40 Jahrfeier der »Freunde Neuköllns«

Verein für die Aussöhnung von Gegnern in Europa und Aufwertung von Kultur

»Sind Städtepartnerschaften nicht etwas Verstaubtes von gestern?« Diese provokative Frage stellte Bertil Wewer, der Vorsitzende der »Freunde Neuköllns«, ein Verein, der sich der Pflege der Städtepartnerschaften des Bezirks verschrieben hat. Anlass: Die »Freunde Neuköllns« feierten im Bootshaus der Rudergesellschaft Wiking in der Haarlemer Straße ihr 40jähriges Bestehen mit vielen Gästen aus Kultur, Politik und Gesellschaft und warfen einen Blick zurück in die Geschichte der Entstehung der Städtepartnerschaften in Europa.

Wewer zeigt Kristallkaraffe.   Foto: (c) SPhoto

Bezirksbürgermeister Martin Hikel überreichte als Zeichen der Anerkennung der Verdienste des Vereins für den Bezirk eine böhmische Kristallkaraffe und eine Kiste mit Neuköllner Spezialitäten an Wewer. »Für mich haben Städtepartnerschaften schon immer einen besonderen Wert gehabt. Sie bieten uns die Chance zum Austausch und gewähren uns Einblicke in die Strukturen und Gepflogenheiten anderer Städte. Begegnungen sorgen dafür, dass wir Vorurteile abbauen und ein solidarisches Miteinander organisieren«, sagte Hikel in seiner Begrüßungsansprache.
Das war auch das Ziel der Städtepartnerschafts­idee, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Ehemalige Kriegsgegner sollten sich »begegnen und kennen lernen, um sich nicht wieder gegenseitig die Köpfe einzuschlagen«, erinnerte Wewer.
Als die »Freunde Neuköllns« am 8. März 1983 gegründet wurden, stand die Pflege der denkmalgeschützten Gebäude in Neukölln und die Kultur im Vordergrund. Schließlich dominierte zu der Zeit der Kahlschlag in der Stadt, in der es allzu viele Bauskandale gab. Eine treibende Kraft bei der Gründung des Vereins war Arnulf Kriedner, der seit 1981 CDU-Bürgermeister in Neukölln war. Er wollte die Neuköllner Kulturstandorte attraktiver machen. Der stark heruntergekommene Saalbau Neukölln (heute »Heimathafen«) wurde saniert, und die ehemalige »Bergschloss-Brauerei« in der Lucy-Lameck-Straße, 1975 stillgelegt, wurde Begegnungszentrum für Deutsche und Ausländer, heute »Werkstatt der Kulturen«. Auch der Impuls für die Instandsetzung des Britzer Schlosses und der Gründung der »Stiftung Schloss Britz« sowie zur Reaktivierung der Passage Neukölln, wo 1988 die Neuköllner Oper einzog, kam von den »Freunden Neuköllns«.
Dass der Verein, nachdem er seine großen Projekte realisiert hatte, nicht aufgelöst wurde, war dem Rudower Dieter Herrmann (1937- 2018) zu verdanken. Er legte den Grundstein für die Pflege der Städtepartnerschaften des Bezirks.
Der ursprüngliche Gedanke der Aussöhnung mit Kriegsgegnern und NS-Opfern ist auch mehr als siebzig Jahre nach der Beseitigung der braunen Diktatur nicht völlig überholt. Die Aufgabe der Überwindung von Vorurteilen gewinnt heute angesichts des Kriegs in der Ukraine und der in vielen Ländern grassierenden nationalistischen Tendenzen und der Krise der EU eine unerwartete Aktualität.

mr