Andrej Holm zur Wohnungsfrage
Die anhaltende Pandemie hat verdeutlicht, was Wohnen für die Menschen bedeutet und an welche Grenzen es stößt. »Insbesondere Familien merkten in der Corona-Krise schnell, dass ihre Wohnung nicht für Home-Office und Home-Schooling geeignet ist und Wohnungsgrößen und Grundrisse nicht auf ein paralleles Arbeiten und Kinderbetreuung ausgerichtet sind.« Das hebt der Sozialwissenschaftler und wohnungspolitische Aktivist Andrej Holm gleich zu Anfang seiner fundierten Analyse »Zur Wohnungsfrage und was Engels noch nicht wissen konnte« hervor.
Im Wohnen spiegeln sich die Widersprüche des Lebens unter Bedingungen der »kapitalistischen Urbanisierung« gleich in drei Dimensionen wider: »Wohnen als Zuhause«, »Wohnen als Immobilie« und »Wohnen als Umverteilungsmechanismus und politischer Kampfplatz«.
»Die Wohnung ist privater Fluchtpunkt in unübersichtlichen gesellschaftlichen Verhältnissen und Basis für die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben«. Gleichzeitig wird sie »als Immobilie« zum »Objekt der Rendite«. Wohnraum wird bei zunehmend dichter Bebauung knapp und die Mieten steigen. Ökonomisch zeigt sich »eine soziale Blindheit« des privatwirtschaftlich organisierten »Wohnungsmarktes«. Kann es gelingen, der auf diesem »Markt« stattfindenden »Umverteilung« von Vermögen in die Hände weniger Besitzender zu stoppen und bezahlbaren Wohnraum für alle bereit zu stellen und zu halten? Wenn überhaupt, geht das nur durch politische Initiativen.
Bauen und Wohnen, die sich »am Gemeinwohl« orientieren, sind gefragt. »Anders als in den Verfassungen der Weimarer Republik und der DDR gibt es im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland kein Recht auf Wohnen.« Wie umstritten die im Grundgesetz vorgesehenen Maßnahmen der »Enteignung« und »Vergesellschaftung« von Grund und Immobilien sind, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum »Mietendeckel« gezeigt.
Andrej Holm erläutert mit empirischem Material, dass sich seit den Analysen von Friedrich Engels »zur Wohnungsfrage« in 150 Jahren nicht viel geändert hat, auch nicht an den patriarchalischen Geschlechterrollen, die sich in der aktuellen Pandemie einmal mehr als verfestigt zeigen.
th
Andrej Holm, Objekt der Rendite, Dietz Berlin, 16,00 Euro