Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Neuköllnische Zeitung, Montag, 3.11.1924
Rolltreppe auf dem Untergrundbahnhof Hermannplatz. Gelegentlich der Besichtigung der Londoner Verkehrseinrichtungen durch Berliner Verkehrsleute wurde den technischen Einrichtungen der Londoner Verkehrsgesellschaften besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dazu gehören auch die beweglichen Rolltreppen (Escalatoren), die von dem Direktor der Londoner Untergrundbahn und dem Leiter der Londoner »Otis«=Gesellschaft, der Erbauerin der Treppe, erläutert wurden. Die bewegliche Rolltreppe, die automatisch in die Tiefe fährt und wieder emporsteigt, kommt hauptsächlich für Untergrundbahn=Stationen in Betracht, die großen Personenverkehr aufweisen und bei denen bedeutende Höhendifferenzen in kurzer Zeit überwunden werden müssen. Die Station Hermannplatz der im Bau befindlichen südöstlichen Reststrecke der Nord=Süd=Bahn soll nun eine solche Rolltreppe, an die sich auch die Berliner schnell gewöhnen werden, erhalten.

Neuköllner Tageblatt, Sonnabend, 8.11. 1924
Das Fünfmarkstück kommt. Die kleinen Werte des neuen Geldes sollen durch das Silbergeld dargestellt werden, von denen bereits die Werte über eine und drei Mark vorhanden sind. Wie wir hören, soll nun auch das Fünfmarkstück hergestellt werden.

Neuköllnische Zeitung, Sonnabend, 8.11.1924
Die neueste Mode: Menschenhaar als Besatz. Elegante Frauen haben manchmal eigenartige Ideen. Kaum hat sich eine Mode etwas eingebürgert, wird sie bereits wieder von einer neuen, womöglich noch extravaganteren, verdrängt. Auf alle Fälle ist die neue Mode noch nie dagewesen, das heißt, früher war sie bei den Indianern sehr beliebt, als diese noch große Vorliebe für Skalpe zeigten. Die eleganten Londonerinnen sind nämlich dazu übergegangen, die Pelzgarnituren an ihren Mänteln oder Roben durch menschliche Haare, meist Frauenhaare, zu ersetzen. Dieser Tage sah man beispielsweise in Picadilly eine Dame, deren Mantel mit Haaren von einem wunderbaren Blond ausgeschlagen war! Gute Geschäfte werden bei dieser Mode die Coiffeure machen, denn die mehr und mehr um sich greifende Mode des »Bubikopfes« fordert wahre Hekatomben von prächtigem, langem Frauenhaar. Dies Haare können nun auf eine neue Art verwertet werden.

Neuköllner Tageblatt, Sonntag, 9.11.1924
Immer langsam voran. Seit Monaten werden die Gleise der Straßenbahn auf der westlichen Seite der Kaiser Friedrichstraße ausgebessert, so daß der Fuhrwerksverkehr auf die östliche Seite abgeleitet werden mußte. Die Arbeiten werden aber in einem derartig langsamen Tempo ausgeführt, daß nicht abzusehen ist, wann sie endlich einmal zum Abschlusse gebracht werden. Zeitweilig ruhen die Arbeiten selbst bei günstiger Witterung Tage lang. Daß bei einer solchen langsamen Arbeit die Kosten für die Ausbesserungen verteuert werden, ist klar.

Neuköllnische Zeitung, Freitag, 21.11.1924
Zopfabschneider und Kleideraufschlitzer treiben wieder ihr Unwesen. Der Zopfabschneider hat es besonders auf Mädchen abgesehen, die sich die Weihnachtsausstellung in den Schaufenstern ansehen. Er benutzt das zeitweilig herrschende Gedränge, um an sein Opfer unbemerkt heranzukommen. Augenscheinlich aber ist seine Schere nicht scharf genug, denn in den drei Fällen, die zur Kenntnis der Kriminalpolizei gelangt sind, ist es ihm nicht gelungen, den Zopf ganz durchzuschneiden. – Der Kleideraufschlitzer macht sich das Gedränge in den Straßenbahnwagen zunutze. Er hat auf einer Linie, die zwischen dem Spittelmarkt und Tempelhof verkehrt, nach den bisher eingelaufenen Anzeigen sechs Frauen ein dreieckiges oder ein viereckiges Stück mit einer Schere aus dem Mantel herausgeschnitten, immer wahrscheinlich schon in der Nähe des Spittelmarktes.

Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1924 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.

Die Innovation im Kaufhaus

Die Rolltreppe sorgt für neue Mobilität

Als fester Bestandteil inKaufhäusern, Flughäfen, Bahnhöfen und vielen anderen öffentlichen Orten ist sie kaum noch wegzudenken – die Rolltreppe.

Rolltreppe mit Mechanik von 1893.

Der US-amerikanische Patentanwalt Nathan Ames scheiterte 1859 bei seiner ersten Konstruktion noch an der Frage des Antriebs. Die Stromerzeugung und somit die Möglichkeit eines elek­trischen Antriebs führte erst Werner von Siemens 1866 zur Serienreife. Da zu dieser Zeit der Lift des New Yorkers Elisha Otis die Welt der vertikalen Beförderung eroberte, wurden die Pläne aber nicht weiter verfolgt.
Drei Jahrzehnte später war die Bevölkerung der großen Metropolen rapide gewachsen. Die Otis-Fahrstühle in den Warenhäusern konnten den Kunden-Ansturm auf die oberen Etagen kaum noch bewältigen. Da wurde 1895 im New Yorker Vergnügungspark Coney Island das »endlose Transportband für Menschen« des Eisenbahn-Ingenieurs Jesse Wilford Reno zur Sensation. Stufen hatte Renos Konstruktion nicht. Die Menschen standen auf einem Endlos-Band von gelenkig gekoppelten, gerillten Holzbrettchen.
Als eigentlicher Erfinder der Rolltreppe gilt aber George Wheeler. Die erste Rolltreppe nach seinen Plänen setzte sich 1893 an der New Yorker U-Bahn-Haltestelle Cortlandt Station in Bewegung.
Die ersten Konstruktionen dieser Art in Europa gingen 1898 in Betrieb. Sowohl im Leipziger Kaufhaus von August Polich wie auch im Londoner Warenhaus »Harrod’s« konnten Kunden die Innovation der vertikalen Mobilität ausprobieren.
Ihren internationalen Siegeszug trat die Rolltreppe im Zuge ihrer Präsentation auf der Weltausstellung Paris 1900 an.
In ihrer noch heute üblichen Ausführung baute ab 1920 die »Otis Elevator Company« Rolltreppen. Am 11. Juli 1925 wurde solch ein Modell erstmals in Deutschland in dem Kölner Warenhaus der Leonhard Tietz AG auf der Hohe Straße in Betrieb genommen.

mr