Abschied von England und Wales
Endlich, endlich kam meine Freundin aus London in Berlin an. Sie wollte eigentlich einen Tag früher kommen, der Flug wurde aber spontan gestrichen. Kein Wunder, sie wollte am 25. Juni fliegen, zwei Tage nach der britischen Abstimung, die den Brexit zur Folge hat. Das war dann wohl die erste Reaktion Europas auf die Abstimmung. Es traf viele Briten, denn das Wochenende wird von ihnen gerne genutzt, um mal europäisches Festland zu erleben.
Auf meine Frage, wie denn die Stimmung in London sei, erklärte sie mir voller Entsetzen, dass das große, laute London nach der Wahl in Stille erstarrte.
Bis vor der Wahl lebte ein Mix an Nationen mit- und nebeneinander in friedlicher Koexistenz. Am Tag nach der Wahl hatte sich das Klima schlagartig verändert. Brexitbefürworter beschimpfen nicht britisch aussehende Menschen, fordern sie auf, ihre Sachen zu packen und zu gehen.
Meine Freundin ist Deutsche. Sie spricht fließend Englisch und fühlt sich jetzt nicht mehr willkommen im Vereinigten Königreich.
Sie berichtet, dass die Stimmung im Land gekippt ist. Eine tiefe Spaltung trennt Jung und Alt. Die Jungen fühlen sich um ihre Zukunft betrogen, die Alten ziehen die Isolation vor, die sie als Unabhängigkeit missverstehen.
Sie ist der Meinung, dass Großbritannien all das verraten hat, wofür es mal stand: Weltoffenheit, Toleranz, kultureller Austausch und Zukunftsorientierung.
Erst nach dem Schock beginnen die Menschen, sich mit den Folgen auseinanderzu setzen. Sie werden eine Wirtschaftskrise mit erhöhter Arbeitslosigkeit und gekürzten Sozialleistungen erleben. Der Finanzmarkt London gerät ins Straucheln. Dagegen hat Europa nun eine gute Chance, sich neu aufzustellen, zu demokratischeren Formen zu finden und mehr mit den Bürgern zusammenzuarbeiten. Der ewige Nörgler Großbritannien, der permanent Vergünstigungen verlangte, gehört der Vergangenheit an.
Meine Freundin jedoch fürchtet um die Fortsetzung ihres Studiums, denn die Ausbildung wird mit Europageldern finanziert. Sie überlegt sich schon jetzt, ob sie nicht das Land wechseln sollte.
Briten in Berlin und auch im Vereinigten Königreich weinten nach der Abstimmung und auch bei mir macht sich eine große Trauer breit.