Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Neuköllner Tageblatt – Mittwoch, 3. 8. 1921
Erfolgreiche Diebesjagd in Rudow. Durch die Unerschrockenheit der Rudower Polizeibeamten, des Oberwachtmeisters Elsemann und Landjägers Walter gelang es gestern morgen 2 Uhr Telegraphendrahtdiebe bei der Arbeit zu überraschen. Durch eine Sicherungsarlarmvorrichtung benachrichtigt, suchten die beiden Beamten die Neuköllnerstraße und die Buckowerstraße ab. Endlich unweit der Budenstadt bei Bie­neckes Mühle stießen sie auf drei Männer, welche den Draht von den Fernsprechleitungen schnitten und zusammenrollten. Auf Anruf versuchten die Verbrechner in der Dunkelheit zu entkommen. Aber dank des vorzüglichen Polizeihundes wurde einer gestellt. Kaum hatte man diesen ins Gewahrsam gebracht, als ein Radler mit 2 Fahrrädern und einem Rucksack an den Beamten vorüberfuhr und »Guten Morgen« wünschte. Diese riefen ihn an, er warf Rucksack und Rad fort. In aufregender Jagd verfolgt, feuerte der Dieb 10 Schuß auf den Wachtmeister Elsemann, glücklicherweise, ohne denselben zu verletzen. Schließlich warf der Dieb, ebenfalls beschossen, sein zweites Rad fort und lief wie ein Schnelläufer nach Berlin. Die beiden erschöpften Beamten konnten wegen Raddefektes ihm nicht folgen. Der Rucksack enthielt einen frisch geschlachteten Hammel. Den entkommenen Verbrechern ist man auf der Spur auf Grund der Aussagen des Verhafteten. Auch von dem Hammeldieb sind Spuren gefunden.

Neuköllnische Zeitung – Mittwoch, 3. 8. 1921
Die neue Hundesteuermarke. Auch die Hunde in den Vororten sind »Berliner« geworden. Nachdem die Hundesteuer vom Berliner Magistrat bezw. der Berliner Stadtverordnetenversammlung einheitlich für das ganze Berliner Gebiet festgesetzt ist, haben die Steuerverordnungen in den Vororten aufgehört. Damit sind auch die verschiedenartigen Steuermarken der Vorortgemeinden in Wegfall gekommen, und die Hunde im neuen Berlin tragen nun die »Einheitsmarke«. Diese ist für das laufende Steuerjahr in Weißblech hergestellt. Sie hat die Form eines Rechtecks, das an den Ecken eingebogen ist und deren Seiten geschweift sind. In der Mitte befindet sich das Berliner Wappen. Daneben steht links: »vom 1. 4. 1921«, rechts: »bis 31. 3. 1922«, also der Zeitraum der Gültigkeit der Marke. Darunter ist dann die Nummer des Hundes bezw. des Steuerzahlers eingestanzt.

Neuköllnische Zeitung – Mittwoch, 3. 8. 1921
Verhaftung einer Friedhofsdiebin. Auf dem Neuen Luisenstädtischen Friedhof in der Hermannstraße hierselbst wurde eine gewisse Martha H. dabei überrascht, als sie von Grab zu Grab ging und die blühenden Rosen von den Stöcken abschnitt. Als sie festgenommen wurde, hatte sie bereits 40 Rosen in ihrem Besitz. Man übergab die gefühlsrohe Diebin, die jede nähere Auskunft über ihre Person und ihren Wohnsitz verweigerte, der Kriminalpolizei.

Neuköllnische Zeitung – Freitag, 5. 8. 1921
Bessere Auskunft auf den Bahnhöfen. Eine ausreichende Erteilung von Auskunft an Reisende auf Bahnhöfen ordnet eine besondere Verfügung des Reichsverkehrsministers an die Zweigstellen des Reichsverkehrministeriums, die Eisenbahn=Generaldirektionen und die Eisenbahndirektionen an. Es soll dafür gesorgt werden, um den sich mehrenden Klagen über mangelhafte Zurechtweisung der Reisenden und über ihre ungenügende Unterrichtung bei Abweichungen vom planmäßigen Zugbetriebe zu begegnen. Wo es die Verhältnisse zur Entlastung der Aufsichtsbeamten nötig machen, sind Auskunftschalter einzurichten oder besondere Beamte mit der Auskunft auf den Bahnhöfen zu betrauen. Der Platz dieser Beamten ist in geeigneter Weise kenntlich zu machen. Die Auskunftsstellen sind rechtzeitig und zuverlässig über alle Vorgänge zu unterrichten, die den Reiseverkehr beeinflussen. Insbesondere sollen sie bei Verspätungenund bei der Versäumung von Anschlüssen die Hilfswege angeben können, auf denen man das Reiseziel noch erreichen kann.

Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1921 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.

Luxussteuer für Luxustiere

Die Erfindung der Hundesteuer

Eine Art Hundesteuer existierte bereits Mitte des 13. Jahrhunderts. Die Bauern mussten für das Vergnügen der Adligen, mit Hunden Jagd auf Wildtiere zu machen, entweder einen Hund stellen oder für die Versorgung der vorhandenen Hunde durch die Abgabe von Korn, das so genannte »Hundekorn«, aufkommen. Arme Bürger bezahlten also über die Hundesteuer die Tiere ihrer Grundherren. Heutzutage ist es anders herum: Der Hundehalter selbst muss an die Gemeinde zahlen.
Dieser Wandel begann in England, wo 1755 die erste Steuer eingeführt wurde, um die steigende Anzahl von Hunden einzudämmen. Davon ließen sich auch deutsche Länder inspirieren.
1810 führte der preußische König Friedrich Wilhelm III. neben Abgaben auf Diener und Katzen, Vögel und Pferde erstmals auch eine Steuer auf Hunde ein. Der König fand, wer sich Tiere zum Vergnügen leistet, sollte in der Lage sein, etwas für die Allgemeinheit abzugeben.
Von der Steuer befreit waren Gebrauchs­tiere wie die Zugtiere vieler Handwerker und Händler, Schäferhunde oder Jagdhunde. Auch den Bauern stand ein steuerfreier Wachhund zu. Zum Nachweis der bezahlten Steuer wurden Marken ausgegeben, die am Hundehalsband zu tragen waren.

Berliner Hundemarke. Foto: historisch

Zunächst wurde diese Steuer als Staatssteuer eingerichtet. Vom 29. April 1829 an berechtigte eine Kabinettsorder aber die Städte, also auch Berlin, eine kommunale Hundesteuer zu erheben – zum ersten Mal in Deutschland. In Berlin wurden die Einnahmen zur Befestigung der Bürgersteige verwendet.
Für die Städte und Dörfer rund um Berlin war mit der eigenständigen Verwaltung dieser Steuer aber Schluss, als am 1. Oktober 1920 Berlin mit sieben weiteren Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken zur neuen Stadtgemeinde Groß-Berlin fusionierte. Dadurch wurden nicht nur die Einwohner dieser Vororte, sondern auch deren Hunde mit einem Schlag zu »Berlinern«.

mr