Vermählung statt Vermehlung

Die Windmühlen auf den Bergen Neuköllns

Die zurückweichenden Gletschermassen der letzten Eiszeit ließen »Berge« aus Geschiebemergel und Sand in Berlin und Umgebung zurück. Darauf drehten sich um 1860 noch etwa 150 Windmühlen. Die aufkommende Konkurrenz windunabhängiger Antriebe zwang später fast alle Windmühlenbetriebe zur Aufgabe. So erstaunt, dass noch heute acht Windmühlen in Berlin existieren. Zwei von denen befinden sich an historischer Stelle in Neukölln.

Jungfernmühle.                                                                                                                                                                                Foto: rr

Die Jungfernmühle in der Gropiusstadt, eine achteckige Galerie-Holländer-Kornmühle, ist die älteste noch erhaltene Mühle Berlins. Korn wurde hier noch bis zum Frühjahr 1980 gemahlen, wenn zum Schluss auch nur noch elektrisch. Sie war die letzte Mühle der Stadt, die aus wirtschaftlichen und nicht aus musealen Gründen noch arbeitete. Ihre imposanten Jalousieflügel und das Flügelrad sind leider nur Attrappen. Die Mühle selbst ist nun ein Restaurant und steht, wie alle anderen Mühlen Berlins, unter Denkmalschutz.Sie steht nun umgeben von Neubauten. Um optisch ein halbwegs harmonisches Bauensemble zu schaffen, erhielten einige Häuser rote Ziegelgiebel im Holländischen Stil. 1788 in Potsdam gebaut, zog sie knapp 100 Jahre später zuerst auf die Rixdorfer Rollberge und ab 1872 zum jetzigen Standort. Der Name Jungfernmühle geht auf einen tragischen Unfall zurück. Bei ihrer Einweihung stürzte die junge Tochter des ersten Müllers zu Tode, nachdem ein Windmühlenflügel sie versehentlich erfasste.
Die bekanntere Britzer Mühle aus dem Jahr 1866 ist eine immer noch voll funktionsfähige und aktive Galerie-HolländerWindmühle des äußerst seltenen, zwölfkantigen Typs. Sie hat zudem zwei Mahlgänge und misst rund 20 Meter. Bei Betrieb hält ihre Windrose sie selbständig im Wind. 1874 kaufte der Mühlenmeister Stechan die Britzer Mühle, dessen Namen sie lange trug.

Britzer Mühle.                                                                                                                                                                                  Foto:mr

Die Mühle gehört heute organisatorisch zum Britzer Garten. Betrieben wird sie im Sommer vom »Britzer Müller Verein«. Der organisiert in ihr nicht nur den Mahlbetrieb oder bietet Führungen an; Interessierte können sich hier auch zum Diplom-Windmüller ausbilden lassen. Als eine Außenstation des Standesamtes Neukölln macht die Britzer Mühle eine Hochzeit »ganz in Weiß« möglich. Nach der standesamtlichen Zeremonie besiegelt die »Vermehlung« sprichwörtlich noch einmal den Bund. Das frisch getraute Paar setzt selbst die Mühlenflügel frei, und ihr erstes, gemeinsam gewonnenes Mehl, das auf beider gefaltete Hände fällt, hilft vielleicht zusätzlich, den Ehebund zu festigen. 

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