Anstoß für positive Veränderung
Rita Süssmuth stößt wieder an. Anstoßen heißt für sie, Veränderungen zum Positiven zu bewirken, und dazu den Mut aufzubringen, Hindernissen zu begegnen. In ihrem aktuellen Buch »Über Mut« spricht sie wieder deutliche Worte, wohl zum letzten Mal, wie sie selbst sagt. Noch einmal setzt sie sich für einen vernünftigen und demokratischen Konsens aller demokratischen Menschen und Parteien ein.
Rita Süssmuth wurde 1937 geboren als Tochter einer christlich humanistischen Familie und wuchs im Bombenhagel auf. Nicht nur in ihrer Familie hieß es danach »Nie wieder Krieg«. Die Angst lernte sie als Kind im Krieg kennen. Ihr kann nur aktiv als Mut begegnet werden. Und den Mut dazu zeigt sie bis heute.
Rita Süssmuth, Dr.phil., war von 1985 bis 1988 Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1988 bis 1998 Präsidentin des deutschen Bundestages, die zweite Frau nach Annemarie Renger in diesem Amt.
Aus christlicher Überzeugung, geprägt von ihrer humanistischen Familie, trat sie der CDU bei, und sie war sehr fortschrittlich. Im männlichen Kabinett Helmut Kohl sorgte sie für Kontroversen, in denen sie sich durchsetzte. Ein erweiterter Familienbegriff, der sich nicht nur auf Verheiratete bezieht, bildete den Anfang. Die Auseinandersetzung um das Recht auf Abtreibung folgte, in der eine Fristenlösung mit Beratungspflicht zu verteidigen war. Kaum war das vorbei, ging es um das Erziehungsgeld in der Rente für Frauen über 60. Das sollte es aus männlicher Sicht nicht geben. Rita Süssmuth sah keine andere Möglichkeit, als außerparlamentarisch Verbündete zu finden und massiven Druck zu erzeugen, um die Anrechnung von Erziehungsjahren durchzusetzen.
Als Präsidentin des Bundestages gab sie weiterhin keine Ruhe. Zum Entsetzen nicht nur von Helmut Kohl sprach sie sich im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung für die Anerkennung der Oder-Neiße- Grenze als verbindliche Grenze aus, bevor dies völkerrechtlich geschah und wurde als »Vaterlandsverräterin« beschimpft, nicht die erste harte Anfeindung, die sie erlebte.
Die bleibende Botschaft ihres wohl letzten Buches: Im Leben, gerade im politischen, geht es nur mit dem Mut, anzustoßen gegen das Gängige und dadurch für verändernde Bewegung zu sorgen. Sie hat es parteiübergreifend und vielfach außerparlamentarisch getan. Von der Politik verlangt sie ehrliche Taten, die unpopulär sein können, doch von positivem Pragmatismus bewegt sind.
Rita Süssmuths aktuelles Buch regt an, unter demokratischen Menschen nach einem neuen gesellschaftlichen Zusammenkommen zu suchen. «Mein Vertrauen in die Tatkraft des Menschen ist stärker als meine Kritik an seiner Unvernunft.«
th
Rita Süssmuth, Über Mut, Vom Zupacken, Durchhalten und Loslassen,
Bonifatius Verlag 2024, 28 Euro