Archiv der Kategorie: Kommentar

Offene Türen

Herzlichen Glückwunsch an die Neuköllner Abiturienten, die mit einer 1 oder 1,1 abgeschlossen haben! Trotz erschwerter Bedingungen, die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie notwendig waren, haben sie es geschafft, mit herausragenden Leistungen zu glänzen. Ihnen steht nun die Welt offen. Es wäre schön, wenn alle verzweifelten Schüler sich daran orientieren könnten, dass es manchmal trotzdem gehen muss und geht.
Tatsächlich ist es so, dass das Leben nicht immer schön ist. Wichtig ist es, Ziele zu verfolgen und den Widrigkeiten entgegenzutreten. Das macht stark und gibt Selbstvertrauen. Die, die nicht so gut abschließen konnten, sollten nicht den Kopf hängen lassen, sie mögen mit Elan neue Projekte beginnen. Ein Abitur ist nicht alles, nur ein Türöffner, aber es gibt für alle offene Türen. Man muss sie nur finden.

Petra Roß

Es kehrt wieder Leben ein

Es war ein Lichtstreif: Die Außengastronomie durfte vor Pfingsten öffnen. Nur für hochwahrscheinlich Ungefährdende zwar, aber dieser Nachweis lässt sich schnell bekommen, zur Not täglich. Dass die gastronomisch Ausgedürsteten das Angebot nicht sofort überbordend wahrnahmen und den Lokalen langgehegte Umsatzträume erfüllten, war wohl dem Dauer-Aprilwetter im Mai wie auch der längst eingebrannten vorsichtigen gesellschaftlichen Zurückhaltung unserer Bürger geschuldet.
Der rote Strich unter der Mengenbilanz der Kneipen und Restaurants, die in der Krise die Reißleine ziehen mussten, ist noch nicht gezogen, viele liebgewonnene Institutionen scheinen aber durchgehalten zu haben, um uns Gästen ihre Treue zu beweisen.
Wer mit Testen, Impfen und Maske seinen Frieden schließen kann, darf auf baldig steigende Geselligkeitsangebote, vielleicht sogar beim Wirtsteam drinnen, hoffen.

Jörg Hackelbörger

Schillerkiezgeschichte

Im turbulenten Wahlkreis 2 liegt der Schillerkiez ans Tempelhofer Feld angrenzend.
Auf ehemaligem Ackerland wurde das Viertel um die Schillerpromenade herum ab 1901 gebaut, Infrastruktur an Schulen und Gewerbe mitgeplant. Die meisten Wohnungen verfügten über ein Bad, Wohnküche und Balkon.
Als Wohnquartier für Besserverdienende und Kontrapunkt zur klassischen Arbeitersiedlung auf den Rollbergen mauserte sich der Schillerkiez zur »schönsten Wohngegend Rixdorfs«.
Allerdings erfolgte ziemlich rasch eine bunte Mischung der Bewohner: Arzt, Kohlenträger, Professor, Reinigungskräfte, Verkäufer und Beamte wohnten Tür an Tür und bildeten die berühmte »Berliner Mischung«.
1930 erfolgte dann die »Randbebauung des Tempelhofer Feldes« – womit dieses Thema nun auch erledigt sein dürfte! – entlang der Oderstraße mit zahlreichen Sportstätten. Ein Teil ist bis heute als Werner-Seelenbinder-Sportpark erhalten und soll es auch bleiben!

Beate Storni

Zauber durch Selbsttests

Die Politik hat es nicht leicht in Zeiten der Coronapandemie. Gute Einfälle zur effektiven Kontrolle und Eindämmung sind gefragt. Der Berliner Senat hatte kurz vor Ostern mindestens eine zündende Idee: Das Zauberwort lautet »Selbsttest«.
Die Berliner können das bundesweite Angebot, einmal wöchentlich einen kostenlosen Selbsttest bei einer Apotheke zu machen, wahrnehmen. Wenn negativ haben sie weiterhin Zugang zu Friseuren und zum Einzelhandel. Verpflichtend werden Tests für die Verkäufer und Dienstleister, auch im Späti.
Dies kommt spät, aber besser als gar nicht. Es hilft, weiteren Schaden von kleinen und mittelständischen Unternehmen durch harten Lockdown abzuwenden. Leider warten allerdings nicht nur Gastronomen weiterhin auf dringend notwendige Zahlungen aus dem »Hilfspaket III«. Die schleppenden Zahlungsabläufe sollten nicht nur einem Selbsttest unterworfen werden.

Thomas Hinrichsen

Eigenheimidylle und Hochhäuser

Buckow ist ein vielseitiger und widersprüchlicher Stadtteil Neuköllns.
Ursprünglich anno 1230 als Angerdorf gegründet, entwickelte sich Buckow inclusive der Gropiusstadt bis heute zu einem Stadtteil mit fast 80.000 Einwohnern aus vielen Nationen. Noch im Jahr 1900 standen dort nur 98 Häuser, allerdings mit eigenem Bahnanschluss der Rixdorf-Mittenwalder-Eisenbahn. 1920 wurde Buckow eingemeindet.
Zwischen 1962 und 1975 wurde die Gropiusstadt erbaut. Anfänglich haben viele zukünftige Mieter den damaligen Bauherren Baukostenzuschüsse in Höhe einiger tausend D-Mark gezahlt, abwohnbar auf 35 Jahre. Diese sind vorbei und die meisten Mieten explodiert, besonders dort, wo »Deutsche Wohnen« den Bestand aufgekauft hat.
Ohnehin seit 1980 als sozialer Brennpunkt geltend, hat dies die Sorgen der Anwohner verstärkt. Es wäre wünschenswert, wenn Politiker sich verstärkt für die Verbesserung der dortigen Lebensverhältnisse einsetzen würden.

Beate Storni

Symphonie am Abendhimmel

Zwischen all unserer Schnelllebigkeit in der großen Stadt gibt es doch Momente, wo wir innehalten. Manchmal auch mitten auf der Hermannstraße an einer Kreuzung.
So kommt es, dass Freunde im Winter zwanzig Minuten zu spät zu Verabredungen kommen und völlig durchgefroren sind. Sie haben zwei Ampelphasen auf der Kreuzung gestanden und in den Himmel geschaut.
Immer am Abend, ehe die Stare ihr winterliches Nachtquartier beziehen, tanzen sie ihr Ballett am abendlichen Himmel. Wahrscheinlich dient dieser Tanz zur Feindabwehr. Anscheinend gibt es keinen Führer – die kleinen schillernden Vögel orientieren sich an den neben, über und unter ihnen fliegenden Gefährten. Auf jeden Fall ein Bild der besonderen Komposition.
Also einfach mal zwei Grünphasen verpassen und dem schönen Schauspiel zusehen …

Josephine Raab

Energie für alle

Sperrungen von Gas und Strom durch die liefernden Konzerne werden im »Coronawinter« rücksichtslos fortgesetzt. Tausende von Menschen leben im Dunklen und Kalten ohne warmes Essen. Der notwendige Kerzenschein schafft hier keineswegs Romantik, sondern stellt eher eine Brandgefahr da.
Die Misere ist der Politik bekannt. Um mehr Rechtsschutz der Verbraucher gegenüber den Energielieferanten zu ermöglichen, bedarf es einer Gesetzesänderung auf Bundesebene, welche den Kunden eine Sicherheit bietet, wie sie ihnen auch der Kündigungsschutz des Mietrechtes garantiert.
Auf dem langen Weg dorthin liegt es in der Kompetenz des Senats, im »Coronawinter« ein Moratorium gegen Energiesperren zu erwirken. Das kann ein erster Schritt sein, die Energieversorgung komplett in die öffentliche Daseinsvorsorge zu integrieren, damit Länder, Kommunen und Regionen wieder die Kontrolle haben und Gewinne für das Gemeinwohl statt für Shareholder schöpfen.

Thomas Hinrichsen

Weihnachten im Coronazeitalter

Jetzt wissen wir alle, was wir schon lange befürchtet haben: Das Thema Corona wird uns alles noch lange begleiten. Auch zu Weihnachten.
Während sich viele Menschen mit den Coronaregeln abgefunden haben, andere immer noch das Virus leugnen, sieht die Sache zu Weihnachten noch mal ganz anders aus.
Fünf Personen aus zwei Haushalten plus Kinder dürfen sich an den Feiertagen treffen. Der Weihnachtsmann ist dabei ausgeschlossen. Für die Kinder mag dies ein kleines Drama sein, dürfte aber keine seelischen Schäden hinterlassen.Während die einen bereits jetzt unglücklich und verunsichert sind, könnte es sein, dass andere sich still und heimlich freuen. Ein Weihnachten ohne die buckelige Verwandtschaft, die versorgt werden will, könnte mancher Hausfrau gefallen. Auch die Tatsache, dass der Stress in diesem Jahr geringer ist, könnte häusliche Gewalt verringern. Und da das Einkaufen eh keinen Spaß mehr macht, wird Geld gespart.

Petra Roß

Kerzenschein in grauen Zeiten

Dass es ein großer Mist ist, dass wir einen zweiten Lockdown haben, der wirtschaftlich, kulturell und sozial wohl viele an den Rand des Wahnsinns bringt, ist klar. Dass es ein grauer November wird, liegt in der Natur, das kennen wir Berliner schon. Im Dezember wird es meist trotzdem ein bisschen gemütlich: Adventskonzerte und Basare, Weihnachtsfeiern und Fondue­abende, Glühweintrinken. Und wir lieben ja auch den Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt, er ist, zwar immer viel zu voll aber auch irgendwie heimelig, auch für dieses Jahr abgesagt. Wo bekommen wir wohl unsere Gemütlichkeit in diesem Jahr her? Vielleicht hängt der Bezirk dieses Jahr mehr Lichterketten auf, und vielleicht können wir alle eine Kerze ins Fenster stellen, wenn es dunkel wird. Dann leuchten wenigstens die Straßen. Das mit dem Glühwein… Hoffen wir auf Glühwein to go vor 23 Uhr, es wird ja schon zeitig genug dunkel. Und ja, auch in großen Krisen helfen die kleinen Dinge im Leben.

Josephine Raab

Maske als Pop-up Feigenblatt

Es gibt einige Gewinner der Coronaepidemie: Es sind Weinläden, Getränkelieferanten, Märkte, Spätis oder Amazon.
Die großen Verlierer sind Hotels, Gaststätten und Bars.
Letztere konnten sich vielleicht in den letzten warmen Wochen etwas erholen, wenigsten die, die noch nicht aufgegeben haben. Aber wie sieht der Herbst und noch schlimmer der Winter aus? Kommen die Heizpilze in allen Bezirken, könnte die Pleite vielleicht aufgehalten werden, aber ökologisch wäre das ein fragwürdiges Unterfangen.
Aktuell fürchten die Kneipenbesitzer eine neue Coronawelle und eine Verschärfung der Auflagen. Während der Senat mit einem aufwändigen Geschenk von Mundnasenschutzmasken Hilfe vorschützt, fragen sich die Kneipiers verständlicherweise, was das soll. Denn die meisten Kneipengäste halten Abstand, haben bereits einen Mundnasenschutz, hinterlegen ihre Adressen und möchten einfach nur gerne in der Kneipe, ihrem zweiten Wohnzimmer, sitzen.

Petra Roß

Nichts ist ohne Rücksicht gut

… stellte schon Shakespeares venezianischer Kaufmann fest.
Im heutigen Gross­stadt­gewimmel gerät rüchsichtsvolles Verhalten leider immer öfter aus dem Blick.
Bei sich widersprechenden Ansprüchen in unseren individualisierten Zeiten ist Rücksichtnahme trotzdem ein Gebot der Stunde.
Die einen wollen ihr Gewerbe betreiben, die anderen spätestens ab 22 Uhr ihre Ruhe haben. Um beide berechtigten Ansprüche zusammenzubringen ist wechselseitiges Entgegenkommen unabdingbar.
Was machen wenn Gespräche nicht helfen, Gewerbetreibende die Kiezleute ignorieren oder notorische Nörgler immer rumsülzen? Ordnungsamt oder Polizei rufen? Laden boykottieren? Anzeige stellen wegen ruhestörenden Lärms?
Vielleicht könnte es helfen, einen Mediator zu Rate zu ziehen. Ich weiß es auch nicht, jedoch wäre es einen Versuch Wert.

Beate Storni
Zwei Leserbriefe zum Thema sind hier veröffentlicht.

Die Mörder sind unter uns!

Wie blöd kann man denn noch sein? Wer nicht blind oder taub und auch kein Legastheniker ist, sollte mittlerweile genau wissen, wie eine Mund-Nasen-Maske richtig getragen wird. Ebenso sollte die AHA-Regel allgemein bekannt sein. Und seine Adresse sollte eigentlich jeder kennen und (s.o.) auch aufschreiben können. Wer also den zum Schutz aller aufgestellten Verhaltensregeln nicht nachkommt, kann nichts zur Entschuldigung vorbringen, und ihm/ihr ist eindeutig Vorsatz zu unterstellen.
Auf jeder U- oder S-Bahnfahrt kann man sie sehen: Die Nase frei, oder gleich nur als Kinnschutz! So hilft die Maske nicht! Aber es trifft ja nicht einen selbst, sondern nur die anderen! Und dann noch Feiern bis zum Umfallen, ohne Abstand, aber dafür mit falschen Adressen. Spaß geht über Gesundheit! Das kann nur als niederer Beweggrund erkannt werden. Mit dem Vorsatz sind dann zwei Mordmerkmale erfüllt!

Harald Schauenburg

Saubere Schulen

Verlässliche Teams von Reinigungskräften gehören fest an die Schulen. So kennen sie nach kurzer Zeit nicht nur die Abläufe und besonderen Gegebenheiten vor Ort, sondern auch die Schüler, die es mit der Sauberkeit und Müllentsorgung nicht so genau nehmen. Der Hygiene der Bildungstempel ist dies auch zuträglich, besonders im Hinblick auf Corona.
Dank des erfolgreichen Neuköllner Bürgerbegehrens »Schule in Not« ist unser Bezirk der erste in Berlin, der zukünftig an vorerst 30 öffentlichen Schulen wieder feste Mitarbeiter für die Sauberkeit einstellen wird. In Folge sollten nicht nur neue Stellen geschaffen werden, sondern auch Ausbildungsplätze. Wünschenswert ist, dass dies auf alle 60 Schulen ausgedehnt werden kann. Der nächste Schritt sollte dann sein, für jede Schule wieder einen Hausmeister einzustellen.

Beate Storni

Spielstraßen

Die Einrichtung temporärer Spielstraßen, um Kindern mehr Platz zuzugestehen, ist eine gute Idee. Sie drängen sich dann nicht mehr auf den Spielplätzen, und die Eltern haben es etwas leichter.
Schade nur, dass einige Autofahrer überhaupt kein Verständnis dafür haben. Gehen ihnen doch Parkplätze verloren, oder sie müssen gar Umwege in Kauf nehmen.
Schade auch, dass Ehrenamtliche für die Aufsicht der Spielstraßen eingesetzt werden. Daran scheiterten tatsächlich im Süden Neuköllns einige Spielstraßen. Es ist offensichtlich, dass das Ehrenamt so ausgenutzt wurde, dass viele Menschen keine Lust mehr darauf haben.
Tatsächlich erinnert diese Forderung an Nötigung. Es wird vieles freiwillig geleistet, sei es Flüchtlingsarbeit, Nachbarschaftshilfe oder Schülerbetreuung. Manches könnte vom Bezirk, auch wenn das Geld knapp ist, finanziert werden. Viele Menschen würden sich darüber freuen.

Petra Roß

CDU auf Abwegen der Selbstjustiz

Ein Kommentar von Alexandra Teitge

Der Landesvorsitzende der CDU Berlin, Kai Wegener, veröffentlichte am 30. April einen Facebook-Post, in dem er alle »Straftäter und Chaoten« dazu aufrief, am 1. Mai zu Hause zu bleiben. Die CDU Neukölln nahm das Posting auf, teilte es auf ihrer Facebook-Seite und hob noch mal hervor, dass sie keinerlei Hoffnung hätte, »dass sich auch nur einer der Chaoten eines Besseren besinnt«.
Empörend an den Postings ist nicht nur, dass Straftaten unterstellt werden noch bevor sie tatsächlich passiert sind – der beste Weg zur sogenannten selbsterfüllenden Prophezeiung. Nein, empörend ist außerdem, dass die CDU damit die Demonstrierenden am 1. Mai pauschal als »Straftäter und Chaoten« darstellt und damit deren politische Forderungen vom Tisch fegt. CDU auf Abwegen der Selbstjustiz weiterlesen

Distanzierte Kommunikation

Ein Kommentar von Matthias Ehrhardt

Kommunikation steht im Zentrum unseres sozialen Handelns. In den vergangenen Monaten haben wir eine Transformation dieses Handelns erlebt. Kommunikation ist, für den Moment zumindest, distanzierter, ichbezogener denn je.
Distanz kann hierbei auf zwei Arten verstanden werden. Zum einen müssen wir aufgrund von Sicherheitsbestrebungen räumliche Abstände einhalten. Zum anderen ergibt sich daraus die Möglichkeit einer tatsächlichen »sozialen Distanzierung«, nämlich in Bezug auf unser Verhalten.

Keine Kommunikation.     Foto: me

In unseren kleinen sozialen Einheiten wie Familie, Freundeskreis und Arbeit wird im Moment computergestützte Kommunikation genutzt. Was fällt bei einem Zoom-Call auf? Eine Person spricht. Alle anderen hören zu oder tun so als ob. Unterbrechungen stören so sehr, dass Gespräche zum Erliegen kommen, der gegenseitige Austausch ist frei von Dynamik. Ein Vorteil davon ist wiederum ein effizienter Informationsfluss. Distanzierte Kommunikation weiterlesen

Lichtblicke

Wir halten zusammen. In Zeiten von Quarantäne und körperlicher Distanzierung mag das wie eine leere Worthülse klingen. Angesichts der Berichterstattung über die Ignoranz gegenüber Schutz- und Hygienemaßnahmen in Form von Partys, oder Demonstrationen der Verschwörungstheoretiker oder andererseits über Denunzierungslust darf eines nicht vergessen werden – nämlich das »wir«. Sei es das große WIR, eines, das über kontinentale Grenzen zusammenhält, oder das kleine, fast kleinste wir, das bedeutet, dass man sich um die Person eine Tür weiter kümmert. Denn darin liegt unsere wahre Kraft und der eine Lichtblick, der uns vereint während schwerer Zeiten: Das Gute, das wir für andere und damit für uns tun. Ich danke hiermit allen Neuköllnern für ihr »wir«. Ob Gaben an Zäunen, Einkäufe für Nachbarn, die im Moment nicht vor die Tür können, oder die kleinsten Gesten der Aufmerksamkeit. Neukölln steht zusammen.

Matthias Ehrhardt

Corona positiv

Kommentar von Michael Fleck

Es gibt sie, die guten Dinge inmitten des Corona-Alltags. Dinge, die Grund zur Hoffnung und Vorfreude geben. Sie wohnen jeder Krise inne, meist verborgen, doch sie gehören dazu. Der absolute Gegensatz in Zeiten größter Verunsicherung, wie zwei sich gegenseitig bedingende Pole. Die Frage, ob man in schlechten Zeiten das Positive überhaupt betonen darf oder man damit Betroffenen zu nahe tritt, ist sicherlich diskutabel. Die nächtliche Ruhe in der sonst so lauten Großstadt, ein stärkeres Bewusstsein für das wirklich Wichtige, Nachbarschaftssolidarität – dürfen wir die positiven Begleiterscheinungen genießen oder sollten wir uns vielmehr darüber ärgern, dass es erst einer Pandemie bedarf, bevor sie zu Tage treten? Ist die viel zitierte »Corona-Entschleunigung« ein Segen oder nur ein privilegiertes Phänomen derjenigen, die schon vor der Krise eine große Wohnung hatten? Corona positiv weiterlesen

Nerven bewahren

In der Zeit, in der wir gerade leben, merken wir, dass die Decke der Zivilisation sehr dünn ist. Getragen von sozialen Abfederungen haben wir immer gut gelebt. Es gab immer noch Jobs, aber nicht für jeden. Und wenn gar nichts mehr ging, war eine Grundversorgung da.
Das gibt es immer noch, aber die Stimmung ist eine andere. Jobs fallen massenweise weg, Menschen sitzen zu Hause herum. Häusliche Gewalt nimmt zu. Klar, die gewohnten Tagesabläufe sind geändert, die Familien drängen sich auf engem Raum zusammen.
Auf den Straßen spucken manche Menschen andere an, aber die meisten halten den Kopf gesenkt und springen zur Seite, wenn jemand zu nahe kommt.
Ich empfinde, dass wir uns einfach an die Ausnahmesituation anpassen sollten, wir werden auch bald – es kann noch ein wenig dauern – wieder andere Zeiten erleben. Und dann müssen wir unsere Demokratie zurückholen.

Petra Roß

Vom Radverkehr zum Klimaplan

Aller Anfang ist schwer, warum sollte das in der Berliner Verwaltung anders sein? Das Mobilitätsgesetz ist ein guter Anfang. Es bevorzugt den Fahrradverkehr und den mit alternativer Energie betriebenen ÖPNV vor dem Autoverkehr.
Auch wenn in Neukölln derzeit wo immer möglich Fahrradwege gebaut werden, geht es andernorts schneller und umfassender. Luxemburg hat als erstes Land den kostenlosen ÖPNV eingeführt, um eine umfassende Verkehrswende einzuläuten.
Innerstädtisch könnte das auch für Berlin und andere Städte ein guter Anfang sein, im ländlichen Bereich, aufgrund der maroden oder fehlenden Infrastruktur, eher ein schwieriger.
Liebe Berliner Verwaltung, tretet bitte in die Pedale und bedenkt @germanzero gleich mit! Dann schaffen wir auch die Klimaneutralität bis 2035 !

Beate Storni

Griessmühle gehört nach Neukölln

Seit 2012 lieben Technofans diesen Ort nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen des reichhaltigen kulturellen Angebots und als Ort des Berliner Freiheitsgefühls sowie des nonkonformen Ausprobierens.
Nun besteht die Befürchtung, dass die Griessmühle dem berlinweiten Clubsterben zum Opfer fällt.
Dankenswerterweise hat die BVV Neukölln eine Entschließung verabschiedet, die sich für den Erhalt der Griessmühle am jetzigen Ort einsetzt. Die aktuelle change.org-Petition #saveourspaces könnte dies unterstützen.
Für viele mag es ja nur Lärm sein, für andere ist es ein Lebensgefühl, das es zu achten gilt. Schließlich schadet es niemandem. Und wo bitte soll denn laut und ausgiebig Musik gehört und sich ausgetobt werden, wenn nicht in leicht abgelegenen Ecken? Neukölln steht solch ein Ort gut zu Gesicht, und wir hoffen, dass die Rettungsversuche für die Griessmühle zum Erfolg führen!

Beate Storni

Hör mal, wer da bauen will

Im Kiez regt sich Widerstand gegen den geplanten Karstadt-Umbau am Hermannplatz. Diskussionspunkte betreffen auch die Symbolkraft des Baus, Verdrängung des Einzelhandels, die Belastung während des Umbaus. Doch wer baut da eigentlich? Karstadt gehört der »Signa Holding«, gegründet von René Benko, unter anderem bekannt durch die Ibiza-Affäre der öster­reichischen FPÖ. Benko steht aktuell auf Platz drei der reichsten Österreicher und neben seinen Immobiliengeschäften hält »Signa Holding« 49 Prozent der Anteile der »WAZ« und somit 24,22 Prozent des österreichischen »Kuriers«, sowie 24,5 Prozent der »Kronen Zeitung«, das mit Abstand reichweitenstärkste Printmedium Österreichs. In Anbetracht dessen, dass hier ein Investor am Hebel sitzt, der einen so eklatanten Einfluss auf die öffentliche Kommunikation hat, eröffnen sich abseits aller bisherigen Kritikpunkte gelinde gesagt »Bedenken«. Und mit Bedenken meine ich Aversionen.

Matthias Ehrhardt

100 Jahre Demokratie und Volksbildung

Das Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium hat bis heute in puncto Volksbildung eine beachtenswerte Tradition. Sie ist das erste Bildungsgemäuer, das für die Volksbildung genutzt wurde. Zu Zeiten der Weimarer Republik hieß es »Kaiser-Friedrich-Realgymnasium«, dem der damalige Reformpädagoge und Direktor Fritz Karsen 1923 die Arbeiter-Abiturientenkurse angliederte. Diese ermöglichten, das Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg zu erwerben.
Im Sinne der Reformpädagogik sowie im Geist der Selbstverwaltung sollten Schulen lebensnahe und offene Orte sein, in denen Schüler zu unabhängigen und selbstbestimmten Persönlichkeiten heranreifen, die fair und solidarisch zusammenleben.
Leider ist dies schon lange nicht mehr überall der Fall.
Um so wichtiger, dass sich viele Lehrer und die VHS die Mühe machen, die Tradition der Reformpädagogik aufrecht zu erhalten!

Beate Storni

Von Mauern und Freundschaften

Nach 30 Jahren Mauerfall sprechen viele Menschen noch immer über Ungerechtigkeiten, Anpassungsprobleme und Identitätsverlust. Es gibt wohl tatsächlich in den Köpfen noch ein Ost und West. Manchmal nervt dieses ganze Aufdröseln von irgendwelchen Fakten und Zahlen, und manchmal fehlen mir dabei die positiven Gedanken.
Eine liebe Freundin sagte im September: »Eigentlich sollten wir eine riesige Party machen und unsere wunderbaren Freundschaften feiern, denn ohne den Mauerfall hätten wir uns nie kennengelernt!« Sie hat Recht. Wir Wendekinder, alle so um 85 geboren, waren die erste Generation, die Freundschaften im Kindergarten oder der Schule in einem vereinten Land knüpfen konnten. Hinzu kommen unsere internationalen Begegnungen. Das ist ein so schöner Gedanke, den wir uns alle viel öfter in Erinnerung rufen sollten.
Ein Hoch auf unsere Freundschaften!

Josephine Raabt

Von Bio und der Ökobilanz

Wer regionale Bio-Produkte einkauft, lebt nachhaltiger. Stimmt auch fast immer. Klar greife ich im Supermarkt zum Apfel aus Brandenburg und ignoriere die Ware mit Bio-Siegel aus Südamerika. Eine ellenlange Produktionskette und die Abgase, die durch den Transport entstehen, können doch in keiner Relation zum regionalen Produkt stehen. Oder doch? Regionales Gemüse und Obst muss nach der Ernte über Monate gekühlt werden und verbraucht dabei immense Mengen Energie, was importierte Ware teilweise in ihrer Ökobilanz besser dastehen lässt. Wer Bio will, muss auch die Regeln der Bio-Landwirtschaft respektieren. Wem es rein um die Produktionsweise von Bio-Ware geht, darf gern außerhalb der Saison zu global importierter Ware greifen. Wem das Klima aber wichtig ist, sollte darauf achten, wirklich nur Obst und Gemüse zu kaufen, das in unseren Gefilden Saison hat.

Matthias Ehrhardt

Kippen, Kunden und Konzerne

Die gelben oder pinkfarbenen Taschenaschenbecher der Aktion SCHÖN WIE WIR, die kostenlos an Raucher verteilt werden, sind an sich eine gute Idee.
In Deutschland rauchen – Stand 2015 – circa 29 Prozent der Erwachsenen, das sind etwa 20 Millionen Menschen. Spitzenreiter bei beiden Geschlechtern ist Berlin – hier rauchen 35,1 Prozent der Männer und 24,1 Prozent der Frauen. Demzufolge würden etwa 100.000 Neuköllner rauchen.
In ganz Berlin gibt es 23.000 orangefarbene Papierkörbe mit eigenem Aschenbecher, was natürlich viel zu wenige sind. Schlussfolgernd lande ich wieder bei den Taschenaschenbechern und/oder berlinweit einheitlichen saftigen Bußgeldern. Sinnvoll wäre, auf die Zigarettenindustrie einzuwirken, einen Teil ihrer Werbungskosten für »die kleinen Kippengräber« auszugeben ohne die exorbitanten Zigarettenpreise zu erhöhen.

Beate Storni

Transparenz stärkt Demokratie

Jede dritte Anfrage von Berlinern nach geltendem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wird von den zuständigen Behörden nicht innerhalb der vorgeschriebenen Vier-Wochen-Frist beantwortet beziehungsweise abgelehnt. Im seltenen Ausnahmefall mag es durchaus gute Gründe geben, im Regelfall eher nicht. Gerade bei politisch aktuellen und relevanten Themen führt das zu verspäteter Aufklärung der Bevölkerung, was die Informationsfreiheit ad absurdum führt. Hinzu kommen teilweise horrende Auskunftsgebühren, die weniger wohlhabende Bürger davon ausschließen, ihre Rechte wahrzunehmen.
Für das vorliegende Transparenz-Gesetz Berlin gibt es neun gute Gründe, die auf der Website zu finden sind.
Bemerkenswert für uns alle ist: Die mit Steuermitteln zu erarbeitenden Daten sollen über eine Transparenz-Plattform zu erreichen sein, womit die Verwaltung letztendlich entlastet wird und ihre Digitalisierung in die Pötte kommt.

Beate Storni

Drogenhandel und Spätverkauf

Das hat nicht sehr viel miteinander zu tun, sollte man meinen. Stimmt aber leider nicht. Beides basiert genau wie Waffenhandel, Geldwäsche, wilde Abfallentsorgung, Mietwucher und weitere »nette« Angelegenheiten auf Gesetzesverstößen. Es gibt nun mal ein Ladenöffnungsgesetz, und daran hat man sich zu halten. Es gibt geregelte Ausnahmen, der sonntags geöffnete Späti gehört nicht dazu.
Das gefällt verschiedenen Leuten, insbesondere einigen den »Grünen« zuzurechnenden, nicht. Die sind daher bereits dabei, die gesetzliche Grundlage mit mehr oder minder fadenscheinigen Argumenten ändern zu wollen. Man kann doch nicht ernsthaft behaupten, dass das gesamte Gebiet innerhalb des S-Bahnrings touristisch ist! Dann sollte schon lieber den Vorstellungen von- Florian Swyter gefolgt werden.

Harald Schauenburg

Bienenweisheit

Was lange schon eine Allerweltweisheit ist, wird heute von vielen Lebensmittelproduzenten als Besonderheit auf ihren Webseiten gepriesen: Bienen arbeiten in Sachen Bestäubung von Obstplantagen ökonomischer, als es der Mensch je vermag. Dabei war der Nutzen der Bienen für die Bestäubung von Obstbäumen bereits um 1919 bestens bekannt, wie ein Blick in das »Neuköllner Tageblatt« in dieser Ausgabe zeigt. Versuche hätten gezeigt, dass Obstbäume, in deren Nähe keine Bienen siedelten, geringere Erträge aufweisen. Für die Chinesen, die ihre Großplantagen mittels unzähliger Arbeiter per Hand bestäuben müssen, weil der Einsatz von Pestiziden den Lebensraum der Bienen vernichtet hat, wird dies deutlich: Nun müssen 1.500 Arbeiter ran, um die Arbeit zu leisten, die allein ein Bienenvolk schaft – das zeigt: »Neuköllner Tageblatt» lesen lohnt sich!

Stephanus Parmann

Europawahl

Beim Referendum im Britischen Königreich wurde der Brexit gewählt. Die Generation 50+ hatte an dieser Wahl eine sehr hohe Beteiligung für den EU-Austritt, die jungen Menschen sind zuhause geblieben. Für sie waren die Freiheiten, die Europa ewrmöglicht, zur Selbstverständlichkeit geworden. Kein Krieg, das Auslandsstudium, keine Grenzkontrollen, keine Zölle. Das sind keine Selbstverständlichkeiten. Die Älteren unter uns wissen das. Es geht bei der Europawahl auch darum, das zu verteidigen, was bereits errungen wurde und was die EU-Gegner gern verheimlichen.Hoffentlich hat der Brexit die Wahlberechtigen in Europa so aufgerüttelt, dass sie die Notwendigkeit zur Wahl zu gehen erkannt haben.

Petra Roß

Wird Neukölln insektenfrei?

Anscheinend ist es die Absicht der Neuköllner Bezirksverwaltung, durch gartenbautechnische Maßnahmen, die in anderen Kreisen auch als »Kettensägenmassaker« bezeichnet werden, Insekten und anderen Kleintieren die Lebensgrundlage zu entziehen.
Trotz mehrerer Beschlüsse der BVV Neukölln zur Verbesserung der Umwelt mittels Fassadenbegrünung, Heckenschutz, Schaffung von Biotopen und Nisthilfen konterkariert das Handeln des Grünflächenamtes diese an sich guten Absichten. Fehlende ökologische Begleitung während der Planungsphase in Verbindung mit Ignoranz und Arroganz gegenüber besorgten Bürgern – es soll sogar der Satz »Stellen Sie doch einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz!« gefallen sein, und zwar auf einer Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung – machen nichts besser, sondern fördern Politikverdrossenheit. Warum wird denn nicht zugegeben, dass der Zweck der Schutz der Bürger vor lästigen Insekten ist?

Harald Schauenburg

Denkt an die Rentner!

Die SPD beziehungsweise einige ihrer Abgeordneten sind stolz darauf, das »Teilhabechancengesetz« auf den Weg gebracht zu haben. Mithilfe von »Staatsknete« sollen Langzeitarbeitslose Arbeit bekommen. Es gehe darum, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, die eigene Leistung zu spüren und dafür einen tariflichen Lohn zu erhalten. Gelobt wird das Ganze auch noch vom DGB, der betont, dass die tarifliche Bezahlung den Kriterien der guten Arbeit entspräche, im Gegensatz zu Hartz IV, wodurch prekäre Arbeit forciert wurde. Es gibt nur viel zu wenig Betriebe, mit denen dies in die Praxis umgesetzt werden kann. Das ist auch gut so, denn am Beispiel der Rentner wird deutlich, was erforderlich ist: Geld! Arbeit ist nicht erforderlich! Arbeit sollte freiwillig geleistet werden, dann macht sie auch Spaß. Also erhöht die Hartz-IV-Sätze oder schafft das bedingungslose Grundeinkommen. Dann müsst ihr auch nicht mit der CDU koalieren!
Harald Schauenburg

100 Jahre … später!

Unsere Urgroß- und Groß­mütter haben uns Frauen unter großen Opfern ein wunderbares politisches Erbe erkämpft: Das Frauenwahlrecht – und mehr! Dafür sind wir ihnen aus vollstem Herzen dankbar und übernehmen gerne die Verantwortung für eine unbekannte Zukunft. Oftmals empfinden die geschätzten Männlichkeiten dies als Bedrohung. Warum eigentlich? Im Deutschen Bundestag sitzen 709 Abgeordnete, davon 219 Frauen (zu dieser Zahl gäbe es auch noch einiges zu sagen). Es gibt 16 Deutsche Ministerpräsidenten, davon zwei Frauen. Des weiteren gibt es 15 Bundesminister, davon zwei Frauen. Eine davon ist Franziska Giffey, in Neukölln liebevoll »Uns Franzi« genannt. 43 Prozent der Neuköllner Bezirksverordneten sind weiblich. Das kann sich sehen lassen!
Unser Ziel ist und bleibt, dass die Hälfte der Entscheidungsträger Frauen sein müssen, damit wir alle zusammen im Gleichgewicht bleiben. Und, keine Angst Jungs, wir bremsen auch für Männer!
Beate Storni

Liecke diskrimimiert Kriminelle!

Der Jugendstadtrat Falko Liecke will kriminellen arabischen Großfamilien mit speziellem Interesse an großen Goldmünzen die Kinder wegnehmen, damit diese nicht auch kriminell werden. Den Kindern soll so das schlechte Vorbild genommen werden. An sich eine vorbildliche Sache, aber er vergisst dabei, dass sich noch viele weitere organisierte kriminelle Gruppen im Bezirk tummeln, von türkischen und bulgarischen bis zu russischen Banden; und alle haben Kinder!
Die alle werden von Liecke nicht berücksichtigt; Liecke missachtet deren Recht auf Gleichbehandlung! Auch nichtarabische Bandenkriminelle haben das Recht, dass ihnen die Kinder entzogen werden, ebenso wie deren Kinder das Recht haben, vor dem schlechten Beispiel ihrer Eltern geschützt zu werden. Gerechterweise sollte Liecke also seine Forderungen wesentlich ausweiten!

Harald Schauenburg

Es weihnachtet nicht überall

Der Run auf die Angebote für Weihnachtsgeschenke setzt ebenso ein wie die Weihnachtsfeiern im Vorfeld des Familienfestes. Die Hektik bekommt zuerst das Verkaufspersonal im Handel zu spüren, schließlich wird dort auch noch am Heiligen Abend gearbeitet. Wer Glück hat, gehört zu den behaupteten 80 Prozent Erwerbstätigen, die von ihrem Einkommen noch leben können.
Mindestens 20 Prozent verdienen allerdings nicht genug und sind auf Transferleistungen angewiesen. Das trifft vor allem die Kinder. Zu Weihnachten wird das besonders hart. Die soziale Schere, die kalte Spaltung der Gesellschaft, kann durch caritative Hilfe nicht kompensiert werden. Deutlich mehr Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit sind erforderlich. Sonst haben wir Verhältnisse, wie Charles Dickens sie in seinen »Christmas Carols« beschrieben hat.

Thomas Hinrichsen

Mehr Licht!

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die das Sicherheitsgefühl deutlich verbessern. Gerade jetzt, mit dem Beginn der dunklen Jahreszeit, wünschen sich die Neuköllner funktionierende Laternen.
Da geht es nicht nur um subjektive Sicherheit, sondern auch um reale. In der Dunkelheit stolpert es sich leicht über Müllsäcke oder andere herumliegende Dinge.Viel Geld kann es auch nicht kosten, Glühlampen auszuwechseln, und der Arbeitsaufwand hält sich auch in Grenzen.
Deshalb ist es nicht übertrieben, vom Bezirksamt zu fordern, dass an dieser Stelle etwas passieren muss.Denn wenn sich die Neuköllner nur noch bei Vollmond und klarem Wetter am Abend in Parks und Straßen sicher aufhalten können, ist das eine Rolle rückwärts in das Zeitalter vor Einführung der Glühbirne.

Petra Roß

Ein Hauch von Weimar

Die Neuköllner Situation erscheint uns unübersichtlich und –mehr noch – unsicher. Kriminalität, massive rassistische Gewalt der extremen Rechten und Angriffe der radikalen Linken können beunruhigen. Hingegen: In Neukölln leben Menschen aus über hundert Nationen zusammen, darunter viele Geflüchtete, und das überwiegend friedlich.
Wir leben in einer Zeit der Brandbriefe, Bürgerproteste und hohen Erwartungen an die Politik. Bleiben diese unerfüllt, werden Verdrossenheit und extremistische Gewaltbereitschaft zunehmen.
Bisher haben wir es immer geschafft, unsere Situation gemeinsam zum besseren zu wenden, weil viele Menschen ideenreiche Verantwortung übernehmen, statt die Hände in den Schoß zu legen. Unsere Verschiedenheit ist und bleibt unsere Stärke und belebende Kraft für ein friedliches Miteinander.

Thomas Hinrichsen

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Bekannt ist die AfD für die Ausschöpfung demokratischer Instrumente mit dem Ziel, die Demokratie kaltzustellen. Sie bedient sich dabei manchmal lächerlicher Argumente.
So geschah es in der vergangenen Bezirksverordnetenversammlung, in der das fraktionslose Mitglied der AfD, Anne Zielisch, diesmal in guter Gemeinschaft mit der FDP die Konsensliste ablehnte. Die Begründung: Die Presse kichert.
Was bitteschön hat eine kichernde Presse mit den ernsten Entscheidungen der BVV zu tun? Vielleicht fühlten sich diese wenigen Personen, die räumlich sehr dicht am Pressetisch sitzen, verunsichert. Aber vielleicht suchten sie nur nach einer Begründung für ihr unkonstruktives und arbeitsbehinderndes Verhalten. Man weiß es nicht.
Nur eines weiß ich: Wenn in einem ehrwürdigen Gremium die Presse kichert, dann kann sie nicht anders. Sie kann deshalb nicht anders, weil die Umstände zum Kichern zwingen. Oder soll sie in Tränen ausbrechen?

Petra Roß

Neuköllner Präventionskette

Der Gesundheit unserer Kinder sollte von Anfang an unser besonderes Augenmerk gelten, am besten schon vor der Geburt. Kinder, die in den ersten Lebensjahren liebevolle Fürsorge, Zuwendung und Sicherheit erhalten, haben eine gute Grundlage für ihr ganzes Leben, sowohl für eine stabile Gesundheit als auch für gute soziale Beziehungen.
Frühe Hilfen und eine anschließende Präventionskette scheinen in Neukölln zu ersten bescheidenden Verbesserungen der Kindergesundheit zu führen. Logo- und ergotherapeutische Behandlungen sowie die Möglichkeit zur Masern-Grundimmunisierung werden etwas häufiger in Anspruch genommen als noch ein Jahr zuvor. Zusätzlich können alle jungen Familien den »Neuköllner Familiengutschein« kostenfrei in Anspruch nehmen, der unter anderem Erste-Hilfe-Kurse am Kind und das Erlernen von Babymassage beinhaltet.
Die besten Angebote nutzen allerdings wenig, wenn sie nicht angenommen werden.
Beate Storni

Plant besser!

Selbst in diesen schwierigen Zeiten soll es ja tatsächlich auch in Neukölln noch Leute geben, die nicht von Hartz IV, Rente oder Ersparnissen leben, sondern ihr täglich Brot durch Arbeit verdienen. Das Bezirksamt will das anscheinend ändern. Das Ladenschlussgesetz soll derart geändert werden, dass die Sonntagsruhe für »Spätis« nicht mehr gilt, diese also auch sonntags bis spät in die Nacht ihr Sortiment an diejenigen, die (aus meist nicht nachvollziehbaren Gründen) nicht rechtzeitig in der Lage waren, sich angemessen zu bevorraten, verkaufen können.
Der Raum vor vielen »Spätis« wird aber von deren Klientel als öffentliche Kneipe missbraucht. Der damit einhergehende Lärm hindert die darüber lebenden Bewohner an einer erholsamen Nachtruhe; die Arbeitsleistung am nächsten Tag leidet, Folgen für den Arbeitsplatz sind unabsehbar. Gefragt sind hier Rücksichtnahme und Toleranz, aber erfahrungsgemäß gilt das ja immer nur für die anderen!

Harald Schauenburg