Maßnahmen gegen die Clan-Kriminalität

Für Null-Toleranz-Politik und Bildung

Neukölln gilt seit längerem als Hochburg krimineller Clans. Spätestens seit dem Mord an dem als »Berlins bekanntester Intensivtäter« zu trauriger Berühmtheit gelangten Nidal R. am Tempelhofer Feld beschäftigt das Thema die Öffentlichkeit. Die Diskussionsveranstaltung zur Clankriminalität in Neukölln, zu der die Neuköllner SPD am 9. Oktober in die Mensa des »Campus Efeuweg« eingeladen hatte, erfreute sich daher auch regen Zuspruchs.

Von links: Thomas Spaniel, Tom Schreiber, Ralph Ghadban, Mirjam Blumenthal, Astrid-Sabine Busse, Martin Hikel.                                                                                                                                             Foto:mr

Es gebe in Neukölln acht arabische Clans mit mehreren hundert Mitgliedern, die für zahlreiche Straftaten verantwortlich gemacht werden, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel in seiner Einführungsrede. Er plädiert für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber diesen Familien. Schwerpunkteinsätze, an denen alle Institutionen der Strafverfolgung betei­ligt sind, gehören ebenso dazu wie die Arbeit der Staatsanwaltschaft vor Ort. Diesen Familien müsse klar gemacht werden, dass die Regeln des Zusammenlebens nicht verhandelbar seien. Kriminalität dürfe sich nicht lohnen, statt dessen müsse der legale Weg attraktiv gemacht werden. Vor allem sei Bildung der Schlüssel, um Kindern ein Leben abseits der Kriminalität zu ermöglichen.
Damit war er sich einig mit Astrid-Sabine Busse, Leiterin der »Schule in der Köllnischen Heide«, die eine engere Zusammenarbeit zwischen den Behörden wünscht, um bei Fehlentwicklungen frühzeitig gegensteuern zu können. 50 Prozent der Kinder haben Förderbedarf. Das betreffe nicht nur die schulischen Leistungen, ihnen fehle vielfach emotionale Zuwendung in der Familie. Sie berichtete von Viertklässlern, die auf sie zukommen und umarmt werden wollen. Zudem beobachte sie die Zunahme einer »Pseudoreligiosität«. Jungen sagen ihr, was »Haram« sei, hätten aber keinen Schimmer, wofür das Opferfest stehe.
Ein ziemlich düsteres Bild der Situation zeichnete Islamwissenschaftler und Publizist Ralph Ghadban. Er habe schon in den 80er Jahren davor gewarnt, dass sich hier eine schwierige Gruppe etabliere. »Wie kann man Menschen, die sich als Teil einer geschlossenen Gesellschaft fühlen, in eine offene freiheitliche Gesellschaft integrieren«, fragte er. Zudem sei es für den Einzelnen sehr schwer, sich aus diesen Strukturen zu lösen. »Die Zugehörigkeit zum Clan ist nicht freiwillig, man wird hineingeboren«. Ghadban kritisiert die Politik scharf, weil sie diese Parallelwelt viel zu lange ignorierte.
»Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem«, sagte dagegen Tom Schreiber, SPD-Abgeordneter und Sprecher für Verfassungsschutz im Abgeordnetenhaus. Grund dafür seien die Sparmaßnahmen bei der Polizei.
Thomas Spaniel von der Polizeigewerkschaft hofft, die Clans durch das neue »Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung«, das es ermöglicht, Vermögen unklarer Herkunft einzuziehen, unter Druck zu setzen.
Inzwischen hat sich auch die Bezirksverordnetenversammlung mit dem Problem befasst. In der Sitzung am 17. Oktober stellte Mirjam Blumen­thal (SPD) den Antrag, ein Programm für den Ausstieg aus kriminellen Familienstrukturen zu schaffen. Das geplante Aussteigerprogramm soll Teil der ressortübergreifenden Gesamtstrategie sein. Mit den Stimmen der SPD, der CDU und der Grünen wurde der Antrag angenommen.

mr