Geplantes, Gezeichnetes, Gespiegeltes

Wolfgang Schnell – Planer mit vielen Gaben

Wir sitzen über einem großen Plan, auf dem allerlei Straßen, Flurstücke, Häuser und noch vieles mehr eingezeichnet sind, und ich löchere Wolfgang Schnell mit Fragen, was dies oder das zu bedeuten habe. Er sagt: »Mensch, da gibt’s eine Legende, ich erkläre dir jetzt nicht jeden eingezeichneten Baum.« Am Ende tut er es doch, sehr liebevoll und geduldig.


Schnell ist Architekt, Stadtplaner, Fotograf und ein »echter« Berliner. Nur eine kurze Zeit lebte er nicht in der Stadt: Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges ging er mit seiner Mama, sie war Schriftstellerin, ins Künstlerdorf Worpswede und später dann für ein Jahr nach Hannover.
Nach der Schule, die er ohne Abitur verlässt, besteht er aufgrund besonderer Eignung die Aufnahmeprüfung an der HfBK (Hochschule für Bildende Künste) für Architektur, bricht nach drei Semestern ab und arbeitet als Praktikant auf Baustellen und für Landkartenverlage. Parallel macht er einen Fernlehrgang zum Bauzeichner und ist für verschiedene Architekten als Bauleiter und Bauzeichner tätig. Doch er will als Architekt arbeiten und Schulen bauen. »Es half nix, da musste ich studieren.« Und so beginnt er 1971 sein Studium an der TFH (Technische Fachhochschule) Berlin und schließt als Diplom Ingenieur ab. Durch das Architektengesetz in den 70ern, was unter bestimmten Voraussetzungen Ingenieure und Architekten gleichsetzt, darf er nun auch als Architekt arbeiten.
Er bewirbt sich bei Behörden und Ämtern, die Antwort kommt vom Bezirksamt Tempelhof – dort suchen sie einen Stadtplaner. Während seiner langjährigen Arbeit für das Bezirksamt ist Schnell auch für das Entstehen der heutigen »ufaFabrik« mitverantwortlich. Auf dem als Industriegebiet bezeichneten Gelände durfte keine freie Schule eröffnen und so schrieb er vor ziemlich genau 40 Jahren von Büro zu Büro im Amt eine Stellungnahme, die es dann doch ermöglichte. Wolfgang Schnell hat die Gabe, im richtigen Moment die richtigen Worte an die richtigen Menschen zu richten.
Im Frühjahr 1992 macht er sich mit einem Freund mit einem Stadtplanungsbüro zuerst in Mahlow, später dann in Tempelhof selbstständig. Seit 2007 hat er sein Büro in der Schillerpromenade.
Dort findet ein Jahr später die erste Fotografieausstellung zusammen mit der Künstlerin Pia Linz im Rahmen von »48 Stunden Neukölln« statt. Es folgen mehrere Ausstellungen, unter anderem im »Froschkönig« und bei »Landsmann – Internationale Spirituosen und Weine«. Aus den Fotografien entstehen später Fotomontagen, Fotophantasien und Spiegelungen. Momentan arbeitet er an einer neuen Ausstellung.
Wieviele Stadtplanungsprojekte er in den letzten Jahren bearbeitet hat, kann er nicht sagen – doch in seinem Büro gibt es unglaublich viele Ordner zu unglaublich vielen Projekten. Auf die Frage, ob seine Stadtplanungsprojekte so umgesetzt wurden wie er sie plante, kommt eine prom­te Antwort: »Viele waren schön geplant – und scheiße gebaut.«

jr