Atemlos durch die Nacht

Mit Corona gibt es keinen Schlafplatz

Ich stehe wie so oft in der Schlange zur Notunterkunft. Heute ist kein guter Tag um draußen zu schlafen. Der Wind peitscht um die Häuser und hat Regen im Gepäck. Mich fröstelt es schon den ganzen Tag, und ich bin unendlich müde und erschöpft.
Ich bin an der Reihe und ich habe Glück, es hat für heute noch einen Platz frei. Nur noch den Schnelltest, und dann kann ich mich im Zimmer einrichten und das Abendessen geniessen.
Während ich auf das Ergebnis warte, versuche ich anhand des Küchenduftes zu verorten, was es geben könnte. Es riecht nach Kartoffeln und Suppengrün. Hoffentlich was mit Hühnchen.
Ich werde aus den Gedanken gerissen. Die freundliche Mitarbeiterin kommt mit besorgtem Blick auf mich zu. Der Test ist positiv. Sie könne mir heute und die nächste Zeit keine Schlafmöglichkeit anbieten.
Ich frage sie, an wen ich mich wenden muss und wo ich mich in Quarantäne begeben kann. Sie druckst rum und schaut betrübt zu Boden. »Es gibt keine Quarantänemöglichkeit in Berlin für wohnungslose Menschen, die corona-infiziert sind.« Sie könne leider nichts für mich tun.
Ich trete hinaus auf die Straße, der Wind peitscht noch immer, und die nasskalte Luft nimmt mir den Atem. Ich muss heftig husten und spucke Schleim auf den Gehweg.
Im Kopf gehe ich meine Möglichkeiten durch. Notunterkunft fällt aus, Familie – keen Kontakt, Sven hat nur eine 1-Raum-Bude, Hostel kann ich mir nicht leisten. Scheiße.
Ich gehe zum Bahnhof, da gibt es ein kleines Camp. Ein paar kenne ich ganz gut, vielleicht kann ich mich zum Schlafen dazu legen.
Im Bahnhof kann ich meine Isomatte ausbreiten. Es ist kalt. Ich schlag mich in meine Ecke, Gesicht zur Wand, auf Schlaf hoffend.
Draußen verteilt eine politische Organisation warmes Essen an Bedürftige, is mir egal, der Appetit ist mir vergangen.
Die Nacht ist hart, ich wälze mich hin und her zwischen Schweißausbrüchen und Schüttelfrost, der Husten wird quälend und es brennt in meiner Brust. Halbschlafend liege ich da und versuche es auszuhalten, morgen ist es bestimmt schon besser.

mg