Fressen und getötet werden
In meiner Wohnung tummeln sich einige Bewohner, die ich nie gebeten habe einzuziehen, die keine Miete bezahlen und mich dennoch unaufhörlich beschäftigen.
Täglich mogeln sich durch die geschlossenen Fenster ganz kleine Fliegen, die sich zum Sterben auf mein Fensterbrett legen. Sie kommen ihrer natürlichen Eigenschaft des Fliegens in keiner Weise nach, sondern kommen eigens zum Sterben auf mein Fensterbrett. Jeden Abend bestaune ich dann den kleinen Friedhof, den ich dann mit einem feuchten Lappen beseitige.
Diese kleinen Fliegen jedoch sind harmlos im Vergleich zu den Marienkäfern, die selbst im Winter auf Türrahmen herumkrabbeln. Es müssen die chinesischen sein, die mal zur Ungezieferbekämpfung ausgesetzt wurden und den Menschen beißen. Sie können zur Plage werden. Da sie aber in meiner Wohnung in überschaubarer Menge erscheinen, habe ich ein leichtes Spiel mit ihnen. Ein Schlag mit dem Schuh reicht, sie ins Jenseits zu befördern.
Wirklich dramatisch sind die Motten. Gezielt nisten sie sich in der teuersten Kleidung ein, die der Schrank hergibt und fressen sich durch. Sie machen keinen Halt vor den Lieblingsstücken und achten peinlich genau darauf, jedes Kleidungsstück anzunagen. Manchmal ist das Ergebnis eine Ansammlung kleiner Löcher, manchmal ein großes Loch.
Im Sommer gehe ich gerne auf die Jagd nach den gefräßigen Ungeheuern. Allerdings sind sie sehr schnell und in ihrem Bewegungsablauf schwer zu berechnen. Erwische ich aber eine, lässt sich der Fleck gut entfernen. Bedauerlicherweise fliegen nur die Männchen in der Wohnung herum, während die Larven bereits ihre Freßorgie in meinem Kleiderschrank beginnen.
Lavendel und Zedern helfen auch nicht mehr, meine Motten haben dagegen Resistenzen entwickelt.
Die Änderungsschneidereien, die Kunststopfen anbieten, profitieren von meinem Dilemma. Da es mir peinlich ist, die vielen Kleidungsstücke in einem Betrieb abzugeben, wechsle ich die Schneidereien und bin immer auf der Suche nach neuen. Dabei scheue ich mich nicht, den Bezirk zu wechseln und kann inzwischen von Neukölln bis Prenzlauer Berg auf eine Vielfalt von Schneidereien blicken.