Die Wegwarte
In der Botanik heißt sie Zichorie, und das weist schon auf ihre Verwandtschaft mit dem Chicoree hin. Ein anderer Verwandter ist Radiccio. Sie hat viele volkstümliche Namen, in fast jeder Landschaft heißt sie anders. Bekannt geworden ist sie in der Nachkriegszeit als Kaffeeersatz.
Es ist nicht ganz sicher, ob sie schon im »Capitulare de Villis« von Karl dem Großen erwähnt wird (Namensähnlichkeiten verschiedener Pflanzen), aber Paracelsus empfiehlt sie bereits als schweißtreibend und später Kneipp bei Magen-, Darm- und Lebererkrankungen. In der Phytotherapie wird sie zur Stimulierung und zur Heilung von Milz, Leber und Galle eingesetzt. Sie wird aber auch zur allgemeinen Reinigung bei Hautkrankheiten und Ekzemen angewendet.
Die Wurzel war früher als Arzneimittel anerkannt, sie ist geruchlos, schmeckt aber sehr bitter. Hauptsächlich findet sie Anwendung im Bereich des Verdauungstraktes. Wegen ihrer Bitterkeit wurde ihr die Kraft zur Lebersäuberung zugesprochen.
Seit dem ausgehenden Mittelalter sind viele Mythen bekannt, die der Wegwarte unglaubliche Zauberkräfte, vor allem im Liebeszauber, zuschreiben. Andere Mythen lauten dahingehend, dass eine Wegwarte unter dem Kopfkissen der Jungfrau im Traum den zukünftigen Ehemann erscheinen lässt. Mag sein, oder auch nicht, denn es gab so manche »blaue Blümeleins«, denen seit der Romantik solche Kräfte angedichtet wurden.
Vor hundert Jahren schrieb das »Neuköllner Tageblatt«: »Nun leuchtet sie wieder mit ihren lichtblauen Augen dem Wanderer draußen entgegen, die schlanke Wegwart – in Wahrheit ein Warte des Weges. Wie hätte die sagenbildende Sinnigkeit des »Volkes der Dichter« nicht auch um sie ihr Geflecht winden sollen! Natürlich geht sie dabei von dem Worte warten aus. Der Volksglaube des 16. Jahrhunderts läßt die Pflanze ursprünglich eine Jungfrau sein, deren Liebster in die Ferne gezogen ist«. Oder:
»Der Sommer kommt und der Sommer geht,
Der Herbstwind über die Heide weht,
Das Blümlein wartet am Wege – Wegwart, Wegwart!«
(Julius Wolf)
Und Hermann Löns hat gedichtet:
»Wegwarte
Es steht eine Blume,
Wo der Wind weht den Staub,
Blau ist ihre Blüte,
Aber grau ist ihr Laub.«
Eva Willig