Aus Syrien geflüchtet, jetzt mit Hilfe des Talentscoutings ein Praktikum in der Charité
Meine Geschichte beginnt in einer kleinen Stadt im Westen Syriens. Im Alter von fünf Jahren erlebte ich Ereignisse, die mich bis heute prägen. Während andere sich an die unbeschwerten Tage der ersten bis dritten Klasse erinnern, war ich entweder im Bunker oder auf der Flucht. Niemand wusste, ob er am nächsten Tag überhaupt noch existieren würde. Ein unstetes Leben führte mich durch verschiedene Länder, ohne meine ganze Familie um mich zu haben, bis ich schließlich in Berlin ankam – meinem neuen Zuhause, meiner zweiten Heimat.
Die vierte Klasse markierte meinen Einstieg in das deutsche Bildungssystem, und ich war stolz, am Ende des Jahres Klassenbeste zu sein. Auf dem Gymnasium lernte ich inspirierende Menschen kennen, doch ab der zehnten Klasse verspürte ich eine Leere. Mir wurde klar, dass mein Profil sich auf das stereotype Bild vieler syrischer Kinder beschränkte – gute Schüler, die nicht lange in Deutschland sind. Als ich das Timo erzählte, sagte er mir, dass es ihm darum geht, mich als Mensch und Persönlichkeit kennenzulernen. Das erste Treffen mit meinem Talentscout war seltsam für mich, denn er stellte mir Fragen, die mir zuvor noch niemand gestellt hatte. So wurde ich zum Beispiel nach meinen Zielen oder Kompetenzen gefragt. Fragen, die ich selbst nicht beantworten konnte.
Mein Plan A formte sich während einer Krise: Ich wusste, dass ich anderen auf medizinischer Ebene helfen wollte, dass ich Ärztin werden wollte. Doch im Laufe meiner Schullaufbahn schwankte mein Glaube daran, da ich mir nicht sicher war, ob ich jemals einen Studienplatz bekommen würde. Andere Mitschüler hatten akademische Eltern, womit sich deren Wege von selbst geformt hatten.
Vor ein paar Monaten fasste ich den Mut, mich bei der Charité für ein Praktikum zu bewerben, dabei bat ich Timo um seine Hilfe. Innerhalb von 24 Stunden erhielt ich den Praktikumsplatz, der meine Perspektive bereicherte. Ohne Timos Hilfe hätte ich meine Bewerbung nie abgeschickt. Ich hätte nämlich nie gedacht, dass ich aus der Masse herausragen könnte. Es fällt mir schwer, mich nicht zu unterschätzen. Der Drang, meine Fähigkeiten zu beweisen, ist stark, da ich nicht in Deutschland geboren wurde. Doch das Talentscouting lehrt mich, an dem zu arbeiten, was mich glücklich macht. Ich bin zutiefst dankbar für die Unterstützung, die mir dabei hilft, meine Zukunftsträume zu verfolgen – trotz anfänglicher Zweifel und Ängste.
Asra, 17 Jahre
Das Projekt Talentscouting findet und fördert unentdeckte Talente an Berliner Schulen und begleitet diese individuell auf ihrem Bildungsweg – ganz unabhängig von ihrer Herkunft. Es ist ein Pilotprojekt, das durch die »Stiftung SPI Sozialpädagogisches Institut Walter May« und dem Bezirksamt Berlin-Neukölln seit Oktober 2022 gefördert wird. Hier berichten Talente über ihr Leben und ihre Erfahrungen.