines soliden Handwerkers auf. An seiner Boston-Tigelpresse von Hönig steht er konzentriert mit hochgekrempelten Ärmeln. Es scheint nur ihn und das Entstehende zu geben. Hier entwickelt der Künstler sein neues Werk – den Linolschnitt. Zuvor braucht es allerdings die Idee.

Lutz Anders.Foto: sl

Seine Inspiration bekommt Anders meist von imposanten Bauwerken, die durch klare Formen bestechen. Gern arbeitet er ausschließlich in schwarz und weiß. Diese drücken das Wesentliche aus und geben seiner Kunst eine minimalistische Note, die auf Schnickschnack verzichtet. »Die Farbe denk ich mir einfach weg.« erklärt der Künstler lächelnd, »so wird das Auge auf die Kernaussage gelenkt.«
Der gebürtige Neuköllner verarbeitet seit 1976 seine Ideen autodidaktisch in Zeichnungen, Fotomontagen und Collagen. Seit 2015 kamen die Linolschnitte dazu. Klare Formen, tiefer Kern weiterlesen

Großstadt Neukölln

Austellung bekommt eine zweite Chance

Das Museum Neukölln zeigte die Ausstellung »1920-2020 Großstadt Neukölln« bereits 2020 aus Anlass des 100. Jubiläums der Eingemeindung Neuköllns nach Berlin. Pandemiebedingt war ihr nur eine kurze Laufzeit beschieden. Jetzt bekommt sie eine zweite Chance.
Anhand von acht markanten Schauplätzen wie der Karstadt-Filiale am Hermannplatz, dem Tempelhofer Feld, der Gropiusstadt, dem Guts­hof und der Hufeisensiedlung wird gezeigt, wie sich die Stadt in den letzten 100 Jahren verändert hat.

Stadtpuzzle.     Foto: mr

Große Holzregale enthalten Würfel mit Fotos dieser Schauplätze aus unterschiedlichen Epochen, aus denen sich die Besucher wie in einem Puzzle historische oder aktuelle Bilder dieser Orte zusammenstellen können. Touchscreens neben den Regalen bieten detaillierte Informationen zur bewegten Geschichte der Orte und ihrer Bewohner.
Foto-Bausteine mit Bildern von Passagieren der U8, porträtiert von Leon Kopplow, ergänzen die Ausstellung. Auch sie können frei zusammengepuzzelt werden Großstadt Neukölln weiterlesen

Singen als Akt der Freiheit

Interkultureller Kiezchor fördert das Wunder der Stimme«

Eine Stimme zu haben scheint selbstverständlich. Doch ist es das wirklich? Was bedeutet es, eine Stimme zu haben, sie einzusetzen, hörbar zu werden für sich selbst und andere? Auf welche Weise kommunizieren wir mit anderen Stimmen? Unsere Stimme stellt eine Verbindung zwischen der physischen und psychischen Welt her, wir gebrauchen sie, um Gefühle auszudrücken. Wir können mit ihr Trost spenden, Zorn, Liebe, Not und Schmerz ausdrücken, verstanden werden oder Verständnis zeigen. Sie begleitet uns ein Leben lang, vom ersten Schrei bis zu den letzten Worten, sie behält ihre Unverwechselbarkeit immer bei, und doch erscheint sie uns mitunter fremd. Der neugegründete interkulturelle Kiezchor von Tal Koch und Irene Aselmeier geht eben diesen Fragen nach.

Die ersten Chormitglieder.     Foto: privat

Wie können wir den für uns richtigen Klang finden? Das Singen in der Gemeinschaft gibt die Möglichkeit, unsere Stimme als Instrument einzusetzen, ihre Individualität zu erleben mit all ihren Reichweiten und Farben. Dass miteinander Musizieren erweitert unsere Wahrnehmung für die Anderen und uns selbst. Dass Singen die Gesundheit erhält, ist allgemein bekannt. Doch darüber hinaus ist es auch ein Akt der Freiheit. Singen als Akt der Freiheit weiterlesen