Kaffee, Bier und die nötige Portion Widerstand im »Karanfil«
Karanfil ist türkisch für die Widerstandsblume Nelke – und so zeigt das Logosymbol des gleichnamigen Cafés im Schillerkiez auch eine Faust, die eine rote Nelke hält.
Turgay Ulu, der mit seinen Freunden Miray und Andrew das Kernteam des »Karanfil« bildet, war Journalist in der Türkei. Von 1996 bis 2011 saß er wegen seiner politischen Tätigkeit im Gefängnis, dann flüchtete er nach Griechenland. Seit sieben Jahren ist er in Berlin und arbeitet mit an der Zeitung »Daily Resistance«; die hier natürlich auch, neben vielen weiteren Publikationen und Flyern über den Kampf gegen die Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Systemfehler in Berlin und auf der ganzen Welt, zum Informieren und sich Mitengagieren ausliegt.
Turgays sechsjähriger Sohn heißt übrigens Isyan, was auf Türkisch Widerstand bedeutet. Rebellion gegen intolerante, unfreiheitliche (Miss-)Verhältnisse gehört im »Karanfil« zum Programm und Selbstverständnis. Ende Juli konnte das Café nach drei Jahren ein Haus weiter in neue, größere, stuckverzierte Räume ziehen, in der Weise- Ecke Mahlower Straße, wo zuvor der Instrumentenladen »Well Strung« Saitensprünge förderte. Gitarrenkurse finden im Keller aber immer noch statt, neben Versammlungen zu gesellschaftspolitischen Themen.
Primär aber ist das »Karanfil« eine täglich großzügig geöffnete Café-Bar, die mit – auch anatolischen – Kaffee- und Teespezialitäten, selbstgemachten wechselnden Limonaden oder frisch gepresstem Orangensaft (1,50 Euro) die Geister weckt, die im Tagesverlauf durch Fassbier (»Karolinen« für schlanke 2,50 den Halben) oder Longdrinks weiter bei Laune gehalten werden können. Urige Möbel, eigene Holzbauten und Außenplätze sorgen für ein mediterranes Zuhause- und unkompliziertes Kiezgefühl. Die Teppiche an den Wänden sind eine Dauerleihgabe der »Teppichgalerie« und käuflich zu erwerben.
Nach dem »Syndikat«-Verlust lässt sich die verbliebene Wut wehlos mit »Pepper Spray« runterschlucken, einem augenzwinkernd kreierten Shot aus Wodka, Berliner Luft, Minzsirup und Chilis (auch lindernd mit Kuh-, Hafer- oder Sojamilch für insgesamt 2 Euro).
Für zeitgemäße Lektüre steht ein Regal da, das als feministische, vielsprachige Präsenzbibliothek »Femso Library« dient, auf dem Weg zu den Örtlichkeiten, die in ein barrierefreies All-Gender- und ein FLINT*-Abort aufgeteilt sind. Die Fortführung des Kiezküchenangebots ist übrigens coronabedingt leider erstmal aufgeschoben.
Ein Lokal, wie es Neukölln braucht, links, lebens- und freiheitszugewandt, mit erschwinglichen Preisen, Rücksicht und Verständnis für jedermensch (außer Doofe). Und lecker Pfefferspray.
hlb
*FLINT = Frauen Lesben Inter Nichtbinär Trans* *
Café Karanfil, Weisestr. 3, So – Do 11 bis 24, Fr/Sa 11 bis 2 Uhr, Facebook: Karanfil