Archiv der Kategorie: Literatur

Diplomatie als Herausforderung

Sind friedliche Lösungen für Kriege noch möglich?

Es gehört Mut und Hoffnung dazu, Worte statt Waffen einzufordern und die Diplomatie als Priorität auf die Tagesordnung zu setzen. Jan van Aken hat diesen Mut.
Der 1961 geborene Autor und promovierte Biologe beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit Themen der Außenpolitik und des Friedens. Er arbeitete unter anderem für Greenpeace und als Biowaffeninspekteur der UN.
Seine Bestandsaufnahme von Krieg- und Friedens­prozessen greift Bürgerkriege ebenso auf wie den Ukrainekrieg und den Nahostkonflikt. Illusionen schürt er dabei nicht, wohl aber die Hoffnung auf Wege aus der eskalierenden Gewalt.
Der Nordirlandkonflikt dient Jan van Aken als Vorbild für einen Friedensprozess nach mehr als zwanzig Jahren blutigem Bürgerkrieg. Drei Faktoren spielen dabei eine Rolle: der Wille der verfeindeten paramilitärischen Organisationen IRA und UVF, die Waffen abzugeben, dazu deutliche Verbesserungen in der sozialen und politischen Stellung der katholischen Bevölkerung.Außerdem der Druck durch die britische und irische Regierung und das diplomatische Engagement der USA, die aktiv eingriff. Ein in jeder Hinsicht herausragender Faktor ist die Teilnahme von Frauen an den Verhandlungen und am Friedensprozess. Diplomatie als Herausforderung weiterlesen

Zwischen Agenten und Fluchthelfern

Zwischen Agenten und Fluchthelfern

Der achtzehnjährige Çetin kommt aus Istanbul nach Berlin, um sich dort auf das Studium der Elektrotechnik vorzubereiten und damit schließlich zu beginnen. Sein drei Jahre älterer Bruder Can lebt schon als Student in Berlin. Der studiert nicht nur, sondern führt zusammen mit einem türkischen Freund ein gutes Café- und Liebesleben, und das in Ostberlin zu Zeiten der Mauer.
Çetin teilt sich im Wedding eine Einzimmerwohnung ohne Bad mit seinem Bruder. Gleichzeitig besucht er seine Tante und seinen Onkel, die als »Gastarbeiter« gekommen sind und in Neukölln eine Wohnung mit Bad und WC bewohnen.
Sein Bruder Can und schließlich auch Çetin und Cans Freund Erkan reisen regelmäßig mit Cans rotem VW Käfer nach Ostberlin, zum Tanz und um Frauen kennenzulernen. In Westberlin begegnen sie eher Ablehnung statt Partnerschaft. Çetin hält sich bei den Kontakten zu Frauen zurück. Dennoch nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Schließlich gelingt sowohl Erkans Freundin Sabine und später auch Cans Freundin Birgit die Flucht mit der Hilfe von Fluchthelfern. Die geben als Bedingung, neben hoher Zahlungen in D-Mark, aus: »Schweigepflicht ist bei uns wichtiger als das katholische Beichtgeheimnis.« Zwischen Agenten und Fluchthelfern weiterlesen

Leben als neues Versprechen

»Öffentlicher Luxus« rückt in die politische Diskussion

Öffentlicher Luxus klingt zunächst nach Geldverschwendung. Das Gegenteil ist gemeint. Der Begriff stammt aus dem Englischen. Er umschreibt ein komplettes Programm, um alle wichtigen sozialen Aufgaben in die Hände einer demokratischen Öffentlichkeit zu geben, im Kern durch Vergesellschaftung aller wichtigen Aufgaben und Infrastrukturen. Ja, es handelt sich von der Zielsetzung her insgesamt noch um eine (utopische) Vision, gegliedert nach den Bereichen, die immer noch von kapitalistischer Profitlogik durchzogen sind. Antikapitalistisch ist es also. Das besondere dabei: Es wird nicht von Begriffen wie Sozialismus Gebrauch gemacht, auch wenn Bezüge auf Marx und Engels stellenweise vorkommen. Leben als neues Versprechen weiterlesen

Dabei sein wäre alles

Eine neue Geschichte des Sports

»Dabei sein ist alles« lautet das Motto der Olympischen Spiele, bei denen sich die »Jugend der Welt« zum sportlichen Wettstreit treffen soll. Das galt aber nie für alle, denn die Geschichte des Sports ist auch eine Geschichte der Ausgrenzung vieler gesellschaftlicher Gruppen. Die Regeln machte eine weiße männliche Elite, die unter sich bleiben wollte.
In seinem neuesten Buch mit dem programmatischen Titel »Dabei sein wäre alles«, das der Politikwissenschaftler, Journalist und Publizist Martin Krauss am 13. Juni in der Helene-Nathan-Bibliothek vorstellte, richtet er seinen Blick auf die Sportler, die nicht in dieses Schema passen, wie Arbeiter, Frauen, ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderung oder Queere. Er beschreibt ihre Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung, aber auch alternative Sportkonzepte wie die Arbeitersportbewegung, die Gay Games, die jüdische Sportbewegung, Frauensport oder den Parasport, die als Antwort auf den Ausschluss der Sportler aus den bürgerlichen Sportbewegungen entstanden. Dabei sein wäre alles weiterlesen

Reiseführer in die Kolonialgeschichte

Bernd Heyl stellt »Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte« vor

Rund 30 Jahre lang, von 1884 bis 1915, war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia, eine Geschichte, die den namibischen Alltag bis heute prägt. Sie scheint auf in Straßennamen, Ortsnamen und historischen Denkmälern. Zudem sind die Deutschsprachigen eine der wohlhabendsten Gruppen des Landes. Die Problematik der deutsch-namibischen Kolonialgeschichte ist aber den wenigsten deutschen Besuchern bewusst.
Der Pädagoge und Gewerkschafter Bernd Heyl organisiert seit Jahren Reisen in das Land, bei denen genau diese Geschichte und das Erinnern an den von den Deutschen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begangenen Völkermord an den Ovaherero und Nama im Fokus steht. Auch Bärbel Ruben, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Neukölln, war mit ihm dort und hatte dabei die Gelegenheit, mit Lokalpolitikern, Vertretern von NGOs und Aktivisten zu sprechen.
Am 25. Mai führte sie im Schloss Britz ein Gespräch mit dem Reiseleiter über den deutsch-namibischen Umgang mit dem Erinnern.
Es werde eine »konservierte Kolonialgeschichte« sichtbar, das Beharrungsvermögen der Deutsch-Namibier sei enorm, fasste sie ihre Eindrücke zusammen. Es gebe viele liebevoll restaurierte Gebäude aus der Kolonialzeit, viele Denkmäler, die an deutsche Gefallene in den Kolonialkriegen erinnern, aber wenig, was auf die Tausende von Toten in der einheimischen Bevölkerung hinweise. Reiseführer in die Kolonialgeschichte weiterlesen

Kuscheltiere

Eine Betrachtung von Fred Haase

Auf meinen orientierungslosen ausgedehnten Spaziergängen in Neuköllner Kiezen muss ich leider immer wieder Missstände zur Kenntnis nehmen. Nun wird fast im Dreivierteltakt in Medien, unter Nachbarn, Touristen, Tierliebhabern und einem Medium, das ich persönlich kenne, sogar oft zu Recht, unangemessenes Verhalten der Neuköllner beklagt. Die Hoffnung, dass durch gewaltfreie Pädagogik positive Reaktionen der angesprochenen Personen erfolgen werden, beträgt statistisch gesehen 44,36 Prozent. Aber immerhin, eine Chance besteht. Darum möchte auch ich mein Anliegen ohne Hemmung äußern.

Das Elend der Kuscheltiere.         Foto:Fred Haase

Eher durch Zufall, beim Blick in ein Auto, das ein Parkverbot bewusst missachtend mir als anständigem Fußgänger ein anstrengendes Ausweichmanöver aufzwang, habe ich erstmals zur Kenntnis genommen, dass in Fahrzeugen Kuscheltiere ein fremdbestimmtes Dasein führen müssen. Darum dokumentiere ich seit ungefähr elf Monaten und vier Tagen diese Problematik, denn Stofftiere zum Schmusen waren überall in Karossen anzutreffen. Ihre traurigen Blicke sowie statischen Körperhaltungen alarmierten mein Infarkt-gestähltes Herz. Kuscheltiere weiterlesen

Moshe Zimmerman

Mit konstruktivem Pessimismus zur »Zwei Staaten Lösung«

Unter der Eindruck des Pogroms am 7. Oktober 2023 auf israelischem Boden und dem folgenden brutalen Krieg in Gaza schrieb der israelische Historiker Moshe Zimmermann sein aktuelles in diesem Jahr erschienenes Buch »Niemals Frieden? Israel am Scheideweg.«
Moshe Zimmermann ist ein engagierter Vertreter der »Zwei Staaten Lösung« eines unabhängigen Israels und Palästinas. Gleich im Vorwort betont er, dass er bei seiner historischen und aktuellen Analyse wieder zu einer Prognose kommen wird, wenn er auch eine zunehmend pessimistische Sicht hat; doch die darf den Blick nicht trüben. Die Greueltaten der Hamas am 7. Oktober erfolgten nicht im luftleeren Raum, sondern in einem historischen und politischen Zusammenhang. Moshe Zimmerman weiterlesen

Die Erfindung der »Unterklasse«

Kaste, Klasse und Staat nicht unter den Tisch fallen lassen

Wie schnell sind wir mit Begriffen. Neukölln wird als »sozialer Brennpunkt« bezeichnet, auch von »guter Vielfalt« ist die Rede. Weitere Begriffe kommen auf dem Weg zu »Lösungen« ins Spiel, »Bildungsferne« und »gute Bildung und Chancen für alle«. Politisch leichter gesagt als getan. Für die Soziologie gilt das auch. Die »sozial Schwachen« tauchen auf.
Loïc Wacquant greift das alles zu kurz. Sein Buch »Die Erfindung der »Unterklasse«« ist eine fundierte Studie zu einer »Politik des Wissens«. Diesen Begriff allerdings hinterfragt Wacquant ebenfalls. Denn Wissen habe mit einem geprägten Blick zu tun.
Drei wissenschaftliche Ansätze führt Loïc Wacqant zusammen. Der Ansatz, dass es in der Politik grundsätzlich um die asymmetrischen Begriffe »Freund und Feind« gehe. Hier komme schnell ins Spiel, aus Unruhen, die sich 1977 in Harlem ereigneten, einen »rassisierten Volksteufel« als »Unterklasse« entstehen zu lassen. Die Erfindung der »Unterklasse« weiterlesen

Gefährliche Mietschaft

und Rebellion in der Trinkerheilanstalt

Sara Reichelt liest aus ihrem neuen Roman »Gefährliche Mietschaft«. Der widerspricht allen Klischees und erwartet Aufgeschlossenheit von den Lesenden. Die Mietnomadin Jennifer zieht in die Wohnung der Übersetzerin Katharina ein. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

Bei Axel Svehla geht Milan Lenze in die Trinkerheilanstalt »Bärwald-Klinik«, irgendwo im Nirgendwo gelegen. Ihm fällt schnell auf, dass der dortige Therapieansatz nicht weiterführt, denn die Wege aus der Krise sind jeweils unterschiedlich. Am Tag der Offenen Tür bringt er mit einer Handvoll anderer Patienten alles durcheinander.
Eintritt frei, Spenden erbeten.
Freitag 26. April –20.00 Uhr. Landsmann, Herfurtplatz 11

»… und es wurde Licht!«

Igal Avidan stellt sein neues Buch vor

Extremen Positionen wird in der öffentlichen Wahrnehmung viel zu viel Raum gegeben, findet Journalist und Buchautor Igal Avidan. Statt dessen möchte er den Menschen in Israel eine Stimme geben, die sonst selten gehört werden. Denn trotz der Düsternis gibt es Lichtmomente, die in den Medien nicht vorkommen. Dazu unternahm er eine Reise durch israelische Städte, wo jüdische und arabische Israelis Tür an Tür leben, und inter­viewte Menschen, die sich der Gewalt und dem Hass entgegenstellen, die an ein friedliches Zusammenleben glauben, an Kooperation und Gemeinsamkeit aller Israelis.

Igal Avidan.    Foto: mr

Am 23. November stellte er auf Einladung des Nachbarschaftsheims Neukölln und »Morus 14« im Nachbarschaftsheim an der Schierker Straße das daraus entstandene Buch mit dem Titel »…und es wurde Licht!« vor.
In seinen Reportagen aus dem Alltagsleben der Menschen schreibt er über Menschen, die versuchen, Brücken zu bauen durch gegenseitige Hilfe, Solidarität und gute Nachbarschaft. »… und es wurde Licht!« weiterlesen

Ein Wahlgewinner

August Bebel der revolutionäre Sozialdemokrat

August Bebel bleibt in der historischen Erinnerung ein herausragender Sozialdemokrat, der es geschafft hat, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zur stärksten Partei im damaligen wilhelminischen Kaiserreich zu machen.
Schon hier würde er widersprechen. Nicht er allein, nein, nicht nur Wilhelm Liebknecht, Eduard Bernstein und Karl Kautsky, nicht nur seine Frau Julie Bebel und seine Genossin Clara Zetkin, alle zusammen, die gesamte kräftige Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung haben es erreicht.
August Bebel war an der Zusammenführung zweier Parteien dieser Bewegung betei­ligt, damit auch an Programmdiskussionen, die stets in Kompromissen mündeten. Im Kern ging es August Bebel immer um das, was Karl Marx in seiner »Kritik des Gothaer Programms« an Wilhelm Bracke schrieb: »Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme.« Und die damalige SPD brachte (nicht nur) mit August Bebel sehr viel in Bewegung, sehr viel an fortschrittlichen Zukunfts­entwürfen, sehr viel an der Ablehnung von Eroberungskriegen und Kolonialismus. Ein Wahlgewinner weiterlesen

»Gefährliche Mietschaft«

Begegnung einer Vermieterin mit einer Mietnomadin

Der neue Roman von Sara Reichelt widerspricht allen Klischees und erwartet Aufgeschlossenheit und Offenheit von den Lesenden; denn er ist nicht nur voller teilweise sarkastischem Humor zumindest einer der handelnden Protagonistinnen, sondern öffnet einen Blick auf die vorhandene »andere Seite« der Realität.
Es sind Frauen, die Vorurteile haben, und eine von beiden ist die gewiefte Betrügerin Jen­nifer, die Männer wie Frauen reinlegt. Ihr Tun wird schließlich von ihrem weiblichen Opfer durchschaut. Katharina, die Übersetzerin, vermietet ihre kernsanierte Wohnung in der Schillerpromenade 32a an Jennifer, die nicht ernsthaft vor hat, Miete zu zahlen. Diese bewirbt sich mit gefälschten Gehaltsabrechnungen und Angaben erfolgreich um die Wohnung. Als das auffliegt, kommt es nicht zur Anzeige, doch auch nicht zu einer wirklichen Freundschaft, die Frauen arrangieren sich. »Gefährliche Mietschaft« weiterlesen

Deutscher Konzern profitiert vom Kolonialismus

Eine wissenschaftliche Arbeit beleuchtet den Woermannkonzern

Der deutsche Kolonialismus ist in Berlin durch eine Reihe von Straßennamen präsent. Einer davon ist die Woermannkehre im Industriegebiet an der Grenzallee. Bereits im Februar 2021 empfahl die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln dem Bezirksamt, gemeinsam mit der Bürgerschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen eine geschichtliche Aufarbeitung des Straßennamens zu initiieren, denn kaum ein anderes Unternehmen war so lange Zeit und so eng mit der deutschen Kolonialherrschaft in West- und Südwestafrika verbunden wie der Hamburger Woermann-Konzern.

Kim Sebastian Todzi im Gespräch mit Matthias Henkel. Foto:mr

Als Ergebnis dieser Aufarbeitung soll eine den historischen Kontext erläuternde Texttafel oder Stele in der Straße aufgestellt werden. Eine Umbenennung der Straße sei aktuell nicht realisierbar, da dies für ein in der Straße ansässiges Unternehmen aufgrund dadurch notwendiger Neuzertifizierung von Produkten zu einer Bestandsgefährdung durch Kosten in Millionenhöhe und nicht abschätzbare Umsatzrisiken führen würde.
Um diesen Dialogprozess weiter zu treiben und den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich eine Meinung zu bilden, hat das Museum Neukölln am 20. Oktober zu einer Buchpräsentation und Diskussion eingeladen. Deutscher Konzern profitiert vom Kolonialismus weiterlesen

Freiheit durch Unterwerfung

AIPD proklamiert ihr Parteiprogramm in der »Galerie Walden«

»In den unendlichen Weiten des Universums gibt es Spezies, die so unglaublich beschränkt sind, dass sie die Grundlagen ihrer Existenz sehenden Auges (…) zunichtemachen.« Ja, wir Erdenbürger sind gemeint. Lösungen für unsere gravierenden Probleme verspricht, nein garantiert, nun eine neue Partei: die AIPD, die Ausserirdischen Invasoren Partei Deutschlands.

KAMPAGNE für echte Versklavung. Foto: hlb

Manche mögen die schwarz-weiß-magenta-farbenen Plakate mit verstörenden Slogans wie »Ein Volk, ein Herz, ein Schwarm« schon im Umkreis der »WK« gesehen haben. »WK«, die »Walden Kunstausstellungen«, entstanden Mitte der 90er aus der »Künstlergruppe Peking«, veranstalten Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst, nichtkommerziell, unabhängig und seit 2019 an ihrem vierten Standort, dem Projektraum in der Fuldastraße. Freiheit durch Unterwerfung weiterlesen

Abgrund im Rausch, Tiefe in der Reue

Benno Flügel veröffentlicht seinen ersten eindrücklichen Roman

Toni arbeitet als Transportfahrer im ländlichen Hessen, er sehnt sich nach mehr. »Die stumpfe Monotonie des Alltags kratzte an Tonis Seele. Er spielte öfter mit dem Gedanken abzuhauen. Er träumte davon, morgens aufzustehen, barfuß durch den Sand zu laufen und eins mit der Natur zu sein. Doch sein nächster Halt war Eschenbach, seine Heimatstadt in der nordhessischen Provinz.« Dort konsumiert er Zigaretten, Alkohol und Drogen aller Art. Es kommt zu einem Horrortrip. Schließlich gelingt Toni der Aufbruch nach Asien. Auf der Fähre zu einer malaysischen Insel trifft er den Berliner Emil, in Sachen Drogen ebenfalls nicht unerfahren und auf der Suche nach Neuem. Die Frauen Kira und Noemi kommen hinzu. Die Suche führt in ein meditatives Retreat. Abgrund im Rausch, Tiefe in der Reue weiterlesen

Revolution für das Leben

Diplomatin Alexandra Kollontais ruheloses Wirken

Alexandra Kollontai war eine auffällige Kommunistin und Revolutionärin. Als junge Frau wird sie im neuen proletarischen Russland Volkskommissarin für Soziales und befindet sich mit Männern wie Bucharin, Lenin, Stalin und Trotzki in der Regierung der entstehenden Sowjet­union.
Bequem macht sie es den Männern nicht, sie eckt immer wieder an, weil ihre Ideen manchmal zu weit zu gehen scheinen. Der Begriff des Feminismus war dort nicht geläufig, sie selbst hat ihn nie verwendet, es gab ihn auch noch nicht.
Die Genossin Kollontai wird als Botschafterin die erste Frau auf internationalem Parkett, wieder unter lauter Männern. Diesen Beruf übt sie bis ans Lebensende aus, und Skandinavien wächst ihr besonders ans Herz. Revolution für das Leben weiterlesen

Vom Lebensweg eines tollwütigen Kaputtniks

Herbert Friedrich Witzel erzählt Johnny Cashs Geschichte nach

Im April luden Buchgestalter, -hersteller und -verleger Herbert Friedrich Witzel und seine Frau Antje, zusammen neuerdings das kreative HERAN-Team, in die Warthestraße 25, um nach einer Treppenhausführung entlang kleiner Linolschnitte von Lutz Anders mit Rixdorfer Motiven in die heimische Stube zu laden, wo Witzel den interessierten Gästen in seiner winzigen Manufaktur hautnah die Techniken seiner Buchmacherkunst demonstrierte.
Dort ließ sich auch in Witzels neuestem, auch auf der Leipziger Buchmesse präsentierten Machwerk blättern, einer erweiterten Neufassung seiner einst noch unter dem Pseudonym Hermann Syzygos veröffentlichten Biografie »Wie ein Wolf unter Pudeln« über die Countrylegende Johnny Cash. Witzel erzählt das bewegte Leben des John Ray Cash von 1932 bis 2003 darin, wenn auch aus diversen Quellen zusammenrecherchiert, nicht als lexikalischen Faktenwust, sondern als sehr persönliche Geschichte mit viel Empathie für dessen Süchte, Krankheiten und Abstürze, aber auch dessen Fleiß und Frömmigkeit, die ihn, wie die Liebe zu seiner Frau June, immer wieder retteten und auf die Bühne zurückholten. Vom Lebensweg eines tollwütigen Kaputtniks weiterlesen

Zeitreise 35 Jahre zurück

Das Vor-Wende-Neukölln – spannend collagiert

Donnerwetter. Was für ein Buch. Es ist grafisch sehr gut gestaltet und zudem ein historisches Dokument. Wir Leser und Leserinnen kehren zurück in das Neukölln von 1988 vor dem Fall der Mauer, als im Westen Berlins noch alles »ok« war. Die guten alten Zeiten mit ihren durchaus schrillen und schrägen Widersprüchen sprechen uns direkt an. Zeit zum Lesen ist erforderlich, um Schritt für Schritt durchzugehen durch das lebendig abgebildete und künstlerisch erzählte Geschehen. Wer Ende der Achtziger jung war, fühlt sich vielleicht ein bisschen nostalgisch, denkt »Oh wie schön sahen diese nicht renovierten Fassaden der Häuser mit Ofenheizung aus, ja, und Wochenmärkte hatten wir ja auch, und Karstadt war noch Karstadt.« Zeitreise 35 Jahre zurück weiterlesen

Liebe – Lust und Leid

Fröhliches und Trauriges in Songs und Texten

Steffi Frech spielt mit Keyboard und singt gefühlvolle Musik mit Power, stets mit stark vibrierendem Basso Continuo. In der weit verbreiteten Oberflächlichkeit menschlicher Kontakte spürt sie helle Begegnungen auf.

Die gloreichen Drei.    Foto: Ulrich Clauß

Axel Svehla und Thomas Hinrichsen gehen mit prosaischen Texten an das Thema heran: je zwei traurige und zwei fröhliche Stories.
Axel beschreibt eine schüchterne Liebe in der Jugend, die unerfüllbar zu sein scheint. Dann dringt er in die Datingwelt ein, amüsant und dann auf Umwegen doch erfolgreich.
Thomas schildert die Liebe einer sehenden Frau zu einem blinden Mann, voller sprühender Sinnlichkeit. Im Kontrast dichtet er den Missbrauchsfall nach, den ein Mann in der Kindheit in der Familie erleiden musste und der als erwachsener Musiker an einem Herzinfarkt starb. Leider hat einer seiner besten Freunde das durchleben müssen. th
Steffi, Featuring Rapper Hakan Luv, der eine ganz spezielle Gesangstechnik anwendet.

21. April, 19.30 Uhr
Landsmann Internationale Spirituosen und Weine, Herrfuthplatz 11
Um Anmeldung wird gebeten: thomashinrichsen@freenet.de
Wir sammeln Spenden für die Drogenhilfe Fixpunkt e.V.

Hinbringen und Mitnehmen

Büchertauschbörse vom Jobcenternetzwerk

Der Verein des Senioren-, Jugend- und Bildungsnetzwerks betreibt seit rund 15 Jahren in Neukölln das Sozialprojekt »Bücherbörse«. Kostenlos gab es hier für Bedürftige, Schul-, Lehr- und Bastelmaterialien.

Lesefutter.    Foto: rr

Inzwischen umfasst das Sortiment auch Belletristik, Kriminalromane, Schallplatten, CDs, Hörbücher, Puzzles und vieles mehr. Alles kann von hier unentgeltlich mitgenommen oder getauscht werden. Vor dem Laden stehen inzwischen mehrere Grabbelboxen, aus denen jeder Vorbeischauende kostenlos etwas mitnehmen darf. Hinbringen und Mitnehmen weiterlesen

Ästhetik des Boxens

»Sieg und Niederlage«.      Foto Jürgen Bürgin

Fotografische Momentaufnahmen aus Neukölln

Der Neuköllner Fotograf Jürgen Bürgin eröffnet mit seinem neuen Fotoband »Punch« einen tiefen Einblick in die Welt des Boxens, die faszinierend und facettenreich geschildert wird. Zutreffend ist der zweite Titel des Fotobandes und der Bilder, die auch ausgestellt werden, »A Visual Story«. In jedem Motiv oder in den Sequenzen werden Geschichten in Momentaufnahmen erzählt. Boxen gilt vielfach als harter Kampfsport. Das trifft auch zu, doch wird es der Vielfalt des Geschehens im und am Ring nicht vollkommen gerecht. Ästhetik des Boxens weiterlesen

Das gekaufte Herz

Gefühle in einer harten Arbeitswelt

Die amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild hat ein bereits zum reputierten Klassiker gewordenes Buch geschrieben, zum Thema »Die Kommerzialisierung der menschlichen Gefühle«. Seit 1983 ist es in mehreren aktualisierten Auflagen erschienen und wurde in viele Sprachen übersetzt. Dazu hat sie hauptsächlich mit Flugbegleiterinnen gesprochen und wichtige Schlussfolgerungen gezogen.
Hochschildts Eltern waren im diplomatischen Dienst. Es kamen also Gäste aus aller Welt auch zu ihnen nach Hause. Sie beobachtete die Gestik und die Gefühlsregungen, die je nach Herkunftsland zwar diplomatisch waren, aber verschieden ausfielen. Daher ist ein Leitmotiv ihrer Arbeit das menschliche Gefühl im Kontext von Arbeitsprozessen. Das gekaufte Herz weiterlesen

Das mangelnde Licht

Vier Lebenswege in Georgien

Es ist ein Roman, der verschlungen werden will und der verschlingt. Nino Haratischwili erzählt so mitreißend, schonungslos und dicht, dass die mehr als 800 Seiten einen nächtelang wach sein und lesen lassen.
Im Mittelpunkt stehen vier Freundinnen: Keto, die Erzählerin, die später Restauratorin und Malerin wird, Dina, eine zukünftige Kriegsfotografin, Ira, später eine erfolgreiche Juristin, und Nene, die bei ihrem kriminellen Onkel aufwächst. Sie wachsen gemeinsamen in einem Hinterhof in Tiblissi, Georgien in den 80/90er Jahren auf.
Der Roman be­ginnt mit einer Szene, in der die vier in den Botanischen Garten einbrechen, um in den Brunnen zu springen. Es klingt idyllisch, doch dann kommt die Auflösung der Sowjetunion, 1991 die Unabhängigkeit Georgiens, wenig später der Sturz des ersten frei gewählten Präsidenten. Es folgen Bürgerkrieg und Chaos. Das mangelnde Licht weiterlesen

Die Diversität der Ausbeutung

Ein Versuch, Antirassimus auf eine marxistische Basis zu stellen

Sehr fundiert und gewagt zugleich gehen acht Autorinnen und Autoren daran, Karl Marx und seine Kapitalismuskritik zu aktualisieren. Dabei setzen sie sich kritisch mit bestehenden wissenschaftlichen und politischen Ansätzen ausein­ander, die dem aus ihrer Sicht vorherrschenden Strömungen des Antirassismus zu Grunde liegen.
Diese Aktualisierung der Theorie und Methodik von Karl Marx geht weiterhin davon aus, dass der Kapitalismus als Warengesellschaft auf der Produktion von Mehrwert durch die Arbeiterklasse basiert, und damit auf Ausbeutung. Durchgängig wird ebenso der Begriff der Überausbeutung verwendet. Nur auf dieser Basis sei es möglich, gemeinsame Kämpfe der Arbeiterklasse gegen die Vorherrschaft des Kapitalismus zu organisieren. Der Klassenbegriff wird weiter gefasst als im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert, die arbeitende Bevölkerung hat sich um Intellektuelle erweitert, die der Kapitalproduktion und -verwertung unterliegen. Die Diversität der Ausbeutung weiterlesen

Reise in das Berlin vor 125 Jahren

Erinnerungen an eine zumeist noch friedliche Vaterstadt

Herbert Friedrich Witzel hat das Programm seines kleinen Neuköllner »worttransport«-Verlags um eine geschichtlich hochinteressante Preziose bereichert. Im Rahmen seiner Recherchen zum im 19. Jahrhundert in Rixdorf lebenden und auf dem »Neuen Jacobi-Friedhof« begrabenen Philosophen und Bibelkritiker Bruno Bauer stieß er auf dessen Patenkind Agathe Nalli-Rutenberg. Die 1838 auf der Fischerbrücke geborene Schriftstellerin ist die Tochter von Adolf Friedrich Rutenberg, eines Freundes von Karl Marx und Chefredakteur der »National Zeitung«. Sie war Lehrerin in Schöneberg, reiste viel durch Europa und heiratete in Italien den Römer Fausto Nalli, blieb ihrer geliebten Heimatstadt aber stets treu verbunden.
1907 schrieb sie erstmals ihre Erinnerungen an und als »Mein liebes altes Berlin« auf, 1912 folgte die verbesserte Neu-Ausgabe »Das Alte Berlin«, die nun, von Witzel aus der Frakturschrift übertragen, sanft redigiert und klug bebildert, in seiner »A&O-Reihe« (Aufgefrischte Originaltexte) und natürlich als »Buch ohne Eselsohren« eine bibliophile Wiedergeburt erlebt. Reise in das Berlin vor 125 Jahren weiterlesen

Das Zischen der Jazzbesen

Fünfter März

Die Zeit flutet über mich,
Der Wahnsinn schleicht,
Das Schlafzimmer Durcheinander,
Die schreienden Wände,
Rufen wieder auf die Straße,
allein um zu sterben,
und die Love Brigade los zu werden,
Kopf und Herz bei mir,
Ein Schatten legt einen guten Tanz hin zur Musik am Set,
Ich bin stets der erste und letzte der vergisst,
und bleib doch mitten drin.
Dean Reeve Das Zischen der Jazzbesen weiterlesen

Wer hat etwas zu erzählen?

Der Britzer Gesprächskreis sucht Geschichten

Interessierte Britzer treffen sich seit 2007 mit dem Ziel, Erlebnisse heutiger und ehemaliger Bewohner anzuhören und, um sie zu bewahren, diese Geschichten auch aufzuschreiben.


Daraus entstand bereits 2011 das erste Heft mit dem Titel »Britzer erzählen aus ihrer Siedlung«. Zum 10-jährigen Bestehen des Gesprächskreises erschien 2017 das zweite Heft »Britzer erzählen – Teil 2«.
Beide Hefte stießen auf so großes Interesse, dass nun ein drittes Heft erscheinen soll. Dazu werden noch weitere Britzer Geschichten, vielleicht ja auch Ihre gesucht.
Wir treffen uns jeweils am zweiten Mittwoch im Monat um 15:30 Uhr in der »Seniorenfreizeitstätte Bruno Taut« im Hufeisengebäude in der Fritz-Reuter-Allee 50. Oder kontaktieren Sie uns per Telefon oder per E-Mail. Wir freuen uns auf Sie und Ihre Geschichten!
Ihr Britzer Gesprächskreis
E-Mail: britzer.kreis@gmail.com
Telefon: 01578 / 1945690

Ohne Eselsohren, aber mit Ecken und Kanten

Neues aus Herbert Friedrich Witzels kleinem Verlagsuniversum

Über »Buchgestalter, -hersteller und -verleger« (Eigenbezeichnung) Herbert Friedrich Witzels mitunter unberechenbares, buntes Verlagsprogramm, das der bibelfeste und streitbare Warthestraßenbewohner aus seinem heimischen Rixdorfer Verlag wissbegierigen und humorfesten Lesern in die Welt schickt, hatten wir schon im Mai 2021 berichtet. Doch Witzel teilt unermüdlich seine neuen wie gereiften Entdeckungen und »Einladungen ins Reich des Geistes«.

witzels neue Erhellungen.     Foto: hlb

So und in persona, samt Songs und schon legendärer »Ur«-Suppe, auf seiner vierteljährlichen »Bunten Bücherbühne« (in der Kreuzberger Marthakirche, wenige Meter oberhalb der Thielenbrücke des Landwehrkanals). Für Fans des »Worttransport« wird dort stets ein signiertes und durchnummeriertes »Vierteljahrbuch« vorgestellt, das Auszüge aus dem »worttransport«-Programm, Fremdtexte und – wie bei Witzel oft eingesetzte – handschriftliche Kommentare und Ausführungen versammelt und mit unorthodoxer, meist augenzwinkernder Gestaltung zu einem individuellen Machwerk wird.
»Nicht nur Provokationen, sondern stabile Qualität für die Zukunft« umschreibt Witzel das Verlagskonzept seiner Buchinhalte. Ohne Eselsohren, aber mit Ecken und Kanten weiterlesen

Profitgier beeinflusst das Klima

Einblick in den Zusammenhang von Natur und Wirtschaft

Klimawandel kommt nicht von ungefähr. Er ist verknüpft mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zwischen den Menschen und den wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen gelebt und produziert wird. Wer über das Klima spricht, sollte über das Kapital nicht schweigen. Valeria Bruschi und Moritz Zeiler haben bei »Dietz Berlin« einen Sammelband von verschiedenen Artikeln und Essays herausgegeben. Es entsteht beim Lesen ein interessanter wissenschaftlich fundierter Eindruck über die Ursachen und Folgen des weltweiten Klimawandels. Vor allem fällt der Blick nicht eurozentrisch aus, sondern umspannt auch die Auswirkungen in den ärmeren Regionen der Erde. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Artikeln der Versuch, Karl Marx und seine Analysen vor allem in seiner dreibändigen Schrift »Das Kapital« zu aktualisieren. Profitgier beeinflusst das Klima weiterlesen

Wie der Fußball nach Deutschland kam

Vortrag über den Fußballpionier Walther Bensemann

Eigentlich sollte bereits am 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 2020 ein zweitägiges Freundschafts-Jugendfußballturnier stattfinden, ausgerichtet vom »BSV Grün-Weiss Neukölln 1950 e. V.« und dem »TSV Rudow 1888 Berlin e. V.«.
Coronabedingt musste es ausfallen. An Pfingsten wird es nun nachgeholt.
Insgesamt werden am 4. und 5. Juni von 9:00 bis 14:30 auf den Sportanlagen in der Johannisthaler Chaussee 125 und der Neuköllner Str. 277 18 internationale Mannschaften mit Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren gegeneinander antreten.
Das Turnier trägt den Namen: »Tournament of Peace – in memoriam Walther Bensemann«.

Der Autor.      Foto: mr

Wer dieser Mann war, erzählte am 15. Mai im »Zentrum Dreieinigkeit« der Autor Bernd M. Bey­er, der unter anderem den biografischen Roman »Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte« geschrieben hat, in dem er die schillernde Persönlichkeit Walther Bensemanns lebendig werden lässt und einen Einblick gibt in jene Zeit, in der das Fußballspiel zum deutschen Volkssport aufstieg. Wie der Fußball nach Deutschland kam weiterlesen

Klassenjustiz

Buchrezension von Anne Seeck

»Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich« heißt das 270-seitige Buch des promovierten Juristen und Redakteurs der Süddeutschen Zeitung Ronen Steinke. Der Autor zeigt systematische Ungerechtigkeiten im Strafsystem auf. Einkommensarme Menschen, die schwarzfahren oder einen kleinen Ladendiebstahl begehen, werden hart bestraft. Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität werden dagegen eingestellt oder es wird milde geurteilt. Ronen Steinke recherchierte bei Staatsanwält*innen, Richter*innen, Anwält*innen und Verurteilten. Dabei geht der Autor in verschiedenen Kapiteln die einzelnen Stationen der rechtlichen Verfahren durch. Er beschreibt die Rolle der Anwält*innen, untersucht Urteile (zum Beispiel die Bedeutung verhängter Geldstrafen) und analysiert die Auswirkungen der U-Haft und von Gefängnisaufenthalten. Nach den Kapiteln zur Wirtschafts- und zur Elendskriminalität legt er schließlich Ideen vor, wie es gerechter zugehen könnte. Klassenjustiz weiterlesen

Rosa Luxenburg

Oder der Preis der Freiheit

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Jörn Schütrumpf hat bei »Dietz Berlin« unter diesem Titel ein 190 Seiten starkes Kompendium herausgegeben. Dabei entfallen sechzig Seiten auf zentrale ausgewählte Beiträge Rosa Luxemburgs, nachdem zuvor der geschichtliche Hintergrund, die Zusammenhänge in der Politik der Arbeiterbewegung und dem Wirken Rosa Luxemburgs hergestellt werden. Ein umfangreicher Kernpunkt ist die Analyse der revolutionären Situation, die in der zweiten Hälfte des Ersten Weltkrieges entsteht und in Russland zur erfolgreichen sozialistischen Oktoberrevolution und in Deutschland zur Weimarer Republik führt. Die lange Schrift Luxemburgs »Zur russischen Revolution« bildet den inhaltlichen Abschluss. Rosa Luxenburg weiterlesen

Eigentum verpflichtet

Jedoch nicht zur Ausbeutung

Sabine Nuss hat eine sehr fundierte Analyse zu dem Komplex Eigentum und Enteignung bei »Dietz Berlin« veröffentlicht. Der provokante Titel entspricht der herausfordernden aktuellen Diskussion um die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne, für die nahezu 60 Prozent aller wahlaktiven Berliner und Berlinerinnen in einer Volksabstimmung »Ja« sagten. Das Buch heißt »Keine Enteignung ist auch keine Lösung«.
Sabine Nuss kommt gleich in der Einleitung zur Sache. Im Kern gibt es zwei Formen der Enteignung, die sich historisch und bis heute nachvollziehen lassen. Die eine Enteignung hat mit der derzeitigen Diskussion um die Vergesellschaftung von finanzkräftigen Immobilienfirmen zu tun, die andere mit der früheren Welle der Privatisierung nach dem Spätmittelalter, in der Grund und Boden durch Feudalherren und frühen Geschäftsbetreibern in Beschlag genommen wurde, ein Vorgang, den Karl Marx als »ursprüngliche Akkumulation« bezeichnete. Den auf den Boden wirtschaftenden Menschen blieb nichts anderes, als ihre Haut als Arbeitskraft zu Markte zu tragen. So geht es vielen heute weiterhin, die keine Profite beziehen. In die laufende Debatte bringt Sabine Nuss zusätzlich den Aspekt ein, wie es um das weltweit umstrittene Urheberrecht auf »geistiges Eigentum« bestellt ist. Ebenso nimmt sie unter die Lupe, wie es in den »realsozialistischen Ländern« zu Fehlplanungen kommen konnte, die ihre Ursache in »dem Markt« hatten. Eigentum verpflichtet weiterlesen

Seit 150 Jahren ein Dauerbrenner

Andrej Holm zur Wohnungsfrage

Die anhaltende Pandemie hat verdeutlicht, was Wohnen für die Menschen bedeutet und an welche Grenzen es stößt. »Insbesondere Familien merkten in der Corona-Krise schnell, dass ihre Wohnung nicht für Home-Office und Home-Schooling geeignet ist und Wohnungsgrößen und Grundrisse nicht auf ein paralleles Arbeiten und Kinderbetreuung ausgerichtet sind.« Das hebt der Sozialwissenschaftler und wohnungspolitische Aktivist Andrej Holm gleich zu Anfang seiner fundierten Analyse »Zur Wohnungsfrage und was Engels noch nicht wissen konnte« hervor.
Im Wohnen spiegeln sich die Widersprüche des Lebens unter Bedingungen der »kapitalistischen Urbanisierung« gleich in drei Dimensionen wider: »Wohnen als Zuhause«, »Wohnen als Immobilie« und »Wohnen als Umverteilungsmechanismus und politischer Kampfplatz«. Seit 150 Jahren ein Dauerbrenner weiterlesen

Rosa Luxemburg in Berlin

Ein biografischer Stadtführer

Unter diesem Titel hat Claudia von Gélieu einen bemerkenswerten Stadtführer vorgelegt, veröffentlicht bei »Dietz Berlin«. Das 138 Seiten umfassende Werk wurde im handlichen Taschenformat gedruckt, enthält eine Übersichtskarte, einen Audioguide und mehr als 120 Abbildungen sowie einen Lebenslauf und eine Bibliografie. In 40 Kapiteln werden die Stationen vorgestellt, in denen Rosa Luxemburg lebte und wirkte. Es entsteht eine umfangreiche Schilderung des Schaffens dieser starken Frau, auch ihrer Liebesbeziehungen.
Claudia von Gélieu schildert die Stationen in 40 chronologischen Kapiteln, die je mindestens zwei Seiten umfassen. Rosa Luxemburg in Berlin weiterlesen

Deutsche Digitale Bibliothek bündelt Wissen

Auch Zeitungen aus mehreren Jahrhunderten jetzt online verfügbar

Wer auf die Homepage der Deutschen Digitalen Bibliothek DDB tappt, wird mit dem Hinweis empfangen, dass er/sie/es sich über 39.216.028 Objekte aus Kultur und Wissenschaft informieren kann.
Dies ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit, genauer seit 2012, als die erste Betaversion ins Netz gestellt wurde. Ende 2014 war die erste Vollversion startklar. Seitdem schafft sie über das Internet kostenfreien Zugang zu den digitalen Angeboten deutscher Bibliotheken, Archive, Mediatheken, Museen, Denkmalpflegeeinrichtungen und Forschungsinstitutionen, indem sie diese vernetzt. Über ein zentrales Portal sind so Millionen von Archivalien, Büchern, Bildern, Skulpturen, Filmen, Musikstücken und anderen Tondokumenten zu finden. So ist das kulturelle und wissenschaftliche Erbe Deutschlands in gebündelter Form zugänglich. Deutsche Digitale Bibliothek bündelt Wissen weiterlesen

13 Tage im August 1961

Zeitzeugen berichten

Seit 1961 wird alljährlich im August an den Bau der Berliner Mauer gedacht. Kollektiv präsent sind Bilder, wie etwa das von der spektakulären Flucht des Grenzsoldaten Conrad Schumann, der mit geschulter Waffe über eine Stacheldrahtrolle gen Westen sprang. Gern und oft zitiert werden Schlüsselsätze von Politikern, wie zum Beispiel der von Walter Ulbricht, der noch vor dem Mauerbau im ZK behauptete, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten, oder das politische Statement von J. F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg: »Ich bin ein Berliner.«

Foto und Druck:Heike Goldmann

Heike Goldmann aus Britz fragte sich aber: Was spielte sich tatsächlich an jenem schicksalhaften 13. August in Berlin ab, was passierte mit den Menschen hier und mit den Familien? Ihr Vater hatte dazu keine Erinnerungen, und so suchte sie mit ihrem Mann Sven nach solchen Zeitzeugen im Freundes- und Bekanntenkreis. 13 Tage im August 1961 weiterlesen

Schwabylon

Asterix mit Herz und Schnauze

»Habt ihrn Ding anne Glocke? Wat warn dit füa ne Aktion grade?« Als waschechtem Berliner – und Neuköllner sowieso – ist der Dialekt unserer eingeborenen Vorfahren zwar nicht mehr allgegenwärtig, dennoch weit verbreitet.
In einem Goscinny-Uderzo-Werk, sprich: Asterix-Band, vermutet niemand auf Anhieb eine Mundart. Nun denn, liebe Leser, »Schwabylon Berlin« ist der »Asterix berlinert« Band 3. Dank Martin »Gotti« Gottschild raufen sich Asterix und Co mit Berliner Schnauze durch die Römischen Reihen.
Martin »Gotti« Gottschild, der aus den Medien bekannte Berliner – was sonst? – Dialektübersetzer, Musiker, Schauspieler und Comedian, hat sich mit dem 84. Band der Mundart-Reihe selbst übertroffen. Sollte ihn jemand nicht kennen, möge er in die wöchentliche Action-Lesung bei Radio Eins reinhören. Diese vollbringt er mit seinem Kollegen Sven van Thom als Comedy-Duo »Tiere streicheln Menschen«. Außerdem ist er als Vater und Stimme des »Sandmann für Erwachsene« bekannt. Schwabylon weiterlesen

Müllerchen und die Montage

Kriminell komische Geschichten von Herbert Friedrich Witzel

Herbert Friedrich Witzel, seit Jahren ansässig in der Warthestraße, ist ein umtriebiger und vielseitig interessierter und denkender Autor. Ob kuriose Kiez- und bittersüße Weihnachtsgeschichten, historische Krimis, Bücher über Fantasy-Erfinder J.R.R. Tolkien oder übers Angeln in Berlin, ob scharfzüngig witzelnde, politisch-kulturelle Blogposts, Erzählungen oder Gedichte – sein schriftstellerisches Oeuvre wuchs über die Jahrzehnte und trotz längerer Pause in beachtliche Breiten. 50 Jahre schon wirkt Witzel von Berlin aus, veröffentlichte 1976 hier sein erstes Buch und organisierte immer wieder auch Kulturveranstaltungen wie seine »Lied- und Lesebühne«.


In seinem Verlag »worttransport.de« veröffentlicht der 1949 in Braunschweig geborene einstige Kunst- und Lateinstudent und langjährige Speditionskaufmann bei sich daheim handgefertigte Bücher, teils »ohne Eselsohren« (da er ihnen die Ecken abschneidet) und in handlich flexibler »Rixdorfer Japanbindung«. Bücher über Menschenleben wie das der Kinogöttin Jean Harlow, des Banditen Jesse James oder, unter Witzels Autorenpseudonym Hermann Syzygos verfasst, die des Erfinders Nikola Tesla, der Musikikone Johnny Cash oder der Mata Hari. Dazu kommen historisch spannende, von Witzel ins Heute übersetzte »aufgefrischte Originaltexte«. Müllerchen und die Montage weiterlesen

Über Busenbürsten und andere Kalamitäten

Kapielskis Kotmörtel

Frowalt Heimwée Irrgang Hiffenmarkt ist ein etwas sonderbarer Mensch. Ein begnügsamer, an sich zufriedener, fantasievoller und gebildeter Mann, Familienvater und von Beruf Vertreter für Sanitärbürsten. Getrieben wie beseelt ist er vom ständigen Drang seiner Einfälle und Erkenntnisse und davon, diese auf Bahnhofsvorplätzen zu referieren oder in einem Geheimrefugium niederzuschreiben und zu archivieren. Als er am Schweinfurter Bahnhof von einer hübschen Frau zwei Geschenkpakete annimmt, um sie in seiner Heimatstadt Grollstadt-Sauger zu überbringen, was scheitert, landet er für Monate im heimischen Knast. Warum genau – das erfahren Leser und Leserin, wenn überhaupt … Aber will wollen nicht »spoilern«. Über Busenbürsten und andere Kalamitäten weiterlesen