Das »Hole44« rockt die Hermannstraße
In der Hermannstraße, Höhe Neubritzer Tor, mögen viele nicht unbedingt einen Hort der Kultur und Unterhaltung vermuten. Doch schon 1949 wurde hier mit dem »Globus«-Filmpalast der erste reine Kinoneubau Berlins nach dem letzten Weltkrieg eröffnet. Das zweigeschossige Rangtheater mit quadratischem Zuschauerraum zeigte fast 20 Jahre lang ein buntes Filmprogramm – dann war Schluss, und der Saal wurde als Supermarkt und zuletzt als polnische Diskothek »Galaxy Club«, berüchtigt für wodkareiche polnische DJ-Nächte, genutzt.
Nach pandemiebedingter Verzögerung eröffnete vor Kurzem hier das »Hole44« als Konzerthalle für etablierte Künstler wie für aufstrebende Talente; Es bereichert nun von Neukölln aus die ohnehin nicht arme Kulturszene der Stadt und bietet mit einem prallen Programm aus den Bereichen Pop, Rock, Punk, Metal und Alternative eine Vollladung für den coronaentleerten Livemusikakku. Von außen unscheinbar, wenngleich durch üppige Plakatierung als Konzertort erkennbar, birgt das »Hole« innen im würfelartigen, säulenfreien und in pragmatischen Grautönen optisch schlicht gehaltenen Raum eine moderne hohe Bühne, zwei Bars und eine Sound- und Lichttechnik auf modernstem Stand. Geblieben ist auch die Tribüne, die beste Sicht aufs Bühnengeschehen ermöglicht. Gut 700 Gäste finden hier unten oder oben ihren (Steh-)Platz.
Das »Hole« ist das jüngste Venue der mit Berlins lokalem Veranstalter »Trinity« zusammenarbeitenden »Channel Music GmbH«, zu der auch das »Huxleys Neue Welt« an der Hasenheide sowie das legendäre »Quasimodo«, das »Metropol«, die Bühne in der Spandauer Zitadelle und das Kreuzberger »Musik und Frieden« gehören und die mit über 80 Festangestellten und jeder Menge Gastroaushilfen und Soloselbstständigen eine wichtige Rolle in der hiesigen Musikszene spielt.
Den Startschuss für das wiedererwachende Livegeschehen gab am 16. März das »Concert für Ludy«, ein Benefizkonzert für die Ukraine und für Frieden und Völkerverständigung. Bekannte Acts wie KLAN, Milliarden oder der HipHopper Fatoni musizierten ebenso für die gute Sache wie die ukrainischen Songwriterinnen Mimi Mitina mit ihrer Ukulele oder Vyka mit intensiven, auf Russisch gesungenen Pianoballaden. Höhepunkt war sicherlich der Livestream eines Probenkellerkonzerts der ukrainischen Punk-Folk-Band »Selo i Ludy«, das direkt aus dem Kriegsgebiet in Kharkiv übertragen wurde. Mit Akkordeon und Balalaika bot das Trio ruppige Polka-Rock-Versionen von Bon Jovi- oder Eurythmics-Hits dar. Die Turbofassung von »It’s Raining Men« war dabei ein besonderer Spaß, der trotz des ernsten Anlasses für Heiterkeit und Begeisterung sorgte.
Zwischen den Auftritten kamen Vertreter gemeinnütziger Organisationen wie »Karuna« oder »LeaveNoOneBehind« zu Wort und das »Traumzeitkollektiv« vermittelte mit einem Schattenspiel die Absurdität von Flucht und Krieg.
Möge das »Hole44« nichts mehr von seinem straffen Programmplan abhalten. Auf zum Rocken in die Hermannstraße!
hlb
Hole44, Hermannstr. 146, https://hole-berlin.de, Facebook: holeberlin