Bunter Gastroreigen im Reuterkiez

Wer macht auf, wer zu und wer anders?

Das »Kuschlowski« in der Weserstraße hat seit 2007 schon manchen Umbau und Konzeptwechsel durchgemacht. Als Wohnzimmerbar mit Kaminfeuer, Eimerhockern und Wodkagedecken gestartet, war es zuletzt russisch-veganes Restaurant und dann nur noch Wochenendcafé. Nun hat Gastronom Artem Hein seine »Vater Bar« in der Reuterstraße zugemacht und hierher verlegt. Der Ausgangspunkt des Bargeschehens befindet sich neuerdings mitten im Lokal; rund um den großen zentralen Tresen wird nun wieder ausgiebig geplaudert, gefeiert, Cocktail oder Bier getrunken und natürlich sich warmgekuschelt. Raucher kommen in einem winzigen Seitenkabuff zu ihrer Sucht und garantiert ins Gespräch.

Göttlich trifft gambisch.     Foto: hlb

Auch die wohnzimmerliche Einrichtung des Nachbarschafts- und Kulturlokals »Göttin der Weisheit« in der Lenau­straße wurde seit Oktober 2018 immer mal wieder umarrangiert. »Trinke Denke Gedeihe« heißt weiterhin das Motto der Geschäftsführerschwestern Jana und Svenja Rühland, die aus dem Voralpenland kamen, um unter dem Eulen-Logo mit Konzerten und Jam Sessions, wissenschaftlichen Vorträgen und Gesprächsrunden sowie begleitenden Getränken zur Grips- und Horizonterweiterung der Gäste beizutragen. Außer für die Open Stage für Jazz, Singer-Songwriter oder ­Folkloristisches jeden letzten Mittwoch im Monat lohnt es sich immer mal für spontane Events in die Nichtraucherbar hereinzuschauen. Und neuerdings auch für die gambische Küche, die Ebrima (Ibrahim) Touray hier »Shop-in-Shop«-mäßig kocht. So wird als »African Food from the Smiling Coast« etwa Couscous oder Reis mit Spinat oder Erdnussbuttersoße wahlweise vegan oder mit Rindfleisch serviert – und ist für Caterings zu buchen.
Keine lange Chance hatte die kurz vor Corona eröffnete »Nachbarschafts-Weinbar« namens »Shed« an der Pannier- Ecke Pflügerstraße, die jüngst aber zum Restaurant »merold« mutierte. Geblieben ist der sparsame Bi­strostil sowie die stattliche (Natur-)Weinauswahl, bei der sich neben deutschen und österreichischen auch slowakische und tschechische Tropfen, übernommen vom Vorgänger, entdecken lassen. Inhaber und Koch Jonas Merold, der schon bei Tim Raue und im »Reinstoff«, »Coda« und »Cell« sein Können bewies, kombiniert traditionelles Kochhandwerk mit saisonalen, regionalen und fair produzierten Produkten zu »wechselnden Gerichten zum Teilen«. Diese sind zeitgeistgemäß schlicht nach ihren wesentlichen Ingredienzen wie »Bratwurst / Kohl / Senf« (15 Euro) oder »Lauch« benamt, bergen aber mit ihrem kreativen Aromen- und Texturenspiel und eigenen Fermentationstechniken spannende Gaumenerlebnisse. Zwar schon mehr auf die Preis- und Essgewohnheiten der metropolenerfahrenen neuen Gourmetgeneration ausgerichtet, ist das »merold« aber doch eine unprätenziöse Kiezadresse für einen Hauch von Haute Cuisine für jedermann.
Wehmut hinterlässt das im Dezember geschlossene »Jimmy Woo«, das in den Nullerjahren in der Friedelstraße mit mitunter wild-chaotischen Jazz- und DJ-Abenden unter dem kultigen Bruce-Lee-Foto-Leuchtkasten zu den Vorreitern des Nordneuköllner Gastrobooms gehörte, dann gesetzter wurde, aber Originalität und Niveau seiner frischen indochinesisch, insbesondere laotisch geprägten Küche stets halten konnte. Goodbye Jimmy!

Asiatisches Ambiente.  Foto: hlb

Zwei Häuser weiter hat sich fast zeitgleich ein weiteres asiatisches Lokal, das Imbissrestaurant »Pho H&D«, neu aufgestellt als »Doca Cuisine«. Geblieben sind sowohl die urige, Klischees nicht scheuende Einrichtung wie auch die günstigen, nun noch vielfältigeren vietnamesischen Gerichte. Neben Suppen, Bowls oder hausgemachten gelben, grünen oder pinken Nudeln mit Gemüse und Rind, Huhn, Ente, Garnelen oder Tofu sorgen jetzt auch »Tapas« in Form von Teigtaschen, gegrillten Spießen, Sommerrollen oder Gemüsen, für fünf bis sechs Euro angeboten, weiterhin für gute, schnelle Labsal.
Wer sich umschaut, findet auch neue Weinbars oder Taco-Imbisse im Kiez – es bleibt erfreulich spannend in Neuköllns nördlichstem Zipfel …

hlb
Vater Bar,  Weserstraße 202,
Di – So ab 18 Uhr
Göttin der Weisheit/Touray African Food, Lenaustraße 5,
Di – Sa ab 18 Uhr, www.goettinderweisheit.de
merold, Pannierstraße 24,
Di – Sa 18 – 23 Uhr, www.restaurant-merold.de
Doca Cuisine, Friedelstraße 22,
tgl. 12 – 23 Uhr