Große Anfragen bedienen die Eitelkeit, nicht den Wissensdurst

Piraten mit Kärnerarbeit und Transparenz in der BVV

Die Küken der Bezirksverordnetenversammlung (BVV),  vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden der Piraten, Steffen Burger, wollen etwas bewegen.

Erste Erfolge konnten sie schon verzeichnen. Da gibt es das Thema Transparenz: Die Neuköllner Piraten stellen online einen Kalender zur Verfügung, der nicht nur ihre eigenen Termine beeinhaltet, sondern auch sämtliche Termine der BVV mit Tagesordnung (piratenneukoelln.de). Inzwischen erfreut sich der Kalender so großer Beliebtheit, dass er auch von anderen Rathausmitarbeitern gerne genutzt wird. Unter piratenradar.de sind Beschlüsse, Anfragen und Drucksachen der BVV zu finden.

Burger weist auf die Hauptausschusssitzung am 22. Januar um 17 Uhr im Rathaus hin. Dort wird über den Investitionsplan ab 2013 diskutiert. Diskussionsbeiträge Neuköllner Bürger sind hier ausdrücklich erwünscht.

Das vierköpfige Gremium der Piraten, das sich als gleichberechtigt versteht, hat mit der Benennung Burgers zum Fraktionsvorsitzenden lediglich die Form bedient. Jede Positionierung wird bis zur Konsenserreichung diskutiert.

S. BurgerFoto: fh
Steffen Burger.                                                       Foto: fh

Aktiv sind die vier Neuköllner beim Flüchtlingscamp am Brandenburger Tor. Dort schützen sie die Betroffenen gemeinsam mit vielen anderen engagierten Bürgern vor Übergriffen und Schikanen der Behörden.

Aufmerksamkeit erregten die Piraten mit der Idee, Flüchtlinge gemeinsam mit Studenten in einer Wohnanlage unterzubringen. Die Gefahr von Übergriffen auf die Neuankömmlinge werde dadurch gemindert. Die Durchmischung helfe bei den ersten Schritten in der neuen Gesellschaft. Die Studenten könnten Hilfestellung bei Sprachkursen und Behördengängen geben. Die Idee ist immerhin so gut, dass die Grünen im Abgeordnetenhaus auch darüber diskutieren.
Mit der Online-Plattform freies-feld.de wollen die Piraten die Vernetzung der einzelnen Interessengruppen rund um das Tempelhofer Feld verbessern.

Burger spart nicht mit Kritik an den BVV-Sitzungen. So bemängelt er, dass »große Anfragen meist Eitelkeiten bedienen, jedoch nicht den Wissensdurst«. Er sieht die Möglichkeit, etwas zu bewegen, allerdings in den Ausschüssen. Dort werden Anträge besprochen, über die in der BVV abgestimmt wird. Hier arbeiten die Piraten an Kompromissen, bei denen die Interessen aller Parteien berücksichtigt werden. »Abstimmungen sollen nicht im Parteiblock stattfinden, sondern der einzelne Mensch soll seinem Gewissen folgen«, wünscht sich der Fraktionsvorsitzende.     ro

Trinken wie Gott in Frankreich

Die KuK verkostet Weine im »Schwarzen Glas«

Im Weinladen »Das schwarze Glas« von Stefan Bubenzer und Harald Schauenburg liebt man französische Weine aus biologischem und biodynamischem Anbau. Die meisten französischen Regionen sind hier mit teils in Deutschland exklusiven Direkt­importen vertreten, wobei am liebsten Weine von Produzenten mit geringen Flaschenmengen und kleinen Anbaugebieten angeboten werden. Die enge Beziehung zu den Winzern zeigt sich schon im schön renovierten vorderen Verkaufsraum, wo Bilder von ihnen über den selbstgebauten Weinregalen prangen.

Paul hebt das schwarze Glas.Foto: hlb
Paul hebt das schwarze Glas.                           Foto: hlb

Jeden Donnerstag ab 20 Uhr werden einige der neuen Weine im Laden verkostet und auch Weinseminare können gebucht werden. Zum Nikolaustag war nun auch die KuK-Redaktion vor Ort, um ihre Gaumen zu schulen. Neun wunderbare Tropfen, erst weiße, dann rote, aus fünf Regionen galt es zu probieren, unterschiedliche Jahrgänge zu vergleichen und die feinen Aromen herauszuschmecken. Die Gastgeber hatten nicht nur zu jedem Wein und seinem Erzeuger, zu Anbau und Lagerung interessante Informationen und Geschichten, sie verwöhnten unsere zunehmend beschwingter werdende Truppe auch mit Käsespezialitäten und einer köstlichen selbstgebackenen Quiche. Hatten alle Weine auch ihren ganz eigenen Charakter, so fand im Laufe des Abends doch jeder seinen persönlichen Favoriten, sei es der kraftvoll-würzige »Zappa«-Wein aus dem Côtes de Thongue oder der unkompliziert süffige 2010er »Quatre Saisons«-Beaujolais. Zum Ende der geschmacksintensiven Frankreichreise kamen dann noch die schwarzen Gläser, die offiziellen Trinkgefäße der amtlichen Weinprüfungskommission, zum Einsatz und überraschten die Zungen mit einem markant-süßen, unfiltrierten roten Dessertwein.

Gewärmt von einem unterhaltsamen Abend voller seltener Geschmackserlebnisse ging es schließlich wieder hinaus in die eisige Neuköllner Nacht.        hlb

Weinladen & Weinseminare Das schwarze Glas, Jonasstr. 33, Mo. – Fr. 15 – 20 Uhr, Sa. 12 – 19 Uhr, www.das-schwarze-glas.de, Tel.: 5471 5000

100-Tage-Abitur-Kalender

Stressfrei planen bis zur Reifeprüfung

»Viele Wege führen zum Abitur«, so Kirsten Jenne, zertifizierte Abiturplanerlehrerin, »jedoch die schlaueste Art für einen richtig guten Abschluss ist der ‘100-Tage-Abitur-Kalender‘.«
Der Planer umfasst die letzten 100 Tage vor dem Abitur. Die Prüflinge lernen in Jennes dreistündigem Workshop, wie sie strukturiert auf einen guten Abschluss zusteuern. In dem Kurs wird geübt, welche Struktur dem einzelnen am meisten zusagt, womit er sich wohlfühlt, was seinem Tempo und seinem Arbeitsstil entspricht.

Abiplaner

Das Gelernte ist dann im Leben überall einsetzbar. Sei es im Studium, bei der Berufsausbildung oder in der Familie, strukturierte Planungen erleichtern das Leben und schaffen Luft für mehr Freizeit und weniger Stress.

Der Kurs kostet 40,- Euro inklusive Abiplaner.  Der »100-Tage-Abitur-Kalender« ist in den  Verlagen Flöttmann und Langenkämper erschienen und kostet 12,90 Euro.         ro

Der nächste Workshop findet am 9. Januar 2013 von 17-20 Uhr im Nachbarschaftszentrum in der ufaFabrik in Tempelhof statt. Weitere Termine unter www.wise-steps.de.

Kultur, Kaffee, Käsebällchen und Kinderdisco

Das »Café Bombocado« pflegt auch die südamerikanische Kultur

Klein ist sie, die Chefin des »Café Bombocado« nahe des Maybachufers, aber ein echtes Energiebündel, das viele kulturelle und kulinarische Facetten seines Heimatlandes in dem wohnzimmerartigen Café präsentiert – und zudem ein großes Herz für die Künstler, Kinder und Eltern im Kiez hat. Monica Alves Pereira, aus Brasilien stammend, wollte »immer schon ein eigenes Theater haben«. Nachdem sie jahrelang im Technoclub »Tresor« gearbeitet hatte, konnte sie sich im November 2010 den Traum erfüllen. In der Bürknerstraße fand sie den optimalen Laden für ihr »Kulturcafé für Kinder und Erwachsene«, den sie mit einfachen Mitteln, aber liebevoll umbaute. »Zuckersüß« sei der Laden geworden, und man fühle sich »wie bei Freunden«, sagen die Gäste – zu Recht.

BRASILIANISCHES für Leib und Seele im »Bombocado«.Foto: hs
Brasilianisches für Leib und Seele im »Bombocado«.Foto: hs

Das »Café Bombocado« (ein bom-bocado ist ein brasilianischer Kuchen) ist seither nicht eben nur ein Café, in dem neben den klassischen Frühstücks-, Kuchen- und Kaffee-, Tee- und Kakao-Angeboten auch brasilianische Spezialitäten wie selbst gebackene Pão de Queijo (Käsebällchen), köstliche Fruchtsäfte und Smoothies mit Ananas, Acerola, Acaì, Guave oder Graviola sowie Guarana-Drinks ihren reizvollen Platz finden, sondern auch ein vielseitiger Veranstaltungsort samt Galerie.

Zweimonatlich wechselnd gibt es hier Ausstellungen internationaler Künstler und Kindertheatergruppen, Puppen- und Marionettenspieler mit teils mehrsprachigen Programmen und auch Bands mit südamerikanischen Sounds geben sich fast schon die Klinke in die Hand. Mit Scheinwerfern und improvisierten Vorhängen lassen sich nämlich flugs zwei kleine Bühnen in den lichten Raum zaubern. Wenn Kinderdisco und reichlich vorhandenes Spielzeug das Café tagsüber durchaus mal wie eine KiTa erscheinen lassen, haben doch auf den abendlichen Konzerten und Partys auch die Großen bei Bier, Wein, Caipirinha und Mojito ihren Spaß. Mit befreundeten Theaterleuten ist auch schon die internationale Theatergruppe »Bombocado« entstanden, die mit mexikanischem Kabarett unterhält.

Monicas Idealismus und (multi)kulturelles Engagement für Junge wie Ältere im Kiez – obwohl ihr kulinarischer Treffpunkt noch kein Geld abwirft und behördliche Auflagen nicht alle Ideen umsetzbar machen – kann man nur unterstützen. Und wer sehnt sich nicht gerade im Winter nach etwas brasilianischem Flair?         hlb

Café Bombocado, Bürknerstr. 1, Mo. – Sa. 11 bis 18 Uhr
http://cafebombocado.wordpress.com
http://de-de.facebook.com/cafebombocado

Experte für Automatikgetriebe

Floyd Brothers, Spezialist für amerikanische Autotechnik

Um die Nachfrage muss sich Floyd Brothers keine Sorgen mehr machen. Per Internet kontaktieren ihn Kunden aus ganz Europa und schicken ihm ihre Automatikgetriebe zur Reparatur. Motorsportler nutzen auch sein spezielles Getriebe-Tuning, um Automatikgetriebe für Autorennen aufzurüsten.

Der in North Carolina (USA) geborene Experte für Automatikgetriebe, Floyd Brothers, kam bereits in den 70er Jahren nach Berlin. Nachdem er längere Zeit für die Alliierten gearbeitet und die deutsche Kfz-Meisterprüfung abgelegt hatte, eröffnete er Ende der 80er Jahre in der Weserstraße 184 in Neukölln seine erste Werkstatt. Dort ist er noch heute. Er war einer der ersten in Berlin, der Werbung für Automatikgetriebe über das Internet machte und dort seine Dienste anbot. Dadurch bekam er auch Kontakt zu Vertragswerkstätten, die ihm Automatikgetriebe zur Diagnose und Reparatur schickten. Floyd Brothers´ Werkstatt bietet einen umfassenden Service: Instandsetzung, Reparatur, Austauschgetriebe, Reprogrammierung, Diagnostic Scans (Fehlercodes lesen) und Updates besonders für US-Automatikgetriebe von Chrysler, Ford und GM.

Floyd Brothers an einem V8.Foto: pschl
     Floyd Brothers an einem V8.       Foto: pschl

Seine Leidenschaft für Autos und alles, was mit Automechanik zu tun hat, entdeckte Floyd Brothers schon in frühester Jugend. Bereits als Jugendlicher nahm er an Quarter Mile Rennen teil und gewann auch einige. Danach besuchte er Kurse über Automatikgetriebe und arbeitete in der Werkstatt seines Schwagers in New York.

Floyds andere große Leidenschaft sind klassische Automobile. Seine Werkstatt wurde daher auch schon öfter für Filmdrehs, insbesondere für Werbefilme und TV-Serien, genutzt. Außerdem gibt er Kurse über Automatikgetriebe, die besonders bei Frauen beliebt sind, da Floyd die Damen im Gegensatz zu manchen anderen Kollegen wirklich ernst nimmt.

Neben seiner Arbeit hat er ein ungewöhnliches Hobby: die Entwicklung der Wasserwirbelbremse. Gemeinsam mit zwei Freunden konstruierte  er eine Wasserpumpe, die mit Windkraft arbeitet. Das Wasser fließt in die Pumpe und wird durch den Reibungswiderstand erhitzt. Diese Art Heißwasserzubereitung ist sein kleiner Beitrag im Bereich der alternativen Energien.

Wer Probleme mit seinem Automatikgetriebe hat, ist bei dem sympathischen  Wahl-Neuköllner an der richtigen Adresse.
pschl
Floyds Auto Galerie, Weserstraße 184, www.automatikgetriebespezialist.eu

Zeitreise Neukölln

Aktives Lernen im Museum

Das Museum Neukölln hat in Kooperation mit der Volkshochschule Neukölln ein museumspädagogisches Arbeitsheft mit dem Titel »Zeitreise Neukölln« entwickelt. Es richtet sich vor allem an Neuköllner Bürger mit Migrationshintergrund, die durch das Heft einen Einblick in die Geschichte des Bezirks bekommen sollen.

Museum Neukölln.Foto: rb
Museum Neukölln.                                                Foto: rb

Anhand von zehn ausgewählten Exponaten der ständigen Ausstellung des Museums »99 x Neukölln« sollen Besucher verschiedener Altersgruppen einen leichteren Zugang erhalten, um sich über ihren Bezirk zu informieren. Das Arbeitsheft enthält zu jedem Objekt verschiedene Aufgaben, die die Besucher selbständig in Kleingruppen lösen sollen.
Das Konzept der »Zeitreise Neukölln« wurde von der Museumspädagogin Mareen Maaß in Zusammenarbeit mit der VHS Neukölln entwickelt. Die Auswahl der zehn Objekte erfolgte in mehreren Testläufen mit Teilnehmerinnen von Sprach- und Integrationskursen der VHS. Das Heft ist Teil des Projektes »Werkstatt Kinder Eltern Bildung«, dessen Ziel es ist, ein in ganz Nord-Neukölln präsentes, vielfältiges und kostenfreies Bildungsangebot zu schaffen.

Bei der Präsentation im Museum Neukölln konnte als erstes ein Mutterkurs der VHS den Umgang mit dem Arbeitsheft testen. Die Frauen hatten sichtlich Spaß und machten sich mit Feuereifer an die Bearbeitung der Aufgaben. Bezirksstadträtin Franziska Giffey hofft, dass noch viele weitere Gruppen den Weg in das Museum Neukölln finden werden: »Wenn die Mütter einmal hier waren, finden die Kinder auch her«.       rb

 

Sultaninen

Improvisationen zur Gentrifizierung

Mit ihrem neuesten Stück zeigten die »Sultaninen«, das »Theater der Erfahrung«, ihre Improvisationen zur Gentrifizierung. Sie bedienten sich der Technik des Mitmachtheaters. Am 21. November zeigten sie ihre Schauspielkunst im Nachbarschaftsheim »Mittendrin«.

In dem Stück wird in wenigen Szenen der Verkauf von Wohneigentum dargestellt. Der Zuschauer erfährt dabei die grausame Wirklichkeit von Techniken der Entmietung. Dann wurde die Mitarbeit der Zuschauer gefordert. Die Schauspieler fragten das Publikum nach Ideen zur Lösung des Problems bei Entmietungen.

Daran nun fehlte es ganz und gar nicht. Von der Organisation im Mieterverein bis hin zum aktiven Widerstand gegen Hauseigentümer war so ziemlich alles dabei, wie sich Mieter gegen die Verdrängung wehren können. Die Ideengeber wurden in die improvisierten Szenen eingebunden, sie fanden sich auf der Bühne wieder und konnten dort eigene Erfahrungen und Lösungsvorschläge spielerisch mit einbringen.

Diese Form des »demokratischen Theaters« hat seine Wurzeln in den USA. Hierbei bedienen sich die Bürger ihrer demokratischen Grundrechte. Sie haben bei dieser Form von Theater die Möglichkeit, ihre Sichtweise der Dinge, integriert in improvisiertes Theater, darzustellen.            oj

Neukölln ist groß in Mode

Temporäres Modekaufhaus mit Neuköllner Modedesignern

Ein temporäres Kaufhaus, in dem junge Mode- und Designunternehmen aus Neukölln ihre Kollektionen zeigen können. Das war der »Concept Store« der vom 15. November bis 1. Dezember in der Ganghofer Straße 2 seine Pforten öffnete.
Auf Initiative der Wirtschaftsförderung des Bezirkes, des Modenetzwerkes »NEMONA« und des Citymanagements der [Aktion! Karl-Marx-Straße] zeigten mehr als 30 Labels aus Neukölln eine Auswahl ihrer Kollektionen. Neben Mode vom T-Shirt bis zum Abendkleid gab es Accessoires wie Taschen, Schals oder Schmuck anzuschauen und natürlich zu kaufen.

Im »Stand der Dinge« präsentierten Designer­innen des Netzwerks »KreativNetzNeukölln« Kleinmöbel und Wohnaccessoires.

Ein Höhepunkt war das öffentliche Designercasting für die Teilnahme am »Showfloor Berlin«, einer Veranstaltung der Fashion Week vom 15. bis 17. Januar 2013.

Recyclingkleid von Benu Berlin.Foto: mr
Recyclingkleid von Benu Berlin. Foto: mr

Aus über 40 Bewerbungen aus aller Welt waren zehn Designer eingeladen worden, um der Öffentlichkeit und einer Jury Ausschnitte aus ihren neuen Kollektionen zu präsentieren. Mit dabei auch die Neuköllner Labels »claudia vitali«, »TingDing«, »1979« und »format«, das zu den drei Gewinnern des Abends zählte.

Die Siegerehrung.Foto: mr
Die Siegerehrung.                                               Foto: mr

»format« von Mareike Ulmann zeigt klare Formen. Bei den Farben dominieren schwarz und weiß, gelegentlich kombiniert mit blau. Die einfarbigen Jacken, Hosen, Kleider und Shirts sind elegant und tragbar.
Sehr viel bunter und üppiger geht es bei »14twenty6« von Dandie Zimmermann aus Osnabrück zu, ein sehr extravaganter Stil.

Farbenfroh, ausgefallen und äußerst aufwendig gearbeitet sind die Kleider, die Karen Jessen und Anna Bach von »Benu Berlin« zeigten. Sie verwenden ausschließlich recycelte Materialien wie T-Shirts, Jeans und altes Leder, die sie in Streifen schneiden und dann in einer Art Macramee miteinander verknoten

Alle drei Labels stellen sich im Januar 2013 im »Showfloor Berlin« im Huxleys vor.        mr

Traumlandschaften

Farbenrausch im Körnerpark

Paradiesische Landschaften in lodernden Farben präsentieren sich derzeit den Besuchern der Galerie im Körnerpark. Es sind die Landschaftsbilder der Berliner Malerin Christine Jackob-Marks.

Die Bilder haben Titel wie »Es beginnt« oder »Die Vollendung«. Die Malerin greift darin Motive der Schöpfungsgeschichte auf. Mit überbordender Farben- und Formenvielfalt zeigt sie das Werden der Welt, die Entwicklung von Chaos zu Ordnung, Bilder voller Leidenschaft und Dramatik. Daneben gibt es Ansichten lichtdurchfluteter Parks oder verwunschener Flusslandschaften.

Es sind keine realistischen Landschaftsportraits, sondern viel eher Traumlandschaften, die Geschichten erzählen, Stimmungen vermitteln und Gefühle wecken.

Viele dieser Bilder sind über einen langen Zeitraum von bis zu zehn Jahren entstanden, wurden immer wieder verändert oder neu akzentuiert, bis der Rhythmus stimmte, wie die Künstlerin es ausdrückt.

Christine Jackob-Marks studierte an der Académie de la Grande Chaumière in Paris und der Hochschule, heute Universität der Künste in Berlin. Seit 1960 lebt und arbeitet sie in Berlin.

Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Dezember geöffnet. Danach schließt die Galerie für einige Wochen wegen Reparaturarbeiten am Dach. Im Februar des kommenden Jahres soll sie wieder eröffnet werden.        mr

Kinderkochbuch

Einfache Rezepte für Groß und Klein

Eine Weltreise ohne viel Geld, Köstlichkeiten aus entfernten Ländern, ohne sich aus seiner gewohnten Küche bewegen zu müssen – davon träumen viele. Oft ist die Fantasie gefragt, um solche Pläne umzusetzen. Von der haben bekanntlich Kinder am meisten. Das hat sich die AWO zu Nutze gemacht und ein Kinderkochbuch herausgebracht, das rund um den Globus führt. Einfach gehaltene Rezepte aus Russland, der Türkei, der Dominikanischen Republik und anderen Ländern erwecken selbst im Kleinsten den Koch. Zusätzlich gibt es Länderinformationen und Wissenswertes, zum Beispiel, dass das in Deutschland am häufigsten getrunkene Getränk Kaffee ist.

Kinderkochbuch weiterlesen

»neue fotospiele«

Vernissage von Wolfgang Schnell im „Froschkönig“

Ein Blick in ein Kaleidoskop und die Suche nach einem Originalmotiv im Bild. Das ist es, was die Aufnahmen von Wolfgang Schnell so interessant machen, die in der Ausstellung »neue fotospiele«, noch bis zum 27. Dezember im »Froschkönig« in der Weisestraße 17 zu sehen sind.

6a HausmannsdorferwegFoto: ws
6A Hausmannsdorfer Weg                 Foto: ws

Die Anregung für die »fotospiele« war für Schnell das Interesse, aus einem alltäglichen Fotomotiv ein neues Bild entstehen zu lassen. Der Stadtplaner, der seit 2003 in der Schillerpromenade lebt und hier ein eigenes Büro hat, entdeckte für sich das Fotografieren mit einer Digitalkamera neu. Am PC spielte er aus Langeweile an seinen Bildern mit Motiven von verschiedenen Reisen, aus der Architektur und aus seinem Schillerkiez herum und fand dabei zu der neuen Technik. Durch mehrmaliges Spiegeln und Drehen von Ausschnitten aus seinen Fotos mit einem Grafikprogramm lässt er neue geometrische Motive entstehen, die je nach Vorlage mal Elemente des Jugendstils, mal Monster­­fratzen ent­halten können. Vielfach ist es kaum noch möglich, aus den neu entstandenen Bildern das Originalmotiv zu erkennen.

Zur Ausstellungseröffnung Ende November gab es noch einen – leider nur kleinen – Ohrenschmaus. Die Neuköllner Sängerin und Songwriterin »Milistu« gab mit ihrer Gitarre und einer sagenhaft klangvollen Stimme selbstkomponierte französische Chansons zum Besten. Eine hervorragende musikalische Einlage für eine hervorragende Ausstellung. Weitere Auftritte der Sängerin sind zu erwarten.           tr

Krankenhausreif geprügelt

Vor wenigen Tagen traf es einen Musiker in der Thomasstraße. Er wurde von Osteuropäern krankenhausreif geschlagen. Vor Kurzem  fuhr ein Journalist mit dem Fahrrad die Karl-Marx-Straße entlang. Er wurde von einem arabischen Autofahrer vom Drahtesel gerissen und zusammengeschlagen. Auch er musste im Krankenhaus behandelt werden. Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich im Reuterkiez in den frühen Morgenstunden, als ein Wirt seinen Arbeitsplatz verließ. Auch dieser Übergriff erforderte einen Krankenhausaufenthalt.

In allen drei Fällen ist nicht ersichtlich, warum die Männer deutscher Herkunft  zusammengeschlagen wurden. Geld rückten sie heraus, da war also nichts mehr zu holen. Es kann sich nur um ein Maß an Aggressivität handeln, das erstaunt. Im wahren Sinne wurde hier blind zugeschlagen. Dafür gibt es keine Erklärung, aber auch keine Entschuldigung.
Petra Roß

Zehnjähriges Jubiläum in der Schilleria

Das Café für Mädchen und junge Frauen feiert sich selbst

Alles hat einen Anfang. Aus einem Hirngespinst wird eine umsetzbare Idee. Ein Projekt entsteht, das Räumlichkeiten braucht. Und wenn die erst einmal gefunden sind, steht dem Ganzen nichts mehr im Wege. In ungefähr solch einer Situation befanden sich wohl auch die zwei Gründerinnen der Schilleria, ehe sie vor zehn Jahren in der Weisestraße fündig  wurden.

Das neue Graffiti für die Schilleria.Foto: cr
Das neue Graffiti für die Schilleria.                 Foto: cr

»Wow, hier hat sich echt viel verändert!«, sagt eine junge Frau, als sie die Schilleria am 30. November zum großen Jubiläum betritt. Das erste Mal war sie vor sieben Jahren hier. »Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal durch diese Tür gekommen bin.« Nicht nur die Augen der jüngeren Mädchen leuchten, auch in den Augen der allerersten Schilleriabesucherinnen, die mittlerweile selbst Kinder haben, ist die Freude zu sehen. Die Mädchen von der Schilleria haben sich auch redlich Mühe gegeben: Es ist bunt geschmückt, es gibt Kuchen und Limonade. Bis in die Nacht hinein wurde gearbeitet, damit die neue Front, die ein befreundeter Sprayer verziert hat, am großen Ehrentag fertig ist.

Ein buntes Programm gab es natürlich auch für die zahlreichen Gäste: Musik, eine Fotoausstellung, ein Theaterstück über die letzten zehn Jahre und noch viel mehr.

Das Geburtstagsgeschenk.Foto: cr
Das Geburtstagsgeschenk.                                  Foto: cr

Eine rundum gelungene Veranstaltung, so finden viele am Ende. Und ganz zum Schluss passiert etwas, das nur noch äußerst selten gesehen wird: Die Mädchen schnappen sich Besen und Schüsseln, um sauber zu machen – natürlich nicht ohne Hintergedanken. Das Konfetti, das zwischenzeitlich verteilt wurde, könnte doch noch nützlich sein. Vielleicht für den nächsten Geburtstag?

Das ist zu wünschen, denn mittlerweile ist die Schilleria für viele Mädchen und junge Frauen ein wichtiger Bezugspunkt in ihrem Leben geworden. Und durch die Einrichtung lebt der Kiez auf, daran können selbst die Dauerbaustellen nichts ändern. Und gegen ein Kinderlächeln hat nun wirklich kaum jemand etwas. Nicht nur die Mädchen sind froh, ab und zu aus ihrem Alltag ausbrechen zu können, auch viele Eltern können sich ein Leben ohne die Schilleria nicht mehr vorstellen. In diesem Sinne: Auf die nächsten zehn Jahre!       cr

Leben, wo andere Urlaub machen

Ylva Roß sammelt ihre Erfahrungen in engen Bergtälern

Mit ein paar Freunden fuhr ich über meinen Geburtstag zwei Wochen nach Österreich. In Leogang ist der europagrößte Bikepark, und da mein Freund mich nun mal mit dieser Leidenschaft angesteckt hatte, war ich gern dazu bereit, einen Mountainbike-Urlaub zu verbringen: Mit dem Lift hochfahren und dann so schnell wie möglich mit dem Bike wieder runter. Natürlich, wenn möglich, ohne größere Verletzungen. Eines Tages musste mal wieder einer von uns ins Krankenhaus, und so bewarb ich mich spontan um eine Lehrstelle, die in einem Geschäft direkt am Lift ausgeschrieben war. Noch im selben Monat, Ende August, zogen wir von Neukölln nach Österreich.

Es fing alles sehr schön an: Jeden Tag Sonnenschein, nette Kunden, mit denen ich über das Fahrradfahren philosophieren konnte, der Geburtstag meines mitgezogenen Freundes. Leider hielt sich dies alles nicht: Das Wetter wurde schlechter, die Mountainbiker weniger, der Geburtstag war vorbei und ich war jeden Tag bei der Lehrstelle nur am Putzen, Schrubben und Wischen. Irgendwann stellte sich heraus, dass der Laden keine Berechtigung hat, Lehrlinge auszubilden, und somit wurden der andere Lehrling und ich von heute auf morgen vor die Tür gesetzt. Ich blieb optimistisch. Hier hat ein Großteil der Leute nichts als einen Hauptschulabschluss, kann erstaunlich schlecht lesen und, den Zeitungen entsprechend, haben sie auch eher bescheidene Allgemeinbildung. Ich ging weiter zur »Schui« (Berufsschule) und bewarb mich überall in meinem neuen Wohnort. Bei jedem Bewerbungsgespräch taten die Chefs ihre Begeisterung kund über meinen Lebenslauf, mein (in Österreich) sehr gutes Abitur und meine Sprachkenntnisse. Mit einem sehr guten Gefühl verließ ich das Geschäft, sicher in den nächsten Tagen, wie abgemacht, eine Zusage zu bekommen.

Alpenpanorama.Foto: fh
Alpenpanorama.                                                  Foto: fh

Heute lese ich meine E-Mails und sehe nur eine Absage nach der anderen: »Mit großem Bedauern«, »wir sind begeistert von Ihren Erfahrungen«, »Sie sind ein wunderbarer Mensch« und »beeindruckt von Ihrem Lebenslauf«  sind Aussagen, die mir leider gar nicht weiterhelfen. Nur wenige trauen sich, die Wahrheit zu sagen: »Wissens, Frau Roß, Sie koman nät aus dem Pinzgaurischn. Do vasteht man Sie sso schlächt. Das mögn die Kundn nät.« Stattdessen werden Hauptschüler bevorzugt, die selten Englisch sprechen (in einer Touristenregion sehr unpraktisch), faul sind, keine Lust auf die Arbeit haben und sehr unselbstständig sind.

Bisher habe ich ungewollt einige Vorurteile gegenüber manchen Ausländern in Neukölln gehabt. Dies wird mir hier erst bewusst und ich schäme mich dafür. »Wenn man sich genug anstrengt, findet man immer was.« Diesen Satz kennen wir wohl alle, doch wenn immer wieder eine Hoffnung entsteht, man dann ohne verständliche Gründe abgelehnt wird und jemand sehr viel Schlechter Qualifiziertes die Stelle bekommt, kann das schon an den Nerven zehren. Ich dachte bisher, dass ich nur einen Umzug gemacht habe. Nach zwei Monaten wird mir klar, dass ich ausgewandert bin und selbst als Ausländerin angesehen werde.

Schüler sammelten für Stolpersteine

Ein Projekt mit den Schülern der Wetzlar Grundschule

Ein besonderes Engagement zeigte die sechste Klasse der Wetzlar Grundschule im Rahmen der Stolpersteinverlegung. Die Schüler sammelten bei ihrem diesjährigen Schulfest für die Aktion. 120 Euro kostet die Verlegung eines Stolpersteins, die ausschließlich über Spenden finanziert wird. Am 29.11. wurden vom Künstler Gunter Demnich 18 Steine an acht Adressen in Neukölln verlegt. Dabei waren auch Angehörige der Opfer des Nazi-Regimes anwesend. Trotz nasskalten Wetters war die Veranstaltung für alle Beteiligten beeindruckend und stimmte nachdenklich.         ro

Stolperstein-Verlegung, Oderstr. 52.Foto: fh
Stolperstein-Verlegung, Oderstr. 52.             Foto: fh

Petras Tagebuch:

Der erste Schnee in Neukölln

Wider besseren Wissens und bereits heftig erlittener Schmerzen fahre ich nun doch wieder bei Schnee und Eis mit dem Fahrrad.

Gut, ich kann immer so argumentieren, dass ich Ängste überwinden möchte. Viele Autofahrer und Fußgänger in Neukölln haben kein Verständnis dafür und erklären mich für verrückt.
Dennoch erweitert das nicht ungefährliche Treiben meinen Erlebnishorizont. Als ich zu einem Termin in den schönen Süden des Bezirks radelnderweise unterwegs war, schlitterte ich nicht schlecht durch den Norden Neuköllns.
Auf Kopfsteinpflaster mit Glatteis zu fahren, birgt die Sicherheit eines Sturzes in sich. Auf den Gehwegen war die Situation zwar nicht besonders gut, jedoch um Längen besser als auf den Straßen.

Dagegen ließ sich die Hermannstraße, sofern ich eine Autospur in Anspruch nahm, gut bewältigen. Die Autofahrer, die mich überholen wollten, werden sicherlich nicht meine Freunde. Die Situation auf den Gehwegen dagegen stellte sich dramatisch rutschig dar.

Kaum hatte ich die Hermannstraße verlassen und tastete mich an den Britzer Damm heran, staunte ich nicht schlecht: Rad- und Fußwege waren bereits um 12 Uhr mittags komplett vom Schnee geräumt.
In Nordneukölln war nahezu kein Mensch über 60 zu sehen, denn der drohende Oberschenkelhalsbruch bei Glätte bereitet Angst und lässt ungeahnte Organisationstalente wach werden, um das leibliche Wohl zu sichern.
Dagegen war im Süden, wegen der geräumten Wege, Betriebsamkeit der Bewohner zu be­obachten. Ob mit oder ohne Rolli, Jung und Alt waren auf den Beinen und gingen ihren Geschäftigkeiten nach.
Für mich war klar, dass es sich im Süden sicherer leben lässt. Ich will da zwar nicht wohnen, aber irgendwie rutscht man da weniger.

Neue Nutzung für das Tempelhofer Feld

Der Weihnachtsmann verlagert seine Produktion nach Berlin 

Himmelpfort ist passé. Zukünftig können Weihnachtswünsche an die Rollbahn Süd, Freies Tempelhofer Feld, 12101 Berlin geschickt werden.
Bereits im Herbst wurde ein seltsames Flugobjekt gesichtet. Fliegende Rentiere mit einem Schlitten bewegten sich auf die Rollbahn Süd zu. Eindeutig wurde der Weihnachtsmann identifiziert.  Mehrere joggende Väter mit Kinderwagen, deren Brut im Geschwindigkeitsrausch über das Tempelhofer Feld gerollt wurde, legten gefährliche Bremsmanöver hin, um nicht mit dem landenden Flugobjekt zusammenzustoßen.

weihnachtsmann
Weihnachtsmann in Neukölln.                                                                                                                                Foto: mr

Die Wahl des neuen Produktionsgeländes des Weihnachtsmanns ist vernünftig. Die Chance auf Schnee, der nun mal zu Weihnachten gehört, ist in unserer Region gestiegen. Weihnachtsmann und seine produzierende Belegschaft mögen das. Ideale Herstellungsbedingungen gewährleisten mehr Geschenke. Das ist gut für Kinder, die immer mehr haben wollen. »Die Rentiere grasen in der Hasenheide. Dadurch fliegen sie höher, weiter und schöner«, so der Weihnachtsmann. Außerdem sei er dichter am aktuellen Geschehen. »Dies ist die einzige Hauptstadt der Welt, die ein solches Gelände hat. Schon lange habe ich nach einem Gebiet gesucht, wo ich aktuelle Entwicklungen mitbekomme und meine Artikel den modernen Bedürfnissen der Kinder anpassen kann.«

Die umliegenden Initiativen, die die Zukunft des Tempelhofer Feldes beeinflussen wollen, zeigten sich ausnahmsweise einig. »Wir begrüßen den Weihnachtsmann herzlich«, so der deren Sprecher. »Wir unterstützen die sinnvolle Nutzung der Hasenheide für die Rentiere und freuen uns auf viele Geschenke«.       oj

Lust und Last einer Zeitung

Die Kiez und Kneipe bewegt sich

Erstmals wurde die Oktoberausgabe per Lastenfahrrad ausgeliefert. Die Kiez und Kneipe verabschiedet sich pünktlich zu ihrem zweijährigen Jubiläum vom Auto.
Die Jungfernfahrt ermöglichte Pepe, Fahrraddesigner und Erbauer des Lastenfahrrads. 80 Kilogramm verkraftet der Anhänger, und das musste er auch, denn Papier ist schwer. Abgesehen von der sportlichen Leistung, das Gewicht durch Neukölln zu kutschieren, war es ein großes Vergnügen als unüberholbares Hindernis für Autofahrer durch die Sonnenallee und Karl-Marx-Straße zu radeln. Auch bei den Lieferstellen wurde das neue Gefährt mit großer Begeisterung aufgenommen.

kuk_rad
Neuer Standort, eher sportlich. Fotomontage: Wolfgang Schnell

Fahrrad und Anhänger wurden vom Quartiersmanagement im Richardkiez finanziert. Gegen eine Spende kann es sich jeder ausleihen, vorausgesetzt er tut etwas Gutes für den Richardkeiz. Das hat die Kiez und Kneipe getan und jede Menge Zeitungen dort verteilt.

Die Fahrt endete dann vor dem neuen Redaktionsbüro in der Schillerpromenade 31. Erstmals kann die Kiez und Kneipe nun Bürozeiten wahrnehmen und interessierte Leser empfangen und zwar Montags und Mittwoch bis Freitag 14:00 bis 18:00 Uhr.
Die Reise startete 2010 in den Redaktionräumen der Kiez und Kneipe in Kreuzberg. Hier wurde über ein Jahr die Neuköllner Ausgabe produziert. Am Richardplatz 8 fand die Zeitung dann neue Produktionsräume, aber eben nur für zwei Produktionswochenenden. Nach langem Suchen nach einem Büro in Nord-Neukölln hat die Redaktion in der Schillerpromenade  unerwartet ein Zuhause gefunden. Ein Ort, nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zur Kommunikation.
Auch auf anderen Gebieten gab es Entwicklungen. So startete die Zeitung mit einer Auflage von 1.200 Exemplaren, aktuell sind es 2.100.
Die Anzahl der Redaktionsmitglieder steigerte sich von anfänglich sieben auf zwölf, die Anzahl der Seiten von zwölf auf 16. Die Gründungsmitglieder sind alle dabei geblieben, ein Ergebnis davon, dass die zahlreichen Konflikte, die eine lebendige Readaktion haben muss, erfolgreich ausgefochten wurden.
Die Redaktion konnte auf die Schnelle nicht ermitteln, wie viele Lokale sie vorgestellt hat, aber es waren eine Menge. Das entspricht der Entwicklung in Nord-Neukölln, das sich in rasantem Wandel befindet.
Die Vorstellung der Stadträte, die im Bezirks­amt die Geschicke leiten, traf auf großes Interesse, manchmal aber auch auf recht harsche Kritik.
Etliche kulturelle Ereignisse verfolgte die Zeitung, die Entwicklung des Tempelhofer Feldes wird mit Argusaugen verfolgt. An dieser Stelle gelingt es der Kiez und Kneipe nicht durchgängig, neutral zu sein, zu stark ist das Interesse am Erhalt dessen, wie es aktuell ist.
Mit der Einführung der historischen Seite 2 in Verbindung mit dem Zeitgeschehen, wurde immer wieder gezeigt, dass sich die Probleme der Menschen in der Gesellschaft nicht geändert haben. Früher wie heute wurde gestohlen, es gibt Gewalt, Weihnachten wird gefeiert und in der Bezirksverordnetenversammlung hat sich auch nicht viel geändert. Sie ist bis heute eine Kleinkunstbühne.
Als Begleiter des Morus 14 hat die Kiez und Kneipe eine endlose Geschichte gefunden.
Die Kiez und Kneipe ist und bleibt politisch nicht ganz korrekt. Das rief bei dem einen ein Schmunzeln hervor, verursachte an anderer Stelle Eklats, bei denen es zu heftigen Gefühlausbrüchen kam bis hin zu einem Auslegeverbot. ro

Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von Thomas Reller

Nr. 258 – Freitag
1. November 1912
Rauch- und Rußplage. Gegenwärtig finden amtliche Erhebungen über die Rauch- und Rußplage statt. Diesen Erhebungen liegt folgender Fragebogen zugrunde: 1. Ist eine Rauch- und Rußplage in ihrem Bezirk beobachtet? 2. Worauf ist die Plage besonders zurückzuführen? Kommen mehr Industrie, Bäcker- oder Hausfeuerungen in Frage? 3. Können Betriebe mit besonders starker Rauchentwicklung genannt werden? 4. Welche Maßnahmen  ergriffen worden (besonders in den Städten(?
5. Wie können die Maßnahmen wirksamer gestaltet werden? 6. Ist bereits eine Aufklärung der Bevölkerung durch Werkblätter, öffentliche Vorträge, Unterricht in Töchter- und Haushaltungsschulen, unter Hinweis auf die Vorteile der Gaskochheizung und Zentralheizung erfolgt? Ist auf die eventuelle Ersparnis an Brennmaterial durch richtige Beschickung des Ofen hingewiesen worden? Was ist dadurch schon erreicht worden? 7. Bestehen Vereine, Kommissionen oder dergl. für Rauch- und Rußbkämpfung? 8. Sind schon irgendwo erfolgreiche Versuche zur Bekämpfung der genannten Plagen durch besondere Einrichtungen (rauchschwache Verbrennung, mechanische Restbeschickung, Benutzung gasarmer Kohle, Rußfänger usw.) unternommen worden? 9. Welcher Art sind die benutzten Einrichtungen, wo befinden sie sich? 10. Kann das Zusammenarbeiten der Polizeibehörden mit den Kreisärzten un Gewerbeaufsichtsbeamten noch mehr gefördert worden?
Nr. 260 – Sonntag
3. November 1912
Kleine Geschenke an einzelne Beamte. Verwaltungsbeamte dürfen Geschenke und andere Zuwendungen von Seiten privater Personen nur mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten annehmen. Es werden darüber seit drei Jahren sogar tabellarische Uebersichten dem Minister des Inneren vorgelegt. Der Minister findet, daß bei dieser Genehmigung nicht immer mit der gebotenen Vorsicht verfahren werde. Eine besondere Verfügung bezweckt eine strengere Handhabung der Genehmigung. Die Behörden haben, so sagt der Minister, die ernste Pflicht, dabei alles zu vermeiden, was das Empfinden der Beamten abzustumpfen oder zu zerstören geeignet sein könnte.

Die Integrität und das Ansehen der Beamtenschaft darf in keiner Weise beeinträchtigt werden. Einzelnen Beamten darf nicht gestattet werden, Geschenke oder andere Vorteile von Privaten dafür anzunehmen, daß sie Wohnungen, Grundstücke, Geschäftsräume usw. überwachen, obgleich diese Ueberwachung zu deren regelmäßigen Dienstobliegenheiten gehört. Es ist auch nicht zu lässig, daß den Beamten einer Polizeiverwaltung für die Angabe öffentlicher Lustbarkeiten von einer Gemeinde Tantieme der Lustbarkeitssteuer gezahlt wird. Ebenso wenig dürfen Polizeibeamte von den Unternehmern Geschenke, freies Quartier, freie Verpflegung usw. annehmen, wenn sie bei Ausständen zur Aufrechterhaltung der Ordnung herangezogen worden sind. Geschenke von Privaten für besondere Leistungen können dagegen für die ganze Beamtenschaft durch Ueberweisung an die Wohlfahrtseinrichtungen nutzbar gemacht werden.

Umweltbelastung und kleine Geschenke

Seit hundert Jahren hat sich nicht viel geändert

Bereits vor 100 Jahren wurde in Deutschland, Berlin und Neukölln über Umweltbelastung, hier direkt über eine »Rauch- und Rußplage«, gestöhnt. Der Fragebogen, der im November 1912 erhoben wurde, weist genau auf die Rußsünder hin: hauptsächlich die Industrie, die mit billiger, gashaltiger Kohle produzierte, das Handwerk, hier nicht nur Bäckereien, sondern sämtliche Handwerksbetriebe, die einen Ofen oder eine offene Feuerstelle benötigten, sowie die unzähligen Haushalte, die mit Holz oder Kohle Wasser erwärmt, gekocht und geheizt haben. Besonders in den kalten Wintermonaten muss die Luft sehr rußig gewesen sein.
Auch die »kleinen Geschenke«, heute unter dem Begriff »Korruption« bekannt, waren vor 100 Jahren schon ein großes Problem. Wo man heute eine Kiste Wein, einen Briefumschlag oder eine Urlaubsreise erhält, war es früher eine freie Verpflegung in der Gastronomie sowie ein vergünstigtes oder gar freies Wohnen.

In eigener Sache:
Auch diesmal wieder sind in dem aufgenommenen Artikel aus dem »Neuköllner Tageblatt« von 1912 einige Rechtschreibfehler enthalten, die dem Leser aufgefallen sein können. Dies sind keine beim Korrekturlesen übersehenen Fehler, sondern solche, die aus der Zeitung von 1912 übernommen wurden. Die Texte wurden aus der historischen Zeitung transkribiert, sprich so übernommen, wie sie dort stehen.
Seit über einem Jahr habe ich jetzt in der Redaktion das Problem, dass mir diese Fehler immer wieder angekreidet werden, ebenso wie heute veraltete und unbekannte Wörter und ein teilweise unmöglicher Schreibstil, den man ja so nicht bringen könne. Jedes Mal muss ich mich für die Fehler anderer verantworten, da die Mitglieder der Redaktion diese Fehler nicht in ihrer eigenen Zeitung stehen haben wollen.

Turnvater Jahn in Farbe

Fitness und Training gegen die Obrigkeit

Friedrich Ludwig (Turnvater) Jahn (1778-1852) gilt heute allgemein als der Begründer der deutschen Turnbewegung. 1811 gründete er in der Hasenheide den ersten deutschen Turnplatz. Neben einer Gesundheitsvorsorge, Neuentdeckung des Körpers, Fitness und Selbsterfüllung in der Gruppe war die Turnbewegung eng mit einer frühen Nationalbewegung verknüpft. So war sie unter anderem mit der Zielsetzung entstanden, die Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung und für die Rettung Preußens und Deutschlands vorzubereiten. Die neue Turnerbewegung steht im engen Zusammenhang  mit einem neu aufkommenden politischen Liberalismus, dessen Ziele unter anderem Demokratie und Pressefreiheit waren.

Jahn
Turnvater Jahn platzt der Kopf.Foto: mr

Für seine Verdienste um die Turnbewegung wurde Friedrich Ludwig Jahn bereits 1872 mit einem »Jahndenkmal« in der Hasenheide geehrt. Zum 200-jährigen Bestehen des ersten Turnplatzes wurde dieses Denkmal 2011 vom Bezirks­amt aufwendig restauriert.

Seit dieser Zeit ist es bisher viermal aus der linken Szene heraus beschmiert und beschädigt worden. Gerade mal wieder gereinigt kam es Ende Oktober erneut zu einer Sachbeschädigung, wobei der Kopf des Denkmals mit Bauschaum besprüht und mit einem Gymnastikball verziert sowie der Sockel mit Lackfarbe beschmiert wurde.    tr

Die Deutschenmacher

Neue Formen des Staatsangehörigkeitsrechts

Einbürgerung ist eine wichtige Entscheidung für die betroffenen Menschen, weil sie mit diesem Akt die volle Rechtsgleichheit innerhalb des politischen Gemeinwesens erhalten. Kinder ausländischer Eltern, die neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit der Eltern haben, müssen sich zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden.
Welche Alternativen es zu diesem Optionsmodell geben könnte, diskutierten am 17. Oktober in der Aula der Albert- Schweitzer-Schule Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen und Sükrü Uslucan, Jurist und Autor des Buches »Zur Weiterentwicklungsfähigkeit des Menschenrechts auf Staatsangehörigkeit«. Die Fragen stellte Jan Stöß, Landesvorsitzender der SPD Berlin.
Uslucan bezeichnete die aufwendige Optionslösung als »bürokratisches Monster«, das im übrigen die Mehrstaatlichkeit in vielen Fällen nicht verhindern kann. Das gilt besonders dann, wenn die Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit zu persönlichen und finanziellen Nachteilen führt. Bei EU Bürgern wird die Mehrstaatlichkeit ohnehin hingenommen.
Auch Dilek Kolat plädierte dafür, die Ungleichheit von EU Bürgern und Nicht EU Bürgern aufzuheben und generell vom Abstammungsprinzip wegzukommen. Es geht ihr dabei nicht nur um Integration sondern auch um Teilhabe. Die Staatsbürgerschaft und damit verbunden das volle Wahlrecht stärkt das Dazugehörigkeitsgefühl, weil jeder mitgestalten kann. Allerdings wies sie auch darauf hin, dass die Staatsangehörigkeit nicht vor Diskriminierung und Ausgrenzung schützt.  mr

Wie funktioniert Europa?

Nicht der Euro, sondern die Menschen machen Europa

»Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein richtiges«. Damit umriss Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, ihre persönliche Sicht auf Europa im Rahmen einer Veranstaltung der »Europäischen Akademie Berlin e.V.« im Roten Rathaus.

Limbach, die 1934 in der Landesfrauenklinik in Neukölln geboren wurde, wies zunächst darauf hin, dass seit der Bildung der Montanunion 1957, dem Vorläufer der EU, kein Krieg mehr auf EU-Boden stattgefunden hat. Genau aus diesem Grund ergebe die »Europäische Union« einen Sinn.

Allerdings bemerkte sie auch kritisch, dass bei der Einführung des Euro die wirtschaftliche Union gefördert, jedoch keine politische Union gebildet wurde. »Heute sehen wir das Ergebnis an der Wirtschaftskrise in Griechenland«, so Limbach. Zu allem Unglück kommt die Enttäuschung der Bürger über die EU-Politik, die sich im vermeintlichen Desinteresse äußert oder gar den Wunsch nach Abschaffung der EU laut werden lässt.

Rund 40 Neuköllner Bürger waren der Einladung der Aademie gefolgt und beschäftigten sich mit den Themen »soziales Europa« und »Europa der Bürger«. Eckart D. Stratenschulte, der Leiter der »Europäischen Akademie« gab den Teilnehmern in seiner Einführungsrede schon in etwa eine Ahnung von dem, was sie erarbeiten sollten.

Am zweiten Tag entwickelten die Arbeitsgruppen eine Bürgererklärung mit Forderungen und Erwartungen, die Berliner Politikern überreicht wurde.

Darin wurde mehr Transparenz in den Abläufen und Strukturen der EU gefordert.  Mehr Bürgerbeteiligung durch Referenden und  eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit mit allseits verständlichen Erklärungen der Arbeit der verschiedenen europäischen Gremien standen auf der Forderungsliste. In diesem Zusammenhang gab es zudem viel Kritik an den Medien, die nach Meinung der Teilnehmer viel zu wenig über die EU berichten.
Ein weiteres wichtiges Anliegen waren die sozialen Standards in den EU-Mitgliedsländern. Ein Mindestlohn, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine Reform des Rentensystems mit einer besseren Berücksichtigung der Erziehungszeiten, sowie die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters abhängig von der Branche waren ebenfalls zentrale Forderungen.

Überreicht wurde die Bürgererklärung an das Bundestagsmitglied Stefanie Vogelsang (CDU), an die Berliner Abgeordneten Alexander Spiess (Piraten) und Gabriele Hiller (Die Linke), sowie an den Europaabgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen). Danach stellten diese Politiker sich der Diskussion mit den Bürgern. Cramer beklagte dabei, dass Europa auch von den Politikern aus den Nationalstaaten immer wieder schlecht geredet werde, dabei seien es doch eben diese Politiker, die die europäischen Gesetze mit entschließen würden. Er plädierte dafür, die vielen Unterschiede innerhalb Europas als Reichtum zu begreifen, gleichzeitig aber dafür zu sorgen, dass das soziale Gefälle zwischen den einzelnen Regionen nicht noch größer werde.   mr/ro

Neues aus der BVV

Flüchtlinge, Vielehen und Wohnungen

Erschwingliche Wohnungen sind Mangelware in Neukölln. Deshalb stellte die Fraktion »Die Linke« in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 31. Oktober den Antrag, dass das Bezirksamt sich beim Senat dafür einsetzen möge, die ehemalige Frauenklinik am Mariendorfer Weg zurückzukaufen. Nach den Vorstellungen der Fraktion sollten dort kleine Wohnungen für Einzelpersonen und große Wohnungen für Familien mit geringem Einkommen entstehen. Der Investor, der das denkmalgeschützte Gebäude 2007 gekauft hat, wollte dort hochwertige Appartements zum Kauf bauen. Offensichtlich ist dieser aber nicht willens oder in der Lage, das Areal zu entwickeln. Die vorhandenen historischen Gebäude verfallen zusehends. Lars Oeverdiek (SPD) gab daher zu bedenken, das es wegen des desolaten Zustands hier kaum möglich sein wird, günstig zu bauen. Der Antrag wurde daher abgelehnt.

In einer mündlichen Anfrage erkundigte sich Gerrit Klingel (CDU) nach dem Problem von sogenannten Zweit- und Drittfrauen bei Mi-granten. Hatte dieses Thema in der BVV im September noch für einen Eklat gesorgt, wurde es diesmal deutlich sachlicher behandelt. Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Bündnis 90/Die Grünen) meinte dazu, dass die Vielehe bei Muslimen, die sich auf den Koran berufen, durch staatliche Verbote praktisch nicht zu verhindern sei, weil diese Ehen im Verborgenen und ohne staatliche Registrierung geschlossen werden. Es sei daher vor allem nötig, Frauen zu unterstützen, die sich aus dieser Situation befreien möchten.

Rathaus.Foto: mr
Rathaus.                                       Foto: mr

Am Schluss der Sitzung ging es um die geplante Unterkunft für Asylbewerber. Die SPD sprach sich in ihrem Antrag gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen in Nordneukölln aus. Aufgrund der starken Zuwanderung von Roma, deren Integration eine erhebliche Aufgabe für den Bezirk sei, sei eine weitere Belastung nicht mehr zu verkraften. Bernd Szczepanski war der Ansicht, dass sich zu viele Bezirke bei der Aufnahme von Asylbewerbern vornehm zurückhalten. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei aber eine Aufgabe aller Bezirke der Stadt. Wenn es aber unumgänglich ist – und da waren sich alle Fraktionen einig – wird sich auch Neukölln solidarisch beteiligen. Dann soll eine solche Unterkunft jedoch im Süden Neuköllns angesiedelt werden.    mr

Alles in der Spur?

Erster Bauabschnitt in der KMS ist fertig

Voller Schwung schaufelten Staatsekretär Christian Gäbler und Baustadtrat Thomas Blesing einige Haufen Erde auf den frisch gepflanzten japanischen Schnurbaum. Dieses letzte Ritual beschloss das Ende der Bauarbeiten im südlichen Abschnitt der Karl-Marx-Straße.

Neue Spurlagen auf der Karl-Marx-Straße.Foto: fh
Neue Spurlagen auf der Karl-Marx-Straße.   Foto: fh

Zweieinhalb Jahre buddelten und schaufelten Bauarbeiter über und unter der Erde. Passanten stolperten und rutschten über die Absperrrungen. Das hat nun ein Ende gefunden. Die Abdichtung der Tunneldecke der U-Bahn wurde erneuert, ein Fahrradstreifen auf der Straße in beiden Richtungen eingerichtet. Problematisch ist die Spurführung für die Fahrradfahrer an der Kreuzung Saalestraße. Autos haben nunmehr nur noch eine Spur in jeder Richtung. Bürgersteige wurden verbreitert. Etliche Bäume sind bereits gepflanzt worden, im nächsten Jahr kommen noch mehr hinzu. An der Ecke Schiercker Straße/Karl-Marx-Straße zieren Kreuzberger Bügel den nicht offiziellen Platz.

Ganz billig waren die Arbeiten nicht. 2,8 Millionen Euro kosteten die Bauarbeiten, von denen der Bezirk 800 Tausend übernahm. Immerhin wurden die Bauarbeiten pünktlich abgeschlossen, was »nicht von jeder geplanten Maßnahme in Berlin behauptet werden kann« so Baustadtrat Blesing.
ro

Selbst Milchmädchen verrechnen sich

Skurrile Kostenschätzung für das Tempelhofer Feld

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat ein Gutachten über die »Volkwirtschaftlichen Auswirkungen eines Verzichts auf eine Teilbebauung des Tempelhofer Flugfeldes« veröffentlicht. Das soll belegen, dass auf das Land Kosten von nahezu 300 Millionen Euro zukommen, sollte das Tempelhofer Feld nicht mit Wohnungen und Gewerbeansiedlungen bebaut werden. Diese Kostenschätzung ist die Voraussetzung für das Volksbegehren der »Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld«, die eben diese Bebauung verhindern will.

Erstellt wurde das Gutachten vom »wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut empirica«. Allerdings beschäftigt sich die Studie nicht mit konkreten Ausgaben für die Entwicklung des Areals, sondern es werden äußerst vage Prognosen über das Verkehrsaufkommen in den nächsten 50 Jahren aufgestellt. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass Berlin weiter wächst und damit mehr Wohnraum, Büros oder Einzelhandelsläden benötigt. Werden die Ränder des Tempelhofer Feldes nicht bebaut, heißt das nicht, dass diese dort geplanten Wohnungen, Büros oder Gewerberäume überhaupt nicht gebaut werden. Diese geplanten Investitionen werden stattdessen auf anderen, alternativ verfügbaren Flächen getätigt werden. Da diese aber von der Stadtmitte weiter entfernt sind als das Tempelhofer Feld, schließen die Autoren dann auf ein weitaus größeres Verkehrsaufkommen in Berlin. Durch mehr Unfälle, mehr Staus und höhere Schadstoff- und Lärmbelastungen ergeben sich nach dieser Annahme Kosten von etwa sechs Millionen Euro pro Jahr. Das ergibt über den Zeitraum von 50 Jahren dann tasächlich die prognostizierte Summe von 298 Millionen Euro.

Warum die Verkehrsströme allerdings alle in die Stadtmitte gehen sollen, erfährt der Leser nicht. Ebensowenig wird thematisiert, welche Kosten entstehen, wenn all die Menschen, die sich jetzt auf dem Tempelhofer Feld vergnügen sich ins Auto schwingen und ins Umland fahren, um dort Erholung zu suchen.

Masterplan Tempelhofer Feld.
Masterplan Tempelhofer Feld.

Überhaupt keine Erwähnung finden die Kosten der Vorleistungen, die das Land für die Entwicklung des Tempelhofer Feldes aufbringen muss. Auf der Basis einer Finanzplanung der »Tempelhof Projekt GmbH« von 2010 errechnet die Bürgerinitiatve einen Verlust von rund 290 Millionen Euro, wenn auf dem Parkgelände gebaut wird.    mr

Bauplanung, Bauarbeiten und Bier

Auf dem Kindlgelände im Rollbergviertel tut sich was!

Die Erfolgsgeschichte der Kindl-Brauerei fand 1988 durch die Übernahme der Oetker-Gruppe ein jähes Ende. 2005 beschloss die Gruppe, die Abteilung Neukölln in der Werbellinstraße aufzulösen. Seither wurde für das Gebäude ein Käufer gesucht, der den Neuköllner Interessen entgegen kommt.

Das Schweizer Ehepaar Varnholt sah 2011 das Gelände, verliebte sich darin und kaufte es. Die entstandenen Pläne können sich sehen lassen: Das Gebäude soll weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich sein. Ausstellungen sind geplant und ein Eventbereich. Freuen dürfen sich die Neuköllner auf einen Biergarten vor dem Gebäude, in dem Schatten spendende Bäume gepflanzt werden.

Die heute hässliche Ostseite des Gebäudes wird mit einer Z-förmigen Außentreppe ausgestattet. Von ihr gelangt der Gast dann in ein Restaurant. Die erfolgreiche Rollbergbrauerei, von Neuköllner wegen ihres hervorragenden Bieres geliebt, bleibt erhalten. Auf den Bierausschank von Donnerstag bis Sonntag wird nicht verzichtet.

ntwurf Kindl-Brauerei. Foto: Broadway Neukölln - Magazin der [Aktion! Karl-Marx-Straße]
Entwurf Kindl-Brauerei. Foto: Broadway Neukölln – Magazin der [Aktion! Karl-Marx-Straße]
Erste Arbeiten sind sichtbar im Gang, denn der Turm ist bereits eingezäunt. Hier gilt etwas zu retten, denn die ersten Steine lösen sich. Neuköllner können mit Zuversicht dem weiteren Geschehen entgegen sehen. ro

David gegen Goliath?

Die Linke kämpft mit kleiner Mannschaft für ihre Ideen

Thomas Licher, Fraktionsvorsitzender von Die Linke, der kleinsten Fraktion in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), erzählte im Gespräch mit Kiez und Kneipe Neukölln über Ziele und bisher Erreichtes und zeigt die Grenzen des Handlungsspielraums seiner Partei im Bezirk auf.

Angesprochen auf die Bildungspolitik bemängelt der als Krankenpfleger tätige den großen Investitionsstau von 80 Millionen Euro. Betroffen sind zahlreiche bauliche Maßnahmen, die an Neuköllner Schulen dringend erforderlich wären, bei denen im Bezirk aber das Geld fehlt. Dies betrifft nicht nur dringendst benötigte Reparaturarbeiten, sondern auch den Ausbau des Ganztagsbereichs. Erklärtes Ziel der Die Linke in der BVV ist eine flächendeckende Einführung von Gemeinschaftsschulen in Neukölln.

Thomas Licher.Foto: pr
Thomas Licher.                            Foto: pr

Bei der Verkehrspolitik hat Licher eine sehr eindeutige Haltung. Die Verlängerung der A100 hält er für die Fortsetzung einer 50-er Jahre Politik, als an der Autostadt Berlin gebastelt wurde. Inzwischen sind die Neuanmeldungen für Fahrzeuge rückläufig und dadurch große Straßen überflüssig. Lieber sähe die Fraktion den Ausbau der U7 bis zum Flughafen in Schönefeld für den Fall, dass der Flughafen in Betrieb genommen wird.

Zu einer Gewaltprvention im Bezirk meint Licher, dass nach den Ursachen von Gewalt geschaut werden muss, denn sie ist Ausdruck einer mangelnden Teilhabe an der Gesellschaft. Videoüberwachung hält er in diesem Zusammenhang für sehr fragwürdig: sie verhindere keine Gewalt, zeichne sie lediglich auf. Sanktionierungen sind in seinen Augen dennoch unvermeidbar. Ebenso lehnt Die Linke einen Wachschutz an Neuköllner Schulen ab. Er sieht eine Verbesserung der aktuellen Situation darin, dass der Bezirk Chancen für die Jugendlichen eröffnet, was die Schaffung von Ausbildungsplätzen sein könnte.

In Wirtschaftsfragen sieht Licher für den Bezirk kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür tritt Die Linke für das bedingungslose Grundeinkommen ein.
Erreichen konnte die Fraktion Die Linke in der laufenden Legislaturperiode bisher nicht viel, sind sie doch nur mit drei  BVV-Mitgliedern im Rathaus vertreten.

Auf die Frage nach den Zielen in dieser Legislaturperiode spricht sich Licher gegen eine soziale Verdrängung durch Mietsteigerungen aus. Der Bezirk hätte die Möglichkeit über den »Milieuschutz« eine Verdrängung abzumildern. Das Jobcenter, nicht mit dem besten Ruf behaftet, soll nach seiner Meinung dazu gebracht werden, Leistungsempfänger angemessen zu behandeln. Im weiteren stellt er fest, dass in den Gutshof Britz – den er durchaus schön findet – allerdings ungleich mehr Geld geflossen ist, als es die Schulen benötigten. Weiterhin wünscht sich Die Linke einen Drogenkonsumraum in Neukölln.

Zum Schluss weist Licher auf die Bürgersprechstunden im Rathaus hin, die stärker von den Neuköllnern genutzt werden sollten.  ro

Gefüllte Taschen für leere Mägen

»No Name«, aber leckere türkische Küche

Lange standen sie leer, die Räume des irgendwie schon legendären »Salon Petra«, an dessen wunderbare Jazzkonzerte, Sessions, Lesungen und Partys sich die Stammgäste noch immer wehmütig erinnern. Nun bereichert seit Ende Oktober ein Bistro-Café namens »No Name»– direkt neben der kultigen Musikeckkneipe »Oase« – das kulinarische Angebot auf der Hobrechtstraße nahe des Maybachufers.

Die türkische Familie, die seit 14 Jahren die Bäckerei Mert schräg gegenüber betreibt, hat viel Geld in Umbau und Dämmung des Ladens investiert und ein luftig-lichtes und durch die braun-beigen Polster und die gemusterte Tapete links im Raum angenehm modernes Lokal geschaffen, in dem auf selbstgemachte Leckereien aller Art – mit orientalischem Einschlag – gesetzt wird. »Unser Anliegen ist es, dass jeder etwas für sich bei uns findet«, so der Chef.

NO Name nötig.Foto: hlb
NO Name nötig.                                                    Foto: hlb

Und so sind neben französischen, türkischen und vegetarischen Frühstücken im Angebot (Hungrige mögen jetzt besser weglesen – oder hingehen): Linsen-, Joghurt-, Hühner-, Nudel- und Gemüsesuppe, Köfte, Sucuk, Hühnerschnitzel, Geflügelfrikadellen, Rindswurst und Backfisch im Brot oder mit Pommes, Kartoffeln, Reis oder Salat, Böreks, Pizzen, gefüllte Gözleme-Taschen mit Käse, Spinat, Hackfleisch oder Kartoffeln, Auberginensalat, gefüllte Paprika und Weinblätter sowie für den Zuckerkick hausgemachte Kuchen, Muffins, Brownies oder Tiramisu. Alles natürlich auch zum Mitnehmen. Kaffee und Tee gibt es auch »in Bio« und auf Wunsch mit Soja- oder laktosefreier Milch, und da gleich fünf Getränkekühlschränke – mehr als mancher Späti hat – gut gefüllt sind, lässt sich im »No Name« auch einfach ein Bierchen trinken.
Bei dem Überfluss ist ein Name dann wohl auch verzichtbar.
hlb

Peppi Käselager

Rohmilchkäse rockt

Es hat bestimmt ein halbes Jahr gedauert, bis der Käseladen für die Eröffnung hergerichtet war. Georg Weishäuptl, der bereits als Garant für »gute Nachrichten« das Lokal »Peppi Guggenheim« betreibt, hat nun einen Käseladen schräg gegenüber in der Weichselstraße 65.

Der Käse hat es ihm schon länger angetan. Weisshäuptl, aus  Österreich stammend, entwickelte, als er noch dort lebte, eine Internetplattform für Käsebauern, die über diesen Weg ihren Käse verkaufen konnten. Als er in Berlin ankam, dauerte es nicht lange, bis er die Plattform selbst nutzte. Auf einigen Berliner Märkten ist sein ausgesucht gutes Sortiment seither zu finden. Gehandelt wird er zwischenzeitlich als einer der besten Käsehändler der Stadt.

Das Käselager.Foto: fh
Das Käselager.                                                         Foto: fh

Am 25. Oktober öffneten sich die Ladentüren, hinter denen bester Käse zu kaufen ist, bei geselliger Laune und nun endlich auch im Warmen.
ro
Peppikäse, Weichselstraße 65, Di-Sa 17-21 Uhr, www.peppikaese.de

Trinken auf die deutsch-russische Freundschaft

Die »Vater Bar« in der Reuterstraße

»Open Cosmos« – das bezeichnet nicht den weiten Blick auf die Kreuzung Sonnenallee/Reuterstraße, den man aus den großen Fenstern der vor einem halben Jahr eröffneten »Vater Bar« hat, sondern einen der etlichen dort feilgebotenen Cocktails. »Sehr viel Wodka, sehr viel Rum« verspricht die Karte, dazu der in vielen russischen Drinks beliebte spanische 43er-Vanillelikör und etwas Zitronensaft – und schon wird der Gast zum Kosmonauten.

Chef der »Vater Bar« ist der in Sibirien geborene Artem, der mit acht Jahren nach Deutschland kam, in Münster Politikwissenschaften studierte und nun in einem ehemaligen Airbrush-Laden seine Vision einer gemütlichen Bar verwirklicht, die die Atmosphäre einer typisch russischen Familienwohnung aus den 90ern ausstrahlen soll. Und so hängte er einen Teppich an die Wand, besorgte sich bei eBay ein buntes Sammelsurium an Sofas, Stühlen und Tischen und baute alte Wohnzimmerschränke zu Barregal und Tresen um.

WO der Wodka wärmt. Foto: hlb
WO der Wodka wärmt.                                      Foto: hlb

Die Gäste mögen diese unkonventionelle Neuentdeckung im Reuterkiez, die russische Trinkgewohnheiten hochleben lässt. Acht Wodkas, insbesondere aus Sibirien und Weißrussland teils mit dem Aroma von Zedernnüssen, Birke oder Honig-Pfeffer versehen, bietet Artem an. Dazu viele Gin und Whiskey Specials wie das »Rostige Wasser« (Whiskey mit 7up), vor allem aber eigene Wodkakreationen: »Bojarski«, einen Wodkashot mit Erdbeer und Tabasco, »Eingelegter Russe« mit Gurkensaft oder »A Girl Called Lenka« – »eher was für die Damen« – mit Wodka, 43 und russischer Limo. Cocktailklassiker wie Moscow Mule oder Cuba Libre, lieblicher sowjetischer Sekt, Flaschenbiere und für die Abstinenzler selbstgemachte »Vater-Limo« runden das Getränkeangebot ab.

Plattenbauwohnungsfan Artem ist froh, dass er den Zugang zur westlichen wie auch zur russischen Kultur hat und so einen originellen Mix aus coolen Pop- und authentischen russischen Songs durchs »Vater« schallen lassen kann – am besten »bis die Leute auf den Tischen tanzen«. Aber auch, wer nur chillen oder mit der Spielesammlung am Eingang die Zeit vertreiben möchte, ist natürlich willkommen.
Das »Vater« – eine wärmendes Refugium gerade zu Zeiten von Väterchen Frost.
hlb

Spiel mit mir

Zielwasser .Foto: fh
Zielwasser.Foto: fh

Pfeile werfen im »Filou«

Über dem »Filou« in der Okerstraße 15 ziert das Bild eines rauchenden Mannes mit Baskenmütze den Eingang. Die Gaststätte hat allerdings nichts mit der spanisch-französischen Grenzregion gemein. Das Logo steht vielmehr für den Filou, der mit Chuzpe und Geschicklichkeit durchs Leben geht. Und wer geschickt beim Billard einlochen kann, die Dartpfeile zielsicher im Bullseye zu versenken weiß und auch beim Kickern eine schnelle Hand hat, ist hier genau richtig. Der große Thekenraum lädt bei Live-Fußball an der Großbildleinwand zum Verweilen ein, gespielt wird in den Nebenzimmern. Billardfans brauchen keine Angst zu haben, dass sie mit dem Queue an die Wand stoßen, die Dartfreaks haben genug Raum, um auch Turniere mit mehreren Teilnehmern auszutragen. Das »Zielwasser« ist hier zudem unschlagbar günstig, das 0,4- Hausmarke-Bier gibt es ebenso für 1,10 Euro wie die Weinbrand-Cola Mixtur »Futschi«.

 

Jeden ersten und dritten Samstag im Monat lädt das »Filou« zu einer großen Tanzparty ein.

Geöffnet hat das Lokal Montag bis Donnerstag von 12:00 bis 1:00, von Freitag 12:00 bis Sonntag 24:00 kann man hier durchgehend verweilen, frei nach Voltaires Sinnspruch: »Spielen ist keine Kunst, aber aufhören zu spielen.«    Cal

Honda und Peter Fonda

Trinken auf Rädern im »Raum 6«

Erwähnenswert ist der »Raum 6«  in der Ganghofer Straße 1 allein schon wegen seines Frühstücks-Special-Price-Angebotes. Für lediglich 2,90 Euro bekommt man hier ein gekochtes Ei, zwei Schrippen, Wurst und Käse und einen Kaffee kredenzt.

Theken Gemütlichkeit.Foto: fh
Theken Gemütlichkeit.                                        Foto: fh

Frisch gestärkt kann man sich hier anschließend beim Billard vergnügen oder sich beim Dartspiel messen.

Ein absoluter Eyecatcher sind die zahlreichen Wandcollagen, die sich meist rund ums Motorrad drehen. Natürlich sind hier auch die »Easy Rider« Dennis Hopper und Peter Fonda verewigt. Eine echte Honda ist zudem über einer Sitz­ecke dekorativ platziert. Dennoch ist der »Raum 6« keine Bikerkneipe.

Hier wird Billard zum Vergnügen.Foto: fh
Hier wird Billard zum Vergnügen.                   Foto: fh

Wem nach Feiern zumute ist, der sollte sich den »Crazy Saturday« nicht entgehen lassen, denn samstags kosten fast alle Getränke nur die Hälfte. Lediglich die Whiskys und Whiskeys sind nicht in diesem Angebot enthalten. Wer mehr über das »Lebenswasser« Whisk(e)y  und andere Spirituosen wissen will, kann sich auch in der angekoppelten »Getränkezentrale« in der Altenbraker Straße 15 informieren.       Cal

Die Wucht in Tüten

Christoph Schmidtke, »der zerfallene Engel« erschien in der Aky-Lounge

»Ich selbst als Subjekt bin nicht existent«. Der »zerfallene Engel« sitzt am Schreibtisch und schreibt diesen ersten Grundsatz des Zen vor sich hin und zwar in jede einzelne Spalte seiner Steuererklärung.

Das Publikum kann sich leicht vorstellen, wie das Finanzamt reagiert, es biegt sich vor Lachen. Christoph Schmidtke begeisterte am 10. November in der »Aky-Lounge« mit seinem neuen Soloprogramm. Ausgestattet mit Engelsflügeln führte er die Zuschauer durch eine Welt skurriler Gedankengänge: Er beneidet die Lesbenberatung, in der auch nachts noch das Li cht brennt. Die Lesbe wird beraten, er nicht. Trotz allem gibt es Hoffnung für ihn, denn wenn die Lesbe Trost findet, so gibt es bestimmt auch bald einen Platz der Zuversicht für ihn.

Der Engel und sein Pianist.Foto: mr
Der Engel und sein Pianist.                                Foto: mr

Vor Einsetzten der großen Traurigkeit gibt es das Rezept für ein schönes Leben. Es gibt so viele Busse in der Stadt, einfach einsteigen und in das schöne Leben fahren.

Der zerfallene Engel hat jedoch ein großes Problem. Während alle anderen unter Burn-Out, Depressionen und Lebenskrisen leiden, geht es ihm gut, einfach nur gut. Er ist ein »echt toller Typ, der versucht, so zu werden wie du«. Das macht ihn zum Außenseiter. Er ist aber ein soziales Wesen und sucht Anschluss  an alle Menschen, die nicht glücklich sind.

Intelligente Gedankengänge, das Leben auf die Schippe genommen, bleibt kein Auge in der »Aky-Lounge« trocken.
Die musikalische Begleitung von Paul Schwingenschlögl auf dem Keybord und Flügelhorn, manchmal sogar beide Instrumente zusammen, sorgen für ein rundes Arrangement.

Viel zu früh endet das Programm in der »Aky-Lounge«, die wie geschaffen ist für den »zerfallenen Engel«. Aky, Betreiber der Lounge   freut sich auf weitere Vorstellungen  des Engels.    oj

Guru Guru

Höchste Gitarrenkunst in der »Ma Thilda«

Unerwartete Klänge waren in der »Ma Thilda« am späten Abend des 19. Oktobers zu hören, raffinierte Gitarrensounds, durch Elektronik leicht verfremdet.

Dieter Bornschlegel.Foto: p
Dieter Bornschlegel.                                               Foto: pr

Hier spielt ein  Könner: Dieter Bornschlegel, Gitarrist der bekannten deutschen Band Guru Guru, die 1976 als erste deutsche Band im legendären WDR-Rockpalast auftrat. Bornschlegel war von 1977-79 und von 1994-97 bei Guru Guru. In den letzten Jahren konzentrierte er sich auf seine elektroakustische Soloperformance. Bornschlegel beherrscht die Gitarre wie kaum ein anderer, bei ihm stehen aber keine virtuosen Gitarrenläufe im Vordergrund, sondern er schafft einen beeindruckenden Klangteppich mit rhythmisch dichten Sequenzen, Obertönen und ungewöhnlichen Sounds. Die Zuhörer kommen in den Genuss eines großartigen Konzerts des Ausnahme-Gitarristen, der extra aus Marburg angereist kam, um im intimen Rahmen der »Ma Thilda-Bar« zu konzertieren. Seine Fans wussten es zu schätzen.      pschl


Mona Lisa in der Wipperstraße

Eugen, Michael und Semjon Posin versetzen sich in klassische Maler

Neukölln ist immer wieder für Überraschungen gut. In einer unscheinbaren Ladenwohnung in der Wipperstraße 20 befindet sich seit 2001 der Kunstsalon Posin. Kaum öffnet man die Tür, glaubt man, in einer anderen Welt zu sein. Meisterwerke der Malerei aus mehreren Jahrhunderten, wohin man blickt. Entspannt unterhalten sich die drei Posin-Brüder, Eugen, Michael und Semjon, auf russisch, trinken starken Espresso und rauchen dabei. Mit ihren Holzfällerhemden, ihren Bärten und hageren Gesichtern wirken sie selbst wie aus einem Kunstwerk entstiegen.

Alternde Mona Lisa.Foto: mr
Alternde Mona Lisa.                                            Foto: mr

Einer der Brüder führt uns in den Keller, wo weitere Meisterwerke an den Wänden hängen oder in den Regalen stehen. Dazwischen gibt es auch eigene Werke der drei Maler. Besonders originell die Mona Lisa als junges Mädchen, als Dame mittleren Alters und als alte Frau.

Seit 20 Jahren leben die Künstler in Neukölln. Und sie wohnen gerne in einer abgeschiedenen Gegend, da sie hier in Ruhe arbeiten können. Ihr Arbeitsalltag beginnt meistens gegen 20:00 Uhr, dann arbeiten sie durch bis zum frühen Morgen. Sie brauchen keinen Hype. Solvente Kunden aus der ganzen Welt bestellen Kopien berühmter Gemälde bei ihnen. Auch ihre eigenen Werke sind von großer Qualität und waren bei vielen renommierten Ausstellungen zu sehen.

Obwohl sogar Experten kaum die Kopien von den Originalen unterscheiden können, ist das, was die drei machen, keine Fälschung, sondern völlig legal. Ihre Werke haben eine andere Größe als die Originale und sind auf der Rückseite gekennzeichnet. »Wir kopieren nicht einfach, sondern wir versetzen uns in den Künstler hinein«, erklärt Semjon Posin.

Ihr Handwerk haben sie an der Leningrader Kunstakademie erlernt, doch schon in der Kindheit entstand bei allen drei die große Liebe zur Malerei. Es gibt keine Konkurrenz unter den drei Brüdern, manchmal malen sie sogar gemeinsam an einem Gemälde.

Wir lassen die Mona Lisa hinter uns, die dunkle Neuköllner Nacht nimmt uns wieder gefangen.   pschl
Öffnungszeiten und mehr unter: www.kunstsalon-posin.de

NACHTUNDNEBEL

Impressionen von Marianne Rempe

Ola Eibl zeigte in ihrer Ausstellung »Interims­auflage« Tusch- und Bleistiftzeichnungen, die sich mit dem Thema Papier beschäftigen. Auf ihren Bildern türmen sich Bündel von Papier zu fragilen Gebilden, die im nächsten Augenblick zusammenzustürzen drohen. Neben den  Zeichnungen zeigte sie auch ihre Sammlung von Fabrikkarten, auf die sie ihre kleinen Entwürfe zeichnet.
Atelier Ola Eibl, Mahlower Str. 3, HH, rechter SF, 1. OG.

Ola Eibl
Ola Eibl

Die Malerin Mo-Skito zeigte in ihrem Atelier ihre surrealistischen Bilder. Es sind Bilder voll praller Farbigkeit und manchmal agressiver Sinnlichkeit, die jeden freien Platz an den Wänden bedecken. Das ganze Atelier ist ein Gesamtkunstwerk, in dem das Auge immer wieder neues entdeckt.
Werkstube Mo-Skito, Wissmannstr. 19, HH.

Mo-Skito
Mo-Skito

 

Judith Sturm  präsentierte kunstvolle Haarschmuckkreationen unter ihrem »Label Jay‘s Delight«. Passend zur Jahreszeit sind die phantasievollen Unikate aus Federn, Bändern und Schmucksteinen mit Symbolen der Endlichkeit wie Totenköpfen versehen und in herbstlich morbiden Farben gestaltet.
RAUM82, Reuterstr. 82

Judith Sturm
Judith Sturm

Neue Fotospiele

Wolfgang Schnell stellt neue Werke aus

Der gelernte Stadtplaner und überzeugte Neuköllner Wolfgang Schnell zeigt seine aktuellen Werke. Aus Fotos, die er spiegelt, verfremdet und wieder zusammensetzt, entstehen abstrakte Ansichten. Die ursprünglichen Fotos, die als Vorlage dienten, werden als Vergleich mit ausgestellt. Der Betrachter hat bei manchen Werken Sucharbeit zu leisten, den Ausschnitt, den Schnell bearbeitet hat, wieder zu finden. Die Motive, die der Künstler gewählt hat, sind Gebäude und Stadt­ansichten.

Foto: Wolfgang Schnell
Foto: Wolfgang Schnell

Die Ausstellung wird vom Galeriebetreiber vom »Präsenzwerk« Reinhard Lange aus der Selchower Straße eröffnet. Für die musikalische Unterhaltung garantiert der »Wensday Music Club« mit einer Zeitreise in die 60er und 70er Jahre für gute Laune.

Die Ausstellung ist vom 23. November bis zum 27. Dezember täglich ab 18:00 im Froschkönig, Weisestraße 17 zu besichtigen.
ro

Böhmische Rapsodie

Ein Dorf wird zur Ausstellung

Den Mittelpunkt der Ausstellung »Böhmische Rhapsodie« in der »Galerie im Saalbau« ist der mobile Ausstellungskubus  »FRITZ|DORF|STADT« Präsentiert wird hier die Geschichte  der vier Kolonistendörfer Nowawes, Friedrichshagen, Erkner und Rixdorf, die eine gemeinsame Gründungsgeschichte verbindet. Flüchtlinge fanden hier eine neue Heimat. In kleinen Texten, die in Schubladen versteckt sind, werden Einblicke in die Alltagsgeschichte dieser Siedlungen gegeben.

Fritz|Dorf|stadt.Foto: mr
Fritz|Dorf|stadt.                                                   Foto: mr

Parallel zur Ausstellung ist das Buch »Das Böhmische Dorf in Berlin – ein Rundgang« von Beate Klompmaker erschienen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. Dezember.    mr

Älter werden in Neukölln

 Herausforderung ist die Mehrgenerationengesellschaft

Neukölln ist zwar ein Bezirk, der besonders für junge Leute eine große Anziehungskraft hat, aber auch hier gibt es immer mehr ältere Menschen. Ist der Bezirk auf die Bedürfnisse dieser Menschen eingerichtet?

Über dieses Thema diskutierten beim »Talk im Park« am 26. Oktober Meltem Baskaya vom »Kompetenz-Zentrum Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe«, Hedwig Rockel vom »Seniorentreffpunkt Neukölln«, Bernd Szczepanzki Bezirksstadtrat für Soziales, und Jochen Ziegelmann vom »Deutschen Zentrum für Altersfragen«. Die Fragen stellten Heidi Göbel und Martin Steffens.

Jochen Ziegelmann stellte als erstes fest, dass der Arbeitsmartkt noch keineswegs angemessen auf die älter werdende Gesellschaft reagiert. Zwar sollen alle bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten, werden aber vielfach bereits mit 50 aus dem Arbeitsleben aussortiert. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die Höhe der Altersrenten. Altersarmut ist die häufige Folge. Bei der derzeitigen Entwicklung der Mieten, besonders in Nordneukölln, kann das dann auch schnell dazu führen, dass Wohnungen unbezahlbar wird.

Bernd Szczepanzki stellte allerdings fest, dass es auch noch einen anderen Grund dafür gibt, dass im Süden Neuköllns mehr alte Menschen wohnen als im Norden: die Wohnungen in den Neubaugebieten, besonders in der Gropiusstadt, haben Aufzüge im Gegensatz zu Nordneuköllner Altbauten.
Kritisch sah Bernd Szczepanzki auch die Freizeitangebote für Ältere. Gelegentliche Treffen bei Kaffee und Kuchen, gemeinsames Schunkeln zu Musik von Claire Waldoff oder Hans Albers, fand er denn doch allzu dürftig. Es sei wichtig, meinte er, dass sich das Altersbild in den Köpfen ändere. Alt ist nicht gleich krank. Alte Menschen haben der Gesellschaft durchaus noch sehr vieles zu bieten.

Dem konnte sich Hedwig Rockel nur anschließen. Auch sie wies darauf hin, wieviel Erfahrung die Alten an die Jungen weitergeben könnten. Dazu müssten sich die Altersgruppen aber viel mehr vermischen. Mehrgenerationenhäuser könnten hier hilfreich sein. Eine solche Vermischung könnte darüber hinaus auch helfen, Familie zu simulieren, wo die echte Familie nicht mehr funktioniert.

Meltem Baskaya, Jochen Ziegelmann, Bernd Szczepanzki und Hedwig Rockel.Foto: mr
Meltem Baskaya, Jochen Ziegelmann, Bernd Szczepanzki und Hedwig Rockel.        Foto: mr

Bei den Zuwanderern ist der Familienzusammenhalt in der Regel noch selbstverständlich, wie Meltem Baskaya feststellte. Das ist ein Grund, weshalb in den Senioreneinrichtungen wenige Migranten zu finden sind. Deshalb gibt es in diesen Einrichtungen auch kaum Angebote für diese Klientel, was widerum dazu führt, das Migranten sich in diesen Einrichtungen nicht gut aufgehoben fühlen. Es fehlt das gegenseitige Verständnis. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.

Am Ende des Abends waren sich alle einig. Es gibt noch viel zu tun, denn das Problem der  immer älter werdenden Menschen ist die größte Herausforderung, vor die diese Gesellschaft gestellt wird.     mr

von Neuköllnern für Neuköllner