»Freunde Neuköllns« bauen Brücken

Städtepartnerschaften sollen wieder belebt werden

Bertil Wewer
Bertil Wewer.                                               Foto:mr

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden von den britischen Besatzern freundschaftliche Begegnungen zwischen engli- schen und deutschen Städten begründet zur Völkerver-ständigung »von unten«. Nach dem Motto, »wenn man sich kennt und miteinander redet, schlägt man sich nicht die Köpfe ein«. Anfang der 1950er Jahre – ein geeintes Europa war noch nicht absehbar – bildeten 50 deutsche und französische Bürgermeister in Genf den »Rat der Gemeinden und Regionen Europas«, der seit 1955 eine Sektion in Deutschland hat. In diesem Jahr begründete Neukölln die Ring- Städtepartnerschaft »Jumelage« mit ehemaligen Kriegsgegnern im niederländischen Zaanstad bei Amsterdam, dem belgischen Anderlecht bei Brüssel, dem französischen Boulogne-Billancourt bei Paris sowie dem britischen Hammersmith & Fulham, einem Stadtteil von London.Wegen der West-Berliner Insellage und dem Mauerbau kamen Neuköllner Schüler und Schülerinnen in den Sommerferien zur Erholung in westdeutsche Städte. Daraus entwickelten sich mit der Zeit auch Freundschaften zwischen den jeweiligen Verwaltungen, die dann mit Städtepartnerschaftsurkunden besiegelt wurden, so 1959 mit Wetzlar, 1967 mit Köln und 1970 mit Leonberg.
Die Idee der »Jumelage« lebte noch einmal auf in den Städtepartner-schaften mit dem israelischen Bat Yam bei Tel Aviv 1978 und dem italienischen Marino bei Rom 1980.
Eine besondere Rolle spielt die Städtepartnerschaft mit der tschechi- schen Kreisstadt Ùsti nad Orlici, die noch vor der politischen Wende 1989 entstand. Ihr liegt der jahrzehntelange Kontakt der böhmischen Brüdergemeine mit ihren Glaubensbrüdern aus dem Dorf Horni Cermná zugrunde, von wo aus ihre Vorfahren einst geflüchtet waren.
Nach der Wende wurden Städtepartnerschaften 1991mit dem russischen Pavlovsk-Pushkin bei Petersburg und 2005 mit dem Bezirk Smichov der tschechischen Hauptstadt Prag 2005 abge- schlossen. Die jüngste Städtepartnerschaft besteht seit 2005 mit dem türkischen Cigli, einem Bezirk von Izmir.
Während früher Städtepartnerschaften mit reichlich Steuergeldern unterstützt wurden, ist dies in Zeiten leerer Kassen in den Kommu- nen nicht mehr der Fall. In diese Lücke ist 1997 der gemeinnützige Verein »Freunde Neuköllns« getreten, der 1983 ursprünglich gegrün- det wurde, um sich für die Sanierung kulturhistorischer Baudenk- mäler im Bezirk zu engagieren. Hierzu zählen die heutige Werkstatt der Kulturen, der Saalbau, die Kulturstiftung Schloss Britz oder das Böhmische Dorf.
Heutzutage werden Begegnungen unterschiedlicher Kulturen durch Billigflüge vereinfacht. Die Technik hat sich weiter entwickelt, und dies machen sich die »Freunde Neuköllns« zunutze. So arbeiten die »Freunde« derzeit an einer Video-Konferenz mit Prag und anderen Städten, um sich über kommunalpolitische Themen auszutauschen. Aber nach wie vor steht die Begegnung der Menschen im Vorder-grund. So kommen die Tschechen jedes Jahr zum Rixdorfer Weih- nachtsmarkt und zum Strohballenrollen »Poprací« nach Neukölln, und Delegationen aus unserem Bezirk fah­ren zum Stadtfest nach Ùsti nad Orlici oder zur böhmischen Variante des Strohballenrollens »Rolovani« nach Cernovir. Dort geht es aber mit den 200 Kilogramm schweren Strohballen nicht »gemütlich« um den Richardplatz, sondern steil bergan. So ist es kein Wunder, dass die Siegermann-schaft aus Böhmen immer auch in Rixdorf den Pokal erringt. Übrigens wird die Fahrt zum »Rolovani« jedes Mal privat durch das »Café Linus« organisiert.
Im November 2015 wurde das Mitglied der Bezirksverordneten-versammlung, Bertil Wewer, zum Vorsitzenden der »Freunde Neuköllns« gewählt. Er will möglichst viele der zwischenzeitlich eingeschlafenen Partnerschaften wieder beleben. Dazu sucht er noch Leute, die persönliche Kontakte in die Partnergemeinden haben und möglichst die jeweilige Sprache sprechen. Interesse?
Freunde.Neuköllns@t-online.de.

oj