Arbeitsplatz U-Bahn
Mitten drin und nicht dabei. Grelles U-Bahn Licht scheint mir in die Augen. Tausend Gerüche überfordern meine Nase. Ich rieche Kaffee, Gebäck, Parfüm, Zigarettenrauch und einen Grundton aus Urin.
Auf den Bänken liegen in Decken gehüllt weitere Leidensgenossen, die noch nicht die Notwendigkeit zum Aufstehen sehen. Schon beneidenswert so ein tiefer Schlaf. Ob mit oder ohne Hilfsmittel habe ich nur einen leichten Schlaf. Bin sehr schreckhaft. Immer auf der Hut. Als Frau hat man es nicht leicht auf der Straße. Manche hatten Pech.
Die nächste Bahn kommt an. Ich steige ein. Noch grelleres Licht. Alle Sitzplätze belegt. Die Stimmung scheint ok zu sein. Ich gehe noch einmal meinen Text im Kopf durch und höre mich dann nach einem tiefen Atemzug sagen: «Entschuldigen Sie die Störung, ich bin seit zwei Jahren obdachlos und auf Hilfe angewiesen. Wenn der eine oder andere vielleicht ein wenig Kleingeld oder etwas zu Essen hätte, wäre mir schon sehr geholfen. Vielen Dank und einen schönen Tag.« Meine Stimme hört sich gedämpft und weit weg an. Mit Tunnelblick laufe ich durch die Abteile. Meinen Text lasse ich wie von einer Platte ablaufen. Früher habe ich mich sehr geschämt Menschen anzubetteln, mittlerweile bin ich selbst emotional so abgestumpft, dass es mir egal ist. Geistesabwesend wandele ich durch den Zug. Becher links halten, Becher rechts halten. Text. Weiter. Rabotajet weiterlesen