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EU – mehr als Gurken und Bananen?

Fördermittel der EU für Neukölln

Die EU, ein für die meisten Menschen völlig abstraktes und unüberschaubares Gebilde, wird oft mit unsinniger Bürokratie und überflüssigen Normen assoziiert, wie etwa Regelungen zu Gurkenkrümmungsgraden oder Bananendurchmessern. Doch was bringt die EU den Bürgern konkret? Wo ist die EU in Neukölln, speziell in Rudow? Um diese Fragen ging es am 20. Mai in der Alten Dorfschule Rudow bei der von der SPD-Rudow organisierten Veranstaltung, zu der die Europabeauftragte Neuköllns, Cordula Simon, eingeladen war.
Anders als vielleicht angenommen, fließt eine Menge EU-Geld in Form von Fördermitteln nach Neukölln. Simon meinte, sie sei selbst immer wieder »überrascht, wer alles etwas mit EU-Geld macht«. Vor allem Mikroprojekte, also kleinere Projekte, die mit bis zu 10.000 Euro gefördert werden, sind zahlreich, aber eher in Nordneukölln zu finden als im Süden, wo es gerade noch zwei Antragsteller aus Gropiusstadt gibt. Dabei seien diese oft mehr wert als große Projekte mit hohen Fördersummen, so Simon. Ein Grund für dieses völlige Ausbleiben von Anträgen auf Fördermittel aus Rudow ist wohl ein Mangel an Kommunikation sowie die oft negative Haltung der EU gegenüber. Die Chancen, eine EU-Förderung zu erhalten, sind dabei sogar sehr gut. Je nach Ausschreibung können sich staatliche Stellen, Schulen oder auch Privatpersonen bewerben. Die Ansprüche und der Aufwand variieren, doch Unterstützung bekommen alle bei einem Fördergespräch mit Cordula Simon.
Meist zielen die Förderprojekte in Richtung Arbeitsmarkt, Jugend oder Ausgleich von Benachteiligungen. So gibt es Initiativen, die Jugendlichen bei der Orientierung nach dem Schulabschluss helfen oder Langzeitarbeitslosen den Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen. Die Europabeauftragte betonte aber, dass jede Art der Förderung stets mit viel Engagement, Motivation und Freizeitaufwand verbunden sei, was auf viele abschreckend wirke. Bis zur nächsten Ausschreibung 2015 ist es daher wichtig, eine breitere Wahrnehmung der Förderprojekte zu schaffen, denn die EU ist eine »offene Tür«, die auch den Rudowern zahlreiche Möglichkeiten bietet.

jt

Stadtteiltag in Gropiusstadt

Bürger fragen – Politiker antworten

Es gibt viele Versprechen, die selten eingehalten werden. Umso schöner ist es, wenn ein Flyer die Runde macht, der zum Stadtteiltag mit Erol Özkaraca einlädt. Und zwar nicht irgendwo in Nordneukölln, sondern tatsächlich in der Gropiusstadt.
Der gebürtige Hamburger, der selbst einige Zeit in Rudow verbracht hat, wollte sein Versprechen einlösen, sich auch um den Süden Neuköllns zu kümmern.
So saß er also im Frauencafé, zu dem normalerweise keine Männer Zutritt haben und eher einen Tritt anderer Art bekommen. Begleitet wurde er von Sylvia-Yvonne Kaufmann von der SPD, die für Europa-Fragen zur Verfügung stand. Leider wurde dadurch der Veranstaltungshintergrund von einigen missverstanden, sodass viele der Ansicht waren: »Neukölln ist ja jetzt nicht wichtig, wir sind ja hier, um über Europa zu sprechen.«

StadtteiltagNeuköllner SPD-Politiker stellen sich in der Gropiusstadt.     Foto: cr

Thema war unter anderem die Schließung der Postbank vor knapp zwei Jahren. Dabei wurde klar, dass die vorwiegend älteren Gropiusstädter sich bereits verstärkt dafür eingesetzt haben, dass diese wiedereröffnet wird. Erol Özkaraca versprach, einen Extratermin zu vereinbaren, um noch mal auf die angesprochenen Probleme einzugehen.
Der zweite Anlaufpunkt war das »ImPuls«, ein Interkulturelles Zentrum im Gemeinschaftshaus. Julia Pankratyeva, Leiterin des Vereins, organisiert regelmäßig Veranstaltungen, bei denen verschiedene Kulturen aufeinandertreffen und mit Vorurteilen aufgeräumt werden kann. Leider sind diese aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten gefährdet.
Der anschließende Rundgang, zu dem alle eingeladen waren, bot einen Einblick in die derzeitige Situation der Gropiusstadt. Es gibt viele Angebote für Kinder, allen voran das »MANNA«. Die Bedürfnisse der Älteren bleiben oft auf der Strecke.
Die Tour endete am Campus Efeuweg, der den Ort für die letzte Infoveranstaltung an diesem Tag bot. Sylvia-Yvonne Kaufmann wurde von Franziska Giffey abgelöst, die zur Diskussion mit dem Schulleiter der Liebig-Schule einlud.

cr

Holunder wirkt Wunder

Zweimal im Jahr tolle Ernte

Im Herbst haben wir über die Holunderbeere/Fliederbeere geschrieben. Jetzt ist Erntezeit für die duftende Holunderblüte, die nicht nur Grundlage des leckeren Hugos ist. Wer auf den gekauften Holunderblütensirup verzichten möchte, geht jetzt selbst in die Natur, pflückt die weißen Dolden und setzt damit folgendes Rezept an:
30 Dolden Holunderblüten
5 Liter Wasser
1 Kilo Zucker
2 Biozitronen
50 g Zitronensäure oder Saft von 3 Zitronen
Zucker mit Wasser vermengen. Holunderblüten in einen Topf legen und mit Zuckerwasser auffüllen. 2 Biozitronen in Scheiben schneiden und dazugeben. Deckel drauf und 4 Tage ruhen lassen. Den Sud mit Zitronensäure oder Zitronensaft aufkochen, abkühlen lassen und abseihen. Sirup in Flaschen füllen. Mit Wasser oder Sekt (für Hugo) verdünnen, Minzblätter und Eiswürfel dazugeben.

hollerblueteimtopfHolunderblüten mit Zitrone.     Foto: km

Mit getrockneten Holunderblüten lassen sich das ganze Jahr über Tees zubereiten. Dafür müssen die Dolden auf einem großen Stück Papier ausgebreitet und ab und an gewendet werden. Am besten lassen sich die Blüten im Schatten trocknen. Die pralle Sonne ist dafür nicht geeignet. Zur Herstellung eines Tees wird ein Teelöffel der getrockneten Blüten mit 150 ml Wasser übergossen und fünf Minuten zugedeckt ziehen gelassen. Der Tee stärkt den Kreislauf, fördert den Stoffwechsel, lindert Magenschmerzen und Blähungen, wirkt entwässernd und lindert Fieber und Erkältungskrankheiten. Zur Befreiung der Atemwege wird der Tee inhaliert. Hierfür werden acht gehäufte Teelöffel Holunderblüten mit einem Liter kochendem Wasser übergossen. Die aufsteigenden Dämpfe zehn Minuten lang einatmen.
Zum Schluss noch die Einschlafhilfe mit Holunderblütenmilch: Vier frische Holunderblütendolden in einem halben Liter Milch erhitzen, 90 Minuten ziehen lassen, Vanillezucker nach Belieben hinzugeben. Die Milch noch einmal kurz erwärmen, dann die Blüten abseihen und die Holunderblütenmilch eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen trinken. Hilft übrigens auch an miesen Tagen, an denen die Laune im Keller wütet. Verbessert die Stimmung!

km

»Im Namen des Volkes«

So beginnt jede Urteilsverkündung, der Souverän spricht ständig Recht. Die Berliner Verfassung sagt dazu in Artikel 2: »Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben.« Und in Artikel 3.1: »Die gesetzgebende Gewalt wird durch Volksabstimmungen, Volksentscheide und durch die Volks­vertretung ausgeübt, die voll­ziehende Gewalt durch die Regierung und die Verwaltung sowie in den Bezirken im Wege von Bürger­entscheiden.«
Nun hat der Souverän Recht geschrieben. Das »Gesetz für den Erhalt des Tempelhofer Feldes« (THF-Gesetz) ist das erste Gesetz in der Berliner Geschichte, das vom Volk fürs Volk erarbeitet worden ist. Das ist eine Sternstunde der Bürgerbeteiligung.
Willy Brandt, Berliner Bürgermeister 1957 – 1966, wäre stolz auf uns Berliner: »Wir haben mehr Demokratie gewagt.«

Beate Storni

»Viva la vital«

Generationsübergreifendes Miteinander

Dem Mangel an nachbarschaftlichen Treffpunkten hat »Viva la vital« in der Mohriner Allee 30-36 ein Ende gesetzt. Nach langen Bauarbeiten konnte am 9. Mai feierlich der neue Nachbarschaftstreff gegenüber vom »Britzer Garten« eröffnet werden.
Hier soll sich ein Treffpunkt entwickeln, an dem sich Menschen unabhängig ihrer Herkunft, ihres sozialen Status´ und Alters willkommen fühlen sollen. Im ersten Obergeschoss befindet sich ein heller großer Raum, in dem sportliche Aktivitäten angeboten werden. Ein schicker Umkleideraum und Duschen erfüllen die hygienischen Wünsche nach schweißtreibenden Aktivitäten. Die neuen Besucher werden darüber entscheiden, wie das künftige Angebot aussehen wird. Ideen gibt es bereits. Die Mitarbeiter haben ein Spektrum von Gymnastik bis Break Dance im Angebot.
Das ausgesprochene Ziel, das die Geschäftsführerin Sylvia Gardzilewski immer wieder formuliert, ist, dass soziale Gruppen aufgebrochen werden und sich vermischen. Alt soll mit Jung ins Gespräch kommen, Migranten mit Deutschen, Kranke mit Gesunden.
Der erste Kontakt kann im offenen Clubbereich mit ganztägigem Cafébetrieb entstehen. Bei frisch gebackenen Kuchen und selbstgemachten Snacks, beides ist sehr zu empfehlen, fällt das Gespräch leicht. Wer mag, kann sich auch ein Buch nehmen und ein wenig lesen. Bei den Gesellschaftsspielen, die für die Gäste auszuleihen sind, lernen sich Menschen noch einmal anders kennen, auf jeden Fall mit viel Spaß. Auch hier können interessierte Gäste an neuen Aktivitäten mitgestalten. Vielleicht entsteht ja ein Literaturzirkel, eine Handarbeitsgruppe oder ein Chor. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Neuköllner, die neue Kontakte knüpfen und Einfluss auf die Zukunft des Nachbarschaftstreffpunkts nehmen wollen, seien an dieser Stelle aufgerufen, diese Chance wahrzunehmen und sich einzumischen.

ro

Positionen zum Tempelhofer Feld. Kiez und Kneipe Neukölln hat hier den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, ihre Positionen zu dem bevor stehenden Volksentscheid darzustellen. Es handelt sich hier nicht um die Meinung der Redaktion

Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld

Unser Feld, unsere Stadt

Als das Tempelhofer Feld vor vier Jahren der Öffentlichkeit zugänglich wurde, hatte keiner erwartet, dass es sich zur beliebtesten Freifläche und Spielwiese Berlins mit über zwei Millionen. Besuchern im Jahr 2013 entwickeln würde. Hier tobt das Leben. Kinder radeln über die alten Rollbahnen, Jungs lassen ihre Drachen steigen oder flitzen auf ihren Surfbrettern über den Asphalt. Es ist Platz fürs »Urban Gardening«, ebenso wie fürs gemütliche Picknick mit Freunden oder der Großfamilie. Doch wenn es nach den Plänen von SPD und CDU geht, soll . fast die Hälfte des Feldes massiv bebaut oder umgemodelt werden. Die geplanten Baufelder an der Oderstraße würden weit in die zentralen Wiesenflächen hineinreichen. Die jetzigen Nutzungsflächen, wie die Neuköllner Terrassen, die Grillwiesen, die Hundeausläufe und auch die umlaufende Rollbahn (Taxiway) würden bebaut.

Rollbahn (8)_swDieser Ausblick wird verbaut                                      Foto:mr

Bei ihrer Werbekampagne für die Bebauung verschweigen der Senat und seine Bündnispartner aus der Immobilienlobby, dass die Hälfte der Baufläche für Gewerbe vorgesehen ist. Nur neun Prozent der Baufläche ist für »bezahlbare« Wohnungen reserviert.
Der Senat und die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften versprechen »bezahlbare« Neubau-Mieten zwischen sechs und acht Euro kalt. In Berlin, wo das mittlere Nettomonatseinkommen bei 1450 Euro liegt, sind die­se Mieten für die Mehrheit der Haushalte nicht erschwinglich.
Auch kein Thema für die Öffentlichkeit sind die prognostizierten Erschließungskosten von 600 Millionen Euro. Davon könnte das Land Berlin viele Hundert Kitas und Schulen in der ganzen Stadt bauen oder sanieren, könnte 1000 Lehrerinnen zehn Jahre lang einstellen, oder  die gerade begonnene fünfjährige Wohnungsbauförderung für ganz Berlin verdreifachen.
Der Volksentscheid gibt uns die Möglichkeit, das Feld vor der Bebauung und vor Teilprivatisierung zu schützen. Der Gesetzestext der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« (THF-Gesetz) setzt sich dafür ein, das Tempelhofer Feld in seinem jetzigen Umfang als öffentlichen Raum vollständig zu erhalten. Freizeitinteressen und Naturschutz sind gleichzeitig zu wahren. Das THF-Gesetz schätzt und schützt, wie die Berliner und Berlinerinnen das Feld entwickelt haben. Die Aufenthaltsqualität auf dem Feld soll sich weiter verbessern wie zum Beispiel durch die öffentliche Nutzung der auf dem Feld verstreut liegenden Gebäude als Cafés, für Kinderbetreuung oder Bürgertreffs. Schattenspendende Bäume, Sportplätze, Parkbänke, Liegestühle, Sonnenschirme, selbstorganisierte und kreative Projekte wie urbanes Gärtnern oder grüne Klassenzimmer – all das soll auch weiterhin in Selbstverwaltung möglich sein und möglich werden und vieles mehr.
Stimmen Sie mit „Ja“ für das ThF-Gesetz und mit „Nein“ für den Gesetzentwurf des Abgeordnetenhauses. Enthalten geht nicht. Wenn beide Gesetze nicht genug Stimmen erhalten, wird das Tempelhofer Feld nach den Plänen des Senats bebaut.

100% Tempelhofer Feld

Bürokratiemonster ermöglicht Freiheit

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In 28 europäischen Mitgliedsstaaten wird gewählt

Die Bildung der europäischen Staatengemeinschaft bürgt seit 60 Jahren für Frieden, nachdem sich die Länder über Jahrhunderte in blutigen Kriegen zerfleischt haben. Rechtsstaatlichkeit, freie Meinungsäußerung, die Gleichberechtigung der Geschlechter, eine freiheitlich demokratische Grundordnung – in Europa sind das inzwischen Selbstverständlichkeiten. Das allein rechtfertigt, die europäische Idee zu verteidigen. Und die Herausforderungen der globalisierten Welt können nur gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten angegangen werden.
Trotzdem wird »Europa« von vielen Menschen als wild gewordenes Bürokratiemonster wahrgenommen, das sich als Super Nanny aufspielt und jeden Lebensbereich regulieren möchte, eine anonyme Parallelwelt namens »Brüssel«, die ihre Identität, Sprache und Kultur bedroht. Es ist ein Europa der Eliten ohne ein Europa der Bürger entstanden. Außerdem hat das Vertrauen in die Europäische Union nicht zuletzt durch die Wirtschafts- und Währungskrisen der letzten Jahre deutlich gelitten.
Euroskeptiker bemängeln die fehlende demokratische Legitimation, wird doch die Kommission, also die Regierung, von den Mitgliedsländern ernannt und nicht gewählt.
Die diesjährige Wahl zum Europaparlament am 25. Mai ist deshalb eine besondere. Erstmals wird das Parlament auf Grundlage der Ergebnisse der EU-Wahl den Präsidenten der Europäischen Kommission wählen. Damit kann jeder Wähler Einfluss nehmen, sowohl auf die politische Richtung Europas, als auch auf die täglichen Entscheidungen, die uns alle betreffen.

Mehr Rechte für das Europaparlament

Die Parteien treten mit starken Spitzenkandidaten an

Durch die Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza und Lissabon wurden die Mitwirkungsrechte des Parlaments Zug um Zug erweitert. Auch wenn das Demokratiedefizit in der EU damit nicht völlig beseitigt ist, entwickelte sich das Parlament zu einem verantwortlichen Mitgestalter der europäischen Politik. Zwar kann es selbst keine Gesetze initiieren – dieses Recht hat allein die Kommission – es kann aber die Kommission auffordern, Vorschläge zu erarbeiten. Bürger der Europäischen Union können darüber hinaus mittels Petitionen an das Parlament die Kommission auf einen Gesetzgebungsbedarf hinweisen.
Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas ist der amtierende Präsident des Europäischen Parlaments, der Deutsche Martin Schulz (SPD).
Die Europäische Volkspartei, der die CDU und die CSU angehören, schickt den ehemaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker ins Rennen.
Die Grünen werden von den Europaabgeordneten Ska Keller aus Deutschland und José Bové aus Frankreich angeführt, und die Europäische Linke wählte den Vorsitzenden der griechischen Partei Syriza, Alexis Tsipras zu ihrem gemeinsamen Spitzenkandidaten. Für die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa tritt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Europa Parlament, Guy Verhofstadt, an.

EU_WahlWählen gehen.        Foto: pm

Große Unterschiede in den Wahlprogrammen gibt es beim Umgang mit der Schuldenkrise. So lehnt die FDP die Finanztransaktionssteuer ab. Grüne und Linke wenden sich gegen die Politik des einseitigen Sparens zur Konsolidierung der Staatsfinanzen, und auch die SPD fordert eine Wachstumspolitik mit Zukunftsinvestitionen. Die Grünen wollen einen Europäischen Schuldentilgungspakt, die Linke einen Schuldenschnitt und gemeinsame Staatsanleihen, die anderen Parteien wenden sich vehement gegen jegliche Form der Schuldenvergemeinschaftung.
Deutliche Differenzen gibt es auch bei der Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie bei der Flüchtlings- und Asylpolitik. Die CDU fordert in diesen Bereichen stärkere Restriktionen als die übrigen Parteien.
In der Außenpolitik fordert die Linke einen Austritt aus der NATO, während die FDP für einen Ausbau wirbt und die SPD eine europäische Armee ins Spiel bringt.

mr

Verwechslungsgefahr beim Volksentscheid

Zwei Gesetze mit ähnlichem Wortlaut, aber unterschiedlichem Inhalt

Die Berliner haben die Wahl. Am 25. Mai, dem Tag der Europawahl, können sie über die künftige Entwicklung des Tempelhofer Feldes abstimmen. Es stehen zwei Gesetzentwürfe zur Auswahl, denn zusätzlich zum Gesetz der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« hat das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der SPD und der CDU einen eigenen Entwurf vorgelegt. Über beide kann jeweils getrennt voneinander mit Ja oder Nein abgestimmt werden.
Bei der Wahl ist aber größte Aufmerksamkeit geboten. Es besteht akute Verwechslungsgefahr, denn das Gesetz des Abgeordnetenhauses unterscheidet sich im Wortlaut kaum vom Text der Bürgerinitiative. Die Unterschiede liegen im Detail.
Mit dem »Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes« will die Bürgerinitiative sicherstellen, dass das Feld der »Bevölkerung Berlins und den Besucherinnen und Besuchern Berlins grundsätzlich vollumfänglich, dauerhaft, uneingeschränkt und unentgeltlich zur Freizeitgestaltung und Erholung zur Verfügung« steht. Eine Bebauung der Ränder ist damit ausgeschlossen. Das heißt aber nicht, dass sich hier nichts mehr  verändern darf. Sowohl die Einrichtung von Gastronomie als auch der Bau von Sportplätzen ist in den Randbereichen erlaubt, ebenso der Bau von Sanitäranlagen. Mobile Möblierung wie Tische, Bänke oder Sonnenschirme sind auf dem ganzen Feld erlaubt.
Vom Abgeordnetenhaus kommt das »Gesetz zum Erhalt der Freifläche des Tempelhofer Feldes« Es werde »als barrierefrei zugänglicher Erholungsraum für alle Bevölkerungsgruppen gesichert und dient dem Natur- und Artenschutz sowie der Stadtklimatisierung«.heißt es dort. Und weiter: »Die Möglichkeit einer Randentwicklung des Tempelhofer Feldes für Wohnen, Wirtschaft, Erholung, Freizeit und Sport außerhalb der Freifläche bleibt erhalten«; eine Formulierung, die  viel Raum für Interpretationen zulässt, denn über die Art der Entwicklung schweigt sich das Gesetz aus. Auch von sozialverträglichem Wohnungsbau ist hier keine Rede, ebenso wenig wie von der Anzahl der geplanten Wohnungen.

thf_weitWeites Wiesenmeer.                                                                               Foto: fh

Wie wählen?

Ja und Nein oder Jein

Am 25. Mai haben die Berliner Wähler – neben ihrer Stimme für die Europawahl – nun die Möglichkeit, bis zu zwei Stimmen in Sachen Tempelhof abzugeben.
Oben auf dem Stimmzettel kann mit Ja oder Nein über den Vorschlag der Initiative abgestimmt werden. Für den zweiten Vorschlag unten auf dem Stimmzettel – den von CDU und SPD – kann ebenfalls mit Ja oder Nein gestimmt werden. Der Wähler kann sich aber auch für ein klares Jein entscheiden und beiden Gesetzentwürfen zustimmen oder sie ablehnen.
Damit ein Gesetzentwurf in Kraft tritt, muss ihm die Mehrheit der Wähler und zugleich mindestens ein Viertel der zum Abgeordnetenhaus Wahlberechtigten zustimmen. Trifft dies auf beide zu, so ist der angenommen, der die meisten Ja-Stimmen erhalten hat. Wenn beide Vorschläge das erforderliche Quorum nicht erreichen, wären sie gescheitert. Dann hätte der Senat grünes Licht, den Masterplan weiter zu verfolgen, der ebenso wie das Gesetz des Abgeordnetenhauses die Mitte freilassen und die Ränder bebauen will.
Wahlberechtigte, die nicht bis zum Wahltag warten wollen, können schon vorab in einer Briefwahlstelle oder per Brief wählen. Der Antrag dazu befindet sich auf der Rückseite der Wahlbenachrichtigung, die jedem Wahlberechtigten zugestellt wird.

mr

Hintergründe einer Flucht

7000 Kilometer – von Afghanistan bis Britz

»Ich möchte doch nur leben wie ein Mensch«, sagt Amir, der mit hängenden Schultern auf der Bühne der Alten Dorfschule Rudow sitzt. Der 24jährige Afghane hat Dinge erlebt, die für uns schwer vorstellbar sind. Der Vater wurde 2001 von den Taliban ermordet, die Mutter starb mangels medizinischer Versorgung an einer Herzkrankheit. Da hat er sich von Afghanistan nach Europa durchgeschlagen, mit dem Traum, eines Tages doch noch eine Schule besuchen zu können.
Aber Europa empfing ihn weder mit Freude noch mit Götterfunken. Nachdem Amir, der nie Schwimmen gelernt hat, in einem Schlauchboot von der Türkei aus nach Griechenland übergesetzt war, wurde er dort von Polizisten verprügelt und gedemütigt. Anschließend begann eine Odyssee durch ganz Europa, von einem Land ins andere abgeschoben, bis er nun, wie viele andere Afghanen und Syrer, im Flüchtlingsheim Britz gelandet ist. Auf die Frage, wie es ihm dort gehe, antwortet er ausweichend, er wolle sich nicht über die Deutschen beschweren, er habe kein Recht dazu.
Ein Schicksal wie Amirs weckt wohl auch in der verdrossensten Seele Mitgefühl. Wird jedoch ein neues Flüchtlingsheim eröffnet, sind Proteste – von NPD Aufmärschen ganz abgesehen – vorprogrammiert. Ein Bilderbuch-Beispiel des bekannten »nimby«-Prinzips – not in my backyard. Es entspricht dem »Sankt-Florian Prinzip«:

»Heiliger Sankt Florian,
Verschon‘ mein Haus
Zünd‘ and‘re an!«

Um diese Haltung gegenüber Asylanten zu ändern, ist eine Ausein­andersetzung mit der Situation in den Heimatländern unabdingbar. Volker Lankow, seit 14 Jahren bei den »Ärzten ohne Grenzen« tätig, hatte bereits sechs Einsätze in Afghanistan und lebte ein Jahr lang in der konfliktreichen Provinz Helmand. Er berichtet von einem Land, in dem es aufgrund der bereits 30 Jahre dauernden Auseinandersetzungen allein 630.000 Binnenflüchtlinge gibt und die Gewalt gegen Zivilisten immer mehr zunimmt. Ein Land, in dem sich drei Interessengruppen bekämpfen und man nur einmal zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein braucht.
Es erscheint nur allzu gerecht, einem Menschen, der diesem Grauen entkommen ist, ein Mindestmaß an Sicherheit zu bieten, ihm die Möglichkeit zu geben,  unsere Sprache zu lernen und sich eine Existenz aufzubauen. Doch für Amir ist der Leidensweg auch in Neukölln nicht zu Ende. Am Tag zuvor hat er einen Brief erhalten, er soll auch aus Deutschland abgeschoben werden. »Warum lebe ich überhaupt?« fragt er und die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

jt

Wer baut, gewinnt?

Bauen für die europäische Mittelschicht

Die Innenstädte selbst und ihre ehemaligen Verkehrsflächen sind für Investoren und Planer besonders interessant. Große Flächen ermöglichen theoretisch den Neubau ganzer Stadtviertel. Aber durch die Wirtschaftskrise fällt es vielen Bewohnern bereits schwer, die aktuellen Mieten im Altbestand zu bezahlen. Neubaumieten wären unerschwinglich. Es sei denn, es gäbe einen neuen Sozialen Wohnungsbau.
Auf dem alten Athener Flughafen Ellinikon will die griechische »Lamda Development« das größte private Bauprojekt des Landes durchsetzen. Vorgesehen sind Luxusimmobilien und eine Privatisierung des Strandes. Da die weniger wohlhabenden Anwohner das Investitionsklima stören, wird nicht vor der Kriminalisierung einer nahegelegenen Sozialklinik zurückgescheut. Doch die lokale Bürgerinitiative ist gut vernetzt und erhält Unterstützung von der BI »100% Tempelhofer Feld«.
Auch in Wien-Aspern sollen etwa 10.500 Wohnungen samt Gewerbe auf einem ehemaligen Flugfeld entstehen. Das Projekt gilt als schwierig, denn die gewünschten hochkarätigen Nutzer wollen sich nicht einstellen. Der derzeit hohe Anteil geförderter Genossenschaftwohnungen schreckt bereits Investoren ab. Während ihre Macher sich in Hamburg und Skandinavien neue Anregungen erhoffen, wurden sie von der Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO nach Berlin eingeladen.
Die DEGEWO interessiert an Aspern die großzügige Subventionierung. Mit ihr könnte man auch auf dem Tempelhofer Feld Wohnungen für die vom Abstieg bedrohte Mittelschicht bauen. Sozialwohnungen würden nicht darunter sein. Intern rechnet das Bebauungsbündnis damit, daß keiner der beiden THF-Anträge die nötigen Mehrheiten erhält. Dann könnte das Feld »wie ein weißes Blatt« ganz neu (und ganz dicht) beplant werden.

Marlis Fuhrmann (Stellvertr. Vorsitzende Neuköllner BVV-Fraktion DIE LINKE)

Das Buch zum Volksentscheid

Peter S. Kaspar hat den Roman »Tempelhofer Feld« gelesen

Feld-RomanJa, es ist eine Liebesgeschichte. Da ist Sven, der nur deshalb auf das Tempelhofer Feld gerät, weil er sich in die Skaterin Luis verguckt hat, die gut und gerne seine Tochter sein könnte. Und da ist dann auch noch Antonia, die sich ihrerseits in Sven verguckt hat, ihm einen Tomatensetzling aus dem eigenen Urban-Gardening-Setzkasten verehrt. Doch den Tomatenstrauch zieht er mit der anderen auf. Eine untreue Tomate eben.
Das Buch zum Volksentscheid weiterlesen

Bretter, die das Feld durchkreuzen

Selene Raible trifft Skater, Longboarder und Windskater auf dem Tempelhofer Feld

Auf dem Tempelhofer Feld findet man sie nun schon seit knapp vier Jahren: die Skater, Longboarder und Windskater Berlins. Doch für normale Feldbesucher ist es oft ein Rätsel, wer was wie macht. Skaten dürfte heutzutage für jeden ein Begriff sein, doch hier gibt es viele Variationen in Sachen Board, Fahrstil und Technik. Allgemein gibt es zwei verschiedene Boards, zwischen denen man wählen kann: das normale Skateboard und das Longboard, das, wie der Name schon sagt, um einiges länger ist als das Skateboard.
Mit dem Longboard kann man zum Beispiel lange Strecken viel schneller und entspann­ter fahren als mit dem Skateboard. Dafür ist das Skateboard mit seinem geringen Gewicht viel besser für Tricks geeignet. Das Longboard stellt auch die wichtige Grundlage für die Windskater dar, denn darauf wird das Segel befestigt. Mit den großen Windsegeln fahren die Windskater mit bis zu 70 km/h über die Rollbahnen.

Feldhase bordet

Nur Fliegen ist schöner.                                      Foto: Sven Norman Bommes

Einer von ihnen ist Karl-Johann Richter. Seit der Eröffnung des Tempelhofer Feldes geht er hier regelmäßig Windskaten. Doch ein Neuling auf dem Gebiet des Skatens ist »Kalle« Richter keinesfalls. Er skatet bereits seit den 80er Jahren, war zehn Mal Norddeutscher Meister, einmal Vize-Europameister, nahm bereits mehrere Male am Worldcup teil und geht leidenschaftlich gerne Windsurfen.
Dennoch ist er der Ansicht, dass man für das Windskaten nicht unbedingt Windsurfen können muss. Ein bisschen Skateerfahrung braucht es aber schon, denn ein Sturz auf den Asphalt ist nicht ungefährlich.
Normale Schoner, wie zum Beispiel vom Inlineskaten, reichen hierfür nicht.  Es braucht schon größere und bessere Schoner, um sicher fahren zu können. Das Wichtigste ist, immer nach vorne zu schauen und sich nicht ablenken zu lassen, denn sonst passiert schnell ein Unfall. »Eigentlich ist es nicht sehr schwer zu lernen«, meint Kalle Richter, »und wenn man es erst einmal kann, ist es sehr praktisch, um für das Windsurfen zu üben, unterschiedliche Manöver zu fahren und zu entspannen«.

Gesunde Gänseblümchen

Kleine Pflanze zeigt sich sehr vielseitig

Als Kind habe ich im Frühling und Sommer Haarkränze aus Gänseblümchen geflochten. Sobald die ersten Blumen auf der Wiese standen, wuchs das Sommerfeeling in mir. Gänseblümchen läuten jedoch nicht nur die warme Jahreszeit ein, sie haben gesunde Eigenschaften. Heutzutage freue ich mich immer noch über die Korbblütler mit ihren weißen Zungen- und gelben Röhrenblüten, pflücke sie jedoch nun für meinen Salat oder als Heilmittel.
So wird der Tee aus den Blüten zur Appetitanregung und zur Verbesserung der Stoffwechsellage eingesetzt. Durch die harntreibende Wirkung können Ödeme (zum Beispiel Beinödeme) gelindert werden. Als Jugendliche wurde ich mit dem schrecklichen Befall von Akne und deren Narbenbildung konfrontiert. Meine Oma übergoss gleich einmal eine Handvoll Gänseblümchen mit Doppelkorn und ließ diese Mischung in einem verschlossenen Glas sechs Wochen ziehen. Danach sollte ich mein Gesicht morgens und abends mit einem Wattepad damit abreiben. Ich gestehe, ich hab das erst nach dem Schulunterricht gemacht, da ich Angst hatte, meine Lehrerin würde mir Alkoholmißbrauch unterstellen. Nach vier Wochen waren die ersten Erfolge sichtbar. Die Pusteln und Rötungen klangen ab. Dieses Jahr spiele ich mit dem Gedanken, eine Gänseblümchenseife zu sieden, die ihre positiven Hauteigenschaften gleich beim Waschen entfaltet.

Gänseblümchen (5)

Falsche Kapern von der Wiese.        Foto: mr

Nun aber zu einem wirklich leckeren Rezept mit Gänseblümchen:
Falsche Kapern

2 Tassen Gänseblümchen
½ Teelöffel Salz
125 ml Kräuteressig
Zubereitung:
Gänseblümchen mit Salz bestreuen und drei Stunden ruhen lassen. Kräuteressig aufkochen, die Gänseblümchen hinzufügen und kurz mit dem Essig aufkochen. Alles in ein Schraubglas füllen und einige Tage ruhen lassen. Die Gänseblümchen absieben, den Essig erneut aufkochen und wieder zu den Knospen geben. Drei Wochen kühl und dunkel lagern, dann sind die falschen Kapern für Königsberger Klopse fertig. Sie schmecken aber auch hervorragend zu Eiern in Senfsoße oder Schafskäsesalat. 

km

Mach neu!

Viele empfinden die Hasenheide mit ihren maroden Sitzgelegenheiten im Moment nicht gerade als das Gelbe vom Ei.
Eigentlich ist das schade, wurde doch gerade der Streichelzoo erweitert.
Endlich, nach wirklich langem Warten und vielen Eingaben, hat das Grünflächenamt offensichtlich eingesehen, dass es günstiger ist, die kaputten Bänke zu erneuern, als die eventuell aufkommenden Arztkosten zu begleichen, wenn eine der Bänke zusammenbrechen sollte.
Erst die Hartnäckigkeit der Bürger, die immer wieder darauf aufmerksam machten, dass etwas getan werden muss, hat die Politik aufgerüttelt.
Das zeigt eindrucksvoll, dass das bürgerliche Engagement viel dazu beiträgt, dass die Verwaltung nach Lösungen sucht. Denn hier wurde nicht nur gemeckert, sondern konkrete politische Arbeit geleistet. Hut ab!
Wie lange die neuen Bänke halten, bleibt abzuwarten. Aber ein Anfang ist getan.
Corinna Rupp

Die auf die Straße gehen

Der Film »Mietrebellen« portraitiert die Proteste gegen Verdrängung / von Robert S. Plaul

Was der Begriff »Gentrifizierung« bedeutet, und wie schnell Verdrängung alteingesessener Mieter aus ihrem Lebensumfeld mittlerweile gehen kann, bedarf in Berlin und insbesondere in Kreuzberg und Neukölln seit einiger Zeit keiner näheren Erklärung mehr – zu präsent ist die Problematik, als dass man sie ignorieren könnte, selbst wenn man persönlich nicht direkt betroffen ist. Dass das Thema in den Köpfen ist, ist nicht zuletzt auch das Verdienst jener Aktiven, die sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Initiativen und Gruppierungen zusammengefunden haben, um den Protest gegen Mieterhöhung und Verdrängung auf die Straße zu bringen. Mit »Mietrebellen« kommt Ende April ein Dokumentarfilm ins Kino, der ein Portrait eben jener Protestbewegung zeichnet.
Es ist eine Bewegung, das zeigt der Film, die sich nicht ohne weiteres einer konkreten gesellschaftlichen »Gruppe« oder »Schicht« zuordnen lässt: Intellektuelle Alt-Linke, türkische Grundsicherungsempfänger und kampfeslustige Senioren sind es, die sich plötzlich – und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben – demonstrierend auf der Straße wiederfinden, ein Protestcamp aufbauen und Zwangsräumungen verhindern.
In Pankow haben die Nutzer einer Seniorenbegegnungsstätte, die vom Bezirk geschlossen werden sollte, die Einrichtung kurzerhand besetzt und damit die Politik zum Handeln gezwungen. In Friedrichshain ist es den Bewohnern einer Wohnanlage, der Rentnergruppe »Palisadenpanther«, gelungen, die drohende Verdoppelung der Miete auf die sogenannte »Kostenmiete« zu vereiteln.
Ausgelaufene staatliche Fördergelder im ehemaligen sozialen Wohnungsbau sind auch der Grund für die Miet­erhöhungen südlich des Kottbusser Tors. Die zum größten Teil türkischstämmigen Mieter, die meist seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen leben, haben sich zur Initiative »Kotti & Co.« zusammengeschlossen und auf dem Platz ein Protestcamp aufgeschlagen, das sie in Anlehnung an die informellen Siedlungen am Rande türkischer Großstädte als »Gecekondu« bezeichnen. Tatsächlich haben sie mit ihrem Protest erreicht, dass die geplante Mie­­t­erhöhung für ein Jahr ausgesetzt wurde.

MIETREBELLEN Palisaden

Mit Rollstuhl und Rollator. Die »Palisadenpanther« kämpfen um ihre Wohnanlage.   Fotos: schultecoersdokfilm

Doch nicht immer ist der Protest erfolgreich. Die Zwangsräumungen von Familie Gülbol und von Rosemarie Fliess – die traurige Berühmtheit erlangte, weil sie zwei Tage darauf verstarb – konnten trotz massivem Aufgebot von Protestierenden nicht verhindert werden. Die gute Nachricht aber, das vermitteln die Dokumentarfilmer Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers in »Mietrebellen«,  ist, dass mit solchen Aktionen ein öffentlicher Druck geschaffen wird, der künftig Vermieter vielleicht davon abhält, zum Mittel Zwangsräumung zu greifen, selbst wenn sie sich im Recht fühlen.
Der eigentliche Adressat des Protestes aber ist und bleibt die Politik. Nur sie nämlich kann beispielsweise entscheiden, ob weitere Immobilien aus Landesbesitz an private Investoren verkauft werden oder ob es Miet­ober­gren­zen geben soll.

»Mietrebellen« läuft ab 24. April unter anderem im Moviemento.

Lieblingsplatz für ein weises Lächeln

Ein Gespräch mit der Dame am Fenster

»Das bin ja ich«, jauchzt Irène und lacht herzlich. Sie liest in unserer März-Ausgabe den Backshopphänomen-Artikel und erkennt sich sofort wieder.
Irène ist 83 Jahre alt und wohnt seit knapp zwei Jahren in Neukölln. Vorher hat sie in München gelebt, mehrere Jahre in Frankreich und Italien, nach Afrika hat es sie auch schon verschlagen.
»Als ich in München erzählt habe, dass ich nach Neukölln ziehe, haben die mich ganz erschrocken angeguckt«, erzählt Irène und lächelt. Ihr Lachen ist ansteckend, voller Leben und Freude. Deshalb hat sie es sich auch zur Aufgabe gemacht, Menschen zum Lachen zu bringen – was ihr auch oft gelingt.
»Mir hat die Geschichte sehr gefallen«, sagt sie mir und sieht ein wenig nachdenklich aus. »Ich habe sie meinen Kindern gezeigt. Meine Tochter hat gesagt, dass der Schluss fehlt. Die Geschichte hat kein Ende.«

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»Ich muss nicht weiter«. Gelassenheit im Backshop.     Foto: cr

Und das werde ich jetzt nachholen:
Die alte Dame sitzt wieder am Fenster auf ihrem Lieblingsplatz und blättert in einer Zeitung. Sie sitzt mittig auf der gepolsterten Bank, da ihr Knie nicht mehr jede Bewegung vollführen kann und so kein Tischbein im Weg ist. Irène beobachtet gerne die Leute, die auf dem Bürgersteig am Fenster vorbeihuschen. Sie ist ein bisschen traurig, dass niemand mehr die Zeit aufbringt, kurz stehen zu bleiben und inne zu halten. »Ich muss weiter« ist für sie ein schlimmer Satz. Ich habe zu tun, ich kann nicht – alles Ausreden.
Ich habe ein Buch dabei. Es liegt neben mir auf dem Tisch.
»Was ist denn das?«, fragt Irène neugierig.
»Ein Kinderbuch«, erkläre ich. »Für kleine, große und sehr große Kinder. Es ist eine Fortsetzung vom Kleinen Prinzen.«
Irène faltet ihre Hände und lächelt. Sie erinnert sich an alte Zeiten, verfällt in Melancholie.
»Ach, der Kleine Prinz ist immer noch mein Lieblingsbuch«, schwärmt sie.
Ich verspreche ihr, dass sie es auf jeden Fall auch mal zum Lesen bekommt und verabschiede mich. Ich sage extra nicht »Ich muss los«, denn mittlerweile kenne ich die Dame am Fenster viel besser.
»Ich mache mich auf den Weg und freue mich schon auf die nächste Begegnung«, sage ich und schüttele ihr die Hand. Dann bestelle ich mir noch einen Milchkaffee zum Mitnehmen und gehe meiner Wege.
Irène habe ich ein paar Tage später gesehen. Sie lächelt – wie immer. 

cr

Höher, schneller, akrobatischer

Neuköllner Meisterehrung für das Sportjahr 2013 mit vielen unterhaltsamen Einlagen

Bunt und abwechslungsreich wie Neukölln selbst war die Meisterehrung für das Sportjahr 2013 auf dem Campus Rütli, mit Shows, die von Cheerleading und Juggern zu Turnen und Karate reichten. Eröffnet wurde die Sportgala am 4. April durch einen Auftritt von »Stars in Concert«, genauer gesagt einem verblüffend authentischen Tom Jones, der mit seinem flotten Hüftschwung wohl besonders einige Damen in Begeisterung versetzte. Direkt im Anschluss begrüßten Stadträtin Franziska Giffey und die Vorsitzende des Sportausschusses der BVV Violette Barkusky-Fuchs die Gäste und erfolgreichen Sportler sowie einige besondere Persönlichkeiten unter den Anwesenden: die MdBs Fritz Felgentreu und Christina Schwarzer und Bürgermeister Heinz Buschkowsky, die sich jedoch dezent im Hintergrund hielten.
Geehrt wurden 642 Sportler aus 18 Neuköllner Vereinen. Ein besonderes Präsent sollten der jüngste und der älteste Sportler (2008 und 1930 geboren) erhalten, doch leider wagte sich keiner von ihnen nach vorne. Während dann am linken Hallenrand die Ehrungen durch Helfer der BVV durchgeführt wurden, begann das Programm.
Interessant wurde es, als ein mysteriöser Mann im weißen Mantel die Bühne betrat, der sich als der äußerst begabte Artist TJ Wheels, Künstler des Jahres 2012, entpuppte und zwei atemberaubende Balance- und Jonglageshows zum Besten gab.

meisterehrunhgAkrobat schön.          Foto: Bertil Wewer

Großen Zuspruch beim jüngeren Publikum fanden die Breakdancer »Yo 22«, die mit Kopfkreiseln und Saltos zeigten, dass auch außerhalb vom Vereinssport Höchstleistungen gebracht werden. Ein echter Stimmungsmacher war die Capoeira Gruppe der »Berliner Turnerschaft«. Zu brasilianischer Musik führten sie ihre Kampf-Tanz-Kunst mit akrobatischen Elementen vor und bewegten die Zuschauer sogar zum Mitsingen und Mitklatschen.
Zwischen all diesen unterhaltsamen Einlagen wurden drei herausragende Vertreter des Neuköllner Sports geehrt: Triathletin Agnes Lukasiewicz vom »TuS Neukölln« und Schwimmer Tim Wallburger vom »SG Neukölln«, beide international erfolgreich, waren leider nicht anwesend, dafür aber die U13 Wasserballer des »SG Neukölln«, die 2013 deutsche Vizemeister wurden und so glücklich ihre Urkunden entgegennehmen konnten.
Das Schönste an dieser unterhaltsamen Sportgala war jedoch die Begeisterung für die unterschiedlichsten Sportarten, die den ganzen Abend in der Luft lag, sodass man am liebsten aufgestanden wäre und mitgetanzt, gekämpft oder geturnt hätte.

jt

Frühlingsgefühle kommen bestimmt

Wider die Müdigkeit

frühjahrsmüdigkeitFrühling macht schlapp, gebt mir einen Brennesseltee!Foto: fh

Die Feldlerche macht sich auf dem Tempelhofer Feld auf Partnersuche und fliegt munter über die Wiesen, die den Duft des Frühlings ausstrahlen. Auch andere Tiere regen sich und lachen der Sonne entgegen, während wir Menschen, die Müdigkeit in den Knochen, mit schleppendem Gang über die Landebahn laufen. Wieso ist die Natur so fit und wir so extrem müde? Woher kommt dieser Anflug von Schläfrigkeit, sobald das Frühjahr erwacht, und warum müssen wir ausgerechnet jetzt noch eine Erkältung bekommen?
Die Ursache liegt im Klimawechsel. Der Körper muss sich erst langsam auf den Wechsel von Winter auf Sommer einstellen. Dafür weiten sich die Blutgefäße und der Blutdruck sinkt, was uns müde und schlapp macht. Aber auch der Melatoninspiegel spielt eine große Rolle. Nach den dunklen Wintermonaten ist die Konzentration des Schlafhormons noch sehr hoch und muss erst einmal den Körper wieder verlassen. Um den Organismus auf die langen Tage und die steigenden Temperaturen einzustimmen, braucht er Tageslicht, Bewegung und leichte Kost. Viel frisches Obst, Gemüse und täglich drei Tassen eines Kräutertees aus Brennnesselblättern, Löwenzahn, Giersch und Gänseblümchen können die Schlappheit bekämpfen. Am besten werden die Kräuter frisch gesammelt. Wer dazu keine Lust oder Zeit hat, kann sich die Zutaten im Kräuterladen besorgen und zu Hause selbst mixen.
30 g Brennnesselblätter
20 g Löwenzahn
20 g Giersch
10 g Gänseblümchen
Einen Teelöffel der Mischung mit 200 ml kochendem Wasser übergießen und 10 Minuten ziehen lassen. Dreimal täglich eine Tasse trinken.
Wer seiner Haut nach der langen Heizperiode etwas Gutes tun möchte, kann die gleiche Mischung auch als Gesichtswasser verwenden. Dafür wird genau wie bei der Herstellung des Tees vorgegangen, nur wird dieser logischerweise erst kaltgestellt. Danach das Gesicht mit dem Kräuteraufguss waschen. Morgens und abends angewandt sieht die Haut bald schon wieder frisch aus.

km

Wenn der Stammplatz mal besetzt ist

Corinna Rupp über Backshop-Phänomene

Eine wunderschöne weiße Winterlandschaft lachte mich an, als ich das Haus verließ, um in meinem Lieblings-Backshop einen Milchkaffee »to go« zu trinken. Die Straßen waren rutschig und es war kalt – sehr kalt.
Nach der Schlitterpartie, die mich zum Glück vor der richtigen Tür absetzte, freute ich mich schon auf den süßen Genuss der sahnigen Milch auf dem kräftig-bitteren Kaffeegeschmack. Der Backshop war zum Glück nicht so voll, ich musste also nicht lange warten. Viel sagen brauchte ich auch nicht, da mich die Besitzerin schon kannte. Auf die Frage: »Wie immer?« folgte ein kurzes Nicken.
Während ich auf meinen Milchkaffee wartete, flog die Tür auf. Eine ältere Dame betrat mit ihrem Einkaufsziehwägelchen den Laden und brachte die leichte Winterbrise in die bis dahin noch angenehm warmen Räume. Sie blickte kurz zu den Tischen am Fenster und murmelte: »Mein Platz ist ja gar nicht frei.«
Ich musste unweigerlich lächeln, denn sie hatte wie ein kleines Kind geklungen, dem gerade sein Lolli weggenommen worden war.
Gerade wollte sie sich zum Gehen wenden, als die Besitzerin ihr versicherte, dass der Platz bestimmt gleich frei sei. Auf die Frage, ob sie sich solange nicht auf einen anderen Platz setzen wolle, antwortete sie nur: »Nein, das ist ja nicht mein Platz.« Doch es half nichts, die alte Dame stürzte sich mit ihrem Wägelchen zurück ins Wintergeschehen. Und wie gesagt, es war sehr, sehr kalt und sehr rutschig. Ich wunderte mich schon ein bisschen über den Auftritt der Dame, aber dachte mir nichts weiter dabei.
Die Besitzerin des Backshops schmunzelte. »Sie kommt fast jeden Tag und will immer nur auf dem einen Platz sitzen.«
Tatsächlich war der Platz, auf den sich die Dame unbedingt setzen wollte, ein paar Minuten später frei. Aber die Dame war nun mal weg. Auch ich musste schmunzeln, irgendwie lag ein Hauch Ironie in der Luft.
Vor ein paar Tagen bin ich wieder am Backshop vorbeigelaufen und habe beiläufig durch das Fens­ter gesehen. Ein einziger Platz war besetzt – die alte Dame saß mit ihrem Einkaufsziehwägelchen an ihrem Stammplatz  und lächelte zufrieden. Fast wie ein kleines Kind sah sie aus, als sie genüsslich von ihrem Stück Apfelkuchen aß. Und irgendwie gehört sie da auch hin.
Wer weiß, vielleicht bin ich irgendwann die alte Dame, die unbedingt auf dem Platz am Fenster sitzen will.

Die Arterienbürste

Frühjahrskur mit Knoblauch-Zitronen-Schnaps

Vor Jahren las ich von dem Knoblauch-Zitronen-Schnaps, der die Arterien durchpustet, Verkalkungen auflöst, die Cholesterinwerte senkt und den Körper entgiftet. Mit alledem hatte ich zwar noch nichts zu tun, aber ich war neugierig und probierte es für die Zukunft schon einmal aus und blieb dabei. Seitdem mache ich mindesten einmal pro Jahr eine Knoblauch-Zitronen-Kur.
Ich überwand mit dieser Kur die Frühjahrsmüdigkeit und spürte, wie ich auch in Stresssituationen konzentrierter blieb und die Überbelastung besser wegsteckte. Gerade habe ich wieder eine Kur angesetzt, von der ich morgens und abends ein Schnapsglas trinke. Nach zwei Wochen wird für zwei Wochen pausiert, dann beginnt die Kur von vorne.
Angst vor lästigem Knoblauchgeruch muss keiner haben. Durch die Zitronen wird der Knoblauchgeruch neutralisiert und Freunde werden trotz hochprozentigem Knoblauchs in den Adern auf die Umarmung bei der Begrüßung nicht verzichten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERALECKERer Knollenschnaps.  Foto: km

Das Rezept
60 geschälte Knoblauchzehen (ca. 6 Knollen)
8 Bio-Zitronen
400 ml Wodka
2 Liter Wasser
Die Zitronen abbürsten und in kleine Stücke schneiden. Knoblauch schälen und mit den Zitronen und dem Wasser aufkochen. Abkühlen lassen und den Alkohol dazugeben. Mit dem Mixer pürieren. Über Nacht kühl stellen. Am besten auf dem Balkon, da der Brei noch sehr stark nach Knoblauch riecht. Am nächsten Tag die Flüssigkeit durch ein Leinentuch abfiltrieren und in Flaschen füllen.
Der Wodka dient der Haltbarkeit, da ich meist die Menge für beide Kurhälften zusammen herstelle. Wer genügend Platz im Kühlschrank hat oder zweimal kochen möchte, kann auf den Alkohol verzichten. Dann nur die Hälfte des Rezepts verwenden.
Im Laufe der Jahre kam eine Abwandlung von mir hinzu. Hierfür wird Ingwer kleingeschnitten und in die Flaschen gegeben.
Im Internet gibt es folgende Angaben: drei Wochen morgens und abends ein Schnapsglas trinken, acht Tage pausieren und die Kur noch einmal von vorne beginnen.
Der Knoblauch hat jedoch eine sehr blutverdünnende Wirkung. Empfindliche Menschen neigen dann schon bei den geringsten Stößen zu blauen Flecken. Daher empfehle ich die Kur auf zwei 14-tägige Kuren zu beschränken.

km

Händeschütteln und Glückwünsche

»Morus 14« startet ins neue Jahr

Wie jedes Jahr im Januar fand auch dieses Mal der Jahresempfang im »Morus 14« statt. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur geben sich hier die Hand und suchen das Gespräch.

morus14Spender und Mitarbeiter.Foto: fh

So auch Erol Özkaraca, Neuköllner Abgeordneter von der SPD, der im Gespann mit Ralf Ehrlich von der »Berliner Aidshilfe e.V.« heftig mit  Netzwerken beschäftigt war. Fritz Felgentreu fand keine Ruhe. Seitdem er Abgeordneter für die SPD im Bundestag ist, freuen sich die Neuköllner darüber, dass er den Bezirk nicht vergessen hat und oft gesehen wird. Auch  Susanna Kahlefeld, Mitglied des Abgeordnetenhauses von den Grünen, fühlte sich in der Gemengelage wohl.
Es war keine Überraschung, dass die Polizei vom Abschnitt 55 da war, ohne sie würde dem »Morus 14« etwas fehlen. Sie sind gefragte Persönlichkeiten, die mit Rat und Tat den Neuköllnern zurseite stehen.
Die Vorstandsvorsitzende Marianne Johannsen brachte in ihrer Rede die große Zufriedenheit zum Ausdruck, mit der sie und der gesamte Vorstand das Jahr 2013 sahen: es gründete sich die »Big Band« aus Rollbergschülern, ein Gehörloser begann, Rollbergkindern das Schachspielen beizubringen und das zehnjährige Jubiläum wurde gefeiert. Zudem hatte das »Morus 14« im vergangenen Jahr keine finanziellen Sorgen. Die Zuversicht des Vorstands für das Jahr 2014 ist groß. Es sind bereits zwei Projekte angestoßen worden, die im Laufe des Jahres von sich hören lassen werden.
Der Geschäftsführer Gilles Duhem hielt in ungewöhnlich knappen Worten seine Rede, in der er besonders auf das Engagement der Mitarbeiter und aller Ehrenamtlicher, die hauptsächlich mit der Schülerhilfe den Rollbergkindern zu Lernerfolgen verhilft, einging. Nur mit ihnen allen ist diese hochwertige Arbeit zu leisten.
Bei dem internationalen Buffet kamen die Gäste leicht ins Gespräch und bei ausgelassener Stimmung wurde viel gelacht.

oj

Freifahrtschein ins Paradies

Gotteskrieger auf der Suche nach dem Weg in den Himmel.    Foto: internet

Berliner Jugendliche werden empfänglicher für die Ziele der Dschihadisten

Wochenlang diskutierte die türkische Vätergruppe des Vereins »Aufbruch Neukölln« unter der Leitung des Psychologen Kazim Erdogan in ihren regelmäßigen Treffen über die zunehmende Radikalisierung Berliner Jugendlicher. Einige Gruppenteilnehmer wurden in ihren eigenen Familien mit dem Phänomen konfrontiert. Diese besorgniserregende Entwicklung nahm die Vätergruppe zum Anlass, um in einer Pressekonferenz im »Neuköllner Leuchtturm« auf dieses Thema aufmerksam zu machen.
In seinen einleitenden Worten umriss Kazim Erdogan die Dimensionen, die das Problem inzwischen angenommen hat. Schätzungsweise um die 30 Berliner kämpfen bereits im syrischen Bürgerkrieg, die Tendenz ist steigend. Wie viele Jugendliche in Berlin kurz davor sind, nach Syrien zu gehen, weiß niemand, aber die Anwerbemethoden werden immer bizarrer. Erdogan berichtet von einer muslimischen Religionsgemeinschaft, die »Paradiespässe« ausstelle, die jedem, der in Syrien kämpft, den Einzug ins Paradies garantiert. Besonders anfällig für solche Heilsversprechen seien in Deutschland aufgewachsene Jugendliche aus muslimischen Familien, die aus schwierigen Verhältnissen stammen, keinen Schulabschluss und keine Perspektive haben oder sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Ihnen werde suggeriert, dass sie etwas wert seien, wenn sie in Syrien beim Aufbau eines Gottesstaates helfen, in dem sie nicht wie in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt würden.
Claudia Danschke, Extremismusexpertin vom »Zentrum Demokratische Kultur« und Leiterin der Beratungsstelle »Hayat« beschreibt die zunehmende Radikalisierung als »jugendkulturelles Phänomen«. Sie berichtet von Propagandagruppen, die, oft getarnt als humanitäre Hilfsorganisationen, bei den Jugendlichen in ein Vakuum stießen, indem sie ihre Hilfsbereitschaft und ihr Gerechtigkeitsgefühl ansprächen, um sie so zum Dschihad zu verführen. Das Leben als Gotteskrieger werde romantisiert und emotionalisiert. Die Argumentation dieser Gruppen sei dabei »pseudo-religiös«. Mit »Suren-Hopping« würden die Jugendlichen mittels einzelner aus dem Zusammenhang gerissener Koranstellen mit einem radikal-islamistischen Weltbild infiltriert.
Erol Özkaraca (SPD), Mitglied des Abgeordnetenhauses, vergleicht das Phänomen mit dem Rechtsextremismus. In beiden Fällen handele es sich um orientierungslose Jugendliche mit schwachem Selbstwertgefühl, die nach einer starken Gemeinschaft suchen. In der SPD-Fraktion sei das Problem bisher noch nicht thematisiert worden. Das liege aber auch daran, dass es in Berlin eine Vielzahl unterschiedlicher Religionsvereine, jedoch keine konkreten Ansprechpartner gebe.
Auf die Frage aus dem Publikum, was die SPD denn tue, um der Radikalisierung der Jugendlichen entgegenzuwirken, verweist Özkaraca auf die Anstrengungen in Neukölln im Bereich der Ganztagsschulen. Er betont aber auch, dass die Politik nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen könne, sondern dass in diesem Falle Eigenverantwortung nötig sei. Aus diesem Grunde begrüßt er ausdrücklich die Initiative der Vätergruppe, auch weil sie von den Betroffenen selbst komme.
Die Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass die Jugendlichen nicht allein gelassen werden dürfen. Nicht Autorität und Verbote, sondern Zuwendung und Kommunikation seien die richtigen Gegenmittel, dem Abdriften der Jugendlichen zu den radikalen Gruppen entgegenzuwirken.
rb

Das Ende der Revolte

Nur noch ein Jahr »Freies Neukölln«

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 Noch gibt es das »Freie Neukölln«.      Foto: mr

Für einen der Wegbereiter des Ausgehbooms in Nordneukölln ist der Weg absehbar zu Ende. Seit 2006 ist die gemütliche Eckkneipe »Freies Neukölln« ein Fanal der unkonventionellen Kultur im Kiez. Latte Ma­cchiato gibt es hier aus Prinzip nicht, dafür Focaccia, Retsina und baye­risches Bier. Und mit dem Videoblog »Sender Freies Neukölln« und seinen charmant-gehässigen Filmchen und Reportagen gingen von dieser Institution sogar sanft revolutionäre Impulse aus. Mit zweifelnd-radikalem Blick auf das »alternativlos« wachstumsfixierte Weltgeschehen propagierte der Blog regelmäßig einen Systemwechsel hin zu echter Basisdemokratie.
In einem Interview in der »Berliner Zeitung« erklärt Matthias Merkle nun, dass seine Kneipe Ende 2014 schließen müsse – der Mietvertrag laufe ohne Chance auf Verlängerung aus. Der Hausbesitzer, eine GmbH in London, schotte sich ab und von der Hausverwaltung werden er und seine Mitbetreiberin Antje Borchardt seit zwei Jahren ohnehin schon mit monatlichen fristlosen Kündigungen drangsaliert.

Occupy-Unterstützer Merkle ist inzwischen schon nach Französisch-Buchholz gezogen und betreibt dort ein Selbstversorgerprojekt, fern von Wachstums-, Konkurrenz- und Ausverkaufskonzepten. Zudem arbeitet er an einem alternativen Wohnprojekt namens »Andere Welt« in Strausberg. Der Wandel und die Verdrängung im Kiez werden 2014 trotzdem noch ausgiebig im »Freien Neukölln« behandelt und diskutiert.
Wundersam waren die spontanen Reaktionen auf Merkles Interview: Ausgerechnet die »taz« schrieb,  Merkle sei einer, der die Gentrifizierung geschaffen habe, indem er einem jungen Publikum einen Ort zum »hip sein« schuf. Nun jammere er, obwohl die Entwicklung zu teureren Mieten »schlicht und ergreifend Stadtgeschichte« und Veränderung eine Herausforderung sei, »der man sich nur stellen muss«. Und in der Netzkolumne des blog.brash.de heißt es rüde, ein Hort der Unangepasstheit sei das »Freie Neukölln« nie gewesen, die Tragik vom Ende des Lokals sei eine rein nostalgische und der Protest der Szene-Konservativen nur ein Ressentiment.
Viele scheinen gern »mit der Zeit« zu gehen – bis sie selbst verdrängt werden.    

hlb

Jugendprojekt »Warthe 60« wird geschlossen

Weniger Geld für Kinder- und Jugendarbeit fordert Opfer

Der Druck, der auf der Neuköllner Verwaltung lastet, ist zweifelsfrei hoch. Der Jugendhilfeausschuss (JHA), Stadtrat Liecke (CDU) und das Jugendamt Neukölln müssen handeln.

Nach kürzlicher Tiefenprüfung stellte sich heraus, dass knapp 20 Prozent der durch die unterschiedlichsten Träger erfolgten Betreuungsleistungen im Neuköllner Kinder- und Jugendbereich nicht »produktgenau« aufgeführt waren. So gab es in einigen Bereichen mehr Leistungen, in anderen weniger. Unter dem Strich blieb ein Minus, Geld muss »umgetopft« werden, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Eklatant betroffen von dieser Misere ist die »Warthe 60«, ein vom Kirchenkreis Neukölln und dem Bezirksamt Neukölln finanziertes Projekt im Rahmen der offenen Jugendarbeit. Die Einrichtung soll geschlossen werden. Die »Warthe 60« liegt in der Warthestraße im nicht ganz unproblematischen südlichen Schillerkiez und leistet seit 2003 hervorragende Arbeit für ihre 12- bis 16-jährigen Besucher in vielen wichtigen Bereichen: Gewaltprävention für Jugendliche, Unterstützung in schulischen Angelegenheiten, bei sportlichen Aktivitäten sowie Peer-Group-Treffen.

Nun sollen für eine Testphase von maximal zwei Jahren 1,5 Stellen sowie viele zusätzliche Kinder in das »Interkulturelle Kinder- und Elternzentrum ‚Am Tower‘« in der Oderstraße umsiedeln. Das könnte die ohnehin gut besuchten Räumlichkeiten des »Tower« überlasten. Die Gewaltprävention für die Jugendlichen soll künftig dezentral stattfinden, damit die »Neuköllner Präventionskette« möglichst stabil bleibt. Schließlich soll diese auch dazu dienen, Jugendliche vor Straftaten zu bewahren.

Zu hoffen bleibt, dass die jetzige Kürzungspolitik im Kinder- und Jugendbereich die Gesamtgesellschaft in Zukunft, an anderer Stelle und Haushaltsposition, nicht teuer zu stehen kommen wird.

bs

Mieter sagen ihre Meinung

Wohnungsbaugesellschaft »Stadt und Land« trifft Rollbergbewohner im »Morus 14«

Die jährlich stattfindende Mieterversammlung im Rollbergkiez ist schon etwas Besonderes. Veranstaltet wird sie von der SPD, die auch im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft »Stadt und Land« sitzt. Immerhin ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft Vermieterin von ungefähr 2.000 Wohnungen, die sich zwischen Hermannstraße und Karl-Marx-Straße befinden.
Die SPD tritt bei dieser Veranstaltung als Vermittlerin im Konflikt zwischen den Mietern und der Geschäftsführung von »Stadt und Land« auf.
Im gut gefüllten Saal des Gemeinschaftshauses »Morus 14« in der Morusstraße trafen sich wie jedes Jahr am Buß- und Bettag, diesmal am 20. November, um die 50 Mieter.
Auf dem Podium befanden sich der SPD-Abgeordnete für Neukölln, Erol Özkaraca, der Geschäftsführer von »Stadt und Land«, Ingo Malter, seine Mitarbeiterin Cornelia Würz, das BVV-Mitglied Cordula Klein (SPD) und als Vertreter des Mieterbeirats Manfred Hassmer.

RollbergTypische Bebauung im Rollbergkiez.   Foto: fh

Im Jahresbericht wurde festgehalten, dass die Asbestsanierung bei einem Mieterwechsel durchgeführt wird. Es sei deshalb kein drängendes Problem, weil sich das Asbest unter dem Fußbodenbelag befindet, der es, so lange er nicht beschädigt ist, auch nicht freigibt. Das haben auch alle Messungen bestätigt.
Weiter sind Rauchmelder im Keller und eine Videoüberwachung eingerichtet worden. Das wurde notwendig, weil im vergangenen Jahr Brandstifter in Kellern Feuer gelegt hatten.
Bedauerlicherweise hat sich die Einrichtung einer Hausmeisterwohnung direkt im Gebäude nicht durchgesetzt. Dieses Projekt hat sich als zu teuer erwiesen. Jedoch versicherte Malter, dass die Hauswarte im Bezirk wohnen und damit die Wege kurz seien.
Die Mieter beklagten eine schlechte Kommunikation zur Geschäftsführung. Auf bauliche Mängel würde oftmals sehr spät und auch erst nach häufigen Nachfragen reagiert.
Bereits im vergangenen Jahr wünschten sich die Mieter, dass die schmale Morusstraße in eine Einbahnstraße umgewandelt wird oder dass Halteverbotsschilder aufgestellt werden. Tatsächlich herrscht dort ein tägliches Verkehrschaos, weil zwei Autos nicht aneinander vorbei kommen. Cordula Klein hat bereits mit dem Verkehrsausschuss in der BVV darüber geredet, bisher jedoch ohne Erfolg. Sie zeigte sich aber guter Hoffnung, dass der Ausschuss dieses Thema bald aufgreifen werde.

oj

Gegen den Weihnachtsstress

Alle Jahre wieder beruhigt Hopfen die Gemüter

Da heißt es nun »besinnliche Weihnachtszeit« und jedes Jahr aufs Neue graut es den meisten vor dem Fest. Die Nervenanspannung beginnt oft schon einige Wochen zuvor und entlädt sich dann am Heiligen Abend oder spätestens am ersten Weihnachtstag. Die Planung der Geschenke, die Besuchsreihenfolge (»Wie, ihr fahrt erst zu den Schwiegereltern? So war es letztes Jahr auch schon. Ihr seid wohl nicht gerne bei uns …«), die Stunden im Familienkreis mit der Verwandtschaft, die sich sonst im Jahr nicht mit dem Allerwertesten anschaut, die Essensrituale (»Ach ja, du isst ja neuerdings vegan. Da weiß ich dann auch nicht, was ich kochen soll. Isst du denn wenigstens Fisch?«), all dies sorgt im Vorfeld für so viel Stress, dass wir eigentlich Urlaub bräuchten und am liebsten bis Silvester im Ausland untertauchen würden.
Zurzeit finden wir in der Natur Hopfen, der hilft dem angegriffenen Nervensystem und sorgt dafür, dass die Feiertage ein wenig besinnlicher werden. Wer eine kleine »Leck-mich-Stimmung« für die Vor- und Weihnachtszeit benötigt, geht am besten in die Parks und Grünanlagen Berlins und pflückt sich ordentlich viel dieser Pflanzengattung aus der Familie der Hanfgewächse.
Nach der Ernte wird der Hopfen über vier Stunden bei 50 Grad im Backofen und anschließend noch zwei Tage an einem trockenen Ort getrocknet. Hopfen enthält bis zu 85 Prozent Wasser und benötigt daher eine sehr lange Trocknungsphase, damit er nicht schimmelt. Anschließend können die Hopfenzapfen in Tüten, Dosen oder Einweggläsern aufbewahrt werden.
Für eine Tasse Tee werden zwei Teelöffel Hopfendolden/-zapfen benötigt, die 15 Min. in 200 ml Wasser ziehen sollten, bevor sie abgesiebt werden und der Tee schluckweise zweimal täglich getrunken wird. So klappt es dann auch mit der Ruhe um Weihnachten. Und wenn alle Stricke reißen, wird halt beim Weihnachtsessen wieder zum guten, alten Hopfentee in der Beugelbuddel gegriffen.

km

Hagebutte, die Schietwedderfrucht

Tee unter dornigen Bedingungen

Es ist wieder Erkältungszeit und Gott sei Dank wächst in der freien Natur alles, was wir brauchen, damit dieser Kelch an uns vorüberzieht. Letzten Monat war es die Fliederbeere (Holunderbeere), diesen Monat habe ich die Hagebutte ausprobiert.
Bei meiner Radtour entlang des Mauerwegs habe ich sie entdeckt und mich für die Zubereitung als Tee entschieden. Hierfür pflückte ich unter dornigen Bedingungen die lange, schmale Hundsrose, die angeblich süßer als ihre große Schwester die Kartoffelrose schmeckt.
Leider hatte ich keine Handschuhe dabei und somit waren meine Hände ziemlich aufgerissen. Egal, Hauptsache gesund! Vitamin C enthalten alle Hagebutten und das nicht wenig. Fünfzig Mal mehr Vitamin C steckt in den Früchten als in Zitronen.

Rosa canina|FruitGeheimwaffe gegen Erkältung.Foto:      Alfred Richard Stübling

Zur Weiterverarbeitung werden Stil und Blütenansatz abgeschnitten und die Nüsschen entfernt, was eine ziemlich nervtötende Angelegenheit ist, die ich mir mit DVDs versüßte. Nach dem Waschen wird das Fruchtmark im Mörser zerstampft und danach im Ofen bei 50 Grad eine Stunde getrocknet. Vorsichtshalber habe ich die Hagebutten noch zwei Tage ausgebreitet im Backofen (natürlich ohne Wärme) liegen lassen, bevor ich sie in ein Schraubglas zur Aufbewahrung abfüllte. Ich wollte Schimmelbildung vermeiden.
Für die Zubereitung werden zwei gehäufte Teelöffel der Hagebutten mit siedend heißem Wasser übergossen und nach zehnminütiger Ziehzeit abgegossen. Der Tee erhält nicht die Farbe, die wir von Hagebuttentee kennen, da in gekauften Tees Malve (Hibiskus) als Färbemittel enthalten ist. Auch der Geschmack ist etwas anders, aber sicherlich nicht schlechter. Insgesamt ist es wirklich eine kleine Plackerei, die Hagebutten für den Tee vorzubereiten, dennoch finde ich, für ein gesundes kostenfreies Heißgetränk aus der Natur lohnt sich der Aufwand.

km

Widerstand lohnt sich

Rezept gegen die Vertreibung aus der Mietwohnung

Klaus E. sieht aus, als komme er aus der avantgardistischen Kunstszene Berlins. Mit seinen vielen Ringen und Ketten könnte er auch zum Karl Lagerfeld der Emser Straße erklärt werden. Vor ungefähr 17 Jahren ist Klaus nach Neukölln gezogen, in einer Zeit, als viele Vermieter noch mit »Frei« Mieten lockten.

Die Geschichte von Klaus beginnt allerdings in Moabit. Damals wohnte er zur Untermiete in einer Wohngemeinschaft. Von heute auf morgen wurde ihm gekündigt. Mit einer schizoaffektiven Störung stand Klaus damals hilflos auf der Straße. Untergekommen ist er im »Weglaufhaus«, einer antipsychiatrisch orientierten Kriseneinrichtung in Berlin. Nach neun Monaten bot ihm das zuständige Amt eine Wohnung in der Emser Straße 71 an. Ein Zimmer auf 40 qm ohne Heizung und Warmwasser, dafür äußerst günstig. Klaus griff sofort zu. Der ehemalige Betriebswirt und Koch lebt von seiner kleinen Rente, die aufgestockt wird. Im Mai ist Klaus 71 Jahre alt geworden. Vor zwei Jahren dann der große Schreck. Klaus bekommt ein Kündigungsschreiben der Immobilien Firma »TARSAP Immobilienberatung Berlin Brandenburg GmbH«.

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In dem Schreiben heißt es, dass seine Miete nach der Sanierung erhöht wird.

Doch langfristiges Ziel der Firma sei es, die Wohnungen an Privatkäufer zu verkaufen. Das ganze Haus wird einer Generalrenovierung unterzogen.

Auch von einem Fahrstuhl ist die Rede. Klaus findet das alles toll, nur wie soll er in Zukunft die Miete bezahlen? Um eine neue Sozialwohnung zu bekommen, müsste er etwa eineinhalb Jahre warten. So wie Klaus geht es gerade vielen Neuköllnern. Die Nachfrage nach Wohnungen im Berliner Trendbezirk Neukölln steigt stetig. Trotz seiner vielen sozialen Brennpunkte und der hohen Arbeitslosigkeit punktet der Bezirk weiter. Immobilienbesitzer freuen sich über die große Nachfrage und renovieren in Rekordzeit. Alte Mieter, die nicht zu den Zahlungskräftigen gehören, werden durch eine Mieterhöhung rausgemobbt. Doch Klaus will sich das nicht gefallen lassen. Als erstes versucht er, bei den Behörden und Ämtern Hilfe zu holen. Hier fühlt sich keiner verantwortlich. Dann nimmt sich Klaus einen Anwalt. Nun wird ein Gegenvorschlag der »TARSAP GmbH« eingereicht. Klaus willigt einer Mieterhöhung zu, wenn diese auch mit seinem Status bezahlbar bleibt. Noch ist unklar, ob Klaus in seiner Wohnung bleiben darf.

»Buschkowsky interessiert sich doch nicht für die Vertreibung der Bewohner in Neukölln, doch Widerstand lohnt sich. Mein Anwalt hat mir gute Chancen versichert«, so Klaus.tz

Löbliche Ehrenämter

Feierlich  wurde im Dezember, wie jedes Jahr, die Ehrennadel an Bürger verliehen, die sich durch besonders gesellschaftliches Engagement hervor getan haben.

Es ist gut, dass es diese Menschen gibt, die drei Kategorien bedienen. Die einen bringen besondere persönliche Leistungen, die Vorbildcharakter haben. Die nächsten verwirklichen Ideen, die anderen Menschen nutzen. Sie bewirken sogar manchmal die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Die dritte Kategorie kennzeichnet sich dadurch, dass bewusst  staatlicherseits Ehrenamtliche  in sozialen Einrichtungen eingesetzt werden. Hier werden ureigene staatliche Aufgaben durch das Ehrenamt ersezt.

Gäbe es die engagierten Bürger, egal ob freiwillig oder vom Jobcenter eingesetzt, nicht mehr, bräche so manche Kita, manches Pflegeheim, Hospiz und andere Einrichtungen zusammen. Das wäre dramatisch, die Vorstellung jedoch würde sicherlich einen lauten Aufschrei in der Gesellschaft auslösen.           

Petra Roß

Vier mal 58 gleich 240

Tarifpolitik der Deutschen Post AG

Wenn schon kein Weltuntergang, dann wenigstens Portoerhöhung, dachte sich wohl die »Deutsche Post AG«, als sie entschied, das Porto für den Standardbrief auf 58 Cent zu erhöhen. Drei Cent sind ja auch nicht die Welt. Schließlich fallen ab diesem Jahr die Praxisgebühren weg – was sind da schon drei Cent?! Mal durchgerechnet: Zehn gesparte Euro pro Quartal bedeuten 333 drei-Cent-Marken, also 17 frankierte Briefe. Dummerweise ist aber auch der Preis für die Maxibriefe von 2,20 Euro um 20 Cent gestiegen. Jetzt kommt natürlich die Hürde: Letztes Jahr, vor zwei Wochen, war es noch möglich, den Maxibrief mit vier 55-Cent-Marken zu frankieren. Bei 58 Cent gestaltet sich das schon schwieriger. War es denn wirklich so schwierig, den Wert auf 60 Cent zu erhöhen?

Letztendlich ist diese »fünf Minuten bis zum Jahreswechsel«-Aktion sowieso überflüssig. Wer aufmerksam ist, dem fällt auf, dass die »Deutsche Post AG« auch nicht ganz von ihrem Portoerhöhungskonzept überzeugt zu sein scheint, denn schließlich sind die Gebühren für sämtliche andere Briefgrößen gleich geblieben.Aber warten wir einfach auf den nächsten Jahreswechsel.       cr

Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von Thomas Reller

Nr. 1 – Mittwoch 01. Januar 1913

Die Aussichten im Baugewerbe für 1913 sind keine rosigen. Nach allgemeinen Ansichten, die in Arbeit- und Arbeitgeberkreisen vorherrschen, verspricht das Jahr 1913 ein Kampfjahr zu werden. Die Konjunktur muß unter der Geldknappheit leiden. Die Balkanwirren und ostasiatischen Probleme können das Vertrauen auf eine Besserung nicht beleben. Die Baulust wird durch den Ueberschuß an Wohnungen nicht angeregt. Die gestiegenen kommunalen und staatlichen Abgaben, die Lasten und Gebühren haben das Angebot auf dem Grundstücksmarkt vermehrt. Die Mieter suchen sich mit kleineren Wohnungen zu behelfen. Man schränkte sich ein. Durch die Geldknappheit wird das Baugeld teurer und weniger flüssig. Selbst die Kommunen und der Staaten legen sich Beschränkungen bei Neubauten auf. Große Bahn- und Kanalbauten gehen der Vollendung entgegen. Tausende von Ziegeleien und hunderte Kalksteinfabriken liegen still. Die vielen Konkurse und Zwangsversteigerungen reden mehr als Wörter es vermögen. Wieviel Existenzen sind ruiniert und wie groß sind die Vermögensverluste allein bei dem Ausfall an Hypotheken? In der Baubranche, Holzindustrie, im Maler- und Dachdeckergewerbe bereitet man sich auf schwere Kämpfe vor. Auch im Bergbau gährt es. An reichlicher und lohnender Beschäftigung fehlt es auch in einigen Zweigen der Textilindustrie, besonders im Herrenschneidergewerbe. Die Aussichten sind danach für das neue Jahr in mancher Beziehung trüber als im vorigen Jahre. Hoffen wir, daß es besser wird und lassen wir uns die Tatkraft und den gesunden Optimismus nicht nehmen.

Kurse der Damenschneiderei. Am Dienstag, den 7. Januar, abends 7 Uhr, beginnen in der „Kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungs-Anstalt für Mädchen und Frauen“ in Neukölln, Elbestraße 11-12 wieder Kurse für Damenschneiderei. Der Unterricht dient nicht nur der allgemeinen praktischen Ausbildung für Familie und Hausfleiß, sondern vermittelt auch nach leicht fachlicher Methode die für den Beruf erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse und erstreckt sich demnach auf Maßnehmen, Musterzeichnen, Zuschneiden, Nähen, Bügeln und Anfertigung eigener Garderoben. Bei wöchentlich vier Unterrichtsstunden beträgt das monatliche Schulgeld zwei Mark. Hingewiesen sei ferner auf die Kurse für Wäscheanfertigung, Maschinennähen, Putz, Handarbeit und Kunsthandarbeit, sowie auf die handelswissenschaftlichen Kurse. Meldungen täglich beim Leiter Joh. Bergknecht, Richardplatz 21, bei Frau Engel, Bergstraße 46 und bei Lehrer Schröder, Herzbergstraße, Böhmische Straße 28.

Die Zunahme der Frühstücksdiebstähle, die insbesondere in letzter Zeit wieder sehr zahlreich gewesen sind, hat die Bäckerei-Innung Neukölln zur Aussetzung von Belohnungen veranlaßt; wer einen Dieb so namhaft macht, daß dieser dem Strafrichter übergeben werden kann, erhält 5 Mark. Mit welcher Frechheit diese Diebstähle ausgeführt werden, geht daraus hervor, daß die Diebe selbst Häuser, in denen sich ein Polizeirevier befindet, heimsuchen.

Nr. 2. Freitag 03. Januar 1913

Wie es einem Hausbesitzer gehen kann. Ein hiesiger Hauseigentümer schreibt uns: Anfang 1912 bekam ich die fröhliche Botschaft, 25.000 Mark reicher geworden zu sein, nämlich der gemeine Wert meines Hauses wurde um diese Summe erhöht. Obwohl mir das etwas zu viel war, gab ich mich zufrieden, weil ich Laden sowie Wohnungen umbaute (letztere mit Badeinrichtung), wodurch auch der Mietsertrag höher wurde. Bei der darauf folgenden Steuererklärung habe ich selbstverständlich den Gebäudewert, von den ½ Prozent Abzug zulässig ist, um 25.000 Mark höher angenommen. Ich bekam aber die Mitteilung, daß der Gebäudewert um 28.000 Mark ermäßigt sei. Also auf einer Seite zwecks Mehrbelastung 25.000 Mark Mehrwehrt und umgekehrt 28.000 Mark weniger. Auf meinem Widerspruch wurde mir erklärt, ein Sachverständiger hätte den Gebäudewert so abgeschätzt, ich solle Beweise liefern, ab der Gebäudewert höher ist. Ich habe es nicht tun können und die Folge war die Erhöhung meiner Steuern um eine Stufe. Ich bemerke, daß kein Sachverständiger bei mir war, es kann nur vom grünen Tisch oder durch äußere Ansicht die Abschätzung vorgenommen worden sein.

Praxisorientierter Ansatz für Schüler

»Werkschule Löwenherz« lehrt ohne Frontalunterricht

Über die alarmierende Situation an den Neuköllner Schulen ist in den vergangenen Ausgaben der Kiez und Kneipe bereits ausführlich berichtet worden. Die Neuköllner Bildungsstadträtin Franziska Giffey hat in einer Pressemitteilung kurz vor Weihnachten noch einmal deutlich auf die Probleme hingewiesen: es gibt einen hohen Anteil von Erstklässlern mit Sprachdefiziten und Entwicklungsverzögerungen. Daraus resultiert eine wachsende Zahl eher bildungsorientierter Eltern aus Nord-Neukölln, die ihre Kinder an anderen Schulen, teilweise sogar in anderen Bezirken, anmelden wollen. Auf der anderen Seite gibt es immer noch eine Vielzahl von nicht angemeldeten Schülern, obwohl der Anmeldetermin längst verstrichen ist. Diese Entwicklung verschärft die sowieso schon katastrophale Situation an den sogenannten »Brennpunktschulen«, die dadurch zu einem Sammelbecken für leistungsschwache Schüler verkommen.

Seit drei Jahren versucht die »Werkschule Löwenherz«, dieser Misere etwas entgegenzusetzen. Das  vom Europäischen Sozialfonds und vom Bundesverkerhrsministerium mit insgesamt 1,3 Millionen Euro geförderte Schulprojekt ist eine Initiative vom »Zentrum für Lebensenergie«, das seit 1998 in der Weserstraße 175 beheimatet ist. Die Werkschule arbeitet mit verschiedenen Schulen in Neukölln zusammen und begleitet Schüler der achten bis zehnten Klasse mit Angeboten zur frühen Berufsorientierung beim Übergang von der Schule in den Beruf.

SCHülerINNEN und Schulleiter bei Weihnachtsfeier.Foto: rb
Schülerinnen und Schulleiter bei Weihnachtsfeier. Foto: rb

Seit diesem Schuljahr läuft ein neues Modellprojekt in Kooperation mit der Kepler-Schule, das Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf ermöglichen soll, einen Schulabschluss zu erlangen. 25 »Problemschüler« wurden komplett aus ihren Klassen herausgenommen und werden nun ausschließlich an der Werkschule im ehemaligen Gebäude des Finanzamtes Neukölln in der Schönstedtstraße unterrichtet.

Das pädagogische Konzept beruht auf einem ganzheitlichen Ansatz. Die Schüler erhalten in kleinen Gruppen fächerübergreifenden Unterricht und erarbeiten die Lerninhalte gemeinsam. Ergänzend dazu können sie in verschiedenen Werkstätten berufs­praktische Erfahrungen sammeln.

Pablo Ruiz Holtgrefe,  pädagogischer Leiter der »Werkschule Löwenherz«, berichtet von großen Startschwierigkeiten und enormen Widerständen seitens der Schüler, die sich nicht »in eine Sonderschule abschieben« lassen wollten.
Inzwischen haben sich die Vorbehalte jedoch weitgehend gelegt. Ob die Schüler bessere Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu finden, wird die Zukunft zeigen.      rb

Eine Hafenkneipe wird zum Kultort

Im »Lagari« treffen sich Talente

»Jo-ho-ho und ‘ne Buddel voll Rum«, so könnte es geklungen haben, als die Seeleute nach getaner Arbeit in die Eckkneipe gingen und den Tag noch einmal Revue passieren ließen. Wir schreiben das Jahr 1896. Der Hafen ist im Hochbetrieb und die Arbeiter freuen sich schon auf ihr Feierabendbier und den einen oder anderen Schlachtrufgesang.
Auch heute wird noch gesungen und Musik gemacht, den Hafen gibt es jedoch nicht mehr, stattdessen einen Supermarkt. Das Feierabendbier ist aber auch geblieben, ganz traditionell. Regeln sind da, um gebrochen zu werden, Traditionen hingegen sollen bewahrt bleiben.

So hält sich in dem Haus Pflügerstr. 19 / Ecke Nansenstraße seit 1896 wacker eine Kneipe. Den Namen hat sie schon ein paar Mal gewechselt, ebenso ihren Besitzer. Seit fünf Jahren nun heißt die Kneipe »Lagari«. Es war ein langer Weg, bei dem das Konzept seit der Übernahme vor 20 Jahren viermal geändert wurde. Kneipe, Disko, Sportlokal und endlich wieder Kneipe. Die Musik ist aber immer Teil des Ganzen gewesen. Eine Art Kulturschuppen, der nicht mehr wegzudenken ist.

Peter beim Zapfen.Foto: mr
Peter beim Zapfen.                                               Foto: mr

Das »Lagari« steht für Multi-Kulti und ist ein Künstlertreff. Besonders beliebt ist die offene Bühne, die jeden Dienstag Abend stattfindet. Jeder kann etwas machen, frei nach Wahl. Am Wochenende steht Comedy auf dem Programm, auch Englischsprachige, was besonders bei Touristen gut ankommt. Die ganze Woche über gibt es die Möglichkeit, die Bühne unsicher zu machen, sich am Billardtisch auszutoben und natürlich zu trinken. Etwas für den Bauch gibt es auch. Das kalifornische Frühstück, das – man soll es kaum glauben – ein Kalifornier im »Lagari« eingeführt hat. Kuchen, Pancakes, Speck mit Eiern gibt es bereits, und die Speisekarte soll erweitert werden. Eine Küche gibt es zum Glück schon.
Das eine oder andere Mal hat sich sogar schon ein nationaler Star in das »Lagari« verirrt und ist einfach geblieben. Die Atmosphäre stimmt, jeder unterhält sich mit jedem und der Zapfhahn tut seinen Dienst. Manche bringen auch ihren eigenen Krug mit. Sicher ist sicher – der Durst muss ja gestillt werden!       cr

Pflügerstr. 19 / Ecke­­ Nansenstr.
Mo – Fr ab 15 Uhr,  Sa – So ab 14 Uhr

 

Klampfen erwünscht

Jam-Session im »Sunrise«

Manchmal spielt das Leben so seine ganz eigene Musik. Das musste Mario Grünberg, damals Maschinenbaustudent, erfahren. Seine Mutter hatte gerade das »Sunrise« übernommen, konnte es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter führen. Für Grünberg war es somit vorbei mit der Karriere als Maschinenbauer. Von Stund an war er Wirt. Das war vor 16 Jahren.

Mit Elan führt er gemeinsam mit seiner Frau das Lokal, das recht unauffällig in der Sonnenallee 152 beheimatet ist. In angenehmer Atmo­sphäre lässt es sich hier gut reden. Grünberg versteht sein Handwerk bei der Unterhaltung seiner Gäste. Mit offenem Ohr hört er auch den nicht ausgesprochenen Kummer und reagiert so, dass der Neukunde ganz schnell zum Stammkunden wird.

Gemütlichkeit.Foto: fh
Gemütlichkeit.                                                       Foto: fh

Jeden zweiten Samstag in jedem zweiten Monat geht es turbulent zu. Der Wirt lädt dann zur Jam-Session ein. Vorwiegend Gitarren aller Art werden von Laien und Profis gespielt. Überwiegend Blues und Folk bringen dann die Gäste in Stimmung.

An den anderen ruhigeren Tagen steht ein Dart-Automat zum Zeitvertreib zur Verfügung. Ein gut funktionierender Tischfußball fordert Kicker auf, sich zu messen. Bei einem Bier kann dann ein fröhlicher Zeitvertreib den Abend abrunden.        ro

Suppenparadies für Eilige

Gekonntes Umrühren im »Soup2Go«

Wenig Zeit, viel zu tun, nichts gegessen. Der Alltag von vielen.  Doch gerne isst der eine oder andere vor allem in der kalten Jahreszeit zwischendurch eine Suppe, so wie sie Großmutter früher gemacht hat und nicht die Tütensuppe oder Fünf-Minuten-Terrine aus dem Supermarkt.

Wenn sich »Coffee to go« so gut verkauft, warum sollte das nicht auch mit Suppe gehen? Das dachte sich auch Bülent Özken, der vor ein paar Monaten sein Bubbletea-Geschäft in der Sonnenallee in »Soup2Go«, eine Suppenküche umwandelte.

Soup2go heiß und schnell.Foto: cr
Soup2go heiß und schnell.                                  Foto: cr

Özken, der anfangs sein Glück mit dem schnell bekannt gewordenen Bubble-Tea versuchte, musste bald wieder umsatteln. »Sowas fehlt in Neukölln«, sagt er über sein Suppenkonzept, das sehr gut ankommt.  Besonders stolz ist er darauf, dass alle Suppen selbst gekocht sind. Das bedeutet viel Arbeit und frühes Aufstehen. Alle zwei Tage wird mindestens neu gekocht, stundenlang steht er in der Küche, damit beschäftigt, die Suppe zuzubereiten. Die Hauptarbeit ist dabei das Umrühren. Keine Konservierungsstoffe, nur frische Zutaten – das ist das A und O.

Das Angebot ist übersichtlich und trotzdem vielfältig. Von Königsberger Klopsen über Thai Curry bis hin zu türkischer Linsensuppe und noch mehr – für jeden ist etwas dabei. Der Durst kann durch frisch gepressten Orangensaft gestillt werden oder türkischen Tee, der jederzeit kostenlos getrunken werden kann.

Wer keinen Appetit auf Suppe hat, kann ein Toast mit zerlaufenem Käse und Sucuk, eine Knoblauchwurst, essen.
Für die wärmere Jahreszeit hat sich Bülent Özken auch schon etwas ausgedacht. »Kalte Suppen, Joghurtsuppen – das ist etwas für den Sommer, vielleicht auch Salate«, überlegt er. Außerdem möchte er Sitzmöglichkeiten vor dem Laden aufstellen.

Den Leuten gefällt der Laden, es gibt auch schon Stammgäste. Özken freut sich jedes Mal, wenn er einen Gast wiedersieht. »Bis jetzt habe ich nur Positives gehört. Das spornt mich dazu an, weiterzumachen«, sagt er. Tipps nimmt er dankend an, auf Wünsche geht er ein. Er leitet zusammen mit seiner Familie einen Laden, der schon fast Bistrostatus erreicht hat.
Wer sich selbst ein Bild  machen möchte, kann in die Sonnenallee 72 zu »Soup2Go« gehen und eine der Suppen probieren.     cr

Soup2Go, Sonnenallee 72
Mo-Fr 10 – 20 Uhr, Sa 10 – 18 Uhr

Tempelhofer Feld

Volksbegehren soll Senatspläne ausbremsen

Kerzen leuchteten vor dem alten Abfertigungsgebäude des Flughafens Tempelhof. Unterstützer und Sympathisanten der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« hatten sich dort am Dreikönigstag eingefunden, um dem Senat heimzuleuchten.

Mitte Dezember konnte endlich die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren zum Erhalt des Tempelhofer Feldes beginnen. Es zielt darauf ab, das Feld als einen Ort zu erhalten, den die Bürger gestalten und der nicht mit einer Landesbibliothek (ZLB) oder Luxuswohnungen zugebaut wird. Bis Mitte Januar sollen die notwendigen 23.000 Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens zusammenkommen. Dann könnte parallel zur Bundestagswahl im September der landesweite Volksentscheid über die Zukunft des Tempelhofer Feldes stattfinden.

Zentralflughafen. Foto: mr
Zentralflughafen.                                                Foto: mr

Das hat die Senatsbauverwaltung aber nicht daran gehindert, zu einem Ideenwettbewerb für die ZLB aufzurufen. Als Preisgeld winken 250.000 Euro. Damit sollen Tatsachen geschaffen werden, die die Durchführung des Volksbegehrens erschweren könnten, befürchten Gegner der Bebauung.

Auch der Innensenat wurde aktiv und legte ein »Entwicklungskonzept Sport für die Tempelhofer Freiheit« vor, das den Bau von acht neuen Sportplätzen sowie zwei Mehrzweckhallen vorsieht. Die sollen dort entstehen, wo auch die neuen Wohnquartiere geplant sind.

Die Bürgerinitiative wirft dem Senat vor, mit falschen Zahlen zu operieren: Das Gutachten behauptet, die volkswirtschaftlichen Kosten einer Nichtbebauung würden 300 Millionen Euro binnen 50 Jahren betragen, dagegen stehe in einem internen Arbeitspapier ein ebenso großes Minus bis 2025. Die Parkpflege koste jedoch nur 1,8 Mil­lionen Euro im Jahr.           mr

Die Grüne Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung

Vorsitzende Gabriele Vonnekold im Gespräch

Ihren Schwerpunkt in der Bezirkspolitik legt die Fraktion der Grünen auf die Jugend- und Integrationspolitik. Bei der Bildungspolitik betrachtet die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Neukölln, Gabriele Vonnekold, die Inklusion durchaus als Königsweg, bei der die sonderpädagogischen Schulen abgeschafft werden und die Kinder in die Regelschulen integriert werden. Vonnekold bemängelt an dieser Stelle jedoch, dass die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Inklusion noch nicht gegeben seien. Es gibt erhebliche bauliche Mängel an den Schulen, sie sind noch nicht behindertengerecht ausgebaut. Sie spricht sich für mehr Personal mit sonderpädagogischem Hintergrund aus, denn die wenigen Sonderpädagogen, die derzeit an den Schulen unterrichten, reichten bei Weitem nicht aus.

Gewaltprävention muss nach Ansicht der Grünen bei der Familienbildung beginnen, gemäß dem Motto »Starke Eltern, starke Kinder«. Dazu gibt es aber noch nicht ausreichend wohnungsnahe Angebote. Der Besuch von Kitas soll ab dem ersten Lebensjahr verpflichtend sein. Das sei der Zeitpunkt, an dem Kinder spielend eine zweite Sprache lernen, die sie wie eine zweite Muttersprache anwenden. Auch hier ist es wie überall: Es fehlt gut ausgebildetes Personal. Erzieher müssten Vonnekolds Ansicht nach ohnehin viel besser verdienen, denn sie legen den Grundstein für eine gute Schulbildung. In Schulen müssten mehr Sozialarbeiter tätig sein. Insgesamt kritisiert Vonnekold, dass Schulen bei auffälligen Kindern die Hoffnung zu schnell aufgeben und aussortieren.

Vonnekold.Foto: mr
Gabriele Vonnekold.                             Foto: mr

Die Fraktionsvorsitzende wünscht sich, obwohl selbst Autofahrerin, alle Fahrräder auf die Straße. Radfahrer sollen auf Fahrradstreifen auf der Straße besser sichtbar sein. Sie nimmt es dabei billigend in Kauf, dass mancherorts bereits Autofahrstreifen zugunsten des Fahrradstreifens entfernt wurden. »Selbst gut getarnte Fahrradfahrer ohne Licht und in dunkler Kleidung« möchte sie ger­ne erkennen können, »sie haben eben keine Knautschzone«.

Für die noch zu erwartenden und auch die bereits eingetroffenen Flüchtlinge wünscht sie sich eigene Wohnungen. Leider ist es in ihren Augen nicht realistisch, diesen Traum zeitnah zu verwirklichen. Daher unterstützt sie die Idee der Piraten, die sich bei Sammelunterkünften für Flüchtlinge dafür aussprechen, die Bewohner mit Studenten zu mischen. So kann gegenseitige Unterstützung stattfinden.

Das Tempelhofer Feld wollen die Neuköllner Grünen so lassen, wie es ist. Allerdings haben sie nichts gegen den Bau einer Schule oder eines Campus auf dem Feld, wenn es denn der Beschulung im Schillerkiez helfen würde. Freuen würden sich die Grünen, wenn offene Sport- und Spielstätten auf dem Feld entstünden, allerdings mit der Auflage, dass dort keine Vereine einziehen. Diese Orte sollen für nicht organisierte und sportinteressierte Menschen freigehalten werden.    ro

Alt-Berliner Eckkneipe mit Tradition

Spielen, Sparen und mehr im »Handwerkerstübchen«

Und es gibt sie doch noch: die alte Berliner Eckkneipe. In ihrer Bestimmung ist sie Wohnzimmer, Tröster bei kleinen und großen Sorgen und Ort der Kommunikation. Im Handwerkerstübchen, das bereits seit 90 Jahren existiert, wird diese alte Tradition gelebt.

Der Sparverein trifft sich wöchentlich dienstags und ist einer der größten in der Stadt. Eingezahlt wird wöchentlich, das Geld wird zur Bank getragen. Aufgrund des hohen Einzahlungsbetrags entfällt ein entsprechend hoher Zinssatz auf die Gesamtsparersumme. Die Buchführung übernimmt der Wirt. Ein kleiner Betrag wird für Veranstaltungen oder Reisen einbehalten.

Der Skatverein trifft sich jeden Donnerstag. Gespielt wird nach Punkten, und ein Obolus wird entrichtet, der, wenn die Kasse voll genug ist, verfeiert wird. Ebenso machen es die Dartspieler, die sich immer freitags treffen, und das Damenkränzchen, das sich beim Schwimmen amüsiert.

Die Skatspieler suchen dringend Nachwuchs. Einen kleinen Erfolg können sie dabei schon verbuchen: Drei junge Mitglieder haben sie für ihr Spiel gewinnen können. Zukünftig ist auch ein Schafkopfverein geplant.

Der Wirt möchte Menschen zusammenbringen. Als er das Lokal vor vier Jahren übernahm, hat er als erstes die Tische, die vor dem Lokal in einem kleinen Biergarten standen, entfernt und durch einen großen Tisch ersetzt. »An einem großen Tisch lässt es sich besser in Kontakt kommen als an vielen kleinen«, so seine Überzeugung.

Ein besonderes Ereignis ist die Weihnachtsfeier, die jedes Jahr am 24.12. von 8-12 Uhr stattfindet. Die Pfarrerin Kruse aus der benachbarten Genezarethkirche begrüßt die Gäste und hält eine Weihnachtspredigt. Abgerundet wird die Festlichkeit mit einem singenden Engel und gemeinsamem Gesang.

Überhaupt sind Veranstaltungen im Handwerkerstübchen immer etwas Besonderes. Zum FC Bayern-Spiel im Fernsehen etwa werden Weißwürste kredenzt. So steckt das Lokal immer voller Überraschungen.

Das alles reicht dem quirligen Wirt jedoch nicht. Geplant ist für den ersten Samstag im August ein Handwerkerball, zu dem selbstverständlich jedermann eingeladen ist. Freuen würde es ihn, wenn Teilnehmer, die ein Handwerk ausüben, auch in ihrer Berufskleidung erscheinen.      oj

Wer mehr wissen möchte, geht am besten zur Bedienung im Handwerkerstübchen,                     Hermannstraße 65, 12049 Berlin.

»Morus14« gerettet

Weihnachtsfeier mit Spendenpräsentation

Es war kein leichtes Jahr für das »Morus 14«. Nach einem optimistischen Beginn 2012 ging dem Verein im Laufe des Jahres fast das Geld aus.

Das »Morus 14« finanziert sich ausschließlich über Spenden und zeichnet sich durch seine Schülerhilfe aus. Ungefähr 100 Kinder aus dem Rollbergkiez erhalten hier von ehrenamtlichen Helfern Nachhilfeunterricht mit großem Erfolg.

»Morus 14«.Foto: fh
»Morus 14«.                                                             Foto: fh

Mit einem großen Knall musste sich der Geschäftsführer des »Fördervereins Morus 14 e.V.«, Gilles Duhem, im Herbst von seinem Job verabschieden, es war kein Geld mehr für sein Honorar da. Das Projekt stand auf der Kippe. Mit einer spektakulären Medienkampagne machte Duhem auf den finanziellen Notstand des Vereins aufmerksam – mit Erfolg. Stolz konnte er das Ergebnis im Dezember präsentieren. Neben vielen kleinen Spenden rettete die Firma »Wall« den Verein mit einem fünfstelligen Betrag. Die Arbeit ist damit für 2013 gesichert.

Gebührend war dann auch der festliche Akt, bei dem die SPD-Abgeordneten Raed Saleh und Erol Özkaraca für die Gäste kochten. Beide Politiker haben keine deutschen Wurzeln und überraschten mit traditionell deutscher Küche. Bei Ente, Klößen und Rotkohl fand die Feier einen krönenden Abschluss.        ro

Kulinarische Grüße aus Katalonien

Jahreszeitlich-mediterrane Genüsse im »Feliu«

Sant Feliu de Guíxols ist eine katalanische Küstenstadt an der Costa Brava, nordöstlich von Barcelona. Von hier stammt Bruno, der charismatische Inhaber des seit September 2012 eröffneten »Feliu«, hier hatte Brunos Vater 35 Jahre lang sein Restaurant. Hier gab es einst einen imposanten Tornado, der Fische ins Städtchen regnen ließ und dessen Fotos nun Wände und Visitenkarte des »Feliu« schmücken. Eigentlich ist der volltätowierte Comic- und Musikfan Bruno Grafikdesigner und Illustrator. Nach Stationen in San Francisco und Japan zog ihn die Liebe vor fünf Jahren nach Berlin. Durch die Arbeit in diversen Bars baute er sich ein Netzwerk auf, übernahm die erfolgreiche Tapas-Bar »Gastón« in der Weserstraße und verliebte sich in die vielfältige gastronomische Nachbarschaft Nord-Neuköllns, so dass er sich heute nicht mehr vorstellen kann, woanders hinzugehen.

Kerzenschein und Wein im »Feliu«.Foto: © Feliu
Kerzenschein und Wein im »Feliu«.        Foto: © Feliu

Für das »Feliu«, seiner Vorstellung eines stressfreien mediterranen Restaurants mit saisonalen Gerichten und Akzenten Kataloniens, fand er ein Team, dessen Schlagkräftigkeit – »wie das Team von Barca« – vor allem auf Freundschaft basiert: Der katalanische Küchenchef Pablo, Hans aus Chile, Managerin Amal und die anderen Mitarbeiter bringen hier ihre Ideen, Einflüsse und Erfahrungen zusammen. Mit Entenbrust und Gemüsecouscous, Doradenfilet in würziger Romesco-Soße, saftigem marinierten iberischen Schweinefilet mit Trinxat (einem katalanischen Kartoffel-Gemüse-Gericht) oder schwarzer Pasta mit Kalamarenstreifen und Pesto servieren sie ein schmackhaftes kulinarisches Programm. Die Hauptspeisen bleiben dabei unter moderaten zwölf, die Vorspeisen wie Jacobsmuscheln in Thai-Soße, Lachstatar mit Roter Bete oder Vichysoisse (einer Gemüsesuppe) mit hausgemachten Pilzravioli unter sieben Euro.
Die überschaubare Weinkarte – Sant Feliu ist übrigens auch berühmt für seine Kork-Industrie – macht die beiden rustikalen, in Kerzenlicht getauchten Räume zu einer Weinbar. Je drei rote und weiße offene und je vier bis fünf Flaschenweine aus Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien sind auf die Speisen abgestimmt. Mit den Jahreszeiten wird Menu und Weinauswahl alle drei Monate geändert; ein Grund mehr, dieses gemütlich-lockere Restaurant nahe des Kottbuser Damms immer mal wieder zu besuchen.     hlb
Feliu Restaurant + Wine Bar, Pflügerstr. 4, Küche tgl. 19 bis 22:30 Uhr, Sa./So. bis 23 Uhr,
www.feliu-berlin.de , Facebook: Feliu.Berlin, info@feliu-berlin.de