Der Hauptgewinn

Urlaub mit Schafen von Fred Haase

Ich hatte mit Glück und anstrengender Lobbyarbeit das Preisausschreiben eines Tierwohlbetriebes gewonnen. Der Hauptgewinn war unglaublich interessant: Eine Woche mit rumänischen Schafhirten Stallung und Unterkunft teilen inclusive glückliche Tiere erleben. Voller Energie startete ich am 31. Februar vom BER mit VIOLENT-JET ins Abenteuer. Die Maschine war vollbesetzt, extrem eng bestuhlt. Jeder Passagier spürte Knie und Atem des hinter ihm sitzenden Mitreisenden. Zum Glück wurden Trombosestrümpfe als Extra von der Stewardess verteilt. Nach zwölf Stunden landeten wir nach vielen interessanten Zwischenlandungen in Bukarest. Der Schäfer Sorin Popa aus dem siebenbürgischen Bistriz erwartete mich müde am Flughafen. Er hielt einen frisch geschossenen Hasen in seinen Händen, ein perfekter Fingerzeig auf meinem Nachnamen. Ich erkannte ihn natürlich sofort. Sein Konterfei ist auf jedem Erzeugnis des Tierwohlbetriebes, nur saß diesmal kein Lamm auf seinen Schultern.
So fanden wir zueinander Als wir in seinem IFA W50 LKW saßen, war ich allerdings verunsichert. Er sprach nur rumänisch, war ein Schwadroneur, ich verstand nichts. Ich konnte nur »Guten Morgen« und »Auf Wiedersehen« in der Landessprache sagen. Höflich artikuliere ich nun in seinen Sprechpausen abwechselnd »Buna dimineata« und »La revedere«, übersah gekonnt seine krause Stirn.
Nach sieben Stunden Fahrt erreichten wir seine Unterkunft und Herde. Er zeigte mir freundlich den Holzverschlag, in dem wir mit seiner Familie übernachten würden. Eine Bretterbude mit Klappe, darin lagen Schaffelle. Er drückte mir ein in Deutsch gehaltenes grammatikfernes Informationsblatt des Veranstalters in die Hand. Ich lese darin, dass es hier nicht ganz ungefährlich sei. Der Hinweis auf hoffentlich abgeschlossene Policen meiner Auslandsunfall-, Kranken- und Haftpflichtversicherungen offenbarte die Fürsorgepflicht meines Veranstalters. Da Bären und Wölfe ständig die Schafe beobachten, würden die Familie und ich deshalb bei den Tieren schlafen. Hinweis: Der Bär ist nicht so gefährlich, der schnappt sich ein, zwei Schafe, aber der Wolf, der tötet viele. Ich war stolz, an mein Schweizer Taschenmesser gedacht zu haben.
Jetzt trafen auch die anderen Familienmitglieder ein. Die Frau des Hauses freute sich über mein Gastgeschenk, ein Puzzle des Reichstages mit 789 Teilen. Der 16jährige Sohn war sehr an dem Besucher aus der Ferne interessiert, stellte mir in gebrochenem Englisch viele Fragen. Ich war erstaunt über seine Allgemeinbildung. Als ich ihm mitteilte, dass ich aus Berlin komme sagte er sofort »Merkel«. Ich verneinte und staunte, dass Kanzler Scholz ihm unbekannt war. Dann wollte er erraten aus welchen Bezirk ich komme. »Hauptmann von Köpenick?«. Ich verneinte lachend. Wie aus der Pistole geschossen kam dann »Görlitzer Park«. »Nein, Nein«, sagte ich, das ist Kreuzberg. »Erichs Lampenladen« war sein nächster Versuch, mich in Berlin zu lokalisieren. »Das ist Berlin Mitte«, klärte ich ihn auf. »Schwaben wohnen« sagte er freudestrahlend. »Ach Gott, nein, das ist Prenzlauer Berg«. Er schwieg nun und sah mich fragend an. Ich sagte mit Nachdruck »Neukölln: Arm aber Sexy und Kiez und Kneipe«. Freudig schrieb er nun das gelernte mit Gerböl in sein Schaffelltaschenbuch.
Leider kann ich aus Platzmangel nicht über die extrem abenteuerlichen Tage mit der Schäferfamilie, Bären und Wölfen sowie das Kuscheln mit den rumänischen Herdenhunden hier berichten. Dafür verweise ich nun dezent auf mein Buch »Der mit den Schafen tanzt«. Es ist im »Haasenstall- Verlag« erschienen und kostet leider aufgrund von Finanzschwierigkeiten des Autors 134 Euro.