Petras Tagebuch

Missbrauchtes Blümchen

Als ich einst in Lederschuhen einen veganen Laden betrat und sofort wieder des Geschäftes verwiesen wurde, war mir klar, dass ich mich politisch unkorrekt verhalten hatte. Ich möchte an dieser Stelle meine Meinung dazu für mich behalten. Allerdings bemühe ich mich seither, mich so korrekt wie möglich zu verhalten.
Vor kurzem wollte ich die Einladungskarten für das Jubiläum der Kiez und Kneipe versenden. Bei der Suche nach selbstklebenden 60 Cent Briefmarken fand ich im online-Portal der Post nur eine Sorte selbstklebender Briefmarken, die mit dem Motiv der Kornblume.
Ich mag Kornblumen, aber der kritische Blick von Marianne ließ mich innehalten. »Überlege dir gut, ob du dieses Motiv nimmst. Du erinnerst dich an den Zwischenfall im Berliner Abgeordnetenhaus, als Andreas Wild von der AfD mit diesem Motiv die Empörung aller Mitglieder des Abgeordnetenhauses hervorrief?« Ja, ich erinnerte mich.
Am Abend, es war ein Zufall, las ich in dem Buch von Ulla Hahn »Spiel der Zeit« ein Hohelied auf die Kornblume. »Das sind die Kornblumen: Die Lachtränen vom lieben Gott und seinen himmlischen Mitbewohnern. Und wer die Kornblumen pflückt und ins Wasser stellt, der stellt sich ein Stück Himmelsfreude ins Zimmer.«
Eine Schande, dass diese harmlose und hübsche Blume von den Nazis, insbesondere von den Österreichischen Nazis, als Symbol missbraucht wurde.
Ich musste eine Alternative finden. Die Möglichkeit, eigene Briefmarken zu entwerfen, hat sich schnell als viel zu teuer herausgestellt. Eine Stückelung, beispielsweise zwei 30 Cent Marken, erschien mir zu arbeitsintensiv.
Die Entscheidung fiel dann für nassklebende Briefmarken. Oh je, die sind aber hässlich. Zwei Motive bietet die Post an: Beide alternativlos potthässlich. Vielleicht sollte die Post mal darüber nachdenken, die Auswahl zu erweitern oder neue Produktdesigner einzustellen. Ich habe mich für eine der beiden Marken entschieden und rege mich seither über den Missbrauch der Kornblume auf. Auch bin ich ein wenig traurig darüber, dass eine so kleine politische Unkorrektheit so viel Diskussionsstoff ergeben kann und das Resultat ein Angriff auf den guten Geschmack ist.