Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Neuköllnische Zeitung, Montag, 1.9.1924
Guter Eisbärenfang in Norwegen. Norwegische Fangexpeditionen haben in diesem Jahre reiche Beute an Eisbären heimgebracht. Das Fangschiff »Johanne Caroline« stellte einen Rekord für lebende Eisbären auf. Es brachte 21 lebende und 60 tote Eisbären ein. In letzter Zeit wurden 40 Eisbären nach Hamburg geschickt (meist ganz junge Tiere), wo sie mit je 1400 Kronen bezahlt wurden.

Neuköllnische Zeitung, Dienstag, 2.9.1924
Alte Leute sterben Hungers. Ein unantastbarer Beweis gegen die im Ausland verbreitete Meinung, daß »die wirtschaftlichen Zustände in Deutschland nicht so schlimm sein könnten, wie es Deutschland glauben machen wolle«, ist die ärztlicherseits statistisch festgelegte und amtlich bekanntgegebene Tatsache, daß in den letzten Jahren sich die Fälle gemehrt haben, in denen »besonders bei älteren Personen vom Arzt als Todesursache Erschöpfung, Entkräftung, Abzehrung Schwäche usw. angegeben wurde. Es liegt Grund zu der Annahme vor, daß wenigstens ein Teil dieser Fälle auf direktem Verhungern aus Nahrungsmangel als Folge wirtschaftlicher Not beruht.«

Neuköllner Tageblatt, Freitag, 5.9.924
Die Legung des neuen transatlantischen Kabels. Die Legung des neuen transatlantischen Kabels von Amerika ist begonnen worden und es soll Ende dieses Jahres fertiggestellt werden. Das Kabel geht von Newyork über die Azoren nach Rom. Es stellt eine Neuerung auf diesem Gebiete dar, denn es gestattet die Sendung von 1500 Buchstaben in der Minute, während bisher nur 300 Buchstaben in der Minute übermittelt werden konnten. Ein neuer Empfangsapparat ist erfunden worden, der die schnelle Aufnahme ermöglicht. Die Länge des Kabels beträgt 5422 englische Meilen, die Kosten betragen 7 Millionen Dollar.

Neuköllnische Zeitung, Dienstag, 23.9.1924
Die verminderte Leibesfülle der Berliner. Die Berliner Straßenbahnverwaltung hat festgestellt, daß die Straßenbahnwagen, die vor dem Kriege für die Aufnahme von 20 Personen gebaut wurden, heutzutage ganz gut mindestens 22 aufnehmen, da die Fahrgäste an Leibesumfang eingebüßt haben.

Neuköllnische Zeitung, Sonnabend, 27.9.1924
Fahrkarten=Automaten auf den Untergrundbahnhöfen. Die Untergrundbahngesellschaft hat mit dem gestrigen Tage auf mehreren Bahnhöfen Fahrkarten=Automaten in Betrieb gestellt, um den Andrang zu den Schaltern, der zu gewissen Tageszeiten besonders stark ist, abzuschwächen. Vorläufig sind erst Automaten aufgestellt worden, die für 20 Pfennige zwei Karten dritter Klasse, Teilstrecke, ausgeben, und zwar auf den Bahnhöfen: Alexanderplatz, Spittelmarkt, Leipziger Straße, Hausvogteiplatz, Kaiserhof, Viktoria=Luise=Platz, Bayerischer Platz, Hauptstraße und Uhlandstraße. Im ganzen sollen zunächst auf 34 Bahnhöfen der Hoch= und Untergrundbahn Fahrkarten=Automaten eingeführt werden. Auch sollen die Automaten später Fahrkarten der zweiten Klasse enthalten.

Neuköllner Tageblatt, Dienstag, 30.9.1924
300 000 Tonnen Ruß in der Berliner Luft. In der letzten Sitzung der eisenbahntechnischen Tagung berichtete Stadtbaurat Adler u. a., daß die in Berlin laufenden Eisenbahnen ein Drittel der Gesamtmenge an Ruß liefern, der in Berlin in die Luft gepufft wird, nämlich etwa 100000 Tonnen jährlich, während die Gesamtmenge Ruß etwa 300 000 Tonnen beträgt. Also ein Luftkurort ist demnach die deutsche Reichshauptstadt nicht.

Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1924 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.

Kabel die die Welt verbinden

Unterseekabel sind das Rückgrat der globalen Kommunikation

»Ende des Kabels heil angekommen« – meldete das erste Telegramm, das am 5. August 1858 über den Atlantik gekabelt wurde. Das war der Auftakt zu einem neuen Zeitalter in der menschlichen Kommunikation.

Tiefseekabel.     Bild: Vismar UK

Wegen mangelnder Erfahrungen mit Kabellegungen über derart große Entfernungen wurde das Kabel jedoch zu dünn und damit zu anfällig für Umwelteinflüsse produziert. Nach rund 400 Depechen und 23 Tagen Betrieb war es zerstört.
1864 wurde ein 5.100 Kilometer langes Seekabel mit verbesserter Schutzummantelung vorbereitet. Aber erst 1866 konnte beim zweiten Versuch das erste Kabel verlegt werden, das langfristig die Telegrafenverbindung zwischen Amerika und Europa sicherstellte. Auf zwölf Worte pro Minute brachte es dieses erste Unterwasser-Telegrafenkabel aus Kupfer.
Heute bilden Glasfaserkabel, die den Meeresboden durchqueren, das Rückgrat des modernen Internets.
Sie werden von langsam fahrenden Schiffen verlegt, dort sind die Kabel üblicherweise in einer oder mehreren riesigen Trommeln gelagert und werden beim Verlegen langsam abgerollt. Ein spezieller Pflug, der hinter dem Schiff hergezogen wird, gräbt eine Rille, in die das Kabel geleitet wir. Zugeschüttet werden muss die Rille samt Kabel darin nicht, das übernehmen Wasserströmungen. Der Pflug kann das Kabel in bis zu drei Meter Tiefe eingraben. Ist der Grund locker genug, kann ein Pflug theoretisch bis zu Wassertiefen von 1.500 Metern eingesetzt werden. In der Praxis wird jedoch nur dort eine Rille gegraben, wo es Gefahren für das Kabel gibt.
Die Kabel sind normalerweise zwischen fünf und sieben Zentimeter dick und haben eine Lebensdauer von etwa 25 Jahren. Jedes Kabel enthält Glasfaserstränge, die Daten mit 290.000 Kilometern pro Sekunde übertragen können. Sie sind mit Stahlpanzerung, Isolierung und einer Kunststoffummantelung umhüllt. Einige, wie das Asia-America Gateway-Kabel, das Kalifornien mit den Philippinen und Südostasien verbindet, sind mehr als 16.000 Kilometer lang.
Das gesamte globale Kabelnetz ist mehr als 800.000 Kilometer lang, besteht aus über 200 unabhängigen, aber miteinander verbundenen Systemen und überträgt über 95 Prozent der weltweiten Kommunikation.

mr