Selbstbewusst gegen das Hurenstigma

»Hydra Café« für Sexarbeiterinnen

Leichtfertig ist vom »ältesten Gewerbe der Menschheit« die Rede, weniger von anstrengender Sexarbeit. In offiziellen Lebensläufen bleibt die Tätigkeit in der Erotikbranche häufig unerwähnt oder wird umschrieben, beispielsweise als Masseurin oder Kosmetikerin. Dabei wird Sexarbeit täglich, überwiegend von Männern, millionenfach in Anspruch genommen, doch der Beruf unterliegt dem Hurenstigma. Wenn sich Sexarbeitende außerhalb ihrer Tätigkeit outen, stößt das oft auf Ablehnung.
Das sogenannte »Prostituiertenschutzgesetz« von 2017 hat keineswegs zu mehr »Schutz« geführt. Stattdessen sind die in diesem Berufsfeld Arbeitenden verunsichert.

Raum für offene Gespräche.Foto: pr

»Hydra«, die seit 1980 bestehende Selbstorgansation von Sexarbeiterinnen, hat darauf reagiert. Zusätzlich zu dem seit 1980 praktizierten Beratungsangebot in Kreuzberg gibt es seit Anfang 2019 das »Hydra Café« in Neukölln. In gemütlich eingerichteten hellen Räumen finden Sexarbeiterinnen einen Ruhepunkt, einen Ort, an dem sie sich erholen und über ihre anspruchsvolle Arbeit miteinander reden und entspannen können. Berlin hat den internationalen Ruf als »größtes Bordell Deutschlands«. Es gibt keine Sperrzeiten und keine Sperrbezirke. Sexarbeit konnte bisher von der Straße, in Privatwohnungen und Bordellen ausgeübt werden, und das geschieht weiterhin. So kommen Frauen aus verschiedenen Ländern hierher, die in der Sexarbeit eine Möglichkeit sehen, ihre Existenz zu bestreiten und ihre Zukunft zu sichern.
In der Praxis erleben sie nicht immer Schönes. Freier bedrängen sie mit Fragen nach ihrem Privatleben, durchaus übergriffig. Sie begreifen offenbar nicht, dass sie es mit einer Frau zu tun haben, die eine begrenzte Dienstleistung anbietet. Es kommt noch schlimmer. Sexarbeiterinnen müssen aufgrund des »Prostituiertenschutzgesetzes« zu einer staatlichen Beratung, die der Bezirk Tempelhof-Schöneberg übernommen hat. Auf dem dort ausgestellten »Bockschein«, wie er außerhalb Berlins umgangssprachlich heißt, soll der Klarname der Frau notiert sein. Viele Frauen nutzen ein Alias und verhalten sich damit von Gesetzes wegen illegal.
In Bedrängnis geraten auch Betriebsstätten. In Berlin ist es üblich, Privatbordelle in Wohnmischgebieten zu betreiben. Das könnte in Zukunft von den Behörden unterbunden werden.
So wird viel mehr auf Angebote über das Internet zurückgegriffen. Dadurch entsteht oft Vereinzelung, weil ein Austausch mit Kolleginnen am Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. »Hydra« hat daher die Beratung nicht nur mit dem »Hydra Café«, sondern auch durch Onlinekontakt erweitert. Es geht um Empowerment, das in anderen legalen Berufen längst üblich ist. Ziel bleibt, Sexarbeiterinnen zusammenzubringen für das, was sie eigentlich schon sind, eine internationale Community. Das Selbstwertgefühl wächst. Frei nach William Shakespeare können die Sexarbeiterinnen sagen, »Wir sind von solchem Stoff, aus welchem Träume sind.«

th
cafehydra@hydra-berlin.de www.hydra-berlin.de