Peter S. Kaspar hat den Roman »Tempelhofer Feld« gelesen
Ja, es ist eine Liebesgeschichte. Da ist Sven, der nur deshalb auf das Tempelhofer Feld gerät, weil er sich in die Skaterin Luis verguckt hat, die gut und gerne seine Tochter sein könnte. Und da ist dann auch noch Antonia, die sich ihrerseits in Sven verguckt hat, ihm einen Tomatensetzling aus dem eigenen Urban-Gardening-Setzkasten verehrt. Doch den Tomatenstrauch zieht er mit der anderen auf. Eine untreue Tomate eben.
Oder anders. Mit diesen beiden Worten trennt Thilo Bock in seinem Roman Liebesgeschichte von Geschichtsbetrachtung, Geschichtsbetrachtung von Landschaftsbildern und Landschaftsbilder von freier Assoziation.
Thilo Bock ist vielen aus der Lesebühnenszene bekannt, wo er mit seinem Programm »Dichter als Goethe« durch die Stadt tingelt. Doch spätestens nach dem bemerkenswerten Roman »Senatsreserve« hat er sich auch als eine Art Berliner Heimatdichter etabliert.
»Tempelhofer Feld« ist sein dritter und sicher sein aktuellster Roman. Es ist ein liebevolles, an vielen Stellen fast zartes Buch und das gilt bei weitem nicht nur für die beziehungstechnischen Verwicklungen. Der Leser saugt geradezu die frische, reine Luft eines klaren Sommertages in sich ein, spürt die Weite des Feldes.
Dann ist es aber auch ein unglaublich lehrreiches Buch. Fast scheint es, als habe Thilo Bock auf 200 Seiten alle, aber auch wirklich alle historischen Anekdoten des Feldes untergebracht. Vom Kaisermanöver über den Flug der Brüder Wright, dem Ozeanflieger, der Tempelhof verpasste und bis zur polnischen LOT-Maschine, die Tempelhof fand, ist alles drin. Auch die dunklen Seiten des Flughafens spart er nicht aus. Eine kleine Nebengeschichte erinnert an das KZ und die Zwangsarbeiter, die jene Flugzeuge zusammenschrauben mussten, die danach ihre Heimat bombardierten.
Wer noch nicht weiß, wie er am 25. Mai, wenn es um die Zukunft des Feldes geht, abstimmen soll, findet in dem Buch sicherlich eine gute Entscheidungshilfe – für die eine oder andere Position. Thilo Bock jedenfalls legt sich nicht fest und überlässt die Entscheidung ganz dem Leser.
Ja, es ist eine Liebesgeschichte. Doch die Geliebte heißt am Ende ganz klar »Tempelhofer Freiheit«.
Thilo Bock: Tempelhofer Feld. Ein Freiluftroman, Verlag Fuchs & Fuchs, Berlin, ISBN 978-3-945279-01-4, 17 Euro