Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Neuköllnische Zeitung – Freitag, 02.06.1922
Tausend Mark für eine Katze. Eine siamesische Katze ist aus einer Villa im Tiergartenviertel entlaufen. Dem Wiederbringer werden tausend Mark Belohnung zugesichert. Hoffentlich hat sich die holde vierbeinige Siamesin nicht schon in einen Dachhasen gewandelt, um in die Pfanne gehauen zu werden.

Neuköllner Tageblatt – Samstag, 03.06.1922
Brotpreiserhöhung ab 16. Juni. Infolge der Kohlenpreiserhöhung und der Heraufsetzung der städtischen Tarife hat der Berliner Magistrat in den letzten Tagen mit den Organisationen der Bäckermeister Groß=Berlins über eine Heraufsetzung der Preise für Markenbrot verhandelt. Es wurde beschlossen, ab 16. Juni die Preise für Markenbrot auf 26,25 M., für eine Schrippe auf 56 Pfg. festzusetzen. Markenfreies Brot wird vom gleichen Tage 16 M. (1400 Gramm), die weiße Schrippe eine Mark pro Stück kosten.

Neuköllner Tageblatt – Mittwoch, 07.06.1922
Neue Straßenbezeichnungen im Verwaltungsbezirk Neukölln. In Abänderung seines früheren Beschlusses bringt das Neuköllner Bezirksamt für die Bendastraße in Rudow die Bezeichnung »Alt=Rudow« statt Feldspatstraße und für die Dorfstraße in Buckow die Benennung »Alt=Buckow« statt »am Dorfanger« dem Magistrat in Vorschlag.

Neuköllnische Zeitung – Mittwoch, 07.06.1922
Tantalus auf Reisen. Sanitätsrat X., der ein feiner Mann, aber ein großer Fresser ist, macht – so lesen wir im »Simplizissimus« – eine Reise nach Meseritz. Seine Frau gibt ihm ein stattliches Freßpaket mit, befiehlt aber dabei: »Daß du nicht vor Frankfurt anfängst –!« – Der Sanitätsrat reist. Station Friedrichstraße – – – er liebäugelt mit dem Freßpaket. Schlesischer Bahnhof – – – er nimmt es auf den Schoß. Kaulsdorf – – – er hält es nicht mehr aus. Er öffnet das Paket. Da leuchtet ihm ein weißer Zettel entgegen: »Du Schuft – – –! Ist das – Frankfurt –?«

Neuköllner Tageblatt – Sonabend, 10.06.1922
Die Preise für Erdbeeren und Kirschen sind für unsere Jugend unerschwinglich. Welcher Familie ist es heute möglich, 20 Mk. für 1 Pfund Erdbeeren oder Kirschen anzulegen? Und was ist heute ein Pfund mit der schweren Papiertüte gewogen? Die Jugend muß darben und das muß sich einmal bitter rächen.

Neuköllnische Zeitung – Mittwoch, 14.06.1922
Zur 200jährigen Jubelfeier der Brüdergemeine in Herrnhut. Am 17. Juni wird ein seltenes Fest im kleinen, aber weiten Kreise der Brüderkirche und ihrer Freunde gefeiert werden. Selten ist das Fest, denn es ist eine Jahrhundertfeier. Die Brüdergemeine feiert das Andenken an ihre erste Gründung vor 200 Jahren. Die Feier wird sich über fast alle Erdteile erstrecken, nur Australien ist seit dem Kriege ausgeschaltet. Auch die Brüdergemeine in Neukölln, Kirchgasse 15, gedenkt diesen für ihre Geschichte so wichtigen Tag durch eine Feier am kommenden Sonntag festlich zu begehen.

Neuköllnische Zeitung – Mittwoch, 14.06.1922
Rauchen in Nichtraucherabteilen. Der Reichsverkehrsminister teilt auf eine Anfrage mit, daß er auf die Bestrafung der Raucher, die in Nichtraucherabteilen und D=Zuggängen rauchen, nicht verzichten könne, weil er die Interessen der Nichtraucher wahrnehmen müsse.

Neuköllner Tageblatt – Donnerstag, 22.06.1922
Das Ende des Post­horns. Da die Reichspostverwaltung bestrebt ist, ihre Personenposten allmählich durch Postautomobile zu ersetzen, so werden im Laufe dieses Sommers die letzten Pferdeposten verschwinden. Nach einer Verordnung des Reichspostministers werden die alten Requisiten der Postillione, Hüte und Posthörner eingezogen.

Neuköllner Tageblatt – Donnerstag, 22.06.1922
Ein neuer Beruf. Die Zentrale der Hausfrauen=Vereine Groß=Berlins hat einige Damen zur Verfügung, die gegen Entgelt und evtl. Uebernehme hauswirtschaftlicher Arbeiten Wohnungen während der Reisezeit beaufsichtigen. Ein guter Ausweg, die Unruhe der Reisenden um die leere Wohnung oder unversorgte Familienmitglieder, Blumen und Tiere zu bannen.

Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1922 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.

Trara, die Post ist da

Das Posthorn kündigt die Ankunft an und ruft zur Abfahrt

Lange bevor es eine organisierte Post gab, nutzten Schlachter, die zum Viehkauf über Land zogen und dabei auch die Post mitnahmen, das Horn als Signalinstrument, mit dem sie ihre Ankunft ankündigten. Geschnitzt wurde es aus Hörnern geschlachteter Rinder.

Photo: Klingendes Museum Bern

Die ersten Hörner aus Metall wurden Anfang des 15. Jahrhunderts gefertigt. Seit dem 16. Jahrhundert trugen die Postreiter und seit der Einführung der Postkutsche im 17. Jahrhundert die Postillone ein solches Horn bei sich. Damit konnten sie den Pferdewechselstationen schon aus der Ferne durch unterschiedliche Signaltöne ankündigen, welche Art Post sie dabei hatten, wie viele Wagen ankommen und wie viele neue Pferde benötigt wurden.
Auch ein Signal zum Einsteigen war notwendig, denn nur zu gerne nutzten die Reisenden die Pausen, um die gequälten Knochen zu erholen oder ein kühles Bier zu trinken
Unterwegs nutzte der Postillon als Fahrer der Postkutschen das Posthorn (ähnlich wie der heutige Autofahrer die Hupe), um andere Verkehrsteilnehmer vor der herannahenden Kutsche zu warnen oder sie aufzufordern, Platz zu machen, da die Postkutsche Vorrang besaß. Ebenso gab es zu dieser Zeit Überfälle oder andere Notsituationen, auch hierzu gab es ein Notsignal.
Das Posthorn gab es in verschiedenen Varianten, doch meistens entsprach es der einfachen, ventillosen Urform der heutigen Metall-Hörner: Die dünne Röhre ist kreisrund gebogen, einmal oder mehrfach gewunden, daran stecken ein trichterförmiges Mundstück und ein Schallbecher.
Mit dem Aufkommen der Eisenbahn und des Automobils wurde die Postkutsche und damit auch das Posthorn überflüssig.
Aber bis heute ziert das Posthorn nicht nur das Wappen der Deutschen Post AG, sondern auch vieler ausländischer Versandunternehmen.

mr