Verschwinden bald die Briefkästen?
30 Jahre ist es her, dass die Privatisierung der einst staatlichen Bundespost zum Abschluss kam.
Im Oktober 2024 irritierte mich, dass die Einwürfe von Briefkästen im Neuköllner Kiez, aber auch in Kreuzberg überklebt waren. Ich fragte mich, was bedeuten die weißen Streifen? Auf dem Briefkasten Ecke Hermannstraße/Werbellinstraße standen keine Leerungzeiten. Also fragte ich in einer Postfiliale nach. Die dort Beschäftigten wussten den Grund nicht. »Hat sich jemand einen Spaß erlaubt oder wird wieder eingespart«, meinte ein Mitarbeiter.
Es sollten noch Zettel angebracht werden, weil so viele nachgefragt hätten. Im Internet recherchierte ich: Die Post strukturiert wieder um, denn es wurde festgestellt, dass die Anzahl der Briefsendungen aufgrund der Digitalisierung kontinuierlich abnimmt. Verlässliche Informationen zu den Briefkästen waren kaum zu finden.
Die Portogebühren steigen zwar wieder, der Service der Post wird aber immer schlechter, und das lange vor dem aktuellen Digitalisierungsschub. Postaufgaben werden häufig an Kiosken und bei anderen Einzelhändlern mit Post-Schalter übernommen, das sind bundesweit 13.000 Standorte. In den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es etwa 31.700 Beschwerden über die Post bei der Bundesnetzagentur.
Als am 5. Juli 2024 das neue Postgesetz im Bundesrat beschlossen wurde, protestierten Postbeschäftigte für ein Verbot von Subunternehmen. Es wurde nur eine Lizenzpflicht für Paketdienstleister eingeführt. Subunternehmen müssen ihren Auftraggebern künftig Informationen zu Bezahlung, Arbeitszeiten und Sozialabgaben übermitteln. Damit könne überprüft werden, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Das würde nicht reichen, schreibt die Gewerkschaft ver.di. Mit dem neuen Postgesetz gehört auch die Zustellung von Briefen binnen 24 Stunden der Vergangenheit an. Die Ursachen für die Misere der Post liegen in der Privatisierung begründet.
Als die Privatisierung der Post begann, wurden als erstes die Gebäude der Post »verscherbelt«, die Filialen standen jetzt im Wettbewerb, es gab Rankings und Prämien. Schließlich wurden massenhaft Filialen geschlossen. Gespart wurde auch bei den Beschäftigten. Die Arbeit wurde prekärer: Teilzeit, Leiharbeit, Saisonkräfte. Die Einkommensschere klafft bei der Post enorm auseinander. Der ehemalige Postchef Frank Appel verdiente 2021 noch 9,7 Millionen Euro. 2022 waren es laut »Handelsblatt« dann 5,5 Millionen. Der Dax ist schuld. Appel meinte, sein Gehalt würde letztlich vom Markt bestimmt. Tobias Meyer, ehemals Unternehmensberatung McKinsey, übernahm im Mai 2023 den Job.
Die Post gehört nicht an die Börse, sondern sollte öffentliche Daseinsfürsorge sein – wie Bahn, Müll, Bildung, Rente, Gesundheit. Was haben Neoliberale mit den Privatisierungen angerichtet! Wundern sich aber zugleich, dass viele unzufrieden sind und die Demokratien ins Wanken kommen.
Anne Seeck