Kein Müll mehr auf den Straßen von Neukölln?

Einweg-Verpackungssteuer könnte helfen

Neukölln gilt als der dreckigste Bezirk Berlins. Warum ist das so und wie stehen die Aussichten auf Besserung?
Es gibt viele Möglichkeiten zu müllen, zum Beispiel: Was sich tagsüber im Auto angesammelt hat, fliegt abends in die Gosse. Vom Imbiss landen die Pappen auf Fensterbrettern, Verteilerkästen oder an Bäumen. Der Müll wird neben dem Müllcontainer abgelegt, der wegen zugeparkter Ausfahrt nicht abgeholt wird.

Coffee-to-wirf-weg.   Foto: mr

Beliebt für den Abwurf ist auch die Umgebung von Bushaltestellen, wo die Imbissdichte am höchsten ist. Hier hat die BVG vor einigen Jahren den Abbau der Papierkörbe verfügt, um den Müll von den Fahrplänen fernzuhalten.
Die BSR versucht neben den orangenen Abfallbehältern – in Parks und im Wald auch hüft­hoch in giftgrün oder grau – mit immer größer werdendem Volumen vergeblich nachzukommen.
Angebote zum Sperrmüll sind unzureichend beziehungsweise werden eher missverstanden.
Entweder der Nutzer hat die geltenden Spielregeln verinnerlicht und trägt Becher oder Möbel zu Papierkorb oder BSR oder er entledigt sich ihrer diskret – größere Teile nachts – und ist peinlich berührt, wenn ihn jemand anspricht. Da bleibt nur die Hoffnung, dass der Respekt vor dem öffentlichen Raum trainiert werden kann.
Die Schmerzempfindlichkeit der Leidenden ist unterschiedlich ausgeprägt. Sie reicht von Ekel und Wegzug aus Neukölln, dem Meiden einzelner Bahnstationen über die Wahl eines weniger verschmutzten Weges bis zur Beteiligung an Reinigungsaktionen oder Kampagnen.
»Null Müll Neukölln« ist so eine Kampagne des Bezirkes. Und nicht die erste: »Schön wie wir« hatten wir schon. Dieses Mal ist alles größer aufgezogen. Vom 17. März bis 13. April wird es in ganz Neukölln Plakate zu den Themen Reparieren, Ausleihen, Sperrmüll und Mehrweg geben. Der Anspruch ist hoch, denn Müll soll am besten gar nicht erst entstehen.
Für die Karl-Marx-Straße ist eine Aktion zur To-Go-Müll-Vermeidung mit Bürgermeister Hikel geplant, der auch das Bürgerbeteiligungsgremium für das Sanierungsgebiet unterstützt.
Dabei soll Müll gesammelt, analysiert und Entsorgungskosten möglichen Einnahmen durch eine Einwegsteuer gegenübergestellt werden.
Ganze Geschäftsmodelle fußen auf dem Regelübertritt wie Food-Lieferdienste (Gehweg befahren), Spätis (sonntags auf) und eben Imbisse. Gut durch die Corona-Zeit gekommen, hat sich ihre Zahl noch vermehrt. Zwar sollen Imbisse und Bäckereien auf Wunsch auch Mehrweggeschirr bereitstellen, was aber bequeme Anbieter und Kunden wenig interessiert. Die Eindämmung der Vermüllung und die Beseitigung des To-Go-Mülls wird zur praktischen Aufgabe der öffentlichen Hand.
Entsprechend hat der Tübinger Bürgermeister Palmer die Besteuerung von Einwegverpackungen durchgesetzt. Rechtssicher läßt sich demnach die Umwelt schonen, Müll vermeiden und/oder mehr Steuern einnehmen.
Ein solches Gesetz zur Einführung einer Verpackungssteuer braucht auch Berlin. Der zunächst im Abgeordnetenhaus abgelehnte Entwurf Drucksache 19/1109 sollte zur Wiedervorlage kommen. Und zwar ohne Ausnahme für kleine Anbieter – vulgo Imbisse und Bäckereien. Dies muss im Interesse aller Bezirksbürgermeister sein.Neukölln hat sich schon positioniert. Eine Verabschiedung kann rasch geschehen – ein vorausgehendes Bundesgesetz ist nicht notwendig.

Marlis Fuhrmann