Archiv der Kategorie: Kunst

Feld öffnet Gedenkraum

Posterserie »Partikel« verbindet das Gestern mit dem Heute

Eine Luftbrücke im Jahre 2021? Das gibt es – und zwar eine künstlerische. Kultursuchende und eine Kunstschaffende werden versorgt. Die Idee zu der Aktion hatte die fotografierende Künstlerin Dagmar Gester durch ihre Serie »Partikel«, die in ihrer Ausstellung »Nebeltage« zum Gedenken an 70 Jahre Luftbrücke 2018 im Museum Neukölln zu sehen war.


Gester erklärt dazu: »Partikel bezieht sich auf den Nebel auf dem Tempelhofer Flughafen, der das Starten und Landen der »Rosinenbomber« damals verzögerte. Partikel in der Luft erschwerten die Sicht. Zugleich ist er aber auch eine Referenz auf die Bilder meiner Spurensuche, die immer nur einen Teil des Ganzen zeigen. Feld öffnet Gedenkraum weiterlesen

»Mitten drin draußen – Ohne Obdach in der Stadt«

Ausstellung im Rathaus Neukölln

»Zelten vorm Vermieter«. Foto: Matthias Coers

Auf einer Neuköllner Hauswand prangt der Spruch: »Zu Hause bleiben kann nur, wer eins hat«. Diese wenigen Worte bringen die besonderen Schwierigkeiten von Obdachlosen in der Pandemie auf den Punkt. Eine Aufnahme des Spruchs und viele andere Fotos sind derzeit in der Ausstellung »Mitten drin draußen – Ohne Obdach in der Stadt« des Filmemachers und Fotografen Matthias Coers im Rathaus Neukölln zu sehen.
Mit Interviews und Fotos nähert sich Coers der Alltäglichkeit von Obdachlosigkeit in Berlin an – mit Blick auf die Obdachlosen und ihre Perspektive, aber auch auf die Perspektive engagierter Menschen in der Obdachlosenhilfe. »Mitten drin draußen – Ohne Obdach in der Stadt« weiterlesen

Janosch zieht die Notbremse im Schloss Britz

Umfangreiche Werkschau eines einzigartigen Begeisterers

»Einmal die Notbremse ziehen«, so beginnt ein abenteuerlicher Roman von Janosch. In einem anderen Buch geraten »Tiger und Bär in Straßenverkehr« auf der Suche nach der »Tigerente«, unterstützt von »Herrn Bibernase«. Wohl alle lesenden Erwachsenen sind als Kinder mit Janosch groß geworden, der die Fantasie auf unnachahmliche Weise anregt, und geben das an ihre Kinder weiter.

Geniale Kritzelei.    Janosch Film & Medien AG

Janoschs Geschichten wurden nicht nur verfilmt, sondern auch von vielen Kindertheatern aufgeführt. Der Autor dieses Artikels nahm selbst an einer Inszenierung teil und erinnert sich, dass dies ein außergewöhnliches Erlebnis war, denn das Publikum ging begeistert mit. Janosch zieht die Notbremse im Schloss Britz weiterlesen

Zwischen Bestimmung und neuen Visionen

Künstlerinnengespräch mit Maria Kossak im »Hungerkünstler«

Der »Hungerkünstler im Salon Renate« von Käse- und Jazzkneipengröße Georg Weishäupl und Sinnesfreuden-Entdecker Wolfgang Baumeister ist nicht nur heurigenartiges Weinbistro mit Jausenbrettern, Käsespätzle oder Überraschungsküche, sondern auch Kunstvermittlungsort und Galerie. Zu »48*h Neukölln« eröffnete hier die Berliner Künstlerin Maria Kossak ihre Ausstellung »FATE *N VISION 2020« beziehungsweise »Bestimmung–Vision«.

© KOSSAK work- n’ progress studio BERLIN

Sie versponn in Gestalt der Maria Magdalena ihre Haare in der Spindel eines zufällig von der Künstlerin entdeckten und sofort als Inspirationsobjekt geliebten Spinnrads und schlug damit Brücken über die Surrealität, die uns zwischen Kulturgeschichte, Mythologie, realer Zeitenwende, Krise und Zukunft begegnet. Zwischen Bestimmung und neuen Visionen weiterlesen

Fragile Zeiten im Körnerpark

Das zerbrechliche Verhältnis von Mensch und Natur

Die neue Ausstellung »Fragile Times« in der Galerie im Körnerpark beschäftigt sich mit dem zerbrechlichen, äußerst instabilen Verhältnis zwischen Mensch und Natur und fragt danach, wie Kunst einen Raum schaffen kann, in dem diese Beziehung auf neue Weise definiert wird. Dabei betrachten die beteiligten Künstler das Verhältnis zwischen Mensch und Natur mit ungewöhnlichen Mitteln.

Kokuspamenskulpturr.   Foto:mr

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht »Totem habitat«, eine lebende Skulptur aus Kokospalmen. Kokospalmen sind der Inbegriff tropischer Gewächse. Sie können aber auch große Mengen an Radioaktivität aus dem Boden aufnehmen und werden dadurch ungenießbar. So macht diese Arbeit darauf aufmerksam, wie Urangewinnung und Atomtests zur Zerstörung indigener Reservate und Kulturen beiträgt. Fragile Zeiten im Körnerpark weiterlesen

48 Stunden digital

Kunstfestival am Rechner und auf der Straße

Robert Tschöke, Astrophsik      IFoto: Ralf Deves

Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Ideen, das Kunstfestival 48 STUNDEN NEUKÖLLN schließt sich dem an. Unter dem Titel »BOOM #systemrelevant« findet das Festival in diesem Jahr vorrangig am Rechner und auf der Straße statt. Die Kunstpräsentation von etwa 220 Projekten ist in diesen Zeiten eine Herausforderung, aber auch eine große Chance, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet. So werden Ausstellungsbesuche und Künstlergespräche ins Digitale übertragen, Plakatwände und Schaufenster werden zu Ausstellungsflächen. Es wird digitale Führungen durch Studios und Ausstellungsräume, sowie Videokonferenzen und Konzert-Livestreams geben. Die Website des Festivals dient hierbei als Programmheft, das direkt zu virtuellen Entdeckungen einlädt und verlinkt. Der Bespielung des öffentlichen Raumes wird in diesem Jahr eine große Rolle zuteil. Mit Unterstützung der »Wall AG« können 75 Werbeflächen als Kunstflächen genutzt werden, viele Schaufenster werden zu Ausstellungsflächen. Also auf zur Reise durch die Neuköllner Kunstwelt – digital oder analog!

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Das Festival findet statt vom 19. bis 21. Juni.
www.48-stunden-neukoelln.de

Heilung der verwundeten Blume

Mexikanisch–deutsche Malerei – figurativ, phantastisch und expressiv

Das Bild zeigt einen liebevoll und ermutigend lächelnden älteren Mann, der seiner staunend zu ihm aufschauenden Enkelin einen Kunstmalerpinsel überreicht. Sie zögert mit der Annahme, da vielleicht eine gewisse von ihr zuvor noch nicht erfahrene Magie in diesem Pinsel liegt, wie im gesamten farbenprächtigen Atelier, und hält es für eine große Aufgabe, einen Pinsel in der Hand zu halten.

Das Geschenk.  Foto: Willi Büsing

Das Atelier wirkt wie ein Wintergarten. Draußen wachsen in hellem Sonnenschein schlanke grüne Pflanzen, die sich auf der in Arbeit befindlichen Leinwand widerspiegeln. Die Enkelin trägt ein bunt besprenkeltes Gewand auf hellem Grund, ihr Großvater ist in Blautönen gekleidet und sitzt auf einem Sessel, der ein Gesicht hat, eine lebendige Skulptur, die von Tradition spricht. Heilung der verwundeten Blume weiterlesen

Brasilien, Neukölln und Frauen

Vilson Sousa malt und kocht

Das größte ausgestellte Gemälde ist ein Prospekt über Vilson Sousas Geburtsland Brasilien. Das ganze Land wird symbolisch gespiegelt. Ein Indigener aus Amazonien eröffnet die bildliche Reise. Ein Bürohochhaus mit Fahrstuhl zeigt den Einbruch der Moderne an. Ein hohes Gebäude stellt die Hauptstadt Brasilia dar, die einem Flugzeug nach entworfen wurde. Danach kommen dampfende Schlote, die für die große Industriestadt Sao Paulo stehen. Auf dem virtuellen Weg nach Süden folgen Bäume, die von deutschen Siedlern gepflanzt wurden. Abschließend finden sich Rinder, getrieben von einem reitenden Gaucho.

Vilson im Weinladen. Foto: th

Der Prospekt zeigt Brasiliens Vielfalt. Schon dieses Bild strahlt farbliche Kraft aus, die den symbolischen Botschaften imposanten Ausdruck verleihen. Sousa bezeichnet sich treffend als »symbolischen Surrealisten«. Dabei benutzt er ausschließlich sechs Farben, aus denen er Mischtöne kreiert: Schwarz, Blau, Gelb, Rot, Karmin und Weiß. Brasilien, Neukölln und Frauen weiterlesen

Besonderes Zentrum für Zeitgenössische Kunst

Andreas Fiedler hat die Direktion des KINDL übergeben

Mit einem scheinbar von der Decke des Kesselhauses stürzenden gelben Flugzeug eröffnete 2014 eine Reihe anspruchsvoller Ausstellungen im »KINDLZentrum für Zeitgenössische Kunst«. Roman Signer installierte »Kitfox Experimental«. Die Kitfox ist ein einmotoriges, zweisitziges Sportflugzeug. Der erste künstlerische Direktor des KINDL, Andreas Fiedler, machte mit dem ihm bekannten schweizerischen Künstler einen spektakulären Auftakt zu insgesamt 18 außergewöhnlichen Ausstellungen.

Signer und Fiedler. Foto: fh

Zunächst wollte Andreas Fiedler absagen, als er gebeten wurde, nach Berlin zu kommen. Die neuen Eigentümer des KINDL-Gebäudes, Salome Grisard und Burkhard Varnhold, Schweizer Kunstsammler, wünschten, dass er die künstlerische Direktion eines geplanten Kunstzentrums übernehme. Sie kannten den Berner, der sich als Kurator bereits einen Namen gemacht hatte: für spezielle Ausstellungen und eine verständliche Art, Kunst zu vermitteln. Doch als Fiedler den expressionistischen Backsteinbau sah, erkannte er das Potienzial und sagte zu. Besonderes Zentrum für Zeitgenössische Kunst weiterlesen

Relativ schön

Kosmetiksalon »Babette« zu Gast im KINDL

Mit der von Maik Schierloh kuratierten Gruppenausstellung »How beautiful you are!« ist der »Kosmetiksalon Babette« für zwei Wochen zu Gast im Maschinenhaus M0 des »KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst«. In unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen untersucht die Ausstellung den Begriff der Schönheit. »How beautiful you are!« verhandelt Schönheit nicht als wertende Kategorie, sondern nimmt den Begriff als Ausgangspunkt für Experimente und kommentiert ihn von verschiedenen Seiten. Klassische Sichtweisen werden gespiegelt und durchbrochen. In der Interaktion von mehr als zehn Künstlern und Künstlerinnen entsteht ein anderes ästhetisches Bewusstsein. Schönheit ist mehr als relativ, ihre Wahrnehmung hängt von der situativen Rezeption ab. Der »Kosmetiksalon Babette« setzt seine Gruppenausstellungen, die immer mit Performances verbunden sind, bis 7. März fort. Die Auftritte beteiligter Künstler und Künstlerinnen unterstreichen die gemeinsame Botschaft an das Publikum. Abschließend findet eine außergewöhnliche Modenschau des Männerduos BIEST statt. Es geht nicht um Mode im klassischen Sinn, die zum Konsumatikel wird, sondern um individuelle Kreationen.

th

OTTTO

Vergänglichkeit im Körnerpark

»Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst«, heißt es in der Aschermittwochsliturgie. Die Asche soll den Menschen an seine eigene Vergänglichkeit erinnern und symbolisiert, dass Altes vergehen muss, damit Neues entstehen kann.
Ein Häufchen Staub unter einer Glashaube ist auch Teil der neuen Ausstellung in der Galerie im Körnerpark, in der es um die Auflösung vermeintlich fester Strukturen geht und um Dinge, die sich im Laufe der Zeit verändern, verschwimmen, unsichtbar werden und verschwinden. Dazu gehören auch die eigenen Erfahrungen mit dem Verblassen von Erinnerungen. OTTTO weiterlesen

Neuköllner Kunstpreis 2020

Prämierungen für Steine, Bügel und Bänder

170 haben sich beworben, acht wurden nominiert, drei haben ihn bekommen: den Neuköllner Kunstpreis, der am 24. Januar vom Fachbereich Kultur und dem »Kulturnetzwerk Neukölln e. V.« in einer feierlichen Zeremonie im »Heimathafen« verliehen wurde.

Wertgeschätzte Künstlerinnen.   Foto: mr

»Preise zu vergeben, gehört zu den schönsten Aufgaben einer Stadträtin«, sagte Kulturstadträtin Karin Korte, als sie die Namen der Gewinnerinnen verkündete. Der Preis, der in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben wurde, sei ein Zeichen der Wertschätzung für die Künstler, die in Neukölln leben oder arbeiten in einer Zeit, in der es für sie immer schwerer werde, Platz für Ateliers zu finden. »Wir zeigen, dass uns die Kunst nicht egal ist«, sagte sie weiter. Neuköllner Kunstpreis 2020 weiterlesen

Die Kinder des Krieges

Videoinstallation im Museum Neukölln

Die Videokünstlerin Ina Rommee hat gemeinsam mit dem Fotografen Stefan Krauss acht Neuköllner, die zwischen 1929 und 1938 geboren wurden, nach ihren Erinnerungen an die Kriegsjahre und die Jahre danach gefragt. Die daraus entstandene Videoinstallation ist bis zum 5. April im Museum Neukölln auf dem Gutshof Britz zu sehen und zu hören.

Acht Zeugnisse des Krieges.   Foto: mr

Die Besucher nehmen auf weißen Stühlen vor acht Monitoren Platz, die so nebeneinander angeordnet sind, dass der Eindruck entsteht, die drei Frauen und fünf Männer säßen an einem Konferenztisch dem Betrachter gegenüber. Reihum erzählen sie aus ihrem Leben. Durch den Schnitt und die Montage erscheinen die Erzählungen dabei wie ein wechselseitiges Gespräch.
Es geht um den Alltag in der Schule, beim »Bund deutscher Mädel« oder der »Hitlerjugend«; darum, wie sich Menschen veränderten, sobald sie eine Uniform anzogen. Es geht um die Angst und die Ungewissheit über den Verbleib des Vaters im polnischen Exil wie bei Karol Kubitzki oder wie bei Georg Weise, der lange nicht wusste, dass sein Vater zu 15 Jahren Haft wegen Widerstands-Aktivitäten gegen die Nazis verurteilt worden war. Die Kinder des Krieges weiterlesen

Lachen, das im Hals stecken bleibt

Guatemaltekische Künster und Kolibris im Körnerpark

Inspiriert durch den guatemaltekischen Ort San Pedro La Laguna trägt die laufende Ausstellung in der Galerie im Körnerpark den Namen »This might be a place for hummingbirds« (Dies könnte ein Ort sein, an dem die Kolibris summen).

Bilder einer Ausstellung.    Foto: aa

Der Titel verspricht schöne farbenfrohe Bilder, die gleichzeitig im ästhetischen Kontrast zu den eigentlichen Themen der Künstler stehen. Geprägt durch den Genozid an der indigenen Bevölkerung Guatemalas während der Militärdiktatur in den 1980er Jahren stehen dabei Gewalt, Trauma, Frauenrechte, Migration, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Gender und Identität als sichtbare Folgen der Kolonialgeschichte im Vordergrund und lassen so einen Begegnungsraum für die Probleme der heutigen Zeit entstehen. So prallen eigene Bilder, Unwissenheit und Klischees auf konkrete Ereignisse unserer Geschichte. Lachen, das im Hals stecken bleibt weiterlesen

Menschenbilder

Schloss Britz zeigt Werke von Armin Mueller-Stahl

Armin Mueller-Stahl ist nicht nur einer der bekanntesten und mit zahlreichen Darstellerpreisen ausgezeichneter Schauspieler und Charakterdarsteller Deutschlands, er ist auch international erfolgreich und wurde 1997 für seine Rolle in »Shine – Der Weg ins Licht« sogar für den Oscar nominiert.

»Die MAuer« von Armin Müller-Stahl.    Foto: mr

Was lange nur wenigen bekannt war: Mueller-Stahl ist auch ein leidenschaftlicher Maler und Zeichner. Davon kann man derzeit in der Ausstellung »Menschenbilder« im Schloss Britz einen Eindruck bekommen. Über 90 Werke gewähren einen Einblick in sein umfangreiches künstlerisches Schaffen. Es sind Porträt-Hommagen an die Kollegen, Freunde, die Größen der Geschichte und des Zeitgeistes aus Politik, Musik, Literatur und Film. Menschenbilder weiterlesen

Satirische Lithografien

Die Galerie Bossen stellt Werke von A. Paul Weber aus

A. Paul Weber ist einer der bedeutendsten Lithographen des zwanzigsten Jahrhunderts. In seinen Werken, die über Lithographie hinaus gehen, spiegelt sich das Geschehen des zwanzigsten Jahrhunderts ebenso wider, wie die Tradition der satirischen Zeichnungen. Die Galerie Thomas Bossen gibt einen bemerkenswerten Einblick in sein Werk, der lange überfällig ist.

Der Denunziant. Foto: A. Paul Weber

»Ich folge einem Drang und empfinde es als meine Aufgabe, dass ich das, was mich bewegt, bedrückt, mit Sorge erfüllt oder auch amüsiert und belustigt, sichtbar mache, es gestalte. Zumeist kann ich mich wie ein Chronist an die Tatsachen halten. Das aber ist die Gabe: in Bildern zu denken«, so A. Weber über sich. Der Galerist Thomas Bossen gibt zu verstehen, dass Weber in der Kunsthistorie lange Zeit als zu abseitig angesehen wurde, obwohl er in gesellschaftskritischen Kreisen durchaus bekannt und beliebt war. Satirische Lithografien weiterlesen

Der lange Kampf um Menschenrechte

Ausstellung in der St. Christophoruskirche

»Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person« heißt es in Artikel 3 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Zum Auftakt der interkulturellen Woche eröffneten am 12. September in der katholischen St. Christophoruskirche zwei Ausstellungen, die Menschenrechte, Flucht und Vertreibung zum Thema haben.

Plakat in der Ausstellung.Foto: mr

Die Ausstellung »Menschen & Rechte sind unteilbar«, beschäftigt sich mit der Geschichte der Menschenrechte weltweit und insbesondere in Europa. Entwickelt wurde sie von »Pro Asyl«. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich für den Schutz und die Rechte asylsuchender Menschen in Deutschland und Europa ein.
Auf großformatigen Einzelplakaten werden verschiedene Aspekte der Menschenrechte von ihrer Entstehung aus dem Geist der Aufklärung bis heute behandelt und ihre Bedeutung erklärt. Der lange Kampf um Menschenrechte weiterlesen

Bunker, Science Fiction und der Wilde Westen

Vielseitige Foto-Ausstellung in der Galerie im Saalbau

Drei sehr unterschiedliche Werkgruppen zeigt die Fotografin Franca Wohlt in ihrer Ausstellung in der Galerie im Saalbau, die am 27. September eröffnet wurde.
Die Arbeit »Reduit« zeigt Bunkeranlagen in der Schweiz. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es dieses weitverzweigte unterirdische System. Die 300.000 Bunker bieten inzwischen mehr Plätze als die Schweiz Einwohner hat. Was macht man aber mit diesen Räumen in Friedenszeiten? Franca Wohlt zeigt mit ihren Fotos, wie diese abgeschlossenen Räume ihrem eigentlichen Zweck entfremdet und zu Werkräumen, Wohnzimmern oder Abstellräumen umfunktioniert wurden.

Bunkerzimmer.   Foto:mr

»New Space« beschäftigt sich mit der Faszination für die Erkundung fremder Galaxien. Was tut die Menschheit, wenn die Erde immer unbewohnbarer wird? Start-ups erforschen die Möglichkeit zum Überleben auf fremden Planeten. Die Fotos zeigen Abbildungen dieser technischen Entwicklungen, lassen allerdings die Frage offen, was davon real und was Fiktion ist.

Reise ins Bewusstsein.   Foto: mr

Der dritte Teil heißt »Reise ins Bewusstsein« und beschäftigt sich mit den Erfahrungen auf einer Reise durch den Südwesten der USA, bei der Franca und ihre Mutter versuchten, das Stereotyp des »Wilden Westens« mit der Realität abzugleichen. Zugleich treffen sie auf viele Menschen, die ebenso auf der Suche waren wie sie selbst.

mr
Die Ausstellung läuft bis 24. November
Galerie im Saalbau
Karl-Marx-Str. 141

Fenster, die es gar nicht gibt

Roboter und Bedeutungsfragen im KINDL

Das Kesselhaus, groß und quadratisch, im KINDL Kulturzentrum hat auf einmal plastische Fenster. Der Betrachter schaut nach außen. Künstlerisch ungenutzt würde der Besucher nur hohe Betonwände sehen. Nun sieht er ins offene Freie ins Licht, und die Sehnsucht danach kann befriedigt werden. Möglich macht dies die Fotoausstellung von Bettina Pousttchi unter dem Titel »Panorama«, die vom 1. September 2019 bis 10. Mai 2020 zu sehen ist.

FEnster oder Fake?   Foto: pm   

Im Maschinenhaus 1 stellt der Norweger Bjørn Melhus bis zum 16. Februar 2020 »Free Update« vor. Er ist auf Videokunst spezialisiert. Dabei verkörpert Melhus die unterschiedlichsten und oft höchst bizarren Akteure seiner Filme stets selbst. Neben Arbeiten wie »The Theory of Freedom« (2015) und »Can You See My Art?« (2018) ist in der Ausstellung Bjørn Melhus’ neuester Film »Sugar« (2019) zu sehen, in dem ein beseelter, emotionaler Roboter gegen den Narzissmus des sozial abgestumpften Menschen ankämpft. Dieser Film kehrt quasi die aktuellen Verhältnisse um, in denen künstliche Intelligenz als nützlich, doch nicht emotional verstanden wird, und die Bilder, die der Darsteller liefert, bewegen. Fenster, die es gar nicht gibt weiterlesen

»Think positive!«

Ausstellung im Saalbau

Ein riesiger, runder Tisch, der sich durch alle Räume zieht, ist der Blickfang in der Ausstellung »Think positive!« von Thilo Droste und Saeed Foroghi in der Galerie im Saalbau. Symbolisch wird dieser Tisch im Durchgang des Saalbaus und auf dem Hof mit einer dicken schwarzen Linie am Boden fortgesetzt.

Runder Tisch von Thilo Droste.      Foto: mr

Auf dem Tisch werden Symbole und Trophäen inszeniert wie Blumen und Gläser, die von Vernissagen stammen, die Thilo Droste besucht hat. Am Ende des Abends hat er das Glas aus dem er getrunken hatte mitgenommen, in Bruchstücke zerschlagen und zu neuen Formen zusammengesetzt. »Think positive!« weiterlesen

Skulpturen im Entstehen

Ausstellung in der Galerie im Körnerpark

In der Ausstellung »The Process of Becoming – Zeitliche Dimensionen der Skulptur«, beschäftigen sich acht internationale Künstler mit dem Medium Skulptur. Ihnen geht es dabei um den Prozess der Entstehung, um das vermeintlich Unfertige. Ihre Materialien sind Stahl, Plastik und sogar einzellige Lebewesen.
Heine Kjargaard Klausen zeigt in seiner Arbeit »turning inside out« den inneren Hohlraum von Porzellanfiguren, die er abgegossen hat. Nicht das polierte Äußere, sondern das unvollkommene Innenleben ist für ihn von Interesse.

Anna Borgmans Laufbänder. Foto:mr

»The Play« von Morten Stræde ist eine Skulptur, die sich jeden Tag neu erschafft, weil die einzelnen Versatzstücke immer wieder neu arrangiert werden.
Auch Thomas Feuersteins Skulptur »Parliament« ist ständiger Veränderung unterworfen. Verschiedene Sorten von Schleimpilzen wandern auf der Suche nach Nahrung durch die Rohre einer Glas-Skulptur. Skulpturen im Entstehen weiterlesen

»Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit«

Ausstellung in der Helene-Nathan-Bibliothek

Vor dreißig Jahren fiel die Mauer. 28 Jahre lang hatte sie die beiden Nachbarbezirke Neukölln und Treptow getrennt.
Am 13. August, dem 58. Jahrestag des Mauerbaues, eröffnete in der Neuköllner Helene-Nathan-Bibliothek die Ausstellung »Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit« der »Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«. Sie zeigt die dramatischen Ereignisse der Jahre 1989/90.

WÄnde zur Wende. Foto: mr

Mit über 100 zeit­historischen Fotos und Dokumenten wird auf 20 Tafeln an den Protest gegen die Fälschung der DDR-Kommunalwahlen, an die Fluchtbewegung im Sommer und die Massenproteste im Herbst erinnert. Sie berichtet von der deutsch-deutschen Solidarität und den außenpolitischen Weichenstellungen bis zur Wiedererlangung der Deutschen Einheit. QR-Codes verlinken zu 18 Videointerviews mit Akteurinnen und Akteuren der Friedlichen Revolution. »Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit« weiterlesen

Porzellan und Glas in wunderbarer Form

Elisabeth Hammann macht das Spezielle im Alltäglichen

Das morgendliche Müsli aus einer besonderen Schale zu essen oder den Kaffee aus einem feinen Becher zu trinken – wer mag das nicht?
Die Neuköllnerin Elisabeth Hammann, Goldschmiedin und Produktdesignerin, gestaltet eben diese schönen Dinge des Alltags. Vorrangig arbeitet sie mit Porzellan und Glas, aber auch Metall und Ton zählen zu Materialien, aus denen sie Gefäße und Schmuck herstellt.

Schöner essen. Foto: pr

Ihre Gestaltung ist schlicht und grafisch, jedoch nicht ohne besonderes Detail. Die Becher haben keinen Henkel, stattdessen finden die Finger Halt an einer Kante, die nicht nur eine angenehme Handhabung, sondern auch das Stapeln der Becher ermöglicht. Dekorative Elemente wie feine Goldlinien sowie Stempel und der Einsatz von Glasuren machen jedes Gefäß einzigartig. Porzellan und Glas in wunderbarer Form weiterlesen

»City Movement – Von Menschen und Räumen«

Ausstellung in der Galerie im Saalbau

Um Bewegung im Stadtraum und um deren Eingrenzung durch Repression, bauliche Hindernisse, politische, soziale und ökonomische Prozesse geht es in der neuen Ausstellung »City Movement – Von Menschen und Räumen« in der Galerie im Saalbau.
Kuratiert wird sie von Isabelle Stamm, die als Volontärin im Neuköllner Kulturamt arbeitet und damit ihre erste eigenständige Ausstellung verantwortet, ihr Meisterstück.
Sechs Künstler untersuchen mit unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen, wie unsere Bewegungen beeinflusst und gegebenenfalls auch eingeschränkt werden.

U-BAhnstation Hallesches Tor.                                                                                                                       Foto: mr

Larissa Fassler nimmt sich beispielsweise Verkehrsknotenpunkte wie den U-Bahnhof Hallesches Tor vor. Dabei setzt sie ihren eigenen Körper ein, um den U-Bahntunnel nachzubauen. Einer ihrer Schritte entspricht dabei einem Zentimeter des Modells. »City Movement – Von Menschen und Räumen« weiterlesen

Exhibit Model Four

Jonathan Monk macht Kunst auf der Tapete

Jonathan Monk: Exhibit Model Four, Installationsansicht Maschinenhaus M1.    Foto: Jens Ziehe

Die Maschinenhäuser im »Kindl« fordern geradezu heraus, dass Kunst mit handwerklichem Können verbunden wird. Der in Berlin lebende britische Künstler Jona­than Monk erweist sich als Meister der Tapete. Wandfüllende Fototapeten, Collagen seiner Werke aus den letzten 20 Jahren, überwiegend in Schwarzweiß gehalten, kleiden das Maschinenhaus M1 aus. Obwohl sie zweidimensional sind, entfalten sie komplexe räumliche Tiefe in kaum zu überbietender Exaktheit. Fast entschwinden die im Raum aufgestellten dreidimensionalen Objekte befreundeter Künstlerinnen und Künstler dem ersten Blick des Besuchers. Exhibit Model Four weiterlesen

Hummer in Aspik

Organische Stoffe in experimenteller Veränderung

»Kunst ist ein sinnlicher Prozess. Es sind alltägliche Dinge, die mich interessieren und an denen wir oft einfach vorübergehen, die aber in ihrer Kleinigkeit besonders sind.« Die Wahl ihrer Materialien entspricht dieser außergewöhnlichen Absicht. In ihrer bildenden Kunst arbeitet Josephine Raab momentan experimentell mit Aspik und einem Vakuumiergerät.

Josephine mit Igor.                                                                                                                             Foto: Anaïs Edely

»Ich stelle Dinge in einen Kontext, in den sie eigentlich nicht gehören.« Ein Hummer scheint in einem Block aus Aspik zu schwimmen. Eine Qualle, getrocknet auf einem Papier, wirkt wie eine Kornblume. Ein Stockfisch aus einer Kneipe in Kiew schwebt vakuumiert in Plastik. Lebende Tiere verwendet sie nie, sondern sammelt nur das schon Verblichene auf. Das Spektrum reicht von Lampen, Haaren und Pflanzen bis hin zu Blattgold und Tomaten. Hummer in Aspik weiterlesen

Revolten und Revolutionen

»Are you satisfied?« in der Galerie im Körnerpark

Bilder von Straßenkämpfern und Demonstrationen, Aufrufe, Transparente: Die Galerie im Körnerpark widmet sich in der aktuellen Ausstellung »Are you satisfied?« den Bedingungen und Mechanismen revolutionären Handelns und seiner Folgen.
Die Ausstellung wurde bereits in Kiel aus Anlass des hundertsten Jahrestages des Kieler Matrosenaufstandes, dem Auslöser der deutschen Novemberrevolution, gezeigt. Sie thematisiert Formen des Widerstands, des Protests und revolutionären Handelns, die ein Jahrhundert später die mediale Realität der globalisierten Welt der Gegenwart prägen.

Demo als Kunst.                                                                                                                                                    Foto: mr

Die Künstler befassen sich mit den Potenzialen des Aufruhrs, den Grenzen der Partizipation, mit aktuellen Spielarten staatlicher Regulierung, Spuren und Mechanismen von Unterdrückung in den Demokratien und den modernen Konsumgesellschaften. »Die jüngsten Unruhen auf den Straßen Frank­reichs während der Proteste der Gelbwesten haben gezeigt, wie schnell und vehement heutzutage eine aufständische Bewegung die Grundfeste eines Staates in Frage stellen kann«, heißt es in der Ausstellungsbeschreibung des Kulturamtes. Revolten und Revolutionen weiterlesen

Zerbrechliche Schönheit

Ausstellung von Martina M. Thies im Museum Neukölln

Porzellan, seine zerbrechliche Schönheit ist das Thema der Rauminstallation »Die Blaue Blume«, die am 17. Januar im Museum Neukölln eröffnet wurde.
Martina M. Thies beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Vielfalt des Porzellans. »Seit 35 Jahren bin ich auf keramischer Entdeckungsreise und bewege mich in den Bereichen der angewandten und bildenden Kunst sowie der räumlichen Gestaltung mit Kunst am Bau«, beschreibt sie sich und ihre Arbeit. Mit ihren künstlerischen Arbeiten ist sie in zahlreichen Sammlungen im In- und Ausland vertreten.

Neue Kreationen.                                                                                                                                                  Foto: mr

In der von ihr gestalteten Rauminstallation stellt sie ihre verformten, applizierten und bemalten Porzellanarbeiten historischen Objekten aus der Keramik-Sammlung des Museums Neukölln gegenüber. Hier trifft Kunst auf Alltagsgegenstände. Häufig wiederkehrendes Motiv bei ihren ausgestellten Arbeiten ist das Muster der »blauen Blume«, ein zentrales Motiv der Romantik. Es findet sich als Applikation auf Vasen oder gemalt auf Schalen und Kacheln. Zerbrechliche Schönheit weiterlesen

Geister der Mieter

Weiße Gestalten sitzen im Kiez.                                                                                                                    Foto: mr

Kunstaktion im Schillerkiez gegen Verdrängung

Geisterhaft bleiche Gestalten sitzen auf dem Gehweg. Sie haben Utensilien ihres Alltagslebens dabei, eine Zeitung, einen Kaffeebecher, ein Buch, so als seien sie gerade aus ihrer Wohnung vertrieben worden und wüssten nicht, wohin.
Es sind lebensgroße und – obwohl komplett weiß angestrichen – sehr lebensecht wirkende Puppen, die das Künstlerkollektiv »Reflektor Neukölln« am 15. Dezember einen Tag lang auf der Herrfurthstraße ausgesetzt hat. Jeder Puppe haben die Künstler einen Namen und eine Biographie gegeben, die Passanten mit Hilfe eines Smartphones über einen QR-Code hören oder in einer Sprechblase neben der Puppe lesen können. So werden konkrete Einzelschicksale erfahrbar, Geschichten von jungen und alten Menschen, Frauen und Männern, mit oder ohne Migrationshintergrund. Allen gemeinsam ist der Verlust ihres Lebensumfeldes. Inspiration für diese Geschichten waren die Kiezbewohner und die Situation im Schillerkiez. Geister der Mieter weiterlesen

Kunstwerke besichtigen!

Einladung IM GRÜNEN BEREICH

Ein typischer Eckhäuserblock in Neukölln: Ein schöner Haupteingang und dann diverse Türen, von denen keiner so recht weiß, was sich dahinter verbirgt. Es könnte ein Kohlenkeller sein. Anders ist es in der Weserstraße 180. Die Stahltür führt in ein Appartement mit einem einzelnen Raum, einem kleinen Flur und einer Toilette. Eine weitere Tür öffnet den Blick in einen weiteren Wohnbereich. Hier sind die zum Lager umfunktionierte Küche und zwei Ateliers zu sehen.

Amy und Frédéric.         Foto: pr

Amy J. Klement und Frédéric Krauke arbeiten hier und stellen ihre Werke aus. Amy J. Klements Atelier ist voll mit ihren Häkelarbeiten. Die lebendige rothaarige Frau erzählt mit Begeisterung und Hingabe von ihren Häkelprojekten, die sie auch gerne im öffentlichen Raum ausübt. Inspiriert von einer Kombination aus Mythen, Mathematik, Handarbeit und ausgeführt mit Humor und Ironie, umhäkelte sie beispielsweise die Trümmerfrau in der Hasenheide. Dieses Projekt, und das ist auch ihr zentrales Thema, ist Geduld. Als Gründerin des Anarchic Crochet »Kraft durch Häkeln« ist sie die Initiatorin von großformatigen kooperativen häkelbasierten sozialen Skulpturen im öffentlichen Raum. Kunstwerke besichtigen! weiterlesen

Chapeau, Jurassica Parka

Hauptberuflich Frau

Jurassica Parka.                                                       Foto: M.Olszinksi

Mario Olszinski wurde 1979 in Neukölln geboren und ist dort auch aufgewachsen. Er studierte Kommunikationsdesign und war in Werbeagenturen als »Art Director« erfolgreich. Ab 2003 trat er nebenberuflich so lange als Travestiekünstler auf, bis er merkte, dass ein Bürojob unter der Woche und die Bühnenarbeit am Wochenende nicht befriedigend zu stemmen waren. Deshalb tauschte er 2008 mutig den »ordentlichen Beruf« gegen seine Berufung Travestie ein.
Seitdem ist Mario Olszinski hauptberuflich: Frau. Das ist seine erfüllte, gelebte und inzwischen auch einträgliche Leidenschaft. Seine gegengeschlechtliche Kunstfigur heißt Jurassica Parka, eine Verballhornung aus Jurassic Park und Sarah Jessica Parker, deren beider Fan er ist. Chapeau, Jurassica Parka weiterlesen

Unstable Fakers of Change in Self

Die inspirierende Kraft von 20 Cent

Auf den ersten Blick: Im Maschinenraum M0 auf dem Kindl Gelände sieht es aus, als wenn morgen wieder der Bautrupp kommt. Gerüste stehen im Raum verteilt, dazu stoßen Videos mechanische Klänge aus, in der Endlosschleife steckend. Auf den zweiten Blick zeigen sich in dieser konstruktiven Eckigkeit Feinheiten, eine elegante Akribie ist zu entdecken.

Stabile Unstabilität.Foto: pr

Die Skulpturistin und Videokünstlerin Sofia Hultén hat in der großen Halle M0 neun Installationen aufgestellt, die auf Gerüsten ruhen. Ausgangspunkt ist eine italienische 20-Cent-Münze, auf der Umberto Boccionis 1913 entstandene Bronzeplastik »Unique Forms of Continuity in Space« zu sehen ist. Dieses futuristische Werk wollte die Bewegung eines Körpers und dessen Dynamik im Raum sichtbar machen. Sofia Hultén hat die Anfangsbuchstaben U-F-o-C- i-S genommen und ihrer Installation den Titel »Unstable Fakers of Change in Self« gegeben. Auf den Grundgerüsten finden sich Gegenstände zunächst alltäglicher Art: Baunetz, Rundschlinge, Blecheimer, Holzplatte, Kabelbinder, Plastilinkugel und italienische 20-Cent-Münzen. Die Spuren, die die Künstlerin dabei hinzufügt, lassen sich durch Videosequenzen nachvollziehen. Unstable Fakers of Change in Self weiterlesen

Alabaster, Papier und ein Schwarm

Künstlerportrait über Line Claudius

Als Kind besuchte Line Claudius eine Malerin in ihrem Atelier, sie war fasziniert und sagte sich, das mache ich, wenn ich alt bin. Malerin ist sie nicht geworden, Künstlerin aber doch. Sie wuchs in Hamburg auf und lebt seit mehr als dreißig Jahren in Berlin. Anfangs stand sie Modell bei Bildhauer- und Aktzeichenkursen, bis sie selbst ihre Liebe zu den Steinen und zum Zeichnen entdeckte. Sie arbeitet vor allem mit Marmor und Alabaster.

Alabasterkörper.                                                                                                          Foto: pr

Ihre feinsinnigen, schmiegsamen Skulpturen aus Alabaster haben eine lichtdurchscheinende Leichtigkeit. Für Claudius trägt das Material zugleich Stabilität, Weichheit und Dehnbarkeit inne. Sie sucht sich einen Stein aus, hat eine schlummernde Idee, schleicht manchmal wochenlang um ihn herum und fängt dann an, ihn zu bearbeiten, steigt in den Stein ein, und er gibt zurück. Steine zu hauen: »Das Schönste ever, es gibt fast nichts Schöneres«, erzählt sie. Alabaster, Papier und ein Schwarm weiterlesen

»So ist das bei uns – Bilder vernachlässigter Europäer«

Ausstellung in der »Galerie im Körnerpark«

Die bettelnde Frau oder musizierende Männer in der U-Bahn: Oftmals werden die Bilder von Roma auf diese Klischees reduziert. »Die anderen Roma sehen wir eigentlich nicht, weil die versuchen, unsichtbar zu bleiben«, sagt der Fotograf Nihad Nino Pušija. Wie ihr Leben jenseits von Vorurteilen aussieht, zeigt er in der Ausstellung »So ist das bei uns – Bilder vernachlässigter Europäer«, die noch bis zum 9. Januar in der Galerie im Körnerpark zu sehen ist.

Nihad Nino Pušija.                                                                                                                                               Foto: mr

Pušija hat mit etwa 20 Roma-Familien in ganz Europa Kontakt. Er trifft sich immer wieder mit ihnen und dokumentiert ihr Leben. Viele von ihnen sind wie er selbst vor den Bürgerkriegen auf dem Balkan geflüchtet und versuchen, unter schwierigsten Bedingungen ihr Überleben zu sichern. Ungeschminkt zeigt er den deprimierenden Alltag, aber auch die Familienzusammengehörigkeit und ihre Feste. Mit seinen Fotos schafft er einen Gegensatz zu den folkloristischen, exotischen Stereotypen von Handleserinnen, Tänzerinnen oder Dieben, die in einer digitalen Collage von Bildern alter Meister in einem abgetrennten Raum zu sehen sind. »So ist das bei uns – Bilder vernachlässigter Europäer« weiterlesen

»Down There Where the Spirit Meets the Bone«

Bildband von Nihad Nino Pušija

Es liegt ein beeindruckend wuchtiger und schöner Bildband des Fotokünstlers und Fotojournalisten Nihad Nino Pušija vor: »Down There Where The Spirit Meets the Bone«. Der bei »Peperoni Books« erschienene Foliant ist eine lyrische Liebeserklärung an die Menschen und ihre Schicksale, denen Pušija auf seiner Migrationsreise aus Ex-Jugoslawien durch den Balkan bis Berlin begegnet ist.

Sprung von der Mostarbrücke.                                                                                       Foto: Nihad Nino Pušija­

Angst und Leid gehen einher mit einem verlangendem Ja zum Leben. Ob aller sichtbarer Armut, in kargen Wohnungen und zwischen Ruinen, Frauen wie Männer gewinnen an Stolz in schmucken Kleidern. Es wird viel gefeiert. »Down There Where the Spirit Meets the Bone« weiterlesen

»Pirate Jenny« im Saalbau

Erinnerung an die Arbeiterkultur der Weimarer Republik

Vor Hundert Jahren stürzte eine Massenbewegung den Deutschen Kaiser und beendete den Ersten Weltkrieg. Den Jahrestag dieser deutschen Novemberrevolution nimmt Ina Wudtke zum Anlass, sich mit den künstlerischen Methoden der Arbeiterkultur in der Weimarer Republik auseinanderzusetzen.

November.                                                                                                                                                                Foto: mr

Im Mittelpunkt der Ausstellung „Pirate Jenny“, die noch bis zum 25. November in der Galerie im Saalbau zu sehen ist, steht das gemeinsame Wirken von Bertolt Brecht und Margarete Steffin. Der aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Dichter und die Arbeiterin lernten sich in der Theaterklasse der „Marxistischen Arbeiterschule“ in Neukölln kennen. Sie arbeiteten seit Anfang der 1930er Jahre bis zu Steffins Tod 1941 im Moskauer Exil eng zusammen. »Pirate Jenny« im Saalbau weiterlesen

Halbfigur füllt Raum

Neue Installation im Kesselhaus auf dem Kindl-Gelände

Nach Roman Signer mit seinem kopfüber hängenden Flugzeug »Kitfox Experimental«, David Claerbout mit der auf 1000 Jahre angelegten Echtzeitprojektion »Olympia« und Haegue Yang mit ihrer mitten im Raum aufgehängten Installation »Silo of Silence – Clicked Core« ist Thomas Scheibitz nun der erste Künstler, der auf die räumliche Ausgangslage mit einem auf dem Boden stehenden Werk antwortet.

»Plateau mit Halbfigur«.                                                                                                                                       Foto: jr

Die Aufgabe, die der Kurator Andreas Fiedler dem Künstler stellte, war, ein ortsspezifisches Kunstwerk auf einem Sockel zu schaffen. Entstanden ist das »Plateau mit Halbfigur«.
Eineinhalb Jahre verwendete Scheibitz für die Umsetzung der Installation, die seit dem 9. September im Kesselhaus auf dem Kindl-Gelände zu besichtigen ist. Ein mehrköpfiges Team inklusive einem Statiker füllten den etwa 20 Meter hohen Raum mit einem Werk von sieben Elementen oder, wie Scheibitz sie selbst bezeichnet, sieben Prototypen: Gebäude, Buchstabe, Gesicht, Tropfen, Tor, Brücke und Stiefel. Die Prototypen bilden ein Ensemble, das zu einer allansichtigen Skulptur zusammenwächst. Somit ist es für den Betrachter möglich, um das Werk herumzulaufen und immer wieder neue Perspektiven, Durchblicke und Situationen zu entdecken. Das Objekt fügt sich erstaunlich gut in diesen hohen Raum, die Proportionen sind perfekt auf das Kesselhaus abgestimmt. Halbfigur füllt Raum weiterlesen

Multitalent Bossen

Silicon Valley für Kunst in Britz

Eindrucksvoll und bewundernswert, dass Thomas Bossen es seit 2010 immer wieder schafft, in einer Garage in Britz und dazu noch in einer eher als beschaulich zu nennenden Wohngegend zwischen dem Koppelweg und der Mohriner Allee engagiert und ambitioniert Kunst und Kultur zu präsentieren.

Galerie Bossen.                                                                                                                                                        Foto: rr

Thomas Bossen kam als junger Mensch nach Berlin und machte 1979 am Albert-Einstein-Gymnasium in Britz sein Abitur. Bei H. Pasch in Wannsee erlernte er das Tischlerhandwerk und machte sich unmittelbar nach der Gesellenprüfung 1983 in Schöneberg, in der Gersdorfstraße, selbstständig. Im gleichen Jahr noch, voller Tatendrang und einer Laune folgend, eröffnete er in seiner Werkstatt auch eine Galerie, studierte Kunstgeschichte an der FU Berlin und absolvierte nebenher eine Gesangsausbildung. Da sein Leben jedoch stark vom Möbelrestaurieren, von Bilderrahmungen und von der Galerie bestimmt wurde, gab er schließlich das Studium auf, nicht aber die Galerie und nicht das Singen. Multitalent Bossen weiterlesen

Imaginäre Landschaften

Zwischen Kunst, Natur und Stadt

Was bedeutet »Imaginäre Landschaften«? Sind es reale oder symbolische Orte oder exis­tieren sie nur im Kopf und sind nicht auf Anhieb zu sehen? Welchen Stellenwert hat der Mensch, die Natur oder das Urbane darin? In der Ausstellung im Kunstverein Neukölln stellen sich Louis D’Arienzo, Paul Langmead, Deborah S. Phillips, Friederike Linssen, Akiko Wakayama und Wolfgang in der Wie­sche, jeder aus seiner individuellen Perspektive, diesen Fragen. Die Arbeiten reichen dabei von abstrakt bis real.

Imaginär.                                                                                                                                                                   Foto: mr

Friederike Linssens Arbeiten beispielsweise sind abstrakte Zeichen oder Zeichnungen von Elementen aus der Natur, die auf monochrome und einfache Formen reduziert werden. Sie gleichen Zellstrukturen. Imaginäre Landschaften weiterlesen

Die gefaltete Stadt

Ausstellung im Saalbau

Die moderne Stadt wächst – in die Höhe und in die Breite. Mit der sozialen Sprengkraft, aber auch den Absurditäten, die aus diesen Prozessen resultieren, setzt sich Claudia von Funcke mit ihrer Ausstellung »Die gefaltete Stadt« auseinander, die bis zum 7. Oktober in der Galerie im Saalbau zu sehen ist. Die Ausstellung ist eine von drei Ausstellungen, die über eine Jury an Neuköllner Künstler vergeben werden.

Claudia v. Funcke.                                                                                                                                                  Foto:mr

»Das Thema der Ausstellung ist hoch aktuell«, sagte Kulturstadträtin Karin Korte bei der Eröffnung am 10. August. Anhaltendes Bevölkerungswachstum, Wohnungsknappheit und Gentrifizierung seien Probleme, mit denen Berlin und Neukölln tagtäglich zu kämpfen hätten. Die Schere zwischen Arm und Reich werde dabei immer größer. Die gefaltete Stadt weiterlesen