Archiv der Kategorie: Gastronomie

Kickern, schlucken und einfach mal gucken

Die Rockkneipe »SUX« – trendunabhängiges Trinken in der Weserstraße

»No Poetry Slam – No Hot Spot – No To Go’s«. So steht’s am Eingang im Fenster. Diese Bar legt keinen Wert auf zeitgeistigen Schnickschnack. Das »SUX« residiert nun seit dreieinhalb Jahren auf der unteren Weserstraße, noch hinter »Ä« und »TiER«, und hält die Fahne der ehrlichen, undogmatischen Kneipenkultur hoch. Im Mai 2009 sagten sich die Inhaber Toni Hartstock und Andreas Moch: »Is zwar `n bisschen ab vom Schuss, aber probier’n wer’t mal.« Und eröffeneten das »SUX«, das in seinen zwei rustikalen Hinterstuben mit weichen Polstern und hartem Holz – und vor allem einem Kicker – eine kieztypische Wohnzimmerkneipe ist, im vorderen Schankraum aber mit seiner Ziegelwand und der von einem Kumpel mit einem cool-chaotischen Comicmotiv bemalten Schallsc­hutzwand auch internationales Bar­ambiente ausstrahlt.

This bar sucks - not.Foto: hlb
This bar sucks – not.                Foto: hlb

Hier wird geraucht, Flaschenbier von Astra über Erdinger bis zu Eichhofener Hellem getrunken und bis in die Morgenstunden deftiger Rock gehört. Stolz ist man auf die gepflegte Schnapsauswahl – allein acht verschiedene Wodkas sind im Programm. Und so begegnen sich am Tresen durchtrainierte junge Herren in Unterhemd und Basecap, durstige Studenten, alteingesessene Kieznachbarn, Zugezogene und Heimatsucher und freuen sich über die entspannte Wohlfühlatmosphäre und die souverän-freundliche Bedienung. Hier sind alle willkommen, »vom Araber bis zur Transe – Hauptsache, sie benehmen sich.« Die SUX-Chefs bleiben locker und beobachtend, an großer Öffentlichkeit haben sie keinen Bedarf. Die Gäste finden auch so her. Und wer hier einmal am Tresen versackt ist, wird nicht nur die hypnotisierenden Frontscheinwerferlampen des überlebensgroßen Crashauto-Comicbilds nicht mehr vergessen. So geht Kneipe.         hlb
SUX, Weserstr. 55,  Mo. – Sa. ab 19:30 Uhr, www.sux-bar.de

Tortenschlacht bei »Ole«

Kuchengenuss in der Boddinstaße

Ein Café, das ist ein Traum, den viele heimlich hegen. Bei Sezer Yigitoglu war es ein Freund, der den gelernten Bäcker auf die Idee brachte hat. »Mach doch ein Café auf«, riet dieser dem jungen Mann, der nach seiner Lehre keine Stelle fand.
Eigentlich war das als Scherz gemeint, nur so nebenher gesagt, doch aus dieser Scherzidee wurde Ernst und Sezer fing an, sich in der Boddinstraße niederzulassen. In seinem Kiez, in dem er sich auskennt, wollte er bleiben. Hier ist er großgeworden. Anfang Juli, fast pünktlich zu seinem Geburtstag, eröffnete er das »Café Ole«.

Ole mit HerrchenFoto: cr
Ole mit Herrchen.                          Foto: cr

Es gab Zweifel, ob Sezer der Aufgabe gewachsen sei, ein Café zu führen. Denn Sezer ist gehörlos. Anfangs hatte er Angst, denn in einem Café ist die Kommunikation einer der Dreh-und Angelpunkte. Umso erstaunlicher war es, dass vor allem Touristen es als selbstverständlich nahmen, dass Sezer sie nicht immer gleich verstand. Für die Torten und Quiches, die er selbst macht, hat er eine Vitrine und an der Wand hängt eine große Tafel mit den Angeboten, auf die die Leute einfach zeigen können. Mittlerweile geht der junge Mann lockerer an die Sache ran, fragt ab und zu einfach noch mal nach. Doch manchmal ist er auf Hilfe angewiesen. Denn was viele nicht wissen ist, dass Gehörlose auch Probleme mit der Schriftsprache haben. Dabei hilft ihm sein Assistent, Spunk Seipel, der die Gebärdensprache gelernt hat.

Mittlerweile sind das »Café Ole« und sein Besitzer bekannt wie ein bunter Hund. Nicht zuletzt ist das auch Sezers Hund Ole zu verdanken, dem Namensgeber des Cafés. Ein Hund, das war ein großer Wunsch, der dem gehörlosen als Kind nicht erfüllt wurde. Jetzt, da er auf eigenen Beinen steht, hat er sich seinen Wunsch selbst erfüllt. Schwarz und weiß wie die Einrichtung ist der Vierbeiner. »Alles purer Zufall«, erklärt Spunk und lächelt. Von überall her kommen Gehörlose, aber auch Hörende, um sich dieses einzigartige Café einmal selbst anzusehen. Sezer ist froh über die Mischung, denn sein Café soll kein Treffpunkt sein, der ausschließlich für Gehörlose bestimmt ist. Er freut sich, wenn er sieht, dass Gehörlose und Hörende am gleichen Tisch sitzen, als gäbe es keinen Unterschied.

Im Rahmen von »Nachtundnebel« treten hier am 3. November »Jeff Özdemir & Yerr & Juliane« um 22 Uhr auf. Veranstaltungen wie solche und Ausstellungen sind und sollen auch in Zukunft ein wesentlicher  Bestandteil des Cafés bleiben.      cr
Café Ole, Boddinstraße 57, Di-Sa 10-20 Uhr

Eine Zeitreise

Neues Wohnzimmer aus den Fünfzigerjahren im Schillerkiez

Schallplatten statt CDs, gewöhnungsbedürftige Muster. Eine Zeitreise in die 50er-Jahre. Das ist das »Café Jule«, das seit Anfang Juni in der Kienitzer Straße zu Kaffee und Kuchen einlädt. Es gibt Cup­cakes, Bagels und andere Leckereien, alles selbst gemacht. Aber auch die deutsche Küche ist vertreten. Jetzt, in der kälteren Jahreszeit, bietet sie Suppen, Eintöpfe und Stullen an. »Es ist ein bisschen amerikanisch angehaucht«, bemerkt Jule Eisendick, die Besitzerin. Sie selbst hat fünf Jahre in der Gastronomie gearbeitet, bis sie ihren Wunsch, selbstständig ein Café zu betreiben, umgesetzt hat.

Eine feste Zielgruppe hat das »Café Jule« nicht. Es kommen bunt gemischte Menschengruppen jedes Alters. Die bekennende 50er-Jahre-Liebhaberin mit Freunden aus der Rockabilly-Szene freut sich jedes Mal, wenn einer der Älteren schwärmt: »Ach, das ist ja wie früher!« Auch Backpacker und Touristen kommen in dem Alternativwohnzimmer vorbei, um sich ihre Bagels und Cupcakes schmecken zu lassen. Viele fühlen sich in ihrem Café wie zu Hause, sodass es auch mal vorkommt, dass die Gäste den Tisch abräumen und alles bis fast in die Küche bringen.

Gemütliches Ambiente.Foto: cr
Gemütliches Ambiente.                                      Foto: cr

Überall finden sich dekorative Fundstücke, wie zum Beispiel Teile eines alten Teeservices, alte Pfeffermühlen und ein Plattenspieler. Auch die Möbel sind aus den 50ern. Bunt zusammengewürfelt, so dass sich jeder, der das Café betritt,  erst einmal umsieht – nicht, ob ein Platz frei ist, sondern, ob er sich lieber auf das einladende Sofa oder auf einen der Holzstühle setzt.

An den Wänden hängen Schwarzweiß-Fotografien von Berlin, die Jule selbst gemacht hat. Geplant sind Vernissagen und andere Veranstaltungen. Außerdem spielt Musik eine wichtige Rolle für Jule, die auch gerne mal aufsteht, um die Schallplatte auf dem Plattenspieler umzudrehen, damit sie weiterspielt. So vertieft sich das Gefühl, wie David und Jennifer durch den Fernseher in die Welt von »Pleasantville« geschickt worden zu sein.cr
Café Jule, Kienitzer Straße 93
Di-Fr 9-18Uhr, Sa 11-18 Uhr, So 11-17 Uhr

Sattel an der Wand

Line Dance im Mittelbuschweg

Die Tänze haben so klangvolle Namen wie »Poor Boy Blues«, »Cowgirls Dreams« oder »Hanging out in Florida«. Die Tänzer stehen in Reihen neben- und hintereinander und bewegen sich in komplizierten Schrittfolgen. Bei »Angie‘s Country Line« wird Line Dance getanzt. »Das ist viel besser als Aerobic«, meint eine der Tänzerinnen. »Es macht Spaß, ist sportlich und trainiert außerdem das Gedächtnis.« Je nach Schwierigkeitsgrad gibt es zwischen 16 und 72 unterschiedliche Schrittfolgen pro Tanz, die sich die Tänzer merken müssen. Und von diesen Tänzen gibt es mehrere Tausend. Getanzt wird meistens zu Countrymusik, inzwischen auch häufiger zu Popmusik, aber da scheiden sich die Geister.

Vor ungefähr einem Jahr ist Angela Gärtner, von ihren Schülern und Gästen liebevoll Angie genannt, von der Ganghoferstraße in den Mittelbuschweg 15 gezogen, wo sie einen Teil des alten Aldi-Marktes zu einem gemütlichen Lokal mit großer Tanzfläche umgebaut hat. Ausgestattet ist der Raum im rustikalen Westernstil. Die Wände sind mit indianischen Masken und Traumfängern dekoriert, daneben hängen Cowboyhüte und Pferdesättel. Hier gibt sie mehrmals in der Woche Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene. An den Wochenenenden können die Schüler das Gelernte dann bei den Tanzpartys umsetzen.

Line Dance wird ohne Partner getanzt, aber trotzdem in einer Gemeinschaft. Perfekt für Leute, die gerne tanzen, aber keinen Partner haben, der mitmachen will. Die Gäste bei Angie kennen sich zum Teil schon jahrelang, sie kommen regelmäßig zu ihren Tanzkursen und den Partys. Es ist ein gemischtes Publikum aus allen Altersgruppen und aus allen Stadtteilen. »Für manche ist es wie eine zweite Familie«, meint Angie dazu.        mr
Angie‘s Country Line, Mittelbuschweg 15
Tel. ( 030 ) 395 08 243
www.angies-country-line.com