Ein erinnerungskultureller Rundgang
Wo heute hochpreisige Wohnungen vermarktet werden, kamen bis vor zwanzig Jahren noch Babys auf die Welt.
Um die Geschichte der »Landesfrauenklinik & Hebammenlehranstalt« am Mariendorfer Weg wieder ins Gedächtnis zu rufen, lud Matthias Henkel, Leiter des Museums Neukölln, gemeinsam mit Kulturstadträtin Janine Wolter am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, zu einem erinnerungskulturellen Rundgang. Begleitet wurden sie von Thorsten Eckert, Prokurist der »Avila Management & Consulting AG«, dem Eigentümer des Geländes, und Robert Parzer, Historiker am Deutsch-Polnischen Haus, der über die Geschichte des ehemaligen Krankenhauses referierte.
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Das Krankenhaus, das bei der Eröffnung 1917 als eine der fortschrittlichsten Kliniken ihrer Zeit galt, wurde während der Zeit des Nationalsozialismus zum Zentrum für Zwangssterilisationen. Auf Grundlage des am 14. Juli 1933 erlassenen »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« wurden bis 1945 etwa 400.000 Menschen, die an einer körperlichen Behinderung oder geistigen Krankheit litten oder nur im Verdacht einer solchen standen, zwangsweise sterilisiert.
Auch die Ausbildung der Hebammen erfolgte im Sinne der Rassenhygiene. Das bedeutete, dass sie angehalten waren, sogenannte missgebildete Säuglinge zu melden. Oft wurden diese Kinder dann Opfer der Euthanasie-Verbrechen.
Im »Wohnpark St. Marien« erinnert heute nichts mehr an dieses dunkle Kapitel der Geschichte. Der Rundgang war daher auch als Auftakt zu einer weiteren Aufarbeitung der Geschichte seitens des Bezirks gedacht. Susann Worschech, Bezirksverordnete der Grünen, hat einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht, in dem das Bezirksamt gebeten wird, »Erinnerungs- und Informationszeichen zur NS-Vergangenheit der Klinik vor Ort zu installieren und dafür Sorge zu tragen, dass Bildungsträger diese in ihre Arbeit aufnehmen«.
Der Rundgang endete in der Silbersteinstraße am Stolperstein für Klara Jacob. Sie wurde im Mai 1940 im Rudolf-Virchow-Klinikum zwangssterilisiert. Kurz darauf wurde sie in die Landesanstalt Brandenburg (Havel) überwiesen, wo sie durch Kohlenmonoxid ermordet wurde. Um ihr Andenken zu ehren, legte Janina Wolter an ihrem Stolperstein fünf weiße Rosen nieder.
mr