Ein Projekt mit den Schülern der Wetzlar Grundschule
Ein besonderes Engagement zeigte die sechste Klasse der Wetzlar Grundschule im Rahmen der Stolpersteinverlegung. Die Schüler sammelten bei ihrem diesjährigen Schulfest für die Aktion. 120 Euro kostet die Verlegung eines Stolpersteins, die ausschließlich über Spenden finanziert wird. Am 29.11. wurden vom Künstler Gunter Demnich 18 Steine an acht Adressen in Neukölln verlegt. Dabei waren auch Angehörige der Opfer des Nazi-Regimes anwesend. Trotz nasskalten Wetters war die Veranstaltung für alle Beteiligten beeindruckend und stimmte nachdenklich. ro
Wider besseren Wissens und bereits heftig erlittener Schmerzen fahre ich nun doch wieder bei Schnee und Eis mit dem Fahrrad.
Gut, ich kann immer so argumentieren, dass ich Ängste überwinden möchte. Viele Autofahrer und Fußgänger in Neukölln haben kein Verständnis dafür und erklären mich für verrückt.
Dennoch erweitert das nicht ungefährliche Treiben meinen Erlebnishorizont. Als ich zu einem Termin in den schönen Süden des Bezirks radelnderweise unterwegs war, schlitterte ich nicht schlecht durch den Norden Neuköllns.
Auf Kopfsteinpflaster mit Glatteis zu fahren, birgt die Sicherheit eines Sturzes in sich. Auf den Gehwegen war die Situation zwar nicht besonders gut, jedoch um Längen besser als auf den Straßen.
Dagegen ließ sich die Hermannstraße, sofern ich eine Autospur in Anspruch nahm, gut bewältigen. Die Autofahrer, die mich überholen wollten, werden sicherlich nicht meine Freunde. Die Situation auf den Gehwegen dagegen stellte sich dramatisch rutschig dar.
Kaum hatte ich die Hermannstraße verlassen und tastete mich an den Britzer Damm heran, staunte ich nicht schlecht: Rad- und Fußwege waren bereits um 12 Uhr mittags komplett vom Schnee geräumt.
In Nordneukölln war nahezu kein Mensch über 60 zu sehen, denn der drohende Oberschenkelhalsbruch bei Glätte bereitet Angst und lässt ungeahnte Organisationstalente wach werden, um das leibliche Wohl zu sichern.
Dagegen war im Süden, wegen der geräumten Wege, Betriebsamkeit der Bewohner zu beobachten. Ob mit oder ohne Rolli, Jung und Alt waren auf den Beinen und gingen ihren Geschäftigkeiten nach.
Für mich war klar, dass es sich im Süden sicherer leben lässt. Ich will da zwar nicht wohnen, aber irgendwie rutscht man da weniger.
Erstmals wurde die Oktoberausgabe per Lastenfahrrad ausgeliefert. Die Kiez und Kneipe verabschiedet sich pünktlich zu ihrem zweijährigen Jubiläum vom Auto.
Die Jungfernfahrt ermöglichte Pepe, Fahrraddesigner und Erbauer des Lastenfahrrads. 80 Kilogramm verkraftet der Anhänger, und das musste er auch, denn Papier ist schwer. Abgesehen von der sportlichen Leistung, das Gewicht durch Neukölln zu kutschieren, war es ein großes Vergnügen als unüberholbares Hindernis für Autofahrer durch die Sonnenallee und Karl-Marx-Straße zu radeln. Auch bei den Lieferstellen wurde das neue Gefährt mit großer Begeisterung aufgenommen.
Fahrrad und Anhänger wurden vom Quartiersmanagement im Richardkiez finanziert. Gegen eine Spende kann es sich jeder ausleihen, vorausgesetzt er tut etwas Gutes für den Richardkeiz. Das hat die Kiez und Kneipe getan und jede Menge Zeitungen dort verteilt.
Die Fahrt endete dann vor dem neuen Redaktionsbüro in der Schillerpromenade 31. Erstmals kann die Kiez und Kneipe nun Bürozeiten wahrnehmen und interessierte Leser empfangen und zwar Montags und Mittwoch bis Freitag 14:00 bis 18:00 Uhr.
Die Reise startete 2010 in den Redaktionräumen der Kiez und Kneipe in Kreuzberg. Hier wurde über ein Jahr die Neuköllner Ausgabe produziert. Am Richardplatz 8 fand die Zeitung dann neue Produktionsräume, aber eben nur für zwei Produktionswochenenden. Nach langem Suchen nach einem Büro in Nord-Neukölln hat die Redaktion in der Schillerpromenade unerwartet ein Zuhause gefunden. Ein Ort, nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zur Kommunikation.
Auch auf anderen Gebieten gab es Entwicklungen. So startete die Zeitung mit einer Auflage von 1.200 Exemplaren, aktuell sind es 2.100.
Die Anzahl der Redaktionsmitglieder steigerte sich von anfänglich sieben auf zwölf, die Anzahl der Seiten von zwölf auf 16. Die Gründungsmitglieder sind alle dabei geblieben, ein Ergebnis davon, dass die zahlreichen Konflikte, die eine lebendige Readaktion haben muss, erfolgreich ausgefochten wurden.
Die Redaktion konnte auf die Schnelle nicht ermitteln, wie viele Lokale sie vorgestellt hat, aber es waren eine Menge. Das entspricht der Entwicklung in Nord-Neukölln, das sich in rasantem Wandel befindet.
Die Vorstellung der Stadträte, die im Bezirksamt die Geschicke leiten, traf auf großes Interesse, manchmal aber auch auf recht harsche Kritik.
Etliche kulturelle Ereignisse verfolgte die Zeitung, die Entwicklung des Tempelhofer Feldes wird mit Argusaugen verfolgt. An dieser Stelle gelingt es der Kiez und Kneipe nicht durchgängig, neutral zu sein, zu stark ist das Interesse am Erhalt dessen, wie es aktuell ist.
Mit der Einführung der historischen Seite 2 in Verbindung mit dem Zeitgeschehen, wurde immer wieder gezeigt, dass sich die Probleme der Menschen in der Gesellschaft nicht geändert haben. Früher wie heute wurde gestohlen, es gibt Gewalt, Weihnachten wird gefeiert und in der Bezirksverordnetenversammlung hat sich auch nicht viel geändert. Sie ist bis heute eine Kleinkunstbühne.
Als Begleiter des Morus 14 hat die Kiez und Kneipe eine endlose Geschichte gefunden.
Die Kiez und Kneipe ist und bleibt politisch nicht ganz korrekt. Das rief bei dem einen ein Schmunzeln hervor, verursachte an anderer Stelle Eklats, bei denen es zu heftigen Gefühlausbrüchen kam bis hin zu einem Auslegeverbot. ro
Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von Thomas Reller
Nr. 258 – Freitag 1. November 1912
Rauch- und Rußplage. Gegenwärtig finden amtliche Erhebungen über die Rauch- und Rußplage statt. Diesen Erhebungen liegt folgender Fragebogen zugrunde: 1. Ist eine Rauch- und Rußplage in ihrem Bezirk beobachtet? 2. Worauf ist die Plage besonders zurückzuführen? Kommen mehr Industrie, Bäcker- oder Hausfeuerungen in Frage? 3. Können Betriebe mit besonders starker Rauchentwicklung genannt werden? 4. Welche Maßnahmen ergriffen worden (besonders in den Städten(?
5. Wie können die Maßnahmen wirksamer gestaltet werden? 6. Ist bereits eine Aufklärung der Bevölkerung durch Werkblätter, öffentliche Vorträge, Unterricht in Töchter- und Haushaltungsschulen, unter Hinweis auf die Vorteile der Gaskochheizung und Zentralheizung erfolgt? Ist auf die eventuelle Ersparnis an Brennmaterial durch richtige Beschickung des Ofen hingewiesen worden? Was ist dadurch schon erreicht worden? 7. Bestehen Vereine, Kommissionen oder dergl. für Rauch- und Rußbkämpfung? 8. Sind schon irgendwo erfolgreiche Versuche zur Bekämpfung der genannten Plagen durch besondere Einrichtungen (rauchschwache Verbrennung, mechanische Restbeschickung, Benutzung gasarmer Kohle, Rußfänger usw.) unternommen worden? 9. Welcher Art sind die benutzten Einrichtungen, wo befinden sie sich? 10. Kann das Zusammenarbeiten der Polizeibehörden mit den Kreisärzten un Gewerbeaufsichtsbeamten noch mehr gefördert worden? Nr. 260 – Sonntag 3. November 1912
Kleine Geschenke an einzelne Beamte. Verwaltungsbeamte dürfen Geschenke und andere Zuwendungen von Seiten privater Personen nur mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten annehmen. Es werden darüber seit drei Jahren sogar tabellarische Uebersichten dem Minister des Inneren vorgelegt. Der Minister findet, daß bei dieser Genehmigung nicht immer mit der gebotenen Vorsicht verfahren werde. Eine besondere Verfügung bezweckt eine strengere Handhabung der Genehmigung. Die Behörden haben, so sagt der Minister, die ernste Pflicht, dabei alles zu vermeiden, was das Empfinden der Beamten abzustumpfen oder zu zerstören geeignet sein könnte.
Die Integrität und das Ansehen der Beamtenschaft darf in keiner Weise beeinträchtigt werden. Einzelnen Beamten darf nicht gestattet werden, Geschenke oder andere Vorteile von Privaten dafür anzunehmen, daß sie Wohnungen, Grundstücke, Geschäftsräume usw. überwachen, obgleich diese Ueberwachung zu deren regelmäßigen Dienstobliegenheiten gehört. Es ist auch nicht zu lässig, daß den Beamten einer Polizeiverwaltung für die Angabe öffentlicher Lustbarkeiten von einer Gemeinde Tantieme der Lustbarkeitssteuer gezahlt wird. Ebenso wenig dürfen Polizeibeamte von den Unternehmern Geschenke, freies Quartier, freie Verpflegung usw. annehmen, wenn sie bei Ausständen zur Aufrechterhaltung der Ordnung herangezogen worden sind. Geschenke von Privaten für besondere Leistungen können dagegen für die ganze Beamtenschaft durch Ueberweisung an die Wohlfahrtseinrichtungen nutzbar gemacht werden.
Bereits vor 100 Jahren wurde in Deutschland, Berlin und Neukölln über Umweltbelastung, hier direkt über eine »Rauch- und Rußplage«, gestöhnt. Der Fragebogen, der im November 1912 erhoben wurde, weist genau auf die Rußsünder hin: hauptsächlich die Industrie, die mit billiger, gashaltiger Kohle produzierte, das Handwerk, hier nicht nur Bäckereien, sondern sämtliche Handwerksbetriebe, die einen Ofen oder eine offene Feuerstelle benötigten, sowie die unzähligen Haushalte, die mit Holz oder Kohle Wasser erwärmt, gekocht und geheizt haben. Besonders in den kalten Wintermonaten muss die Luft sehr rußig gewesen sein.
Auch die »kleinen Geschenke«, heute unter dem Begriff »Korruption« bekannt, waren vor 100 Jahren schon ein großes Problem. Wo man heute eine Kiste Wein, einen Briefumschlag oder eine Urlaubsreise erhält, war es früher eine freie Verpflegung in der Gastronomie sowie ein vergünstigtes oder gar freies Wohnen.
In eigener Sache:
Auch diesmal wieder sind in dem aufgenommenen Artikel aus dem »Neuköllner Tageblatt« von 1912 einige Rechtschreibfehler enthalten, die dem Leser aufgefallen sein können. Dies sind keine beim Korrekturlesen übersehenen Fehler, sondern solche, die aus der Zeitung von 1912 übernommen wurden. Die Texte wurden aus der historischen Zeitung transkribiert, sprich so übernommen, wie sie dort stehen.
Seit über einem Jahr habe ich jetzt in der Redaktion das Problem, dass mir diese Fehler immer wieder angekreidet werden, ebenso wie heute veraltete und unbekannte Wörter und ein teilweise unmöglicher Schreibstil, den man ja so nicht bringen könne. Jedes Mal muss ich mich für die Fehler anderer verantworten, da die Mitglieder der Redaktion diese Fehler nicht in ihrer eigenen Zeitung stehen haben wollen.
Friedrich Ludwig (Turnvater) Jahn (1778-1852) gilt heute allgemein als der Begründer der deutschen Turnbewegung. 1811 gründete er in der Hasenheide den ersten deutschen Turnplatz. Neben einer Gesundheitsvorsorge, Neuentdeckung des Körpers, Fitness und Selbsterfüllung in der Gruppe war die Turnbewegung eng mit einer frühen Nationalbewegung verknüpft. So war sie unter anderem mit der Zielsetzung entstanden, die Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung und für die Rettung Preußens und Deutschlands vorzubereiten. Die neue Turnerbewegung steht im engen Zusammenhang mit einem neu aufkommenden politischen Liberalismus, dessen Ziele unter anderem Demokratie und Pressefreiheit waren.
Für seine Verdienste um die Turnbewegung wurde Friedrich Ludwig Jahn bereits 1872 mit einem »Jahndenkmal« in der Hasenheide geehrt. Zum 200-jährigen Bestehen des ersten Turnplatzes wurde dieses Denkmal 2011 vom Bezirksamt aufwendig restauriert.
Seit dieser Zeit ist es bisher viermal aus der linken Szene heraus beschmiert und beschädigt worden. Gerade mal wieder gereinigt kam es Ende Oktober erneut zu einer Sachbeschädigung, wobei der Kopf des Denkmals mit Bauschaum besprüht und mit einem Gymnastikball verziert sowie der Sockel mit Lackfarbe beschmiert wurde. tr
Einbürgerung ist eine wichtige Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit diesem Akt die volle Rechtsgleichheit innerhalb des politischen Gemeinwesens erhalten. Kinder ausländischer Eltern, die neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit der Eltern haben, müssen sich zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden.
Welche Alternativen es zu diesem Optionsmodell geben könnte, diskutierten am 17. Oktober in der Aula der Albert- Schweitzer-Schule Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen und Sükrü Uslucan, Jurist und Autor des Buches »Zur Weiterentwicklungsfähigkeit des Menschenrechts auf Staatsangehörigkeit«. Die Fragen stellte Jan Stöß, Landesvorsitzender der SPD Berlin.
Uslucan bezeichnete die aufwendige Optionslösung als »bürokratisches Monster«, das im übrigen die Mehrstaatlichkeit in vielen Fällen nicht verhindern kann. Das gilt besonders dann, wenn die Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit zu persönlichen und finanziellen Nachteilen führt. Bei EU Bürgern wird die Mehrstaatlichkeit ohnehin hingenommen.
Auch Dilek Kolat plädierte dafür, die Ungleichheit von EU Bürgern und Nicht EU Bürgern aufzuheben und generell vom Abstammungsprinzip wegzukommen. Es geht ihr dabei nicht nur um Integration sondern auch um Teilhabe. Die Staatsbürgerschaft und damit verbunden das volle Wahlrecht stärkt das Dazugehörigkeitsgefühl, weil jeder mitgestalten kann. Allerdings wies sie auch darauf hin, dass die Staatsangehörigkeit nicht vor Diskriminierung und Ausgrenzung schützt. mr
Nicht der Euro, sondern die Menschen machen Europa
»Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein richtiges«. Damit umriss Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, ihre persönliche Sicht auf Europa im Rahmen einer Veranstaltung der »Europäischen Akademie Berlin e.V.« im Roten Rathaus.
Limbach, die 1934 in der Landesfrauenklinik in Neukölln geboren wurde, wies zunächst darauf hin, dass seit der Bildung der Montanunion 1957, dem Vorläufer der EU, kein Krieg mehr auf EU-Boden stattgefunden hat. Genau aus diesem Grund ergebe die »Europäische Union« einen Sinn.
Allerdings bemerkte sie auch kritisch, dass bei der Einführung des Euro die wirtschaftliche Union gefördert, jedoch keine politische Union gebildet wurde. »Heute sehen wir das Ergebnis an der Wirtschaftskrise in Griechenland«, so Limbach. Zu allem Unglück kommt die Enttäuschung der Bürger über die EU-Politik, die sich im vermeintlichen Desinteresse äußert oder gar den Wunsch nach Abschaffung der EU laut werden lässt.
Rund 40 Neuköllner Bürger waren der Einladung der Aademie gefolgt und beschäftigten sich mit den Themen »soziales Europa« und »Europa der Bürger«. Eckart D. Stratenschulte, der Leiter der »Europäischen Akademie« gab den Teilnehmern in seiner Einführungsrede schon in etwa eine Ahnung von dem, was sie erarbeiten sollten.
Am zweiten Tag entwickelten die Arbeitsgruppen eine Bürgererklärung mit Forderungen und Erwartungen, die Berliner Politikern überreicht wurde.
Darin wurde mehr Transparenz in den Abläufen und Strukturen der EU gefordert. Mehr Bürgerbeteiligung durch Referenden und eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit mit allseits verständlichen Erklärungen der Arbeit der verschiedenen europäischen Gremien standen auf der Forderungsliste. In diesem Zusammenhang gab es zudem viel Kritik an den Medien, die nach Meinung der Teilnehmer viel zu wenig über die EU berichten.
Ein weiteres wichtiges Anliegen waren die sozialen Standards in den EU-Mitgliedsländern. Ein Mindestlohn, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine Reform des Rentensystems mit einer besseren Berücksichtigung der Erziehungszeiten, sowie die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters abhängig von der Branche waren ebenfalls zentrale Forderungen.
Überreicht wurde die Bürgererklärung an das Bundestagsmitglied Stefanie Vogelsang (CDU), an die Berliner Abgeordneten Alexander Spiess (Piraten) und Gabriele Hiller (Die Linke), sowie an den Europaabgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen). Danach stellten diese Politiker sich der Diskussion mit den Bürgern. Cramer beklagte dabei, dass Europa auch von den Politikern aus den Nationalstaaten immer wieder schlecht geredet werde, dabei seien es doch eben diese Politiker, die die europäischen Gesetze mit entschließen würden. Er plädierte dafür, die vielen Unterschiede innerhalb Europas als Reichtum zu begreifen, gleichzeitig aber dafür zu sorgen, dass das soziale Gefälle zwischen den einzelnen Regionen nicht noch größer werde. mr/ro
Erschwingliche Wohnungen sind Mangelware in Neukölln. Deshalb stellte die Fraktion »Die Linke« in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 31. Oktober den Antrag, dass das Bezirksamt sich beim Senat dafür einsetzen möge, die ehemalige Frauenklinik am Mariendorfer Weg zurückzukaufen. Nach den Vorstellungen der Fraktion sollten dort kleine Wohnungen für Einzelpersonen und große Wohnungen für Familien mit geringem Einkommen entstehen. Der Investor, der das denkmalgeschützte Gebäude 2007 gekauft hat, wollte dort hochwertige Appartements zum Kauf bauen. Offensichtlich ist dieser aber nicht willens oder in der Lage, das Areal zu entwickeln. Die vorhandenen historischen Gebäude verfallen zusehends. Lars Oeverdiek (SPD) gab daher zu bedenken, das es wegen des desolaten Zustands hier kaum möglich sein wird, günstig zu bauen. Der Antrag wurde daher abgelehnt.
In einer mündlichen Anfrage erkundigte sich Gerrit Klingel (CDU) nach dem Problem von sogenannten Zweit- und Drittfrauen bei Mi-granten. Hatte dieses Thema in der BVV im September noch für einen Eklat gesorgt, wurde es diesmal deutlich sachlicher behandelt. Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Bündnis 90/Die Grünen) meinte dazu, dass die Vielehe bei Muslimen, die sich auf den Koran berufen, durch staatliche Verbote praktisch nicht zu verhindern sei, weil diese Ehen im Verborgenen und ohne staatliche Registrierung geschlossen werden. Es sei daher vor allem nötig, Frauen zu unterstützen, die sich aus dieser Situation befreien möchten.
Am Schluss der Sitzung ging es um die geplante Unterkunft für Asylbewerber. Die SPD sprach sich in ihrem Antrag gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen in Nordneukölln aus. Aufgrund der starken Zuwanderung von Roma, deren Integration eine erhebliche Aufgabe für den Bezirk sei, sei eine weitere Belastung nicht mehr zu verkraften. Bernd Szczepanski war der Ansicht, dass sich zu viele Bezirke bei der Aufnahme von Asylbewerbern vornehm zurückhalten. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei aber eine Aufgabe aller Bezirke der Stadt. Wenn es aber unumgänglich ist – und da waren sich alle Fraktionen einig – wird sich auch Neukölln solidarisch beteiligen. Dann soll eine solche Unterkunft jedoch im Süden Neuköllns angesiedelt werden. mr
Voller Schwung schaufelten Staatsekretär Christian Gäbler und Baustadtrat Thomas Blesing einige Haufen Erde auf den frisch gepflanzten japanischen Schnurbaum. Dieses letzte Ritual beschloss das Ende der Bauarbeiten im südlichen Abschnitt der Karl-Marx-Straße.
Zweieinhalb Jahre buddelten und schaufelten Bauarbeiter über und unter der Erde. Passanten stolperten und rutschten über die Absperrrungen. Das hat nun ein Ende gefunden. Die Abdichtung der Tunneldecke der U-Bahn wurde erneuert, ein Fahrradstreifen auf der Straße in beiden Richtungen eingerichtet. Problematisch ist die Spurführung für die Fahrradfahrer an der Kreuzung Saalestraße. Autos haben nunmehr nur noch eine Spur in jeder Richtung. Bürgersteige wurden verbreitert. Etliche Bäume sind bereits gepflanzt worden, im nächsten Jahr kommen noch mehr hinzu. An der Ecke Schiercker Straße/Karl-Marx-Straße zieren Kreuzberger Bügel den nicht offiziellen Platz.
Ganz billig waren die Arbeiten nicht. 2,8 Millionen Euro kosteten die Bauarbeiten, von denen der Bezirk 800 Tausend übernahm. Immerhin wurden die Bauarbeiten pünktlich abgeschlossen, was »nicht von jeder geplanten Maßnahme in Berlin behauptet werden kann« so Baustadtrat Blesing.
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Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat ein Gutachten über die »Volkwirtschaftlichen Auswirkungen eines Verzichts auf eine Teilbebauung des Tempelhofer Flugfeldes« veröffentlicht. Das soll belegen, dass auf das Land Kosten von nahezu 300 Millionen Euro zukommen, sollte das Tempelhofer Feld nicht mit Wohnungen und Gewerbeansiedlungen bebaut werden. Diese Kostenschätzung ist die Voraussetzung für das Volksbegehren der »Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld«, die eben diese Bebauung verhindern will.
Erstellt wurde das Gutachten vom »wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut empirica«. Allerdings beschäftigt sich die Studie nicht mit konkreten Ausgaben für die Entwicklung des Areals, sondern es werden äußerst vage Prognosen über das Verkehrsaufkommen in den nächsten 50 Jahren aufgestellt. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass Berlin weiter wächst und damit mehr Wohnraum, Büros oder Einzelhandelsläden benötigt. Werden die Ränder des Tempelhofer Feldes nicht bebaut, heißt das nicht, dass diese dort geplanten Wohnungen, Büros oder Gewerberäume überhaupt nicht gebaut werden. Diese geplanten Investitionen werden stattdessen auf anderen, alternativ verfügbaren Flächen getätigt werden. Da diese aber von der Stadtmitte weiter entfernt sind als das Tempelhofer Feld, schließen die Autoren dann auf ein weitaus größeres Verkehrsaufkommen in Berlin. Durch mehr Unfälle, mehr Staus und höhere Schadstoff- und Lärmbelastungen ergeben sich nach dieser Annahme Kosten von etwa sechs Millionen Euro pro Jahr. Das ergibt über den Zeitraum von 50 Jahren dann tasächlich die prognostizierte Summe von 298 Millionen Euro.
Warum die Verkehrsströme allerdings alle in die Stadtmitte gehen sollen, erfährt der Leser nicht. Ebensowenig wird thematisiert, welche Kosten entstehen, wenn all die Menschen, die sich jetzt auf dem Tempelhofer Feld vergnügen sich ins Auto schwingen und ins Umland fahren, um dort Erholung zu suchen.
Überhaupt keine Erwähnung finden die Kosten der Vorleistungen, die das Land für die Entwicklung des Tempelhofer Feldes aufbringen muss. Auf der Basis einer Finanzplanung der »Tempelhof Projekt GmbH« von 2010 errechnet die Bürgerinitiatve einen Verlust von rund 290 Millionen Euro, wenn auf dem Parkgelände gebaut wird. mr
Auf dem Kindlgelände im Rollbergviertel tut sich was!
Die Erfolgsgeschichte der Kindl-Brauerei fand 1988 durch die Übernahme der Oetker-Gruppe ein jähes Ende. 2005 beschloss die Gruppe, die Abteilung Neukölln in der Werbellinstraße aufzulösen. Seither wurde für das Gebäude ein Käufer gesucht, der den Neuköllner Interessen entgegen kommt.
Das Schweizer Ehepaar Varnholt sah 2011 das Gelände, verliebte sich darin und kaufte es. Die entstandenen Pläne können sich sehen lassen: Das Gebäude soll weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich sein. Ausstellungen sind geplant und ein Eventbereich. Freuen dürfen sich die Neuköllner auf einen Biergarten vor dem Gebäude, in dem Schatten spendende Bäume gepflanzt werden.
Die heute hässliche Ostseite des Gebäudes wird mit einer Z-förmigen Außentreppe ausgestattet. Von ihr gelangt der Gast dann in ein Restaurant. Die erfolgreiche Rollbergbrauerei, von Neuköllner wegen ihres hervorragenden Bieres geliebt, bleibt erhalten. Auf den Bierausschank von Donnerstag bis Sonntag wird nicht verzichtet.
Erste Arbeiten sind sichtbar im Gang, denn der Turm ist bereits eingezäunt. Hier gilt etwas zu retten, denn die ersten Steine lösen sich. Neuköllner können mit Zuversicht dem weiteren Geschehen entgegen sehen. ro
Die Linke kämpft mit kleiner Mannschaft für ihre Ideen
Thomas Licher, Fraktionsvorsitzender von Die Linke, der kleinsten Fraktion in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), erzählte im Gespräch mit Kiez und Kneipe Neukölln über Ziele und bisher Erreichtes und zeigt die Grenzen des Handlungsspielraums seiner Partei im Bezirk auf.
Angesprochen auf die Bildungspolitik bemängelt der als Krankenpfleger tätige den großen Investitionsstau von 80 Millionen Euro. Betroffen sind zahlreiche bauliche Maßnahmen, die an Neuköllner Schulen dringend erforderlich wären, bei denen im Bezirk aber das Geld fehlt. Dies betrifft nicht nur dringendst benötigte Reparaturarbeiten, sondern auch den Ausbau des Ganztagsbereichs. Erklärtes Ziel der Die Linke in der BVV ist eine flächendeckende Einführung von Gemeinschaftsschulen in Neukölln.
Bei der Verkehrspolitik hat Licher eine sehr eindeutige Haltung. Die Verlängerung der A100 hält er für die Fortsetzung einer 50-er Jahre Politik, als an der Autostadt Berlin gebastelt wurde. Inzwischen sind die Neuanmeldungen für Fahrzeuge rückläufig und dadurch große Straßen überflüssig. Lieber sähe die Fraktion den Ausbau der U7 bis zum Flughafen in Schönefeld für den Fall, dass der Flughafen in Betrieb genommen wird.
Zu einer Gewaltprvention im Bezirk meint Licher, dass nach den Ursachen von Gewalt geschaut werden muss, denn sie ist Ausdruck einer mangelnden Teilhabe an der Gesellschaft. Videoüberwachung hält er in diesem Zusammenhang für sehr fragwürdig: sie verhindere keine Gewalt, zeichne sie lediglich auf. Sanktionierungen sind in seinen Augen dennoch unvermeidbar. Ebenso lehnt Die Linke einen Wachschutz an Neuköllner Schulen ab. Er sieht eine Verbesserung der aktuellen Situation darin, dass der Bezirk Chancen für die Jugendlichen eröffnet, was die Schaffung von Ausbildungsplätzen sein könnte.
In Wirtschaftsfragen sieht Licher für den Bezirk kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür tritt Die Linke für das bedingungslose Grundeinkommen ein.
Erreichen konnte die Fraktion Die Linke in der laufenden Legislaturperiode bisher nicht viel, sind sie doch nur mit drei BVV-Mitgliedern im Rathaus vertreten.
Auf die Frage nach den Zielen in dieser Legislaturperiode spricht sich Licher gegen eine soziale Verdrängung durch Mietsteigerungen aus. Der Bezirk hätte die Möglichkeit über den »Milieuschutz« eine Verdrängung abzumildern. Das Jobcenter, nicht mit dem besten Ruf behaftet, soll nach seiner Meinung dazu gebracht werden, Leistungsempfänger angemessen zu behandeln. Im weiteren stellt er fest, dass in den Gutshof Britz – den er durchaus schön findet – allerdings ungleich mehr Geld geflossen ist, als es die Schulen benötigten. Weiterhin wünscht sich Die Linke einen Drogenkonsumraum in Neukölln.
Zum Schluss weist Licher auf die Bürgersprechstunden im Rathaus hin, die stärker von den Neuköllnern genutzt werden sollten. ro
Lange standen sie leer, die Räume des irgendwie schon legendären »Salon Petra«, an dessen wunderbare Jazzkonzerte, Sessions, Lesungen und Partys sich die Stammgäste noch immer wehmütig erinnern. Nun bereichert seit Ende Oktober ein Bistro-Café namens »No Name»– direkt neben der kultigen Musikeckkneipe »Oase« – das kulinarische Angebot auf der Hobrechtstraße nahe des Maybachufers.
Die türkische Familie, die seit 14 Jahren die Bäckerei Mert schräg gegenüber betreibt, hat viel Geld in Umbau und Dämmung des Ladens investiert und ein luftig-lichtes und durch die braun-beigen Polster und die gemusterte Tapete links im Raum angenehm modernes Lokal geschaffen, in dem auf selbstgemachte Leckereien aller Art – mit orientalischem Einschlag – gesetzt wird. »Unser Anliegen ist es, dass jeder etwas für sich bei uns findet«, so der Chef.
Und so sind neben französischen, türkischen und vegetarischen Frühstücken im Angebot (Hungrige mögen jetzt besser weglesen – oder hingehen): Linsen-, Joghurt-, Hühner-, Nudel- und Gemüsesuppe, Köfte, Sucuk, Hühnerschnitzel, Geflügelfrikadellen, Rindswurst und Backfisch im Brot oder mit Pommes, Kartoffeln, Reis oder Salat, Böreks, Pizzen, gefüllte Gözleme-Taschen mit Käse, Spinat, Hackfleisch oder Kartoffeln, Auberginensalat, gefüllte Paprika und Weinblätter sowie für den Zuckerkick hausgemachte Kuchen, Muffins, Brownies oder Tiramisu. Alles natürlich auch zum Mitnehmen. Kaffee und Tee gibt es auch »in Bio« und auf Wunsch mit Soja- oder laktosefreier Milch, und da gleich fünf Getränkekühlschränke – mehr als mancher Späti hat – gut gefüllt sind, lässt sich im »No Name« auch einfach ein Bierchen trinken.
Bei dem Überfluss ist ein Name dann wohl auch verzichtbar.
hlb
Es hat bestimmt ein halbes Jahr gedauert, bis der Käseladen für die Eröffnung hergerichtet war. Georg Weishäuptl, der bereits als Garant für »gute Nachrichten« das Lokal »Peppi Guggenheim« betreibt, hat nun einen Käseladen schräg gegenüber in der Weichselstraße 65.
Der Käse hat es ihm schon länger angetan. Weisshäuptl, aus Österreich stammend, entwickelte, als er noch dort lebte, eine Internetplattform für Käsebauern, die über diesen Weg ihren Käse verkaufen konnten. Als er in Berlin ankam, dauerte es nicht lange, bis er die Plattform selbst nutzte. Auf einigen Berliner Märkten ist sein ausgesucht gutes Sortiment seither zu finden. Gehandelt wird er zwischenzeitlich als einer der besten Käsehändler der Stadt.
Am 25. Oktober öffneten sich die Ladentüren, hinter denen bester Käse zu kaufen ist, bei geselliger Laune und nun endlich auch im Warmen.
ro Peppikäse, Weichselstraße 65, Di-Sa 17-21 Uhr, www.peppikaese.de
»Open Cosmos« – das bezeichnet nicht den weiten Blick auf die Kreuzung Sonnenallee/Reuterstraße, den man aus den großen Fenstern der vor einem halben Jahr eröffneten »Vater Bar« hat, sondern einen der etlichen dort feilgebotenen Cocktails. »Sehr viel Wodka, sehr viel Rum« verspricht die Karte, dazu der in vielen russischen Drinks beliebte spanische 43er-Vanillelikör und etwas Zitronensaft – und schon wird der Gast zum Kosmonauten.
Chef der »Vater Bar« ist der in Sibirien geborene Artem, der mit acht Jahren nach Deutschland kam, in Münster Politikwissenschaften studierte und nun in einem ehemaligen Airbrush-Laden seine Vision einer gemütlichen Bar verwirklicht, die die Atmosphäre einer typisch russischen Familienwohnung aus den 90ern ausstrahlen soll. Und so hängte er einen Teppich an die Wand, besorgte sich bei eBay ein buntes Sammelsurium an Sofas, Stühlen und Tischen und baute alte Wohnzimmerschränke zu Barregal und Tresen um.
Die Gäste mögen diese unkonventionelle Neuentdeckung im Reuterkiez, die russische Trinkgewohnheiten hochleben lässt. Acht Wodkas, insbesondere aus Sibirien und Weißrussland teils mit dem Aroma von Zedernnüssen, Birke oder Honig-Pfeffer versehen, bietet Artem an. Dazu viele Gin und Whiskey Specials wie das »Rostige Wasser« (Whiskey mit 7up), vor allem aber eigene Wodkakreationen: »Bojarski«, einen Wodkashot mit Erdbeer und Tabasco, »Eingelegter Russe« mit Gurkensaft oder »A Girl Called Lenka« – »eher was für die Damen« – mit Wodka, 43 und russischer Limo. Cocktailklassiker wie Moscow Mule oder Cuba Libre, lieblicher sowjetischer Sekt, Flaschenbiere und für die Abstinenzler selbstgemachte »Vater-Limo« runden das Getränkeangebot ab.
Plattenbauwohnungsfan Artem ist froh, dass er den Zugang zur westlichen wie auch zur russischen Kultur hat und so einen originellen Mix aus coolen Pop- und authentischen russischen Songs durchs »Vater« schallen lassen kann – am besten »bis die Leute auf den Tischen tanzen«. Aber auch, wer nur chillen oder mit der Spielesammlung am Eingang die Zeit vertreiben möchte, ist natürlich willkommen.
Das »Vater« – eine wärmendes Refugium gerade zu Zeiten von Väterchen Frost.
hlb
Über dem »Filou« in der Okerstraße 15 ziert das Bild eines rauchenden Mannes mit Baskenmütze den Eingang. Die Gaststätte hat allerdings nichts mit der spanisch-französischen Grenzregion gemein. Das Logo steht vielmehr für den Filou, der mit Chuzpe und Geschicklichkeit durchs Leben geht. Und wer geschickt beim Billard einlochen kann, die Dartpfeile zielsicher im Bullseye zu versenken weiß und auch beim Kickern eine schnelle Hand hat, ist hier genau richtig. Der große Thekenraum lädt bei Live-Fußball an der Großbildleinwand zum Verweilen ein, gespielt wird in den Nebenzimmern. Billardfans brauchen keine Angst zu haben, dass sie mit dem Queue an die Wand stoßen, die Dartfreaks haben genug Raum, um auch Turniere mit mehreren Teilnehmern auszutragen. Das »Zielwasser« ist hier zudem unschlagbar günstig, das 0,4- Hausmarke-Bier gibt es ebenso für 1,10 Euro wie die Weinbrand-Cola Mixtur »Futschi«.
Jeden ersten und dritten Samstag im Monat lädt das »Filou« zu einer großen Tanzparty ein.
Geöffnet hat das Lokal Montag bis Donnerstag von 12:00 bis 1:00, von Freitag 12:00 bis Sonntag 24:00 kann man hier durchgehend verweilen, frei nach Voltaires Sinnspruch: »Spielen ist keine Kunst, aber aufhören zu spielen.« Cal
Erwähnenswert ist der »Raum 6« in der Ganghofer Straße 1 allein schon wegen seines Frühstücks-Special-Price-Angebotes. Für lediglich 2,90 Euro bekommt man hier ein gekochtes Ei, zwei Schrippen, Wurst und Käse und einen Kaffee kredenzt.
Frisch gestärkt kann man sich hier anschließend beim Billard vergnügen oder sich beim Dartspiel messen.
Ein absoluter Eyecatcher sind die zahlreichen Wandcollagen, die sich meist rund ums Motorrad drehen. Natürlich sind hier auch die »Easy Rider« Dennis Hopper und Peter Fonda verewigt. Eine echte Honda ist zudem über einer Sitzecke dekorativ platziert. Dennoch ist der »Raum 6« keine Bikerkneipe.
Wem nach Feiern zumute ist, der sollte sich den »Crazy Saturday« nicht entgehen lassen, denn samstags kosten fast alle Getränke nur die Hälfte. Lediglich die Whiskys und Whiskeys sind nicht in diesem Angebot enthalten. Wer mehr über das »Lebenswasser« Whisk(e)y und andere Spirituosen wissen will, kann sich auch in der angekoppelten »Getränkezentrale« in der Altenbraker Straße 15 informieren. Cal
Christoph Schmidtke, »der zerfallene Engel« erschien in der Aky-Lounge
»Ich selbst als Subjekt bin nicht existent«. Der »zerfallene Engel« sitzt am Schreibtisch und schreibt diesen ersten Grundsatz des Zen vor sich hin und zwar in jede einzelne Spalte seiner Steuererklärung.
Das Publikum kann sich leicht vorstellen, wie das Finanzamt reagiert, es biegt sich vor Lachen. Christoph Schmidtke begeisterte am 10. November in der »Aky-Lounge« mit seinem neuen Soloprogramm. Ausgestattet mit Engelsflügeln führte er die Zuschauer durch eine Welt skurriler Gedankengänge: Er beneidet die Lesbenberatung, in der auch nachts noch das Li cht brennt. Die Lesbe wird beraten, er nicht. Trotz allem gibt es Hoffnung für ihn, denn wenn die Lesbe Trost findet, so gibt es bestimmt auch bald einen Platz der Zuversicht für ihn.
Vor Einsetzten der großen Traurigkeit gibt es das Rezept für ein schönes Leben. Es gibt so viele Busse in der Stadt, einfach einsteigen und in das schöne Leben fahren.
Der zerfallene Engel hat jedoch ein großes Problem. Während alle anderen unter Burn-Out, Depressionen und Lebenskrisen leiden, geht es ihm gut, einfach nur gut. Er ist ein »echt toller Typ, der versucht, so zu werden wie du«. Das macht ihn zum Außenseiter. Er ist aber ein soziales Wesen und sucht Anschluss an alle Menschen, die nicht glücklich sind.
Intelligente Gedankengänge, das Leben auf die Schippe genommen, bleibt kein Auge in der »Aky-Lounge« trocken.
Die musikalische Begleitung von Paul Schwingenschlögl auf dem Keybord und Flügelhorn, manchmal sogar beide Instrumente zusammen, sorgen für ein rundes Arrangement.
Viel zu früh endet das Programm in der »Aky-Lounge«, die wie geschaffen ist für den »zerfallenen Engel«. Aky, Betreiber der Lounge freut sich auf weitere Vorstellungen des Engels. oj
Unerwartete Klänge waren in der »Ma Thilda« am späten Abend des 19. Oktobers zu hören, raffinierte Gitarrensounds, durch Elektronik leicht verfremdet.
Hier spielt ein Könner: Dieter Bornschlegel, Gitarrist der bekannten deutschen Band Guru Guru, die 1976 als erste deutsche Band im legendären WDR-Rockpalast auftrat. Bornschlegel war von 1977-79 und von 1994-97 bei Guru Guru. In den letzten Jahren konzentrierte er sich auf seine elektroakustische Soloperformance. Bornschlegel beherrscht die Gitarre wie kaum ein anderer, bei ihm stehen aber keine virtuosen Gitarrenläufe im Vordergrund, sondern er schafft einen beeindruckenden Klangteppich mit rhythmisch dichten Sequenzen, Obertönen und ungewöhnlichen Sounds. Die Zuhörer kommen in den Genuss eines großartigen Konzerts des Ausnahme-Gitarristen, der extra aus Marburg angereist kam, um im intimen Rahmen der »Ma Thilda-Bar« zu konzertieren. Seine Fans wussten es zu schätzen. pschl
Eugen, Michael und Semjon Posin versetzen sich in klassische Maler
Neukölln ist immer wieder für Überraschungen gut. In einer unscheinbaren Ladenwohnung in der Wipperstraße 20 befindet sich seit 2001 der Kunstsalon Posin. Kaum öffnet man die Tür, glaubt man, in einer anderen Welt zu sein. Meisterwerke der Malerei aus mehreren Jahrhunderten, wohin man blickt. Entspannt unterhalten sich die drei Posin-Brüder, Eugen, Michael und Semjon, auf russisch, trinken starken Espresso und rauchen dabei. Mit ihren Holzfällerhemden, ihren Bärten und hageren Gesichtern wirken sie selbst wie aus einem Kunstwerk entstiegen.
Einer der Brüder führt uns in den Keller, wo weitere Meisterwerke an den Wänden hängen oder in den Regalen stehen. Dazwischen gibt es auch eigene Werke der drei Maler. Besonders originell die Mona Lisa als junges Mädchen, als Dame mittleren Alters und als alte Frau.
Seit 20 Jahren leben die Künstler in Neukölln. Und sie wohnen gerne in einer abgeschiedenen Gegend, da sie hier in Ruhe arbeiten können. Ihr Arbeitsalltag beginnt meistens gegen 20:00 Uhr, dann arbeiten sie durch bis zum frühen Morgen. Sie brauchen keinen Hype. Solvente Kunden aus der ganzen Welt bestellen Kopien berühmter Gemälde bei ihnen. Auch ihre eigenen Werke sind von großer Qualität und waren bei vielen renommierten Ausstellungen zu sehen.
Obwohl sogar Experten kaum die Kopien von den Originalen unterscheiden können, ist das, was die drei machen, keine Fälschung, sondern völlig legal. Ihre Werke haben eine andere Größe als die Originale und sind auf der Rückseite gekennzeichnet. »Wir kopieren nicht einfach, sondern wir versetzen uns in den Künstler hinein«, erklärt Semjon Posin.
Ihr Handwerk haben sie an der Leningrader Kunstakademie erlernt, doch schon in der Kindheit entstand bei allen drei die große Liebe zur Malerei. Es gibt keine Konkurrenz unter den drei Brüdern, manchmal malen sie sogar gemeinsam an einem Gemälde.
Wir lassen die Mona Lisa hinter uns, die dunkle Neuköllner Nacht nimmt uns wieder gefangen. pschl Öffnungszeiten und mehr unter: www.kunstsalon-posin.de
Ola Eibl zeigte in ihrer Ausstellung »Interimsauflage« Tusch- und Bleistiftzeichnungen, die sich mit dem Thema Papier beschäftigen. Auf ihren Bildern türmen sich Bündel von Papier zu fragilen Gebilden, die im nächsten Augenblick zusammenzustürzen drohen. Neben den Zeichnungen zeigte sie auch ihre Sammlung von Fabrikkarten, auf die sie ihre kleinen Entwürfe zeichnet. Atelier Ola Eibl, Mahlower Str. 3, HH, rechter SF, 1. OG.
Die Malerin Mo-Skito zeigte in ihrem Atelier ihre surrealistischen Bilder. Es sind Bilder voll praller Farbigkeit und manchmal agressiver Sinnlichkeit, die jeden freien Platz an den Wänden bedecken. Das ganze Atelier ist ein Gesamtkunstwerk, in dem das Auge immer wieder neues entdeckt. Werkstube Mo-Skito, Wissmannstr. 19, HH.
Judith Sturm präsentierte kunstvolle Haarschmuckkreationen unter ihrem »Label Jay‘s Delight«. Passend zur Jahreszeit sind die phantasievollen Unikate aus Federn, Bändern und Schmucksteinen mit Symbolen der Endlichkeit wie Totenköpfen versehen und in herbstlich morbiden Farben gestaltet. RAUM82, Reuterstr. 82
Der gelernte Stadtplaner und überzeugte Neuköllner Wolfgang Schnell zeigt seine aktuellen Werke. Aus Fotos, die er spiegelt, verfremdet und wieder zusammensetzt, entstehen abstrakte Ansichten. Die ursprünglichen Fotos, die als Vorlage dienten, werden als Vergleich mit ausgestellt. Der Betrachter hat bei manchen Werken Sucharbeit zu leisten, den Ausschnitt, den Schnell bearbeitet hat, wieder zu finden. Die Motive, die der Künstler gewählt hat, sind Gebäude und Stadtansichten.
Die Ausstellung wird vom Galeriebetreiber vom »Präsenzwerk« Reinhard Lange aus der Selchower Straße eröffnet. Für die musikalische Unterhaltung garantiert der »Wensday Music Club« mit einer Zeitreise in die 60er und 70er Jahre für gute Laune.
Die Ausstellung ist vom 23. November bis zum 27. Dezember täglich ab 18:00 im Froschkönig, Weisestraße 17 zu besichtigen.
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Den Mittelpunkt der Ausstellung »Böhmische Rhapsodie« in der »Galerie im Saalbau« ist der mobile Ausstellungskubus »FRITZ|DORF|STADT« Präsentiert wird hier die Geschichte der vier Kolonistendörfer Nowawes, Friedrichshagen, Erkner und Rixdorf, die eine gemeinsame Gründungsgeschichte verbindet. Flüchtlinge fanden hier eine neue Heimat. In kleinen Texten, die in Schubladen versteckt sind, werden Einblicke in die Alltagsgeschichte dieser Siedlungen gegeben.
Parallel zur Ausstellung ist das Buch »Das Böhmische Dorf in Berlin – ein Rundgang« von Beate Klompmaker erschienen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. Dezember. mr
Herausforderung ist die Mehrgenerationengesellschaft
Neukölln ist zwar ein Bezirk, der besonders für junge Leute eine große Anziehungskraft hat, aber auch hier gibt es immer mehr ältere Menschen. Ist der Bezirk auf die Bedürfnisse dieser Menschen eingerichtet?
Über dieses Thema diskutierten beim »Talk im Park« am 26. Oktober Meltem Baskaya vom »Kompetenz-Zentrum Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe«, Hedwig Rockel vom »Seniorentreffpunkt Neukölln«, Bernd Szczepanzki Bezirksstadtrat für Soziales, und Jochen Ziegelmann vom »Deutschen Zentrum für Altersfragen«. Die Fragen stellten Heidi Göbel und Martin Steffens.
Jochen Ziegelmann stellte als erstes fest, dass der Arbeitsmartkt noch keineswegs angemessen auf die älter werdende Gesellschaft reagiert. Zwar sollen alle bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten, werden aber vielfach bereits mit 50 aus dem Arbeitsleben aussortiert. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die Höhe der Altersrenten. Altersarmut ist die häufige Folge. Bei der derzeitigen Entwicklung der Mieten, besonders in Nordneukölln, kann das dann auch schnell dazu führen, dass Wohnungen unbezahlbar wird.
Bernd Szczepanzki stellte allerdings fest, dass es auch noch einen anderen Grund dafür gibt, dass im Süden Neuköllns mehr alte Menschen wohnen als im Norden: die Wohnungen in den Neubaugebieten, besonders in der Gropiusstadt, haben Aufzüge im Gegensatz zu Nordneuköllner Altbauten.
Kritisch sah Bernd Szczepanzki auch die Freizeitangebote für Ältere. Gelegentliche Treffen bei Kaffee und Kuchen, gemeinsames Schunkeln zu Musik von Claire Waldoff oder Hans Albers, fand er denn doch allzu dürftig. Es sei wichtig, meinte er, dass sich das Altersbild in den Köpfen ändere. Alt ist nicht gleich krank. Alte Menschen haben der Gesellschaft durchaus noch sehr vieles zu bieten.
Dem konnte sich Hedwig Rockel nur anschließen. Auch sie wies darauf hin, wieviel Erfahrung die Alten an die Jungen weitergeben könnten. Dazu müssten sich die Altersgruppen aber viel mehr vermischen. Mehrgenerationenhäuser könnten hier hilfreich sein. Eine solche Vermischung könnte darüber hinaus auch helfen, Familie zu simulieren, wo die echte Familie nicht mehr funktioniert.
Bei den Zuwanderern ist der Familienzusammenhalt in der Regel noch selbstverständlich, wie Meltem Baskaya feststellte. Das ist ein Grund, weshalb in den Senioreneinrichtungen wenige Migranten zu finden sind. Deshalb gibt es in diesen Einrichtungen auch kaum Angebote für diese Klientel, was widerum dazu führt, das Migranten sich in diesen Einrichtungen nicht gut aufgehoben fühlen. Es fehlt das gegenseitige Verständnis. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Am Ende des Abends waren sich alle einig. Es gibt noch viel zu tun, denn das Problem der immer älter werdenden Menschen ist die größte Herausforderung, vor die diese Gesellschaft gestellt wird. mr
Still war es in letzter Zeit um die Neuköllner Piraten geworden. Sie waren abgetaucht, verschwunden in ihrem Netzknäuel.
Nun sind sie wieder aufgetaucht und präsentieren in den nächsten Tagen ihre neue online-Plattform. Victor Aouizerat vom Squad Tempelhofer Feld: »Wir fordern alle interessierten Berliner auf, an der Plattform teilzunehmen und ihre eigene Öffentlichkeit herzustellen um herauszufinden, was wir wirklich auf dem Feld tun wollen. Unser Squad versteht sich hierbei als unabhängige Kraft, mit dem Ziel eine neutrale Plattform herzustellen an der jeder mit den gleichen Mitteln Teilnehmen kann.«
Der Pirat spricht alle Interessengruppen an, die sich mit der Zukunft des Tempelhofer Felds beschäftigen.
Dabei versteht sich das Portal als Möglichkeit der Vernetzung zur gegenseitigen Unterstützung von Aktionen. Früher war es das schwarze Brett, auf dem Angebot und Nachfrage angepinnt wurden, heute ist es das Netz.
Die Interessengruppen rund um das Tempelhofer Feld sind in ihren Wurzeln sehr unterschiedlich. Von der Kleingartenkolonie bis zur »Aktionsgruppe 100% Tempelhof« verfolgen die Akteure doch das gemeinsame Ziel, Einfluss auf die Zukunft des Felds zu nehmen.
Treffen, bei denen hitzige Diskussionen entstehen, werden vermieden, persönliche Feindschaften können gar nicht erst entstehen, denn alle Mitteilungen sind öffentlich.
Selbstverständlich soll das Portal auch als Diskussionsplattform dienen. Die Hoffnung, dass durch die Vernetzung mehr Menschen für Aktionen mobilisiert werden, ist berechtigt.
In diesem Sinne ist die Plattform ein guter Beitrag für Bürger, die sich einmischen möchten. oj Internet: freies-feld.de
Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
Wer hat sie nicht schon erlebt, diese Situation, wenn eine Mutter die Fotos ihres Sohnes zeigt, auf denen er nackt durch Nachbars Garten rennt. Dummerweise ist das genau immer dann der Fall, wenn gerade eine potentielle Herzensdame zu Besuch ist. So ergeht es Mordechai Wolkenbruch beinahe täglich, denn seine Mutter versucht ihn ums Verrecken an die Frau zu bringen. Doch Mordechai, genannt Motti, möchte sich lieber selbst entscheiden. Zählt doch einzig die Liebe, die er bei den Exemplaren, die ihm seine Mutter vorstellt, eher selten aufbringen kann. Als Motti Laura kennenlernt und sich verliebt, ist das Chaos perfekt, denn er ist ein Jude und Laura eine Schickse.
Umziehen ist schrecklich. Voller Freude auf die tollen Büroräume der Kiez und Kneipe vergaß ich die bevorstehenden Widrigkeiten. Die Technik, klar, funktioniert erst mal nicht so richtig. Auch die Feststellung, dass die Schillerpromenade ein einziges Funkloch ist, erleichtert die Arbeit nicht. Das hängt mit dem ehemaligen Flughafen Tempelhof zusammen. Die Anflüge wären durch einen Funkturm gestört gewesen. Aber auch dafür wird es eine Lösung geben.
Aber die Unstellung ist furchtbar anstrengend. Daran gewöhnt, bei Hunger schnell eine Kleinigkeit zu kochen oder den Kühlschrank zu plündern, entsteht im neuen Büro ein Loch. Im Magen. Und da der Zulauf im Büro doch größer als erwartet ist, wird das Loch ignoriert. Ich hätte mir ja Proviant mitbringen können. Eine harte Strafe für meine Vergesslichkeit.
Mit der Zeit werde ich im Gespräch unkonzentriert, ertappe mich dabei, wie sich Gedanken an Rouladen, Eintöpfe, Steaks, Gemüse und diverse Desserts einschmuggeln. Heimlich beginne ich, am Computer mir Leckereien auf den Bildschirm zu zaubern, was meinen Zustand nicht verbessert. Ich wundere mich nur darüber, wie ich mich selbst foltere.
Dann aber wird es Zeit für mich, es wartet noch ein Termin. Vorher noch schnell in eine Bäckerei hineigehuscht, um noch eine Kleinigkeit zu essen.
Das allerdings war ein grober Fehler. Mit den opulenten Fantasien im Kopf über wohlschmeckende Köstlichkeiten, hatte das Angebot im Geschäft nun gar nichts zu tun. Ich konnte mich nur zwischen schlecht und schlecht entscheiden. Die Zeit rannte und ich bin immer pünktlich. Und es war schlecht. Es war so schlecht, dass ich nach einem Bissen in das Getreideprodukt, der Verkäuferin den Rest zurück gab und mein Erstaunen darüber äußerte, dass so etwas tatsächlich gekauft wird.
Die Planung zum zweijährigen Jubiläum steht: Die Kiez und Kneipe Neukölln feiert am Samstag, den 17. November im Sandmann, Reuterstraße 7-8, 12053 Berlin ab 19 Uhr. Die Feier endet, wenn der Letzte geht.
Eingeladen sind alle Leser, Förderer und Gönner. Wir bedanken uns bei Ihnen, denn ohne sie wäre die Kiez und Kneipe nicht auf dem Markt.
Der Abend wird kulturell bunt: die »Muschelschubser» präsentieren ihr Plattdeutschstück, das selbst für Österreicher verständlich gemacht ist. Paul Schwingenschlögl, einziges österreichisches Redaktionsmitglied und Fachmann an der Trompete wird mit Stefan Fischer am Klavier Filmmusik zelebrieren. Die beiden Profis konnten mit diesem Programm schon Erfolge feiern.
Der »zerfallene Engel« wird seine philosophischen Lebensweisheiten zum Besten geben und das »Stefan Fischer Trio« bildet anschließend den Abschluss der Kultur.
Trotz der vielen Kultur darf geredet werden. Das Konzept der Kiez und Kneipe besteht auch darin, Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst nie getroffen hätten.
Als Dankeschön ist das reichhaltige Buffet umsonst, Getränke werden bezahlt.
Wir freuen uns auf viele Gäste. ro
Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von Thomas Reller
Nr. 232 – Mittwoch 2. Oktober 1912
Unlauter Wettbewerb. In einem Erlass vom Reichskanzler wird ausgeführt, daß in weiteren Kreisen vielfach die Meinung verbreitet ist, als ob die im Verkehr befindlichen sogenannten »Blutweine« eine besonders günstige Wirkung auf die Blutbildung hätten. Das ist indes nicht der Fall. Es handelt sich bei diesen Weinen zumeist um Phantasiebezeichnungen für dunkle Dessertweine verschiedenster Herkunft. Es wird als erwünscht erachtet, die Bezeichnung »Blutwein« aus dem Verkehr verschwinden zu lassen. Die Interessenten sollen sich der Bezeichnung enthalten, um etwaige Strafanträge auf Grund des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb zu vermeiden.
Nr. 233 – Donnerstag 3. Oktober 1912
Große Störung im Fernsprechverkehr. Der vorgestrige Orkan und die Stürme der vorletzten Nacht haben arge Verheerungen in den Fernsprech- und Telegraphenanlagen verursacht. namentlich im Fernsprechverkehr ist eine große Stockung eingetreten, die sich um so fühlbarer macht, als das Telephon besonders für die Gespräche nach dem Auslande infolge der Vorgänge auf dem Balkan sehr stark in Anspruch genommen wird. Mit Paris und mit Belgien ist der Fernsprechverkehr vollkommen unterbrochen und auch nicht durch Umleitung möglich. Ebenso ist der Verkehr mit einem großen Theile des Rheinlandes gestört; mit Köln, Duisburg und Essen konnte zeitweise gesprochen werden. Auch die Linien nach dem Osten, nach Breslau und nach Posen konnten nicht benutzt werden. Der nähere Fernverkehr über Brandenburg, Magdeburg und Hannover litt unter Materialschäden, die meisten gestrigen Gespräche wurden über Frankfurt a.M. verlangt. Auf Gespräche nach Wien mußte man stundenlang warten, da Anmeldungen in enormer Zahl vorlagen.
Nr. 234 – Freitag4. Oktober 1912
Das Betreten der Uferböschung des Neuköllner Schiffahrtskanals ist zwar verboten, trotzdem kann man häufig spielende Kinder beobachten, welche die Böschung betreten. Die Eltern möchten wir daher darauf aufmerksam machen, daß dies mit direkter Lebensgefahr verbunden ist. Der Kanal ist ausgebaggert worden, wodurch bereits dicht am Ufer eine solche Tiefe vorhanden ist, daß Kinder, die in den Kanal fallen, verloren sind. Alle Eltern werden daher gut tun, ihren Kindern das Betreten der Kanalufer zu verbieten.
Die Sparsamkeit der Großen Berliner Straßenbahn macht sich so recht auf den nach Neukölln laufenden Linien geltend. Während vor mehr als acht Monaten die Ortsbezeichnung Rixdorf in Neukölln abgeändert worden ist, tragen noch jetzt alle Straßenbahnwagen auf den im Inneren ausgehängten Fahrschildern den alten Namen »Rixdorf«. Schaffner, die befragt wurden, weshalb der alte Name noch nicht verschwunden ist, gaben sämtlich übereinstimmend die Antwort, daß die alten Schilder mit dem Namen Rixdorf erst aufgebraucht werden sollen.
Nach der Umbennung »Rixdorfs« in »Neukölln« am 27. Januar 1912 hat sich bis in den Oktober der neue Name noch nicht überall durchgesetzt. Besonders beim Post- und Güterverkehr in das neu benannte Neukölln kam es in den ersten Monaten zu häufigen Missverständnissen. So war im März 1912 auf dem Güterbahnhof Frankfurt an der Oder der Bestimmungsort »Neukölln« nicht einmal bekannt, weshalb vermutlich zahlreiche Frachtstücke nach Neukölln ihr Ziel nicht erreicht haben dürften. Ein Frankfurter Tischler schrieb aus diesem Grunde an seinen Bruder in Neukölln: »Das konntest Du mir gleich schreiben, dass ihr noch Rixdorfer seid«, nachdem eine Frachtsendung an den Bruder zurückgekommen war.
Nicht nur die Berliner Straßenbahn weigerte sich aus Kostengründen ihre noch vorhandenen Rixdorfer gegen Neuköllner Schilder auszuwechseln. Bei einer polizeilichen Suche im Frühjahr 1913 wurden noch zahlreiche Firmenschilder, Reklametafeln und sogar noch städtische Verwaltungsstellen mit der alten Ortsbezeichnung Rixdorf ermittelt. Der damalige Neuköllner Stadtbaurat Hermann Weigand hielt daher in einem Bericht an Bürgermeister Kurt Kaiser fest: »Zu keiner Zeit verschwand der Name Rixdorf aus dem Straßenbild, noch aus dem Gedächtnis der Einwohner.«
Selbst der Magistrat der Stadt Neukölln unterließ eine Namensumbennung. Aufgrund der horrenden Summe von 50.000 Mark verzichtete er auf den Austausch der rund 2.500 Kanalisationsdeckel mit der Aufschrift »Rixdorf«.
(Entnommen aus: Kessinger, Bernd: Neukölln. Die Geschichte eines Berliner Stadtbezirks.)
Erneut kam es in der Nacht vom 9. zum 10. Oktober zu rechtsex-tremistischen Angriffen in Berlin. Betroffen waren zwei Parteibüros in Tegel und Spandau, ein Flüchtlingslager bei Schönefeld und – zum dritten Mal – das »Anton-Schmaus-Haus« der Neuköllner Falken. Hier wurde der noch vorhandene Holzzaun mit Nazi-Symbolen und Morddrohungen (»Ihr interessiert uns brennend«) beschmiert. Diese Drohung bezieht sich auf die zwei bisherigen Brandanschläge aus dem Jahre 2011. Innensenator Frank Henkel hat sofort reagiert und bis zur Fertigstellung des neu geplanten Sicherheitszaunes einen durchgehenden polizeilichen Objektschutz während der Nachtstunden für die Jugendeinrichtung zugesagt.
Neben dem Jugendhaus der Falken wurden im Oktober noch weitere Schmierereien vorgenommen. In Britz wurden ebenfalls in der Nacht zum 10. Oktober die Fensterfront der Stadtteilbibliothek in der Gutschmidstraße mit Nazi-Symbolen beschmiert und in der Dörchläuchtigstraße ein Denkmal für den in einem Konzentrationslager umgekommenen Dichter Erich Mühsam mit Farbe übergossen und ebenso mit Nazi-Symbolen verunglimpft. Bereits in der Nacht zum 5. Oktober wurde in Rudow die Fassade eines Wohnhauses zusammen mit einer dort befestigten Gedenktafel zur Erinnerung an einen jüdischen Mitbürger mit Nazi-Symbolen und einem »rechten« Schriftzug verunstaltet. In allen Fällen hat der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen übernommen.
Die treffende Reaktion der Falken auf den erneuten Anschlag kann nur unterstützt werden: »Aber trotzdem gilt, keinen Millimeter den Faschisten«. pm
»Ungefähr 400 Millionen Euro an Haushaltsmitteln kann die Stadt sparen, wenn das Tempelhofer Feld bleibt wie es ist.« Das sagte Hermann Barges von der »Initiative 100% Tempelhofer Feld« zum Auftakt der Demonstration gegen die Umgestaltung des Tempelhofer Feldes am 23. September.
Unter dem Motto »Hände weg vom Wiesenmeer« zogen nach Polizeiangaben zwischen 800 und 1000 Teilnehmer einmal quer über das Feld. Das war der »kraftvolle Auftakt zur Unterschriftensammlung für den Volksentscheid«, sagte Barges bei der Abschlusskundgebung. Die Initiative hofft, im Oktober mit der Unterschriftensammlung zu beginnen, wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre Kostenschätzung abgegeben hat. Denn auch wenn die Internationale Gartenausstellung nach Marzahn zieht und die Parkplanung ebenfalls auf wackligen Füßen steht, die Planung für die Randbebauung ist keineswegs vom Tisch. Die Begehrlichkeiten werden im Gegenteil immer größer. So forderte die IHK sogar eine Ausweitung des Wohnungsbaus auf dem Feld.
An der Demonstration nahmen auch viele Kleingärtner aus den Kolonien Tempelhofer und Neuköllner Berg teil, um deutlich zu machen, dass sie keineswegs, wie in der Presse berichtet, bereit sind, das Feld freiwillig zu räumen. Die Tempelhof Projekt GmbH will die Parzellen vom Bundeseisenbahnvermögen kaufen, um den künftigen Park von Südwesten her zu erschließen. Inzwischen bekommen die Gärtner auch Unterstützung von der Bezirksverordnetetenversammlung Tempelhof-Schöneberg. Ein Antrag der Linken in der BVV Tempelhof am 19. September zum dauerhaften Erhalt der Gartenkolonie wurde einstimmig ohne Gegenstimmen angenommen.
mr
Die Lichter im Hause »Morus 14« werden dunkler. Dem Leuchtturmprojekt im Problemkiez am Rollberg geht das Geld aus. Es ist eines der wenigen Projekte, vielleicht sogar das einzige in Neukölln, das ohne städtische Gelder auskommt. Etwa 100 Kinder erhalten hier durch die Schülerhilfe kostenlose Unterstützung von Ehrenamtlichen. Kulturell tut sich das »Morus 14« hervor mit den Stummfilmkonzerten, die monatlich angeboten werden. Nicht zu vergessen ist das wöchentliche Mittagessen, das im Gemeinschaftshaus durch »Mieter kochen für Mieter« angeboten wird.
Persönlichkeiten wie Fußballer Zecke Neuendorf von Hertha BSC, die Polizei vom Rollbergkiez und Erol Özkaraca von der SPD stellten hier ihre Kochkunst unter Beweis. So gelang es dem Verein, über die Grenzen des Bezirks bekannt zu werden.
Unablässig machte der Geschäftsführer des »Morus 14«, Gilles Duhem, darauf aufmerksam, dass ohne private Sponsoren und zahlende Vereinsmitglieder diese wichtige Stadtteilarbeit nicht weitergeführt werden kann. Duhem hat seine Tätigkeit zunächst niedergelegt, er kann nicht mehr bezahlt werden. Der Verein versucht zu retten, was zu retten ist. Schnell müssen Sponsoren gefunden werden, die bereit sind, dieses zukunftsorientierte Projekt zu retten.
Die Macher wissen genau, dass ohne Gegenleistung für Unterstützer nichts läuft. So ist den Geldgebern nicht nur ein rauschendes Fest garantiert. Nachdem Unternehmen festgestellt haben, dass Survivaltraining für Führungskräfte nicht das gewünschte Ergebnis bringt, lassen sie Manager gerne an der gesellschaftlichen Basis arbeiten. Das auf jeden Fall könnten sie im »Morus 14« im Rollbergkiez üben. ro Förderverein Gemeinschaftshaus MORUS 14 e.V., Morusstraße 14, www.morus14.de
Demokratie leben und Einfluss auf Stadtentwicklung nehmen, das ist in der Karl-Marx-Straße gefragt. So versteht sich die Lenkungsgruppe der [Aktion Karl-Marx-Straße], die die Verbindung zwischen Bezirksamt und Bürgern herstellt. Vertreter aus Kultur, Handel, Gastronomie und Politik sowie Anwohner stellen das Gremium, das das Geschehen in der Karl-Marx-Straße mitgestaltet. So werden die Bauarbeiten mit aufmerksamen Blicken verfolgt, es gibt die Möglichkeit der Einflussnahme bei Platzgestaltungen. Die entscheidende Frage ist jedoch die nach der Belebung der einstigen Einkaufstraße, die vor wenigen Jahrzehnten noch im gleichen Atemzug mit der Schlossstraße und dem Ku`damm genannt wurde.
Ende November ist es wieder soweit. Die Lenkungsgruppe muss neu gewählt werden. Es werden noch interessierte neue Gruppenmitglieder aus den Bereichen Anwohner, Handel und Gastronomie gesucht. Wählbar sind neben den interessierten Anwohnern Nord-Neuköllns, auch Schüler der Neuköllner Schulen und Gewerbetreibende, deren Unternehmen in der Karl-Marx-Straße ansässig sind. Bei Redaktionsschluss waren Versammlungsort und Termin noch nicht bekannt. Beides wird in der nächsten Ausgabe der Kiez und Kneipe Neukölln bekannt gegeben. ro
»Ob das wirklich alles so war, wie es hier beschrieben wird, so grausam?«, fragt ein Besucher.
Es ist ein schwieriges und schmerzhaftes Thema, mit dem sich die Ausstellung »Speaking To One Another« in der Galerie im Saalbau auseinandersetzt. Es geht um eines der dunkelsten Kapitel des ersten Weltkriegs, die Geschichte der Deportation und Ermordung hunderttausender Armenier. Sie wurden massakriert oder verhungerten und verdursteten, als sie 1915 aus der Türkei vertrieben wurden.
Bis heute leugnet die türkische Regierung diesen Völkermord und behauptet, die Deportationen seien eine Kriegsnotwendigkeit gewesen. Kritiker dieser Sichtweise müssen mit juristischer Verfolgung rechnen.
Unter der türkischen Bevölkerung bröckelt jedoch dieses Tabu. Das Projekt »Speaking To One Another« soll durch Erwachsenenbildung und interkulturellen Austausch den zivilgesellschaftlichen Dialog stärken und dadurch zwischen den Bevölkerungen Armeniens und der Türkei Brücken schlagen. Studenten aus Armenien und der Türkei fragten in den Jahren 2009/10 Türken und Armenier nach ihren persönlichen Erinnerungen. Die Menschen sollten ihre Geschichte erzählen und dadurch die Vergangenheit aus ihren ganz persönlichen Erinnerungen für die heutige Generation erlebbar machen. Die Berichte, auf deren Basis diese Wanderausstellung konzipiert wurde, erzählen von furchtbaren Gräueln, aber auch von Mut und Mitmenschlichkeit der türkischen Nachbarn, denen manch einer der Verfolgten sein Leben verdankt. Sie erzählen von der Trauer um den Verlust der Heimat und von der Furcht der Türken, die alten Eigentümer könnten zurück kommen und sie ihrerseits wieder vertreiben. Präsentiert werden diese Erinnerungen in Form von Texten und Videos in deutscher und türkischer Sprache.
Bemerkenswert dabei ist, dass es zahlreiche Bilder der armenischen Interviewpartner gibt. Die Türken dagegen wollten mehrheitlich nicht namentlich genannt werden oder ihre Fotos veröffentlichen lassen. Die Furcht, deswegen juristisch belangt zu werden, ist wohl noch zu groß.
Das zentrale Thema dieser Ausstellung ist die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern. Dazu gehört es, das Unrecht zuzugeben. »Das Vergeben beginnt mit dem Verhalten desjenigen, der den Fehler gemacht hat. Er muss zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat«, heißt es im Begleittext. mr Galerie im Saalbau Neukölln 29.09.-28.10.2012
So voll war die »Lange Nacht« wohl das letzte Mal bei einem wichtigen Fußballspiel. Diesmal, am 2. Oktober, war der Anlass das achtjährige Bestehen des Lokals in der Weisestraße Ecke Selchower Straße. Der Strom der Gratulanten nahm sichtlich kein Ende. Stefan Lange, der Wirt, wusste das sehr wohl zu schätzen. Es war sein Abend und er kann mit Stolz auf sein Lokal schauen, an dem fußballinteressierte Schillerkiezbewohner nicht vorbeikommen.
Es ist aber nicht nur so, dass der Fußball seine Gäste anzieht. Viele kommen wegen Stefan Lange, der durch seinen Humor selbst finsterste Mienen aufhellen lässt. Was hier auch nicht fehlen darf, ist das gute Rollbergbier aus der Neuköllner Rollbergbrauerei. Neben der Tatsache, dass es ausgesprochen gut schmeckt, will Lange damit die Neuköllner Wirtschaft unterstützen. ro
»Tischendorf« – Kekse für die kreative Neuneuköllner Szene
Man spricht englisch. Die obere Friedelstraße zwischen Pflügerstraße und Maybachufer ist seit Jahren schon eine der Speerspitzen des sich gentrifizierenden Nordneuköllns. Touristen wie aus aller Herren Länder Zugezogene schätzen das internationale, immer noch leicht ungeschliffene Flair dieser Meile.
»We are open« – so steht es vor dem Ende Juni eröffneten Café »Tischen-dorf« von Jutta Tischen-dorf, einer 36jährigen gelernten Architektin, die vier Jahre in Australien lebte. Sie verliebte sich dabei in die dortige Kaffeekultur, die sie nun in ihrem entspannt-atmosphärischen Laden in den ehemaligen Räumen des Dessouslabels »fishbelly« zelebriert.
Mit ihrem »Ruby Rabbit«-Stand auf dem Neuköllner Stoffmarkt am Maybachufer kann sie seit 2010 schon mit ihren Backkünsten und Kaffeekreationen, hergestellt aus Bio-Fairtrade-Bohnen der Friedrichshainer Rösterei »Blaue Bohnen«, überzeugen. Vor allem der samtige »Flat white« mit feinem Mikromilchschaum zieht besonders Mitglieder der im Kiez rasant wachsenden australischen Community an.
In ihrem Café, dessen Schaufenster das Tischendorf’sche Familienwappen ziert und das sie mit teils ebenfalls australischen Mitarbeitern betreibt, demonstriert sie zudem ihr Händchen für »Interiors« und geschmackvolle, detailverliebte Einrichtung. In dem schönen Stuckraum mit seinen knarzigen Dielen, seinem Mobiliarsammelsurium, den auch käuflich zu erwerbenden Bildern zehn befreundeter Künstler und der Fernweh erzeugenden Landschaftsfototapete hat sie einen gemütlichen »Hang-out« zwischen Omas Wohnzimmer und Privatgalerie geschaffen, der so auch in den Szenegegenden Londons oder Melbournes sein könnte.
In der alten Kuchenvitrine werden selbst gebackene Carrot, Cheese oder Banana Cakes, Brownies, Chocolate Biscuits oder Anzac Cookies, uraustralische »Soldatenkekse« mit Kokos und Haferflocken, feilgeboten. Deftigeres lässt sich etwa mit Zwiebelkuchen, Rührei mit Lachs oder pochierten Eiern mit Röstgemüse zum Latte, Cappuccino, Bier oder Wein bestellen. Dazu klingen Indierock und Popklassiker aus den Boxen, sodass viele Gäste gern die Zeit über ihren Wi-Fi-befeuerten Notebooks vergessen.
Auch wenn manch nicht so polyglotter Kiezbewohner sich hier etwas fremd vorkommen mag – this is today’s Neukölln, too! hlb
»Be smart – drink Smartea!« – so die Bitte an den Gast. Quietschbunt ist das Café angemalt, da kann der Kunde gar nicht anders als freundlich lächeln. Angesprochen werden vorwiegend Kinder, die Bubble Tea mögen, wobei es Unterschiede zwischen Bubble Tea und Bubble Tea gibt. Die synthetische Herstellung der Perlen wird eher kritisch betrachtet. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Perlen aus Tapioka, die aus der Maniokwurzel hergestellt werden. Chefin und Chef sind durch ihre Tochter auf die Idee gekommen, die so gerne Bubble Tea trinkt. Sie bat ihre Eltern darum, doch ein solches Geschäft zu eröffnen.
Das ließen die beiden sich nicht zweimal sagen. Auf ging es nach Taiwan, wo Bubble-Tea-Kurse angeboten werden. Hier wird unterrichtet, wie der Tee richtig hergestellt wird, dass die Kügelchen im Tee aus Tapioka hergestellt werden und welche Gerätschaften für das Getränk notwendig sind. So wundert es nicht, dass der grüne Tee bei 75 Grad aufgegossen wird und fünf Minuten und 20 Sekunden zieht, wohingegen der schwarze Tee mit kochendem Wasser aufgegossen 14 Minuten zieht. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Mit Thermometer und Wecker wird alles ganz genau eingehalten.
Dem Tee als Basis werden Eiswürfel hinzugefügt und dann wird kräftig geschüttelt. Dann wird Süßes in Form von Sirup oder dem Topping mit Tapioka hinzugefügt. Wem das noch nicht süß genug ist, der kann noch Zucker in flüssiger Form bekommen. Statt Tee kann aber auch Milch als Basis verwendet werden.
Die Betreiber haben aber auch an die Eltern der Kinder gedacht. Sie können es sich bei selbst gebackenen Kuchen und Kaffee gut gehen lassen. Leckere Rixdorfer Limonaden und Kokosmilch erweitern das Sortiment. oj Smartea, Richardstraße 76, 12043 Berlin
Bücher wollen gelesen werden – und das nicht nur einmal. Was für neue zählt, gilt erst recht für alte Bücher. Jedoch ist die große Masse an Büchern nicht als Neuexemplar in einer Buchhandlung zu bestellen, sondern muss gebraucht erworben werden. Dafür gibt es Antiquariate, die sich mit dem An- und Verkauf alter Bücher, Kunstblätter, Handschriften, Zeitschriften, Musiknoten und anderem beschäftigen.
In der Schillerpromenade 2, in einem Nebenraum der Weinhandlung »Weinholdz«, hat im Oktober ein neues kleines Antiquariat für Neukölln aufgemacht. Dessen Inhaber Jürgen Koch, ein gelernter Buchhändler, gründete 1980 in Frankfurt/Main sein erstes eigenes Versandantiquariat. Ein Jahr später eröffnete er in der Frankfurter Innenstadt ein kleines Antiquariat mit einer breiten Spanne an wissenschaftlichen Themen, das er 21 Jahre betrieb. Seit 2001 in Berlin lebend, verkaufte Jürgen Koch bisher seine antiquarischen Bücher überwiegend über das Internet. Ein erster Berliner Laden, den er von 2003 bis 2005 am Ernst-Reuter-Platz hatte, scheiterte an einer zu hohen Miete und einer zu ungünstigen Lage für seine interessierte Kundschaft.
Nun versucht es Jürgen Koch noch einmal mit neuen Räumen im Schillerkiez. Hier kann ab sofort innerhalb der Weltliteratur, nach Berliner und Neuköllner Ortsgeschichte, nach allgemeiner Geschichte und Themen von Psychologie, Soziologie, Theologie bis zu Medizin und Technikgeschichte gestöbert werden. Daneben gibt es aber auch größere Bestände an Fotografie-, Kunst- und Architektur-Bildbänden, Grafiken und Fotosammlungen sowie – für den literarischen Feinschmecker – an Lyrik-Bänden. Damit gibt es in dem neuen Antiquariat ein breites Angebot an neuen, alten (teilweise aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert stammenden) und zahlreichen weiteren besonderen Büchern. Wichtig ist Jürgen Koch dabei das Bewahren von Literatur und das Wissen aus den alten Büchern. Auch möchte er in seinem Laden nette und interessierte Leute kennen lernen, die regelmäßig zum Schmökern, Lesen und Kaufen vorbeischauen, da sie wissen: Hier finden sie immer ein außergewöhnliches Buch.
Des weiteren sucht und kauft Jürgen Koch aber auch Fachbücher aus allen Sachgebieten an. Wer noch etwas Interessantes zu Hause hat, was er nicht mehr benötigt, kann sich gerne melden.
Die Lage des neuen Antiquariats in den Räumen der Weinhandlung »Weinholdz« ist sehr passend, denn: Was schmeckt besser zu einem interessanten Buch als ein guter Wein. tr