Mittellose brauchen Fürsprecher und Vermittler
Was man nicht benennt, das gibt es nicht. So kommt es zumindest Thomas de Vachroi vor, wenn er von dem seiner Meinung nach bestehenden Unwillen der Politik spricht, die Stelle eines Armutsbeauftragten einzurichten. Das Problem der wachsenden Armut sei gravierend, doch keiner wolle zugeben, dass es existiert. Der Leiter des Diakoniewerks »Simeon« ist mit allen Wassern gewaschen, was Sozial- und Flüchtlingshilfe betrifft. Er könnte stundenlang von den schweren Schicksalen der Menschen berichten, mit denen er tagtäglich zu tun hat, und jedes einzelne wäre für sich genommen schlimm genug.
Egal wie unterschiedlich die Ursprünge für all die Fälle von drohender Armut, Wohnungslosigkeit und sozialer Ausgrenzung sind, ihnen allen könnte geholfen werden, meint de Vachroi. Er wünscht sich, dass das Land Berlin die Stelle eines Armutsbeauftragten schafft, der die bestehenden Hilfsangebote und die Arbeit der Bezirksämter kennt, im Blick hat und koordiniert. Denn die Zusammenarbeit zwischen den Bezirken lasse noch zu wünschen übrig, sagt de Vachroi.Ein Armutsbeauftragter müsste autonom und unparteiisch sein und dürfte nicht das Budget der Behörden, sondern das Wohl der Menschen als erste Priorität haben. Mit dieser Stelle könnte nach de Vachrois Meinung verhindert werden, dass immer mehr Menschen durch das Netz der Sozialhilfen fallen, etwa weil kein Überblick über die Möglichkeiten da ist oder Probleme bei Anträgen auftreten. Außerdem würde es so einen Ansprechpartner geben, der nicht sofort das Jobcenter ist. Der Diakonieleiter hofft, dass so die Hemmschwelle, sich zu melden niedriger wäre, insbesondere bei älteren von Armut bedrohten Menschen.
All diese Aufgaben wären ein Vollzeit-, wenn nicht 24/7-Job, der auch dementsprechend entlohnt und nicht wie jetzt verstreut von Ehrenamtlichen ausgeführt werden müsste. Es gibt immerhin auch schon Landesbeauftragte für Integration, Menschen mit Behinderung, Drogen, Tierschutz, Patienten und so weiter, die Liste ist lang.
De Vachroi warnt, dass etwa eine halbe Million Berliner drohe, in die Armut abzurutschen, obwohl das Land wirtschaftlich gut dastehe.
Auf eine Anfrage der Kiez und Kneipe bei der Senatorin für Soziales, Elke Breitenbach (LINKE), zu diesem Thema hob die Senatorin die Bekämpfung von Kinderarmut und die Bedeutung von guter existenzsichernder Arbeit hervor. Auch die Sozial- und die Schuldnerberatung solle gestärkt werden und der Preis für das Sozialticket werde zum 1. Juli gesenkt. »Die Bekämpfung von Armut wollen und werden wir im Senat gemeinsam und koordiniert angehen. Wir wollen eine ressortübergreifende Strategie zur Bekämpfung von Armut und zur Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabechancen mit konkreten Maßnahmen auf den Weg bringen«, erklärt Breitenbach. Die Frage, ob die Einrichtung eines Armutsbeauftragten auf Landesebene sinnvoll sei, wurde allerdings nicht beantwortet.
jt