Ukrainekrieg und kein Ende

Die Lage ist ernst

Bereits ein halbes Jahr dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Was bedeutet dieser Krieg für das westliche Bündnis und die europäische Friedens­ordnung und wo stehen wir nach dieser »Zeitenwende«? Diese Fragen waren Thema einer Diskussionsveranstaltung, zu der die SPD Neukölln am 9. September in das Gemeinschaftshaus Gropiusstadt geladen hatte.

von links: Fritz Felgentreu, Agnes Strack-Zimmermann, Ljudmyla Melnyk, Ana-Maria Trăsnea, Moderatorin Liana Fix, Dmitri Stratievski.      Foto: mr

Die Unterstützung der ukrainischen Armee seitens des Westens habe sich gelohnt, konstatierte Ljudmyla Melnyk, Projektleiterin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am »Institut für Europäische Politik« und verwies auf die überraschenden Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive. Die ukrainische Armee sei sehr professionell, was von westlichen Medien allerdings oftmals nicht genügend gewürdigt werde. Um weitere Gebiete zu befreien, sei sie jetzt erst recht auf mehr Waffenlieferungen angewiesen. Die Ukrainer fühlen sich als Europäer, sagte sie, daher sei der Kandidatenstatus für den EU Beitritt ein gutes Zeichen und ein Ansporn für Politik und Gesellschaft, Reformen einzuleiten.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, plädierte ebenfalls für die Lieferung schwerer Waffen, auch wenn das für die Regierung eine große Herausforderung sei. »Waffen werden geliefert, damit sie wirken, das bedeutet den Tod des Gegners«, sagte sie. Aber es sei nun einmal eine Tatsache, dass Russ­land die Ukraine überfallen habe, die jetzt ums Überleben kämpfe. »Wir müssen darauf antworten«, und dazu müssten eben auch Panzer geliefert werden, forderte sie. Damit hätten auch die US-Amerikaner kein Problem, sie würden ohnehin mehr Führung von den Deutschen erwarten. »Der Krieg ist vorbei, wenn Russland sich dahin zurückzieht, wo es hingehört.«
»Russland darf diesen Angriffskrieg nicht gewinnen!« sagte Fritz Felgentreu (SPD), ehemaliger Neuköllner Bundestagsabgeordneter und verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Auch ein Einfrieren des Konflikts sei ein Sieg für Moskau und habe weitere Kriege in der Zukunft zur Folge. Sorgen mache er sich auch über den Zusammenhalt der Europäer in dieser Frage. Die erstarkenden nationalistischen Bewegungen, die vielfach von Russland gefördert würden, seien »Brandgefährlich«.
Auch Dmitri Stratievski, Vorstandvorsitzender des Osteuropa-Zentrums Berlin, sieht »Risse in der Gemeinsamkeit der EU« besonders zwischen den westeuropäischen und den osteuropäischen Ländern. Deren Sorgen, die sich in diesem Fall als begründet herausgestellt haben, müssten ernster genommen werden. Für den zukünftigen Umgang mit Russland fordert er eine komplette Neuorientierung. »Unsere alte Formel »Wandel durch Handel« hat nicht funktioniert.« Die Mehrheit der russischen Gesellschaft scheine den Krieg zu unterstützen oder zumindest zu tolerieren, aber in Ermangelung unabhängiger Umfragen wisse derzeit niemand, wie die russische Gesellschaft ticke.
Wie Berlin sich den Auswirkungen des Krieges stellt, schilderte Ana-Maria Trăsnea, Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Engagement-, Demokratieförderung und Internationales. »Die Sorgen der Berliner wegen Inflation, steigender Lebensmittel- und Energiepreise müssten ernst genommen werden«, deshalb plane Berlin auch ein eigenes Entlastungspaket, kündigte sie an.
Auch international wie im Städtenetzwerk Metropolis und beim Städtegipfel U20 der G-20 Staaten sorge Berlin dafür, dass der Ukraine-Krieg auf der Tagesordnung bleibe.
»Die Lage ist natürlich ernst, aber dennoch ist es falsch, alarmistisch zu reagieren«, sagte Trăsnea .
»Wir müssen uns alle unterhaken und solidarisch miteinander sein«.

mr