Neue Regeln für Ausschreibungen

Abgeordnetenhaus hebt soziale und ökologische Standards

Die Debatte über politische und wirtschaftliche Maßnahmen im Sinne eines öko-sozialen Wandels reißt während Corona nicht ab. Ganz im Gegenteil: Die vorhandene Krise zeigt einmal mehr, dass kein Weg an einem gesellschaftlichen Wandel vorbeiführen darf. Wichtig ist, dass öffentliche Akteure mit gutem Beispiel vorangehen. Im Zuge dessen ist die vor wenigen Wochen beschlossene Novellierung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes progressiv einzuordnen.
Zukünftig gilt demnach ein »vergabespezifischer« Mindestlohn von 12,50 Euro (bisher waren es neun Euro) für alle Arbeitnehmer in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen des Landes oder in öffentlich geförderten Einrichtungen (wie etwa Kitas). Neben dem höheren Mindestentgelt ist hinsichtlich gerechter Entlohnung vor allem die neue Regelung zur Tariftreue begrüßenswert. Diese sieht vor, dass sich alle Firmen, also beispielsweise auch solche mit Sitz im Ausland oder anderen Bundesländern, für ihre Geschäfte in Berlin an die geltenden Tarifregelungen halten müssen. Größere Auswirkungen hat diese Maßnahme vor allem für die Bau- sowie die Reinigungsbranche.
Gleichzeitig sieht die Gesetzesanpassung eine Absenkung der bisherigen Auftragshöhe vor, ab welcher öffentliche Aufträge regulär ausgeschrieben werden müssen. Für Liefer- und Dienstleistungen gelten demnach 10.000 Euro als neuer Schwellenwert, für Bauleistungen liegt dieser nun bei 50.000 Euro. Durch diese Änderungen versucht das Abgeordnetenhaus, der angekündigten Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen Sorge zu tragen. Auch dem Aspekt »umweltfreundliche Kriterien« räumt der Senat mehr Priorität ein. So soll »energieeffizienten und umweltfreundlichen Materialien, Produkten und Verfahren der Vorzug gegeben werden«. Außerdem schreibt der Gesetzestext neuerdings vor, das Konzept der Lebenszykluskosten verstärkt zu berücksichtigen, was konkret bedeutet, die Nutzungsdauer und Entsorgungskosten von Dienstleistungen und Produkten bei der Rentabilitätsbemessung miteinzubeziehen.
Kritik am Vorgehen des Senats kommt von Seiten wirtschaftsnaher Verbände und Parteien. Das Paket sei während der größten wirtschaftlichen Krise seit Jahrzehnten unangebracht, so die Industrie- und Handelskammer Berlin.
Von den Fraktionen der CDU und FDP werden die prinzipiell progressiven Maßnahmen des Senats als »Investitionsbremse« abgekanzelt.

mf