Martin Hikel berichtet über seine Arbeit

Der Bürgermeister stellt seine Positionen vor

Nachdem Franziska Giffey dem Ruf in die Bundespolitik gefolgt war, musste schnell ein Nachfolger gefunden werden. Mit den Stimmen der Neuköllner SPD und von Bündnis90/Die Grünen wurde Martin Hikel, der bis dahin in der Bezirksverordnetenversammlung den Fraktionsvorsitz für die SPD innehatte, zum Neuköllner Bezirksbürgermeister gewählt. Mit seinen 32 Jahren ist er Berlins jüngster Bürgermeister, seit dem 21. März übt er sein Amt mit großem Elan aus.
Bei dem Thema Kitapflicht vertritt Hikel die Meinung, dass sie gut sei, jedoch müssten erst die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Es sollten ausreichend Kitaplätze und genügend Erzieher zur Verfügung stehen. Um mehr junge Menschen zu einer Erzieherausbildung zu bewegen, bedarf es nicht nur ausreichender Ausbildungsplätze, sondern auch einer höheren gesellschaftlichen Anerkennung und angemessener Bezahlung.
An den Neuköllner Schulen gibt es im Schuljahr 2018/19 keinen Lehrermangel. Das konnte nur erreicht werden, indem 206 Quer- und Seiteneinsteiger eingestellt worden sind. Das sei prinzipiell gut, befindet Hikel. Leider werden die zwar fachlich gut ausgebildeten Quer-und Seiteneinsteiger hauptsächlich in Grundschulen eingesetzt. Hier ist jedoche hohe pädagogische Kompetenz erforderlich, und die haben sie nicht unbedingt. Wenn die Freude am Lernen in der Grundschule nicht geweckt wird, dann sind die Kinder schnell für Bildung verloren. Hikel spricht auch über die Möglichkeit, Zulagen für Brennpunktschulen zu zahlen, hält dies aber auch für ein schwaches Instrument, weil sich auch ein Lehrer schnell an etwas mehr Geld gewöhnt; der erwünschte Effekt wäre wahrscheinlich schnell verpufft.
Hikel hält an ausgewählten Brennpunkten im Bezirk eine zeitlich begrenzte Videoüberwachung für sinnvoll. Das Entdeckungsrisiko für Täter sollte hoch gehalten werden, aber wenn die Kriminalität zurückgeht, wird die Videoüberwachung überflüssig. Ebenso überlegt äußert er sich zur Clankriminalität: Er wünscht sich, dass das Thema aus den Schlagzeilen verschwindet, damit endlich konstruktiv gehandelt werden kann. Er sieht die Notwendigkeit, mehr Polizisten einzustellen, Verfahren zu beschleunigen und zum Ende zu bringen. In seinen Augen sollte es mehr Richter und Staatsanwälte vor Ort geben. Insbesondere bei den Clans sieht er das Allheilmittel nicht in der Haftstrafe. »Man muss sie dort treffen, wo es am meisten weh tut, und das ist Geld.« Am Beispiel der jüngsten Beschlagnahme von Häusern, Grundstücken und Autos ein gutes Vorbild.
Hikel würde auch gern die kleinen Gewerbe und die Kreativwirtschaft unterstützen. Hierfür wünscht er sich einen Milieuschutz für Kleingewerbemieter. Aktuell bangen viele Gewerbetreibende wegen der Mietsteigerungen um ihre Zukunft. Manche mussten auch schon den Bezirk verlassen. Allerdings muss der Bund zunächst die gesetzliche Grundlage schaffen – und das kann dauern. Hikel will weiterhin ein buntes Gemisch von Gewerbe mit vielen Innovationen. Er will Flächen für Gewerbe zurückhalten.
Auch das Thema »Fair Trade« ist dem Lehrer für Mathematik und Politik eine Herzensangelegenheit. Nachdenklich sinniert er über Streetfood: »Ein Falafel wird erst in Papier gewickelt, dann kommt Alufolie herum, und dann erhalte ich alles verpackt in einer Plastiktüte.« Eindeutig zu viel Müll, meint er. Das knüpft an die Idee mit Mehrwegbechern an, die voran getrieben werden soll. Auch weist er darauf hin, dass in Neukölln viel lokal produziert wird. Das Bezirksamt berücksichtige dies bei der Ausstattung des Rathauses. Egal ob Kaffee, Marzipan, Fußbälle, Bier oder Wein, nur um einige wenige Beispiele für Neuköllner Hersteller zu nennen.
Der fahrradfahrende Bürgermeister will Radrouten besser ausgebaut wissen. Die Karl-Marx-Straße wird fahrradfreundlich gestaltet, die Hermannstraße und Sonnenallee werden allerdings so bleiben, wie sie sind. Er ist der Meinung, dass ein friedliches Nebeneinander von Autofahrern und Fahrradfahrern nur gelingen kann, wenn keine der Verkehrsteilnehmergruppen verdrängt wird.
Für die nächsten zehn Jahre wünscht sich Hikel, dass die U-Bahnarbeiten nach Schönefeld im vollen Gange sind, dass der erste Spatenstich zur Sanierung des Hermannplatzes gemacht ist, dass eine Übernachfrage an Neuköllner Schulen entstanden ist, dass friedliche Menschen ihre Freizeit in sauberen Parks verbringen und dass dadurch keine Nachfrage mehr nach Drogen besteht.
Der sympathische Bürgermeister erobert in rasantem Tempo die Herzen der meisten Neuköllner.

ro
Zeichnungen jr