Zwei Städte, ein Phänomen: Paris, Neukölln und die Gentrifizierung
Belleville ist ein kleines ehemaliges Arbeiterviertel im 20. Pariser Arrondissement. Das Straßenbild wird dominiert von chinesischen Supermärkten und Restaurants, überquellenden Mülleimern und Obdachlosen.
Doch dazwischen blitzen immer mehr nette, kleine Cafés mit Bücherregalen und Retromobiliar auf. Klingt vertraut? Ja, die Ähnlichkeit zu Neukölln ist tatsächlich so groß, dass eine Künstlerin bereits ein Fotoprojekt im Austausch der beiden Viertel startete, das letztes Jahr im Berliner »Institut Français« zu sehen war.
Auch wenn in Neukölln statt chinesischer vielleicht eher türkische Gastronomie überwiegt, so sind die Probleme von Gentrifizierung und sozialer Verdrängung dieselben. Statt der verschrienen »Hipster« drängen hier die konsumstarken »Bobos» (Bourgeois Bohémiens) in die noch nicht so stark entwickelten Teile der Stadt mit vergleichsweise niedrigen Mietpreisen und eröffnen Vintageläden und Galerien.
Paris kann durchaus als abschreckendes Beispiel weit fortgeschrittener Gentrifizierung herhalten. Die Mieten sind horrend. Ohne die staatlichen Wohngelder könnten sich die Studenten nicht mal die winzigen Dienstbotenzimmer mit Klo auf dem Gang leisten. Nicht nur die Unterschicht, auch große Teile der Mittelschicht wurden seit den 70ern aus der Kernstadt in die Vororte verdrängt. Kaum eine andere Stadt weist eine so extreme soziale Segregation auf und lässt ihre Bewohner diese Exklusivität auch täglich spüren. Seit einem im Jahr 2000 erlassenen Gesetz, das den Kommunen einen zwanzigprozen- tigen Anteil von Sozialwohnungen am Immobilienbestand vor- schreibt, zahlt Paris sogar lieber Strafen, als diesem Anspruch nachzukommen.
Auch die Vororte, wie etwa Pantin im Nordosten, erreicht die Gentrifizierung. Da hier aber tatsächlich ein hoher Bestand an Sozialwohnungen existiert, werden die Veränderungen weniger ängstlich aufgenommen als etwa in Neukölln. Kein Wunder, wer nicht befürchten muss, verdrängt zu werden, freut sich über ein wachsendes kulturelles Angebot. So könnte tatsächlich die allseits erwünschte soziale Durchmischung entstehen und nicht eine reine Abwande- rung der ärmeren Bevölkerung zugunsten der Wohlhabenderen.
jt