Kartographie des Teppichs

Zeitgenössische Teppichkunst im Britzer Schloss

Bis Januar 2024 können Besucher des Britzer Schlossparkes auf einigen Wegabschnitten über wetterfeste Teppiche laufen. Sie sind Teil der aktuellen Sonderausstellung »Carpet Mapping. Kartographie des Teppichs«. Die von Sahra Crowe kuratierte Ausstellung zeigt Teppichinterpretationen von Thilo Droste, Catherine Rose Evans, Birgit Hölmer, Farkhondeh Shahroudi, Hoda Tawakol sowie Slavs and Tatars.
Der Besucher erlebt, dass Teppiche weiterhin in der zeitgenössischen Kunst eine Rolle spielen.

Teppichinterpretationen.      Foto: rr

Die Exponate sind keine Bodenbeläge im herkömmlichen Sinne, sondern subjektive Künstlerpositionen. Einbezogen werden historische Orientteppiche der ebenfalls im Schloss beheimateten Dauerausstellung »Wohnkultur der Gründerzeit«, was eine unmittelbare Interaktion mit den historischen, oft sehr teuren Orientteppichen des ausgehenden 19. Jahrhunderts erlaubt. Dem gehobenen Bürgertum damals waren Teppiche ebenso Gestaltungselement der Innendekoration und Ausdruck.
Einige Teppichinterpretationen von Birgit Hölmer wurden bewusst in die historischen Räume platziert, wo sie sich nahezu unauffällig einfügen. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter, dass die gar nicht geknüpft sind, sondern aus farbigem Silikon bestehen, das durch gerahmte Fliegengaze gedrückt wurde, was so eine kunstvoll geknüpfte Wolltextur vortäuscht.
Ist ein Teppich ein textiler, kunsthandwerklicher Bodenbelag oder wann wird das Kunst? Die Sonderschau versucht das herauszuarbeiten, indem sie einige teils in Neukölln arbeitende zeitgenössische Künstler zeigt, die alle Komponenten des Teppichs nutzen, um sich zum kulturellem Erbe, zur Kolonialgeschichte, der sprachlichen Wahrnehmung, oder dem europäischen Blick zu äußern.
Das Kollektiv »Slavs and Tatars« zeigt unter anderem einen leuchtenden blaugelben Wandteppich. Die eingewebten, arabischen Schriftzeichen, bedeuten richtig gelesen das biblische Wort »Jesus, Sohn Marias, der Liebe ist«. Fast comicartig bereichert sind den Worten Elemente wie Räder, Hände, Füße und christliche Symbole hinzugefügt, die den unbedarften, abendländischen Betrachter förmlich zwingen, eine »falsche« Leserichtung zu generieren. So wird kongenial visualisiert, dass je nach kultureller Herkunft unterschiedliche Lesarten nebeneinander möglich sind und der Betrachter einladen, die eigene Sicht einmal kritisch zu hinterfragen. Es lohnt sich, das informative Begleitheft vorher oder begleitend zu lesen.

rr
Bis zum 28. Januar 2024 ist die Sonderschau im Schloss Britz, Alt-Britz 73 zu sehen.. Dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr: Eintritt 5€, ermäßigt 3€.