Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
Von allen rücksichtslosen Menschen gehen mir derzeit die Fahrrad-Rüpel in Berlin am meisten auf den Wecker, wenn sie mit affenartiger Geschwindigkeit übern Fußweg rasen und einen ohne warnendes Klingeln — das hat ein Rüpel nicht nötig! — nahezu übern Haufen radeln, wie es mir diesen Mittwoch passiert ist auf meinem Weg vom U-Bahnhof Hermannplatz zu ALDI in der Hasenheide.
Ein Schritt zu weit nach links, und der Kerl hätte mich krankenhausreif plattgemacht. Das fand ich ziemlich schlimm.
Vor dreitausend Jahren schrieb uns Salomo ins Buch der Sprüche: »Man muß dem Bösen wehren mit harten Schlägen.« Nun bin ich kein Schläger, sondern gewohnt, alles mit Worten zu regeln. Deshalb hab ich den Radler trotz seiner beiden Hörknöpfe im Ohr angesprochen weil ich ihn wiedersah, als er vor der Neuen Welt sein Fahrrad abstellte und anschloß. Ich fragte ihn, ob er als Fußweg-Radler denn sein Verhalten so OK fände und bekam von dem freundlichen jungen Mann die klassische Antwort: »Fuck off!« Dann verschwand er im Biomarkt.
Nun bin ich zwar 73 und werde in Neukölln nicht mal mehr als Schöffe geduldet, sondern ausgegrenzt, weil zu alt und zu lebenserfahren, doch deswegen brauch ich mir trotzdem nicht alles gefallen zu lassen. Nach meinem ALDI-Einkauf konnte ich mir dann doch nicht verkneifen, dem Rüpel-Fahrrad die Berliner Luft hinten aus dem Reifen zu lassen.
Kurz vorm Eingang zum U-Bahnhof hat mich der Fußweg-Raser dann erwischt, irgendwas auf Französisch gebrabbelt und mich angespuckt.
Anschließend ist er mit seinem platten Hinterreifen — felgenmäßig so rücksichtslos wie überhaupt und insgesamt als Persönlichkeit — weitergefahren. Allerdings diesmal auf dem Radweg, der ja da ist.
Deshalb freue ich mich im Nachhinein über meinen Mut zum Widerstand und bin Salomo für seine weisen Denkanstöße sehr dankbar.
Herbert Friedrich Witzel.