Diskussion um die Umbenennung der Wissmannstraße und Woermannkehre
In Berlin finden sich noch viele Spuren, ob auf Straßenschildern oder Denkmälern, die einen direkten Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte haben. Den wenigsten Menschen ist das bewusst, denn es mangelt an Erklärungsschildern.
Wie eine Auseinandersetzung mit dieser Form der öffentlichen Erinnerung aussehen könnte, bei der der Täter und nicht der Millionen Opfer gedacht wird, war Thema des Kiezgespräches »Wissmann & Co. – Vom Versäumnis Neuköllns, sich kritisch mit kolonialen Straßennamen auseinanderzusetzen«, zu dem Susanna Kahlefeld (Grüne) am 22. Juli ins »Café Blume« eingeladen hatte.
Bei vielen der rund 50 Straßennamen mit kolonialem Bezug reiche eine kritische Kommentierung, sagte Christian Kopp von »Berlin Postkolonial e. V.«, einem Verein, der sich um die Aufarbeitung der regionalen Kolonialgeschichte bemüht. Bei anderen Straßen fordert der Verein eine Umbenennung. Das betrifft in Neukölln die Woermannkehre und die Wissmannstraße.
Adolph Woermann, ein Hamburger Kaufmann, wurde durch seine Truppentransporte einer der größten Kriegsgewinnler bei der Niederschlagung des Hereroaufstandes in Deutsch-Südwestafrika (Namibia). Hermann von Wissmann war Soldat und Entdeckungsreisender, der in den 1880er Jahren zweimal Zentralafrika durchquerte. Als Reichskommissar brach er 1889 – 1890 mit der aus afrikanischen Söldnern bestehenden »Wissmanntruppe« den antikolonialen Widerstand der Küstenbevölkerung in Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania, Ruanda, Burundi). Die Gefühle vieler in Berlin lebender Afrikaner angesichts einer solchen Ehrung beschrieb Mnyaka Sururu Mboro aus Tansania so: »Wissmann ist ein schrecklicher und brutaler Mensch gewesen. Wir verstehen nicht, warum so ein Mensch geehrt wird.«
Auch Gabriele Vonnekold, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), forderte eine Umbenennung dieser beiden Straßen, denn eine Tafel, die auf die historischen Zusammenhänge hinweise, reiche in diesem Fall nicht aus. Bevor die BVV aber derartiges beschließen könne, fordern die Grünen einen Prozess, in dem in Diskussionsrunden und Informationsveranstaltungen gemeinsam mit den Bürgern die Kolonialgeschichte aufgearbeitet und die Umbenennung vorbereitet wird. Darüber hinaus machte sie den Vorschlag, dass das Bezirksamt den Anwohnern, die von einer solchen Aktion etwa durch die Beschaffung neuer Ausweispapiere persönlich betroffen sind, unbürokratische Hilfe anbietet.
»Die Beschäftigung mit Straßennamen ist eine Chance für demokratische Teilhabe«, meinte Susanna Kahlefeld. Aber das sei ein langwieriger Prozess, bei dem noch Jahre ins Land gehen können, bis es zu einer Entscheidung komme.
mr