Von Foltern und Reparaturen
Ich bin ins Stolpern gekommen. Während des Sturzes stützte ich mich an der Wand ab und landete sicher auf meinen Beinen.
Mein Handgelenk tat etwas weh, dem schenkte ich aber keine Beachtung. Vielleicht waren ein paar Sehnen gezerrt.
Am nächsten Morgen verrichtete ich die Dinge des Alltags in nahezu gewohnter Form, allerdings unter Schmerzen. Meine erste Handlung war, in meinem Badezimmerschrank nach einem Verband zu suchen, um das Handgelenk zu stabilisieren. Wie immer war ich für solche Fälle nicht ausgestattet.
Also rief ich Felix an. »Kannst du bitte mal nachschauen, ob du einen Verband hast? Ich habe mir am Handgelenk weh getan, es sollte stabilisiert werden.« Felix reagierte trocken: »Ich hab sowas, muss aber noch suchen.«Beim Verlassen der Wohnung stellte ich fest, dass ich mein Fahrradschloss nicht mehr öffnen konnte. Das fand ich weiter nicht schlimm, denn der Weg zum Markt ist überschaubar kurz.
Dort angekommen hat das Handgelenk eine Eigendynamik entwickelt. Es war unförmig angeschwollen und asymmetrisch verdreht. Mit Tränen in den Augen zeigte ich dem Budenbauer das Malheur, der der Meinung war, ich sollte es behandeln lassen.
Felix kam mit Verband, schaute auf den Arm, lud das Auto aus und mich ein und brachte mich ins Urbankrankenhaus. Ich ergab mich in mein Schicksal.
Dann kam die Diagnose: Eine gebrochene Speiche, die sich in die Mittelhand geschoben hatte. Für die Ärzte war das alles kein Problem, sie fingen an zu handeln. Sie legten mich auf eine Liege und gaben mir eine Infusion in den linken Arm mit einem glücklich machenden Schmerzmittel. Dann setzten sie mir an Daumen, Zeige- und Mittelfinger drei Mädchenfinger auf. Das sind Hülsen aus geflochtenem Bast, die an der Spitze mit einem Haken versehen sind. Diese Haken wurden an einer Art Kleiderständer aufgehängt. Ein schweres Gewicht wurde auf den Oberarm aufgelegt. Da hing ich nun und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zeiten der Inquisition nicht vorbei sind. Die Ärzte stritten es zwar ab, aber bei dem Blick in ihre Augen sah ich die Freude an der Folter.
Dann wurde gezogen und gestreckt. Als nächstes versuchten sie, durch Massage, die Knochensplitter wieder in die richtige Position zu bugsieren. Meine größte Befürchtung war, dass der tröpfelnde, schmerzstillende Glücksbringer aufhörte zu tröpfeln.
Der Chefgipser erklärte jeden seiner Arbeitsschritte, die ich aber alle vergessen habe. Unvergesslich hingegen waren mir seine leuchtenden Augen beim Verteilen des Gipses auf dem Unterarm. Hingebunsvoll manschte er in dem Brei auf dem Arm herum und formte und streichelte, als könnte er die vorher durchgeführte Folter wieder gut machen.
Das Ergebnis dieser Prozedur war die Aussicht auf eine Operation und meine Handlungsunfähigkeit für mehrere Wochen.