Recycling aus dem Kaffeesatz
Kaffeeliebhaber Julian Lechner studierte in Bozen Produktdesign. Nebenbei lernte er in der Heimat der Barista, dass dort Kaffeesatz gern als Haushaltsmittel eingesetzt wird, als Dünger, als Peelingzusatz in Seifen, als Nährboden für Pilze oder auch nur als Geruchskiller. Zunehmend beschäftigte ihn, wie jene gewaltigen Mengen des Brühabfalls, die täglich in Bars und Cafés anfallen, wieder zu verwenden wären. Mit einer Masterarbeit zu diesem spannenden Thema schloss er sein Studium ab.
Die Idee, dem Kaffeesatz eine neue Form zu geben, hatte er 2009. Es hätte ein Tablett werden können, ein Teller, ein Tisch. Er favorisierte die Kaffeesatz-Tasse, weil sie am besten zu einem Recyclingkreislauf passt.
Experimentiert wurde nebenberuflich über Jahre in der eigenen Küche. Sein erstes Bindemittel: karamellisierter Zucker. Das verwarf er wieder. Der Zucker süßte jeden Kaffee zusätzlich und er begrenzte das Tassenleben auf einen dreimaligen Gebrauch.Stabilere Bindemittel hätte es reichlich gegeben. Julian Lechner suchte nach ökologischen Komponenten, die nicht den Recyclinggedanken untergraben. Anfang 2015 war alles beisammen. Den Kaffeesatz stabilisieren nun Biopolymere, feine Holzspäne und Flachsfasern. Seine Mischung ist so formbar, hitze- und spülmaschinenfest. Die Tassen sind leichter als viele der üblichen und zudem bruchfest, recycel- und auch kompostierbar.
Genügend Material liefern derzeit noch die Cafés in Kreuzberg rund um die »Mosaik-Werkstätten« für Behinderte am Paul-Lincke-Ufer. Die hat Lechner mit eingebunden. Anfangs sammelte der Designer noch selbst, inzwischen erledigen das auch schon die Mitarbeiter der Werkstätten, ebenso wie das Trocknen und Weitersenden des Grundes. Zu Tassen gepresst kommt alles wieder hierher zurück. Die Werkstätten übernehmen nun die Lagerung, Verpackung und den Versand an die Käufer.
Der Zeitaufwand zum Herstellen einer Kaffeesatz-Tasse entspricht etwa dem von herkömmlichem Geschirr. Aufwendig dagegen sind leider noch ihre Transportwege. Ein Unternehmen in Baden-Württemberg fertigt aus allen Komponenten den Verbundwerkstoff, der anschließend in Köln zu Tassen gepresst wird. Sind die gebrannt, kehren sie wieder nach Berlin zurück, von wo aus sie schon in viele Ecken Europas gehen. Nachfragen aus anderen Teilen der Welt, besonders aus den USA und Korea, gibt es bereits. Um aber überschaubar wachsen zu können, ist der Markt noch begrenzt.
Das Sortiment umfasst bisher eine Espresso- und eine Kaffeetasse samt Untertassen. Einen dauerhaft nutzbaren Kaffeebecher zum Mitnehmen soll es jetzt ab Mai geben. Angebote von Cafés, diesen anzubieten und wieder zu befüllen, hat er bereits, ebenso die Zusagen, jede zehnte Kaffeefüllung darin dann gratis abzugeben. Wer mehr erfahren möchte, findet das auf www.kaffeeform.de. Glückliche Neuköllner: Das Café »Isla« in der Hermannstraße 37 (nahe der Flughafenstraße) serviert seinen Kaffee bereits in Kaffeesatz-Tassen.
rr