Immer wieder sonntags

Spätis unter Druck

Ein schwüler Tag im August, die Gehsteige Neuköllns wirken verdächtig leer. Keine Späti-Stammgäste auf weißen Plastikstühlen mit kühlem Bier und Kippe in der Hand, keine Kids mit Gummibärchentüten. Seit einiger Zeit wird das Ladenschlussgesetz, das Spätis das Öffnen am Sonntag verbietet, verstärkt kontrolliert. Dieses Gesetz ist zwar nicht neu und seit Jahren landesweit gültig, doch erst seit dem Rechtsstreit eines Pankower Spätibesitzers, der 2012 am 1. Mai öffnen wollte, macht das Ordnungsamt die Augen auf und verteilt saftige Geldbußen. Besonders eifrig ist dabei ein Polizist im Reuterkiez.

Späti
Was wäre der Sonntag ohne Späti?                                                                                                                                   Foto: fg

Allerdings hat das Ordnungsamt hier auch wenig Spielraum. Behörden können »nicht zwischen guten und schlechten Gesetzen und auch nicht darin unterscheiden, ob eine gesetzliche Bestimmung der gelebten Wirklichkeit entspricht oder nicht«, sagt Bezirksbürger-meisterin Franziska Giffey dazu.Für die Spätis allerdings geht es um mehr als die Frage, wo günstig das Sonntagsradler gekauft werden kann. Hier geht es um die pure Existenz.  Meist sind die Sonntage am umsatzstärksten. Kommt zusätzlich noch ein Feiertag dazu, macht sich das in der Kasse deutlich bemerkbar. Manche versuchen heimlich zu öffnen, lassen die Rollläden unten und nur die Tür auf und riskieren so, von einer Streife er­wischt zu werden. Andere zahlen immer wieder die Strafen von 50 bis 2.500 Euro und fürchten, ihre Gewerbegenehmigung zu verlieren.
Bisher wurde das Ladenöffnungsgesetz von vielen Spätibetreibern gewohnheitsmäßig missachtet. Die zunehmende Konkretisierung des Gesetzestextes und Schulungen der Ordnungsamtsmitarbeiter zum Gesetz haben dazu geführt, dass diese Ordnungswidrigkeiten immer öfter geahndet werden.
Eine Änderung der Gesetzeslage kann nur vom Parlament beschlos- sen werden. Auf Landesebene jedoch wird kein Bedarf an einer Neuregelung gesehen.
Die Neuköllnerin Christina Jurgeit will die Politik zu einer Meinungs-änderung bewegen: Sie rief auf »change.org« eine Petition zur Rettung der Spätis ins Leben, die mittlerweile schon knapp 33.000 Unterschriften zählt und mit der eine Gleichsetzung der Spätis mit Tankstellen und Bahnhofsläden erreicht werden soll. Denn hier steht nicht nur die Berliner Spätikultur auf dem Spiel, sondern auch die Lebensgrundlage Tausender Spätibetreiber.

jt