Unterwegs mit dem Streetworker Malte Dau

»Fixpunkt« zeigt die süchtige Seite

Es ist fast wie »High Noon«. Kurz vor zwölf Uhr mittags stehen circa 20 erwartungsvolle Menschen vor dem Haus Karl-Marx-Straße 202. Dort befindet sich im Erdgeschoss der Anlaufpunkt der Drogenhilfe »Fixpunkt«. Hier ist kostenfreie Beratung, medizinische Ersthilfe und der Empfang sauberer Spritzen für Konsumenten möglich. Für den Drogenkonsum gibt es einen separaten Bereich. Zusätzlich sind Kaffee und Tee, alkohol­freie Getränke und warmes Essen erhältlich, es kann geduscht, die Kleidung gewaschen und gewechselt werden. Mehr als 50 Cent muss für jeden einzelnen Konsumartikel nicht bezahlt werden. Viele der Klienten sind obdachlos. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern. Zwei Männer sprechen Russisch miteinander.
Schließlich wird die Tür geöffnet, und die Wartenden begeben sich ins Warme. Der Raum füllt sich nach und nach. Auffällig ist der lockere und offene Umgang miteinander. Das professionelle Team von »Fixpunkt« ist erfahren in der Arbeit mit Suchtkranken und verfügt über die entsprechenden beruflichen Qualikikationen. Mit den Besuchern wird respektvoll auf Augenhöhe gesprochen. Den Menschen ist anzusehen, dass sie sich bei »Fixpunkt« wohlfühlen. Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit ist allerdings Streetwork.
Der Diplompädagoge Malte Dau hat sich auf offene Sozialarbeit spezialisiert und ist seit Langem für »Fixpunkt« tätig. Seine Stelle bei dem gemeinützigen Träger wird vom Bezirksamt Neukölln finanziert. »Das gibt es in Berlin sonst nicht. Für die Drogenpolitik ist der Senat zuständig. Hier in Neukölln ist der Handlungsbedarf dringender denn je.« Das wird während eines zweistündigen Rundgangs mit Malte Dau sehr deutlich. Malte nimmt sein »Equipment« mit, einen Rucksack mit Notfallhilfeausstattung, einen Sammelbehälter und einen Greifer für abgelegte Spritzen. Er sucht die Örtlichkeiten auf, an denen andere vorbeigehen.
Der Rundgang ist temporeich, denn es gibt viel zu tun. Neukölln zeigt sich von einer anderen Seite. »Wir gehen immer zu zweit hinaus. Im Notfall ruft einer von uns den Rettungsdienst und der andere leistet erste Hilfe.« Auf der Linie U8, bekannt als »Drogenlinie«, ist er regelmäßig unterwegs.
Malte Dau hat einen genauen Blick für versteckte Plätze, an denen gebrauchte Spritzen zu finden sind. »Bei so einer Runde schaue ich nach unten auf die Straße. In der Regel allerdings schaue ich mich oben um und erkenne Menschen, die ein Drogenproblem haben. Die spreche ich gezielt an.« Er konnte dabei schon Leben retten.
»Ja, es ist Sysiphosarbeit. Ich sammle die Spritzen ein, die ich herausgegeben habe. Als Vater von einem vier- und einem achtjährgen Kind hört meine Toleranz auf, wenn Spielplätze genutzt werden. Es kann fatale Folgen haben, wenn ein Kind sich an einer Nadel sticht. Meine Kinder sind alt geng, um mit ihnen darüber reden zu können.« Die deutliche Sicherheitswarnung an Erwachsene lautet: Keine Spritzen anfassen, bei Drogenfunden die Polizei rufen und nicht am Ort verweilen, bei Stichen sofort zum Arzt gehen.
Was wird an Spenden benötigt? »Wir brauchen immer Kleidung.« Malte Dau beendet seine Runde, da in der Beratungsstelle weitere Arbeit auf ihn wartet.
Er ist ein sympathischer und empathischer Mensch, dem es lieber wäre, wenn es keine Drogenprobleme gäbe. Schmunzelnd sagt er, »aber dann wäre ich arbeitslos.«

th