In eigener Sache

Absage des »Kneipengesprächs« mit AfD-Kandidat Andreas Wild am 16. Mai 2017

Die KIEZ UND KNEIPE Neukölln hat bereits zur Bundestagswahl 2013 ein eigenes Format entworfen, um mit den Neuköllner Bundestagskandidaten in einen kritischen Dialog zu treten – die »Kneipengespräche«. Jeder Kandidat war in eine Kneipe zum Gespräch mit einem Neuköllner Bürger eingeladen, die anwesenden Gäste konnten mit in die Diskussion eingreifen. Ausgewählt wurden die Parteien, die einen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung hatten. Auch für die anstehende Bundestagswahl war dieses Format wieder geplant.
Es fiel uns nicht leicht, auch die AfD zu einem solchen Gespräch einzuladen, aber unser demokratisches Verständnis und unsere journalistische Überzeugung, dass die Bundestagskandidaten der in die Bezirksverordnetenversammlung gewählten Parteien – CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD – zu Wort kommen und sich den Bürgern des Bezirks stellen sollten, bewegte uns zu diesem Schritt. Der AfD-Bundestagskandidat für Neukölln ist Andreas Wild, der in der Vergangenheit durch völkische und rassistische Parolen auffiel, von denen auch wir uns bekanntermaßen distanzieren.
Viele Neuköllner zeigten Interesse an der für den 16. Mai im »Schiller’s« geplanten Veranstaltung, einige hatten nachvollziehbare Bedenken, sie könne zu einer Propagandaveranstaltung missbraucht werden, wieder andere versuchten, sie ganz zu verhindern. Nachdem wir diverse Drohungen erhielten, die KIEZ UND KNEIPE Neukölln in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu vernichten, einzelne Redaktionsmitglieder Androhungen bis hin zu körperlicher Gewalt ausgesetzt waren, und auch unsere Anzeigenkunden angehalten wurden, uns etwa durch Anzeigenboykott zur Absage der Veranstaltung zu bewegen, sehen wir uns gezwungen, die Veranstaltung abzusagen.
Leider, aber konsequenterweise hat dies zur Folge, dass auch alle weiteren mit den Bundestagskandidaten geplanten Gespräche sowie die geplante KIEZ UND KNEIPE-Sonderausgabe zur Wahl abgesagt werden müssen. Wir bedauern, dass demokratisches journalistisches Verhalten von einigen Menschen in Neukölln mit dem Argument des Schutzes der Demokratie, aber eben auch mit Mitteln der Einschüchterung und Gewaltandrohung verhindert werden.
Berlin Neukölln, 10. Mai 2017
Die Redaktion der KIEZ UND KNEIPE Neukölln

Sündenbock der Gentrifizierung?

Gegrilltes Metall.                                                                                                                                                                            Foto: jt

Brandanschlag auf die »Schillerburger«- Autos mit Kollateralschaden

»Die Message ist glaube ich klar«, sagt Philipp Entekhabi und blickt durch das Fenster auf die ausgekohlten Karosserien vor der »Schillerburger«-Filiale in der Herrfurthstraße.
Der Chef und Mitgründer der boomenden Burgerkette erinnert sich noch an die Angriffe vor fünf Jahren und das damalige Bekennerschreiben, das deutlich machte, dass es den Tätern um die Gentrifizierung im Kiez ging. Seitdem war der Burgerladen samt der dazugehörigen Backstube und dem danebenliegenden Restaurant immer wieder Zielscheibe von Schmierereien und Anfeindungen. Sündenbock der Gentrifizierung? weiterlesen

Falsche Methoden des Widerstandes

Bundesweit hat die Zahl politisch motivierter Straftaten zugenommen, während die Zahl linker Gewalt zurückgegangen ist. Im Fall »Schillerburger« ermittelt nun der Staatsschutz, da angenommen wird, dass sogenannte Linksextreme dahinterstecken.
Diese Brandstifter, die offenbar pauschal gegen jede Art von Veränderung sind, haben jedoch durch ihre Aktion jedes Recht verloren, sich linke Argumente zur Rechtfertigung ihrer Tat anzueignen. Ihr Verhalten ist zutiefst unvereinbar mit urlinken Prinzipien des Zusammenlebens. Brennende Autos und beleidigende Sätze an Wänden werden die Verdrängung im Kiez und die ungerechte Verteilung des Fortschritts weder aufhalten, noch wird es denen, die wirklich profitieren, schaden. Und diese Profiteure sind noch nicht einmal die Burgerunternehmer, auf die sich der Hass richtet. Die Anwohner, die dabei zu Schaden kommen, sind es noch weniger.

Jana Treffler

Coffee goes Mehrweg

Alternativen zum Bechermüll

Morgens auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker schnell den Kaffee für unterwegs mitnehmen, das gehört heute einfach dazu. Aber dieser Genuss hinterlässt enorme Spuren, denn der Becher landet nach Gebrauch bestenfalls im Müll, oft genug aber leider auch einfach auf der Straße. 2,8 Milliarden Coffee to go Pappbecher werden in Deutschland pro Jahr weggeworfen, das sind rund 40.000 Tonnen Müll pro Jahr, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Allein in Berlin sind es 2.400 Tonnen.

Georg KössleR untersucht wiederverwendbare Becher.                                                                                 Foto: fh

Viele Menschen sind sich des Problems zwar bewusst, holen sich mangels Alternativen aber trotzdem ihren täglichen »Coffee to go«. Anfang des Jahres haben die Grünen im Abgeordnetenhaus deshalb einen Antrag gestellt, der den Senat auffordert, gemeinsam mit Handels- und Umweltverbänden nach Lösungen zu suchen, um der steigenden Becherflut Herr zu werden. Coffee goes Mehrweg weiterlesen

Armut ohne Auftrag

Mittellose brauchen Fürsprecher und Vermittler

Was man nicht benennt, das gibt es nicht. So kommt es zumindest Thomas de Vachroi vor, wenn er von dem seiner Meinung nach bestehenden Unwillen der Politik spricht, die Stelle eines Armutsbeauftragten einzurichten. Das Problem der wachsenden Armut sei gravierend, doch keiner wolle zugeben, dass es existiert. Der Leiter des Diakoniewerks »Simeon« ist mit allen Wassern gewaschen, was Sozial- und Flüchtlingshilfe betrifft. Er könnte stundenlang von den schweren Schicksalen der Menschen berichten, mit denen er tagtäglich zu tun hat, und jedes einzelne wäre für sich genommen schlimm genug.


Egal wie unterschiedlich die Ursprünge für all die Fälle von drohender Armut, Wohnungslosigkeit und sozialer Ausgrenzung sind, ihnen allen könnte geholfen werden, meint de Vachroi. Er wünscht sich, dass das Land Berlin die Stelle eines Armutsbeauftragten schafft, der die bestehenden Hilfsangebote und die Arbeit der Bezirksämter kennt, im Blick hat und koordiniert. Denn die Zusammenarbeit zwischen den Bezirken lasse noch zu wünschen übrig, sagt de Vachroi. Armut ohne Auftrag weiterlesen

Für ein solidarisches Europa

DIE LINKE-Kandidatin Judith Benda im Gespräch mit Sylvia-Fee Wadehn

Judith Benda argumentiert.                                                                                                                                                   Foto: fh

Mit Sylvia-Fee Wadehn und Judith Benda trafen im Bierbaum 3 zwei erklärte Kämpferinnen für soziale Gerechtigkeit aufeinander. Wadehn, die Gründerin und Geschäftsführerin der MoRo-Senioren, die seit kurzem auch in der Neuköllner Seniorenvertretung sitzt, trug im Kneipengespräch der Kiez und Kneipe zur Bundestagswahl die Probleme aus ihrer alltäglichen Arbeit an die Neuköllner Direktkandidatin der LINKEN heran. Für ein solidarisches Europa weiterlesen

Liberal auf allen Ebenen

FDP-Kandidat Marcus Jensen im Gespräch mit dem Weinhändler Stefan Bubenzer

Marcus Jensen passt gut auf.                                                                                                                                                 Foto:fh

Sie verbindet doch mehr als nur die Liebe zum Wein: Der gebürtige Rheinland-Pfälzer und FDP-Bundestagskandidat Marcus Jensen und der Weinhändler Stefan Bubenzer (Das Schwarze Glas) dessen Herz eigentlich links schlägt, fanden im von der Kiez und Kneipe moderierten Gespräch durchaus die eine oder andere Übereinstimmung. Liberal auf allen Ebenen weiterlesen

Kneipengespräche

Kiez und Kneipe lädt Kandidaten ein

Zu den Bundestagswahlen lädt die Kiez und Kneipe die Kandidaten der Parteien, die aktuell in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten sind, zu einer Diskussion in eine Kneipe ein, damit sie sich den Fragen der Neuköllner und Neuköllnerinnen stellen können. Nach FDP und LINKE treffen wir in unserer zweiten Runde den AfD-Kandidaten Andreas Wild am 16. Mai um 19 Uhr im Schiller’s, Schillerpromenade 26.

Mit der Kandidatin der CDU, Christina Schwarzer, dis­kutieren wir am 23. Mai um 19 Uhr im Valentinstüberl in der Do­naustraße 112.

Wir freuen uns auf alle Interessierten, die sich informieren und den Kandidaten auf den Zahn fühlen wollen. jt

Unsere Bundesregierung

Einblick in das oberste Organ der Exekutive

Wichtiger Platz des Geschehens.                                                                                                                                      Foto: fh

Die Bundesregierung, bestehend aus Kanzler und Ministern, ist das politische Machtzentrum des Landes, das die Geschäfte des Staates führt und das Land nach innen und außen vertritt. Hier laufen die Fäden des politischen Geschehens zusammen.
Der Bundeskanzler ist »Chef der Bundesregierung«. Er bestimmt die Grundzüge und Schwerpunkte der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Wer dieser »Chef« sein soll, darüber entscheidet das Parlament. Unsere Bundesregierung weiterlesen

Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Nr. 106 – Dienstag,  8. Mai 1917
Bettwäsche für »Stadtkinder auf dem Lande«. Die Reichsbekleidungsstelle teilt mit: Die besonders in Stoffen für Bettwäsche herrschende Knappheit gestattet es nicht, für Stadtkinder, die zur besseren Ernährung auf das Land geschickt, dort also nur zeitweilig beherbergt werden, Bettwäsche zu ihrer Unterbringung neu zu bewilligen. Es ist darauf hinzuwirken, daß die Kinder aus den vorhandenen Beständen des Beherbergenden versorgt werden oder die Angehörigen der Kinder die für diese vorhandene Bettwäsche mitgeben oder nötigenfalls nachsenden. Neuköllner Alltägliches weiterlesen

Mosaike zwischen Baumhainen

Umgestaltung des Lohmühlenplatzes beginnt

Im Mai beginnt die Umgestaltung des südlichen Lohmühlenplatzes im Reuterkiez. Gut für Fußgänger und Anwohner: Bis Oktober werden am nördlichen Kiehlufer ein neuer Gehweg angelegt, eine Fußgängerquerung geschaffen und die Grünflächen neu gestaltet.

Südlicher platz wartet auf lebhafte Nutzung.                                                                                                         Foto: mr

Dafür werden 150.000 Euro aus dem Förderprogramm Aktive Zentren Berlin und den Mitteln der Städtebauförderung des Bezirks Neukölln investiert. Die Maßnahmen sind Teil eines Sanierungspakets, das die Aufenthaltsqualität im Bereich des Lohmühlen- und Weichselplatzes deutlich steigern soll. Mosaike zwischen Baumhainen weiterlesen

Teenager schnuppern Berufsluft

Bezirksamt beteiligt sich am Girls- und Boys-Day

Beim »Girls- und Boys-Day« am 27. April hatten 15 Mädchen und sieben Jungen die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Bezirksamtes Neukölln zu blicken. Ziel des Aktionstages ist, dass Jugendliche in Jobs hineinschnuppern, in denen bislang jeweils Frauen oder Männer seltener vertreten sind und so neugierig auf diese Berufe gemacht werden. Mit der Aktion will das Bezirksamt die Berufsorientierung der Neuköllner Mädchen und Jungen fördern. Teenager schnuppern Berufsluft weiterlesen

»PRAVALIA« – Romanian Delights

Delikates und Schönes aus Rumänien

Drinnen ist‘s vielfältig.                                                                                                                                                               Foto: pr

Beim Betreten des Ladens, den Geschäftsführerin Anne-Kathrin Liedtke seit März dieses Jahres betreibt, wird die Erwartungshaltung an ein irgendwie folkloristisches Ambiente gründlich konterkariert. Ein heller Raum, weiß gestrichen und klar strukturiert, mit drei kleinen Regalen auf der rechten und einem langen Tisch auf der linken Seite, empfängt den geneigten Kunden. Direkt am Eingang laden zwei kleine Bistro-Tische zum Verweilen ein. Dort können in Ruhe die vielen verschiedenen Teesorten oder der Kaffee aus der rumänischen Kaffeerösterei probiert werden.
Bei ihren zahlreichen Reisen nach Rumänien hat Anne inzwischen eine kleine, aber feine Auswahl an Produzenten rumänischer Spezialitäten und Hersteller erlesener Handwerkskunst gefunden, die sie zunächst in ihrem Online-Shop verkauft hat, seit kurzer Zeit aber auch in ihrem Laden in der Karl-Marx-Straße anbietet. »PRAVALIA« – Romanian Delights weiterlesen

Selig werden nach eigener Façon

Café »Selig« öffnet wieder seine Türen — mit neuen Ideen

Das Nebengebäude der Genezarethkirche am Herrfurthplatz hat schon einige Gastronomiebetriebe beherbergt, alle hießen sie »Selig«. Der Name ist im Pachtvertrag vorgeschrieben, also hatte auch Christian Birkelbach keine Wahl, als er die Zusage bekam, das Lokal übernehmen zu können. Nach anfänglicher Skepsis findet er den Namen mittlerweile »super«, wie er selbst sagt, als er inmitten der Werkstatt steht, die das zukünftige Restaurant mit Café, Bar und Eisdiele momentan noch ist. Bis zur Eröffnungsfeier am 12. Mai mit Grillen und Bier-Truck ist noch einiges zu tun, aber es ist gut zu schaffen.

Pfarrerin Radziwill und der neue Wirt.                                                                                                                            Foto: jt

Der neue Chef ist gebürtiger Kölner und seit 20 Jahren in der Gastronomie tätig, mal als Koch, mal als Restaurantleiter. Erfahrung, die er mit Sicherheit brauchen wird, um einen Laden in der Größe des »Selig« zum Laufen zu bringen. Selig werden nach eigener Façon weiterlesen

Steuern ohne Stress

Christine Lachmann hat ihr Büro eröffnet

Mit einem Lächeln an die Belege.                                               Foto: pr

Jeder Unternehmer, insbesondere die jungen Unternehmen zucken ängstlich zusammen, wenn ein Brief vom Finanzamt im Briefkasten liegt. Und so manches Geschäft musste schon seine Pforten schließen, weil die Rücklagen nicht reichten, um die Forderungen zu bedienen.
Um dieses Risiko so klein wie möglich zu halten, und um auch im Zahlenwust und Gesetzgebungen nicht unterzugehen, gibt es Steuerberater.
Christine Lachmann beschäftigt sich seit 25 Jahren mit diesem für Laien leidigem Thema. Jüngst ist sie von Lichterfelde nach Neukölln in die Karl-Marx-Straße 12 gezogen. In ihrem kleinen aber feinen Büro berät und coacht die Berlinerin Existenzgründer, Einzelunternehmer, Freiberufler und Privatpersonen. Steuern ohne Stress weiterlesen

Punkten im »Dots«

Karte trifft den Großstadtnerv

»Good Coffee, Good Food – Fresh and Organic« – es wird (natürlich) englisch gesprochen und organisch konsumiert im ungebrochen hippen Weserstraßenkiez. So auch im Café »dots«, das so sein Geschäftskonzept beschreibt und seine Gastroprodukte weitestgehend regional und fair gehandelt und aus ökologischem, nachhaltigem Anbau bezieht.

Für moderne Leute von heute.                                                                                                                                         Foto: hlb.

Das Ambiente des Cafés ist nordisch leger und urban – schwarz-weiß-Kontraste, nacktes Mauerwerk und Stuck, Kohlefadenlampen, Holzmobiliar und Kakteen auf den Tischchen. Es gibt reichlich Lesestoff, etwas Kunst, und da der WiFi-Spot wieder abgeschafft wurde, ist der Laptopfaktor nur mittelhoch. Die eher jungen Gäste plaudern und geben sich der freundlich entspannten Stimmung hin. Punkten im »Dots« weiterlesen

Eisbein auf dem Canapé

Thorsten Pannek macht Alt-Berliner Küchenklassiker zu Trendsnacks

Dem gebürtigen Berliner und Ex-Barkeeper Thorsten Pannek liegt unsere Heimat-Küche am Herzen. Inspiriert durch eine Streetfood-Sendung im TV und einige Asienreisen fragte er sich, warum es hier kaum innovatives regionales Straßenessen abseits der Currywurst gibt. So studierte er alte Berliner Kochbücher und gründete sein eigenes Cateringunternehmen, um die ollen Gerichte als trendige Snacks neu zu interpretieren.

Eisbeinwagen? Eisbein wagen!                                                                                                                                         Foto: hlb

Unter der Marke »Pannek seine Budike« serviert er Eisbein, Buletten, Blutwurst, Kasseler, Falschen Hasen (Hackbraten) oder Königsberger Klopse, aber in Form von belegten Brötchen (neudeutsch Sandwiches), Canapés und Schnittchen. Dazu gibt’s Suppen wie eine Rixdorfer Kartoffelsuppe mit Karotten, Knollensellerie, Porree und Bockwursteinlage, eine Holzhackersuppe mit Graupen und Rinderbrust als Einlage oder Kasseler Eintopf. Ein paar vegetarische und vegane Varianten mit Kartoffelsalat und getrockneten Tomaten, Harzer Käse mit selbstgemachtem Zwiebel-Pflaumen-Senf-Chutney oder Spreewälder Gurken mit Dillfrischkäse sind ebenfalls im Verpflegungsangebot. Eisbein auf dem Canapé weiterlesen

»Fass-zination« Steelband

Der Karibik ganz nah

War es nur die Sehnsucht nach vertrauten Rhythmen, die mit zur Gründung der ersten Steelband in Deutschland führte? Ein Gründungsmitglied jedenfalls, Lehrer an der Clay Oberschule in Britz, kam aus den USA und wollte auch in Berlin seiner Leidenschaft nachgehen. Vor 40 Jahren, im Herbst 1977, wurde dann die »Tin Pan Alley Steelband« gebildet, die inzwischen zur Neuköllner Musikschule Paul Hindemith gehört.

Sommergefühle im Keller.                                                                                                                                                        Foto: rr

Das tragende Instrument, das den unvergleichlichen Sound ausmacht, wird Steelpan (Stahlpfanne), auch Steeldrum (Stahltrommel) genannt. Traditionell wird es aus einem alten Ölfass hergestellt. Zwei Bambus- oder Aluminiumklöppel mit einem Gummikopf entlocken den kunstvoll gestimmten Klangfeldern auf den Ölfassböden jene chrakteristischenTöne, die nicht nur hierzulande das »karibische Gefühl« erzeugen. »Fass-zination« Steelband weiterlesen

Mit strammen Waden wandern

»Stramme Wade e.V.« erläuft Neuköllns Süden

Es überrascht, dass der Bäcker um die Ecke auch Startkarten für einen zehn Kilometer langen Wanderrundweg durch Britz bereit hält. Ein Erwerber erzählte, dass er aus Freiburg sei und gern in fremden Städten die ausgearbeiteten Touren örtlicher Wandervereine nutzt. Für zwei Euro kann jeder eine Startkarte erwerben, ist damit für die­se Tour unfallversichert und bekommt eine genaue Streckenbeschreibung.

Die Wanderer sind schon unterwegs.                                                                                                                              Foto: rr

Für den Rundkurs »Hufeisensiedlung« ist der erst 2013 gegründete Wanderverein »Stramme Wade e.V.« verantwortlich, der ganz unten im Süden Neuköllns zu finden ist. Sein Vereinsvorsitzender betonte, wie schwierig es sei, für derartige Wanderrouten geeignete Start- und Zielstützpunkte zu finden, die neben geeigneten Öffnungszeiten auch bereit seien, nebenbei und unentgeltlich den dafür notwendigen Verwaltungskram mitzuerledigen. Mit strammen Waden wandern weiterlesen

Kunterbunt gegen Alltagsgrau

Hundertwassers »Farbenspiele« im Schloss Britz

Er war einer der populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Friedrich Stowasser, (1928-2000) besser bekannt als Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser, war Maler, Architekt, Philosoph und Umweltschützer, der sich aktiv für den Schutz natürlicher Lebensräume einsetzte. Schloss Britz zeigt in Kooperation mit der »Galerie Saal« bis zum 23. Juli einen Querschnitt durch das grafische Werk des Wiener Künstlers.

Friedensreiches Porträt.                                                                                                                                                         Foto: mr

Hundertwassers Markenzeichen sind die Spirale, die er dem Diktat der geraden Linie der Moderne entgegensetzt und die kräftigen Farben, die die Bilder zum Leuchten bringen. So wirken die kunterbunten Bilder wie ein Gegenentwurf zum Grau des Alltags. Kunterbunt gegen Alltagsgrau weiterlesen

Flüchtling, kommst du nach MeckPomm

Ein Roman mit Witz und Ernst


Wie Flüchtlinge aus verödenden Landstrichen in Ostdeutschland blühende Landschaften machen könnten, erzählt Peter S. Kaspar in seinem ersten Roman »Der gute Mensch von Assuan« auf höchst unterhaltsame Weise.
Bei einem Besuch in Berlin lernt der ägyptische Milliardär Mansur Ghali einen Flüchtling kennen, der ihm von seiner Flucht und von den ernüchternden Erfahrungen des Lebens als Asylbewerber in Deutschland berichtet. Dem Unternehmer, der sein Geld mit dem Bau ganzer Städte gemacht hat, ist es völlig unverständlich, dass diesen Menschen verboten wird zu arbeiten, statt sich ihres Potentials zu bedienen. Denn wer die Flucht mit all ihren Gefahren heil überstanden habe, könne ja so dumm nicht sein, meint er.
Aber er hat eine Idee. Er sucht sich ein heruntergekommenes Dorf in Meck­lenburg-Vorpommern und lädt Flüchtlinge aus Berliner Unterkünften ein, sich dort niederzulassen. Gemeinsam mit ihnen baut er eine Mischung aus Wohnprojekt und Bildungsstätte auf und bietet ihnen damit die Möglichkeit, sich für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Flüchtling, kommst du nach MeckPomm weiterlesen

Der Diktator nächtigt im »Hotel Rixdorf«

Die Metamorphose eines Versagers

Während am 1. Mai in Kreuzberg der Bär steppt, und sich Tausende von jungen Leuten, aber auch gestandenes älteres Partyvolk durch die Straßenschluchten des ehemaligen SO36 bewegen, ist es im angrenzenden Nordneukölln, abgesehen von Kreuzkölln, eher ruhig. Vielleicht hat da schon der »Diktator von Rixdorf« seine Hände im Spiel.
An diesem denkwürdigen Abend – vor 30 Jahren wurde in Kreuzberg der Supermarkt Bolle geplündert und ging in Flammen auf – lud das »Hotel Rixdorf« am Böhmischen Platz zur Premiere des neuen Stücks »Der Diktator von Rixdorf« ein.

Diktatorschulung.                                                                                                                           Foto:Ulrike Eickers

Die Premiere war gleichzeitig die Dernière, das heißt, dass das Stück zum letzten Mal gespielt wurde, aber nur im Theater. Dieses Kammerspiel von Artur Albrecht dient als Vorlage für den gleichnamigen Film, der im Herbst in die Kinos kommen wird. Der Diktator nächtigt im »Hotel Rixdorf« weiterlesen

»Manchester by the Sea«

Drama um Trauer und Schuld

»Manchester by the Sea« handelt von Lee Chandler (Casey Affleck), einem wortkargen Hausmeister, der alleine in der Nähe von Boston lebt und sich nach getaner Arbeit manchmal grundlos in Bars prügelt. Nach dem Tod seines Bruders Joe muss Lee zurück in seine Heimatstadt an der Küste von Massachusetts, um sich um dessen Sohn Patrick zu kümmern. Diese unfreiwillige und genauso unerwartete Vaterrolle zwingt ihn dazu, sich mit verdrängten, vergrabenen Gefühlen von Trauer und Schuld auseinanderzusetzen.

Randi und Lee.                                                                                                                                                                                  Foto: pr

In mehreren Rückblenden erzählt der Film vom Trauma Lees, das einige Jahre zurückliegt und versucht zu erklären, warum der Protagonist so ist wie er ist: In einer Nacht, in der er betrunken und auf Drogen nach einem Streit mit seiner Frau Bier holen geht, geschieht im Haus der Familie ein Unfall, bei dem Lees drei kleine Kinder ums Leben kommen. Dieses Trauma definiert sein Leben, und die emotionalen Narben, die der Verlust seiner Kinder und seiner Vaterschaft hinterlassen hat, bestimmen seine Haltung gegenüber seinen Mitmenschen und der Welt. »Manchester by the Sea« weiterlesen

In Geiselhaft

Junge Franzosen und die Präsidentschaftswahlen

»Ich bin wirklich furchtbar enttäuscht von den Ergebnissen. Heute habe ich das Gefühl, die Wahl zu haben zwischen einer, die Ausländerhass predigt und einem, der die Armen verachtet«. Während die deutschen Medien die Ergebnisse der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl mit Erleichterung, ja beinahe wohlwollend aufnahmen und Macrons Führung begrüßten, sind viele junge Franzosen am Rande der Verzweiflung. So auch Clémence, die gerade ein Erasmusjahr an der Freien Universität macht und in Neukölln wohnt.

Seine oder ihre Seine?                                                                                                                                                                  Foto: jt

Die Anfang Zwanzigjährige hat für den linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon gestimmt, wie viele in ihrem Alter, obwohl sie nicht mit allem, was er sagte, einverstanden war. In Geiselhaft weiterlesen

Blätter für die Ohren

Storchschnabel, auch Ruprechts Kraut

Sie sind überall in den Rollbergen kurz vor dem Erblühen, und dann wird uns der Storchschnabel bis in den Herbst hinein mit Blüten von zart-rosa über pink bis zart-lila erfreuen. Wie der wissenschaftliche Name Geranium zeigt, ist das Kraut mit Geranien verwandt.

Stinkt, aber hilft in vielen Fällen. historische Zeichung

Für jemanden wie mich, die mit dem Pulzemärtel groß wurde, der vom Knecht Ruprecht begleitet wurde, ist der Name Ruprechtskraut natürlich spannend. Dieser heilige Ruprecht war im 8. Jahrhundert Bischof von Worms und später von Salzburg, und er soll schon damals die Verwendung des Heilkrauts gelehrt haben.
Es gibt über 400 Arten von Storchschnäbeln, die auf allen Kontinenten verbreitet sind. Der hier überall Herumstehende riecht ziemlich übel. Blätter für die Ohren weiterlesen

Basteln mit Rolf

Drahtige Gottesanbeterin

Die Europäische Gottesanbeterin ist die einzige Fangschrecke, die inzwischen auch dauerhaft in Berlin Schöneberg lebt. Sie ist leicht und maßstabgetreu aus Blumendraht und einem Kronkorken zu machen. Als Werkzeug reicht eine Biegezange und ein Seitenschneider und Lust zum Pfriemeln. Wie auf dem Bild zu sehen, sind alle Gliedmaßen und der Kopf aus Blumendraht gedreht. Nur die zwei Fühler bleiben glatt. Der Kronkorken, mittig zusammengefaltet, wird zum Hinterleib.
Fertiggestellt fällt diese Gottesanbeterin nicht mehr unters Artenschutzgesetz, das strengstens ihr Einsammeln sowie das Halten untersagt.

Petras Tagebuch

Knatsch zwischen Tulpen und Osterglocken

Wie in jedem Frühling, wenn der Eindruck entsteht, dass der Kalender sich nicht an das hält, was ich vom Frühling erwarte, muss ich meine Wohnung mit Blumen ausstatten. Sie sind Trostpflaster und Illusion, dass sich ein paar Sonnenstrahlen einstellen und der Dauerfriererei ein Ende gesetzt wird.
Bevorzugt entscheide ich mich für Tulpen.
Bei meinem letzten Kauf nahm ich jedoch Osterglocken und Tulpen. In dem Zusammenhang fiel mir ein, dass mir erzählt wurde, dass Tulpen mit Osterglocken nicht in Berührung geraten dürfen, weil die Tulpen dann sofort die Köpfe hängen lassen. Petras Tagebuch weiterlesen