Archiv der Kategorie: Kommentar

Bürgerbeteiligung mit Hindernissen

Mit der Online-Plattform zur Erstellung des »Entwicklungs- und Pflegeplans« für das Tempelhofer Feld soll Bürgerbeteiligung gefördert werden – besonders für Menschen, denen es aufgrund mangelnder Mobilität oder zeitlicher Flexibilität nicht möglich ist, an «offline»-Diskussionsveranstaltungen teilzunehmen. Doch das Ergebnis ist eine Seite, die den Besucher so ganz ohne Erläuterungen und Leitfaden völlig in der Luft hängen lässt. An Stelle der hier angeblich gewollten und vielseitig erhofften Transparenz und Mitgestaltungsmöglichkeit, findet sich der Bürger in einem un­übersichtlichen Forum wieder, das mehr verwirrt als informiert und eher abschreckt als zum Engagement anregt. Bei diesen Bemühungen um Partizipation scheint der aufrichtige Wille dahinter auf einem anderen Blatt zu stehen. Volle Punktzahl für den Senat, der es schafft, die vielversprechende Idee dieser zukunftsweisenden Software so umzusetzen, dass am Ende an allen Ecken Verwirrung und Resignation herrscht.

Olga Jablonski

Müller in Form

Der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller versprach nach den Erfahrungen mit dem Volksbegehren zum Tempelhofer Feld einen anderen Umgang mit Bürgerbeteiligung. Das hat er gehalten, allerdings nicht so, wie die Berliner erhofft hatten.
Bei dem Bürgerbegehren gegen die Bebauung der Buckower Felder übergab der Bezirk, als es mit den Bürgern ungemütlich wurde, flugs die Verantwortung an den Senat. Müller nahm dankend an, und das Bürgerbegehren, das auf Bezirksebene durchgeführt wurde und durchaus Aussicht auf Erfolg hatte, war hinfällig.
Ein verheerendes Signal, zeigt es doch der Bevölkerung, dass die Politik nach wie vor nicht willens ist, sich auf einen Dialog mit ihnen einzulassen und Kompromisse zu suchen.
Wenn die Bürger aufmüpfig werden, kehrt die Politik nach wie vor gerne den Obrigkeitsstaat heraus. Bei solchen Entscheidungen ist es wenig verwunderlich, wenn das Volk der Politik mit immer größerem Mißtrauen begegnet.

Marianne Rempe

Elternzeit auf Steuerkosten

Die Flexibilisierung der Elternzeit durch das »Elterngeld Plus« ist zu begrüßen. Auch wenn Angestellte in kleinen Unternehmen mit bis zu 15 Mitarbeitern keinen gesetzlichen Anspruch haben. Und auch, wenn die Elternzeit nur bis zu einem Alter des Kindes von acht Jahren wahrgenommen werden kann.
Aber wie war es denn vor 25 Jahren? Damals gab es den Erziehungsurlaub. Flexibel war der ganz und gar nicht. Er musste gleich nach der Geburt des Kindes beantragt werden, und danach hatte damals in der Regel die Mutter einen gesetzlichen Anspruch auf irgendeinen Arbeitsplatz im Unternehmen.
Finanziert wurde der Erziehungsurlaub von den Krankenkassen. Die haben sich aus diesem Bereich völlig zurückgezogen. Das heutige Elterngeld wird aus Steuermitteln finanziert.
Die Signalwirkung ist dabei gut, denn so wird deutlich, dass Kinder bekommen und Kinder finanzieren eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die alle Steuerzahler betrifft.

Petra Roß

Vier Jahre Kiez und Kneipe

Vier Jahre wird die Kiez und Kneipe nun alt. Die Anfänge waren recht holprig, das Redaktionssteam musste sich finden und zurechtruckeln. Die monatliche Druckrechnung musste bezahlt werden. Diese Finanzierung war noch gar nicht gesichert.
Die ersten Anzeigenkunden, die uns aus reiner Symapathie und den Glauben an eine Kiezzeitung unterstützten, ermöglichten den Start für die Zeitung. Sie waren es, die uns den Glauben schenkten, dass es weiter gehen kann.
Inzwischen konnte die Auflage verdreifacht werden und Anzeigenkunden erkennen, dass es ihrem Unternehmen hilft, über eine Anzeige in der Kiez und Kneipe wahrgenommen zu werden.
Das Redaktionsteam ist zu einer Gruppe zusammengewachsen, die gerne die Diskussion sucht und diese hitzig führt. Gleichzeitig verliert dabei kein Mitglied den Humor, so dass am Ende alle gewinnen. Neue Schreiberlinge sind immer herzlich willkommen. Sie sind es dann auch, die das Team wachrütteln, neue Fragen stellen und neue Perspektiven einbringen.

Petra Roß

Der lange Gang durch die Studien

Milieuschutz ist ein schwaches Instrument zur Vermeidung hoher Mieten. Das Verfahren, bis diese Maßnahme durchgeführt wird, bedarf der Vorstudie und der Studie über ein ausgewähltes Gebiet. Bis der Anfang der Umsetzung möglich ist, verstreicht viel Zeit.
Zunächst ist nun der Reuterkiez, der bereits massiv von Luxusmodernisierung betroffen ist, ausgewählt worden. Danach wird im Schillerkiez untersucht, ob Milieuschutz notwendig ist. Das Verfahren beginnt im folgenden Jahr. Bis es zur Umsetzung kommt , kann es so lange dauern, dass Milieuschutz gar nicht mehr gebraucht wird, weil die Mieten wie bereits im Reuterkiez schon in astronomische Höhen geklettert sind.
Im Juni 1996 beschloss die BVV schon einmal den Milieuschutz – damals für die städtebauliche Eigenart sowie die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung des Gebietes »Schillerpromenade«. 2001 wurde dieser jedoch wieder aufgehoben. Irgendwie drängt sich der Gedanke auf, dass eine Verzögerung gewollt ist. 

Petra Roß

Für mehr Trinkwasserbrunnen!

Die Idee, Berlin mit Trinkwasserbrunnen auszustatten, ist gut und sollte schnell umgesetzt werden. Es ist nicht nur im Interesse der Bürger, auch die Berliner Wasserbetriebe haben ihren Nutzen davon. Bleibt ihnen doch jede Menge Wartungsarbeit an den sonst nicht ausreichend genutzten Rohren erspart.
Ein bisschen komisch ist nur der Weg dahin. Im Angebot sind Laufkilometer, die ambitionierte Berliner anlässlich der massenweise stattfinden Läufe spenden sollen (S.4). Billiger kann Werbung nicht sein, wenn die Spender mit einem Sticker der Wasserbetriebe versehen werden. Die Läufer sind dann als kostenneutrale Werbeträger in der Stadt unterwegs.
Der Blick nach Wien zeigt dagegen, dass es auch ohne geht. Die Entscheider der Stadt sind von der Sinnhaftigkeit der ungefähr 900 dort stehenden Trinkwasserbrunnen überzeugt.
Schön wäre, wenn sich auch der Berliner Senat als Projekt auf die Fahnen schriebe, unsere Stadt zu einer Brunnenstadt zu machen.

Petra Roß

Setzt die BVV falsche Signale?

Die Bezirksverordnetenversammlung hat auf ihrer letzten Sitzung vor den Sommerferien beschlossen, dass auf die Belegungsbindung in Nordneukölln für die nächsten zwei Jahre verzichtet werden kann.
Die Belegungsbindung ist ein Instrument des sozialen Wohnungsbaus und zieht das Anrecht auf Wohnberechtigungsscheine nach sich. Anspruch auf Wohnberechtigungsscheine haben Geringverdiener, die sich keine marktüblichen Mieten leisten können. Diese Scheine also gibt es im aufstrebenden Nordneukölln nicht mehr. Die Begründung der SPD/CDU-Zählgemeinschaft ist der Wunsch nach einer besseren Durchmischung.
Beim Erleben des Neuköllner Alltags ergibt sich dem Bürger jedoch seit Jahren ein ganz anderes Bild. Die Mieten steigen, es gibt zahlungskräftigen Zuzug aus Restberlin und Europa, der Potenziale für exklusive Orte schafft.
Das ist dann in Ordnung, wenn auch Platz für finanziell nicht so gut ausgestattete Menschen erhalten bliebe. Das jedoch scheint nicht im Sinne des Bezirks zu sein.

Petra Roß

Kinder auf den Stühlen der Macht

Die Bildungsstadträtin Franziska Giffey hat Mut bewiesen, als sie die Schüler von neun Neuköllner Schulen zur Diskussion »Wenn ich was zu sagen hätte, dann würde ich…« einlud. Diese jungen Menschen haben noch nicht das Verhalten erlernt, mit dem sich die Erwachsenen durch das Leben taktieren.Sie stellen unbefangen ihre Fragen und reden frei heraus und ohne Schnörkel über das, was sie stört.
Das mag nicht immer angenehm für die zuhörenden Erwachsenen sein, denn keiner hält den Erwachsenen besser den Spiegel vor die Augen, als es Kinder vermögen.
Wenn diese Veranstal­tung zu einer festen Institution würde, dann könnten aufmerksame Politiker ihre Sicht auf manche Dinge durchaus ändern.
Für die Kinder bedeutet es, dass sie wichtig genommen werden und das brauchen sie in dieser Welt, in der sie oft zu kurz kommen.

Petra Roß

»Im Namen des Volkes«

So beginnt jede Urteilsverkündung, der Souverän spricht ständig Recht. Die Berliner Verfassung sagt dazu in Artikel 2: »Träger der öffentlichen Gewalt ist die Gesamtheit der Deutschen, die in Berlin ihren Wohnsitz haben.« Und in Artikel 3.1: »Die gesetzgebende Gewalt wird durch Volksabstimmungen, Volksentscheide und durch die Volks­vertretung ausgeübt, die voll­ziehende Gewalt durch die Regierung und die Verwaltung sowie in den Bezirken im Wege von Bürger­entscheiden.«
Nun hat der Souverän Recht geschrieben. Das »Gesetz für den Erhalt des Tempelhofer Feldes« (THF-Gesetz) ist das erste Gesetz in der Berliner Geschichte, das vom Volk fürs Volk erarbeitet worden ist. Das ist eine Sternstunde der Bürgerbeteiligung.
Willy Brandt, Berliner Bürgermeister 1957 – 1966, wäre stolz auf uns Berliner: »Wir haben mehr Demokratie gewagt.«

Beate Storni

Mach neu!

Viele empfinden die Hasenheide mit ihren maroden Sitzgelegenheiten im Moment nicht gerade als das Gelbe vom Ei.
Eigentlich ist das schade, wurde doch gerade der Streichelzoo erweitert.
Endlich, nach wirklich langem Warten und vielen Eingaben, hat das Grünflächenamt offensichtlich eingesehen, dass es günstiger ist, die kaputten Bänke zu erneuern, als die eventuell aufkommenden Arztkosten zu begleichen, wenn eine der Bänke zusammenbrechen sollte.
Erst die Hartnäckigkeit der Bürger, die immer wieder darauf aufmerksam machten, dass etwas getan werden muss, hat die Politik aufgerüttelt.
Das zeigt eindrucksvoll, dass das bürgerliche Engagement viel dazu beiträgt, dass die Verwaltung nach Lösungen sucht. Denn hier wurde nicht nur gemeckert, sondern konkrete politische Arbeit geleistet. Hut ab!
Wie lange die neuen Bänke halten, bleibt abzuwarten. Aber ein Anfang ist getan.
Corinna Rupp

Abriss mit Folgen

Der Kiehlsteg ist für die Anwohner, die sich an den kurzen Weg über den Neuköllner Schifffartskanal gewöhnt haben, ein geliebtes Kleinod geworden. Dass er nun abgerissen wurde, ist verkehrstechnisch kein Problem, und die Stadt verändert sich nunmal permanent.
Auch wenn der Senat rechtlich nicht verpflichtet ist, die Anwohner über das Vorhaben zu informieren, so wäre es doch schön gewesen, wenn er es getan hätte. In einer Zeit, in der Bürger sich immer mehr dafür interessieren, wie sich ihr Umfeld ändert und gerne informiert werden möchten, darf die Frage nach dem politischen Instinkt des Senats erlaubt sein.
Wenn sich Bürger von Politikern übergangen fühlen, die von ihnen das Vertrauen erhalten haben, die Geschicke der Stadt zu leiten, dann stimmt da etwas nicht mehr.
Bleibt dem Senat nur noch die Hoffnung, dass die Bürger bis zur nächsten Wahl alles wieder vergessen haben.

Petra Roß

Bürgerwunsch und Wahlrecht

Die Volksbefragung zur Bebauung des Tempelhofer Feldes hat deutlich gemacht, dass sich Bevölkerungsgruppen beim Wahlrecht ausgeschlossen fühlen.
Da haben Menschen, die in dieser Stadt leben und hier eine Heimat gefunden haben, eine Meinung, jedoch nicht den richtigen Status. Sie haben entweder nicht die richtige Staatsbürgerschaft oder nicht das entsprechende Alter. Selbst EU-Bürger, die an Kommunalwahlen  teilnehmen dürfen, sind bei der Volksbefragung ausgeschlossen. Das liegt daran, dass hier Landeswahlrecht gilt.
Bei aller Diskussion darum, was Landes- und Kommunalwahlrecht unterscheidet, interessieren sich die Menschen doch für ihre Umgebung und möchten sich an den Entwicklungen beteiligen.
Vielleicht ist es nicht im Sinne der Politik, dass diese Gruppen zu Wort kommen. In der Tat, bequemer wird das Regieren dadurch nicht.

Petra Roß

Ringtausch bei Mietwohnungen

Es ist kein Geheimnis, dass in der Stadt Wohnungsmangel herrscht. Neben dieser neuen Erkenntnis, dass neue Wohnungen gebaut werden müssen, um die  Miethöhe in Grenzen zu halten, gibt es jedoch noch andere Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen.
Wenig diskutiert wird bisher der Ringtausch, der bereits von wenigen Wohnungsbaugesellschaften angeboten wird. Hier wechseln Mieter nach Bedarf die Wohnung und schließen dabei einen Mietvertrag zu den alten Konditionen ab.
Häufig ändert sich die Lebenssituation. Die Wohnung ist zu klein oder zu groß, ein Wechsel wird notwendig. Mit einem Ringtausch könnte zumindest eine bessere Ausnutzung der Wohnfläche erreicht werden, was Wohnungsneubau selbstverständlich nicht ausschließt.
Es bedürfte lediglich der Förderung durch den Senat, die Vermieter zu einer Plattform für den Ringtausch zu ermuntern.

Petra Roß

Engagement von unten

Ohne die Eigeninitiative der Sylvia Fee läge das Seniorenhaus im Rollbergkiez weiterhin im tiefen Dornröschenschlaf.
Gilles Duhem vom »Morus14« ist unermüdlich dabei, die Schularbeitenhilfe für Rollbergkinder voranzutreiben. »Mieter kochen für Mieter« ist eine Institution geworden, bei der Berliner Promis ihre Kochkünste unter Beweis stellen dürfen.
Die Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« wurde von einer Handvoll Menschen gegründet und sammelt nun Hunderttausende Unterschriften für das Volksbegehren für die Erhaltung des Tempelhofer Feldes.
Selbst die Gründung der Kiez und Kneipe geht auf wenige Menschen zurück, die eine Zeitung machen wollten.
Allen ist gemein, dass das Engagement von wenigen oder Einzelpersonen ausging, die im Schneeballsystem Menschen zum Mitmachen begeistern konnten. Das ist ein besonderes Merkmal für Neukölln und so soll es auch 2014 sein.
Petra Roß

Der Platz vor der Sparkasse

Als der Oberbürgermeister der Stadt Hof 1982 die Bitte an den Berliner Senat herantrug, einen Platz, eine Straße oder einen Weg nach der fränkischen Stadt Hof zu benennen, berief er sich auf den Leserbrief eines Hofers, der in Berlin lebte.
Dieser Leser brachte sein Anliegen so auf den Punkt: »Durch die Situation der deutschen Teilung ist Hof fast zu einem Vorort Berlins geworden.« Und weiter: »Hof ist darüber hinaus auch die zweite Heimat des RIAS.« Tatsächlich machten viele WestBerliner in der Gegend um Hof im Frankenwald Urlaub, ebenso im nördlicher gelegenen Helmstedt.
Eine Helmstedter Straße befindet sich in Charlottenburg. Dieser Name wird nicht in Frage gestellt.
Allerdings ist selbst der Name »Platz der Stadt Hof« nie von den Neuköllnern angenommen worden. Es war immer der »Platz vor der Sparkasse«.
Eigentlich kann sich die BVV daher die Umbenennung in »Alfred-Scholz-Platz« sparen. Petra Roß

Kiezbewohner in Rage

 Hoch ging es her in der Genezarethkirche, als im Rahmen der »Woche des Besuchs« zum Thema »Aufwertung für alle – geht das?« Bürger und Podium miteinander diskutieren wollten.

Allein der Eingangsfilm, in dem die Situation im Schillerkiez beschönigt wurde, brachte Teile des Publikums in schäumende Wut. Verständlich, wenn die Realität ganz anders erlebt wird. Dass es gerade junge Menschen waren, die nicht diskussionsbereit waren, zeugt davon, dass sie offenbar die Erfahrung machen mussten, dass Diskussionen mit Politikern konsequenzfrei sind. Es ändert sich ja doch nichts. Und wenn Politiker und Interessenvertreter der Wirtschaft gekonnt auf Nebenkriegsschauplätze ausweichen, wer will da noch diskutieren?

Andererseits gab es bei der Veranstaltung durchaus Kiezbewohner, die das Anliegen hatten zu diskutieren. Ihnen wurde die Veranstaltung nicht gerecht. Für sie war der Abend missglückt. Petra Roß

 

Gentrifizierung der Feldlerche

Das geht nun aber wirklich zu weit, dass »Grün Berlin« die Gentrifizierung von 35 Feldlerchenpärchen nach Brandenburg beschließt.
Bekanntermaßen leidet Brandenburg unter industrieller Landwirtschaft, was das Aussterben etlicher Vogelarten zur Folge hatte. Die Verhältnisse haben sich im Laufe der Zeit umgekehrt. Die Vogelvielfalt in den Städten ist heute größer als auf dem Land. Dort herrscht in den frühen Morgenstunden Stille. Kein Vogel, der da singt, dafür Monokultur und Pestizide.
Dahin also will »Grün Berlin« die Vögel aussiedeln, in eine fragwürdige Zukunft. Wahrscheinlich denken die sich, dass sie sich so gegenüber den Vögeln verhalten können wie Hausbesitzer und Investoren gegenüber Neuköllner Mietern, die diese erfolgreich  und von der Politik unterstützt, vertreiben.
Aber, und das soll eine Warnung sein: Die Neuköllner schlafen nicht. Petra Roß

Löbliche Ehrenämter

Feierlich  wurde im Dezember, wie jedes Jahr, die Ehrennadel an Bürger verliehen, die sich durch besonders gesellschaftliches Engagement hervor getan haben.

Es ist gut, dass es diese Menschen gibt, die drei Kategorien bedienen. Die einen bringen besondere persönliche Leistungen, die Vorbildcharakter haben. Die nächsten verwirklichen Ideen, die anderen Menschen nutzen. Sie bewirken sogar manchmal die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Die dritte Kategorie kennzeichnet sich dadurch, dass bewusst  staatlicherseits Ehrenamtliche  in sozialen Einrichtungen eingesetzt werden. Hier werden ureigene staatliche Aufgaben durch das Ehrenamt ersezt.

Gäbe es die engagierten Bürger, egal ob freiwillig oder vom Jobcenter eingesetzt, nicht mehr, bräche so manche Kita, manches Pflegeheim, Hospiz und andere Einrichtungen zusammen. Das wäre dramatisch, die Vorstellung jedoch würde sicherlich einen lauten Aufschrei in der Gesellschaft auslösen.           

Petra Roß

Viel Schule zu Weihnachten

Die Themen der Weihnachtsausgabe der Kiez und Kneipe sind in keiner Weise weihnachtlich, eher schullastig. Da gibt es die Leuchtturmprojekte wie der Flugsimulator, der in der Alfred-Nobel-Schule gebaut worden ist. Die Mehrzweckhalle auf dem Campus Rütli wurde feierlich eingeweiht. Die Schulsportlerehrung zeigt die sportliche Seite Neuköllns. Für alle diese Projekte musste Geld in die Hand genommen werden, sei es von Spendern, dem Bezirk oder über Drittmittel. Nicht zu vergessen ist das große Engagement Einzelner.

Da gibt es jedoch auch die Schattenseiten der Neuköllner Schullandschaft: Die Inklusion im Bildungsbereich ist verordnet, das Geld  für die Umsetzung jedoch fehlt. Lehrer im Richardkiez arbeiten über ihre Kapazitätsgrenze, das Durchschnittsalter liegt über 50 Jahren. Wir wünschen uns für die Schüler im Bezirk, dass mehr Geld für Pädagogik und Schulausstattung fließt. Vielleicht hilft der Weihnachtsmann.

Petra Roß

Krankenhausreif geprügelt

Vor wenigen Tagen traf es einen Musiker in der Thomasstraße. Er wurde von Osteuropäern krankenhausreif geschlagen. Vor Kurzem  fuhr ein Journalist mit dem Fahrrad die Karl-Marx-Straße entlang. Er wurde von einem arabischen Autofahrer vom Drahtesel gerissen und zusammengeschlagen. Auch er musste im Krankenhaus behandelt werden. Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich im Reuterkiez in den frühen Morgenstunden, als ein Wirt seinen Arbeitsplatz verließ. Auch dieser Übergriff erforderte einen Krankenhausaufenthalt.

In allen drei Fällen ist nicht ersichtlich, warum die Männer deutscher Herkunft  zusammengeschlagen wurden. Geld rückten sie heraus, da war also nichts mehr zu holen. Es kann sich nur um ein Maß an Aggressivität handeln, das erstaunt. Im wahren Sinne wurde hier blind zugeschlagen. Dafür gibt es keine Erklärung, aber auch keine Entschuldigung.
Petra Roß

In 100 Jahren nichts gelernt

Was vor 100 Jahren galt, soll auch heute Gültigkeit haben. 1911 wurden Mütter im »Rixdorfer Tageblatt« ermahnt, ihren Kindern in der dunklen Jahreszeit mit Unterhaltung die Zeit erträglicher zu machen.
Geändert hat sich nichts. Nach zwei Weltkriegen, der Frauenemanzipation und der Einführung von mobilen Telefonen und Computern sind wir heute so weit, dass über eine Herdprämie diskutiert wird.
Mütter sollen dafür belohnt werden, dass sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken, sondern sich in den eigenen vier Wänden mit ihnen beschäftigen. Später werden sie dann beschimpft, ihrem Erziehungsauftrag nicht gerecht geworden zu sein.
Klar, der Staat will Geld sparen. Aber alle wissen auch, dass die Folgekosten ernorm hoch sein werden, wenn Mütter, die nun wahrlich keine Erziehungsprofis sein können, allein gelassen werden.
Petra Roß

Wer nichts macht, macht was

Im September ist es wieder an der Zeit zu wählen, diesmal die Bezirksverordnetenversammlung und das Abgeordnetenhaus. Im Jahr 2006 lag die Wahlbeteiligung in Gesamtberlin bei 58%, in Neukölln dagegen nur bei 50%.
Es ist nachvollziehbar, dass die Entscheidung für eine Partei immer die Entscheidung für das kleinere Übel ist und somit unbefriedigend  für den Wähler. Damit hat sich der Wähler aber das Recht erworben, enttäuscht zu sein und seine Wahlpartei oder deren Gegner bei ihrer Arbeit zu kritisieren.
Die größte aller Parteien sind die Nichtwähler, die durch Nichtstun viel bewirken. So helfen sie den ganz kleinen Parteien, wie beispielsweise der NPD durch das Umverteilen der Nichtwählerstimmen leichter zu einem Sitz in den Gremien. Gewolltes Desinteresse schlägt somit um in gezieltes Handeln durch Nichtstun.  Dann sollten sich diese Nichtwähler aber auch mit Kritik am Handeln der Politiker zurückhalten. Auch wer nichts tut, tut etwas.

Same procedure as every year

Bereits im vergangenen Jahr hat der Bürgermeister und Finanzdezernent Heinz Buschkowsky wegen der Haushaltssperre die Verträge der freien Jugendträger gekündigt. Hinterher wurden diese wieder zurückgezogen und die Arbeit konnte fortgesetzt werden. Der Kollateralschaden waren entnervte Mitarbeiter, chaotische Planungen von jetzt auf gleich, eine Beschäftigungstherapie für die BVV, insgesamt viel verschleuderte Energie für nichts.
Obwohl unter der Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold  von den Grünen 2010  Einsparungen in noch nie dagewesener Höhe gelangen, wiederholt sich diese Prozedur in diesem Jahr. Der Bürger fragt sich völlig zu Recht, was das soll und fängt an zu mutmaßen.  Vielleicht meint er es gar nicht so und will seine politischen Mitstreiter in Form halten, ein gutes Instrument gegen Langeweile. Oder aber er hat etwas gegen die Grünen, wogegen aber spricht, dass beide Parteien viele gemeinsamen Ziele haben oder gerade deshalb.  Petra Roß

Das liegt ja so nah

Wie nah Ägypten eigentlich liegt, war dann am Sonntag nach dem Sturz von Hosni Mubarak auf dem Hermannplatz zu bewundern. Was eigentlich als Solidaritätsdemo gedacht war, wurde zur Jubelfeier – passenderweise an jenem Platz, an dem jedes Jahr der Umzug zum Karneval der Kulturen seinen Ausgang nimmt. Die Revolution am Nil ist nicht nur deshalb so nah, weil jedes Jahr Millionen von Deutschen ihren Urlaub in Ägypten verbringen. Im Gegenzug schickt zum Beispiel das Goethe­institut in Kairo jedes Jahr 2.000 Ägypter zum Studium nach Deutschland. Doch statt in ägyptischen Schulen landen die Absolventen später fast ausnahmslos in den Touristenhochburgen, weil sie nur dort Geld verdienen können. Sonst haben sie keine Perspektiven. Auch das hat zu den Verhältnissen in Ägypten beigetragen. Perspektiven zu entwickeln ist nun die eigentliche Aufgabe.
Peter S. Kaspar